Zögernd griff ich nach einem der durchscheinenden Gebilde, das so klein wie eine Murmel war. Es fühlte sich nicht unangenehm an, samtig, beinahe wie die Haut einer Aprikose, und warm. Mir war ein wenig ekelig zumute, hatte ich doch kurz zuvor noch beobachtet, dass dieses Ding sich wie ein Lebewesen sachte bewegt hatte. Doch ich überwand meine Abscheu und biss hinein – und schmeckte eigentlich gar nichts – und dennoch schien dieses Ding seltsam süß zu sein, und gleichzeitig würzig, und wohltuend, entspannend auch, wie ein guter Schluck Wein oder Likör – und die geleeartige, lebendig wirkende Masse im Inneren bekam nun in etwa die Konsistenz von Gummibärchen. Ich schluckte und fühlte ein beinahe unwiderstehliches Verlangen nach einem weiteren Zeitkügelchen.
Caspisian nickte, als hätte er meine Gedanken gelesen. „Ja, diese Dinger haben schon ein gewisses Suchtpotenzial. Aber man muss streng darauf achten, nicht zu viel auf einmal davon zu essen. Zeitkapseln im Übermaß genossen haben eine höchst unangenehme Nebenwirkung. – So, jetzt muss ich die größere verstauen.“ Er wandte sich um und angelte nach einigem Suchen nach einem passenden Gefäß in einem der hohen Regale, wobei er mit einem leisen Schmerzenslaut zusammenzuckte.
„Was ist mit Ihnen? Haben Sie sich verletzt?“
„Vorgestern hat ein Historiker bei seiner durchaus interessanten Schilderung der Menschheitsgeschichte einige hunderttausend Jahre übersprungen, ich musste diese in einem besonders großen und schweren Glas verstauen, und da habe ich mir wohl ein wenig den Rücken verrissen.“
„Kann ich Ihnen helfen?“
Caspisian maß mich auf seiner Unterlippe kauend eine Weile prüfend, dann nickte er. Ich nahm das Glas vorsichtig in beide Hände und bugsierte es unter die Trichteröffnung.
„Ganz langsam entriegeln – richtig so. Und nun ganz sanft mit den Händen nachhelfen, bis die Zeitblase hineingerutscht ist. – Bravo! Du stellst dich geschickt an!“
Er musterte mich wieder einmal lange Zeit eindringlich, wie das wohl seine Art zu sein pflegte, dann nickte er und holte tief Luft, bevor er zum Sprechen ansetzte: „Weißt du, ich könnte hier Hilfe gebrauchen. Mit gut zweihundert Jahren bin ich zwar in dieser Welt hier nicht unbedingt alt, aber allmählich geht mir der Job in der LiZAS doch zusehends auf die Knochen. Wie wär’s, wenn du eine Weile bleibst, und mich unterstützt?“
Ich hatte mit Vielem gerechnet, nur nicht mit so einem Angebot. Ich war völlig baff und wusste nicht, was ich darauf sagen sollte. Caspisian zuckte mit den Schultern.
„Klar, damit habe ich dich jetzt völlig überfahren. Ich mach dir einen Vorschlag: Ich führe dich noch ein wenig herum und zeige dir, wo die Zeitkapseln gelagert werden, und du überlegst dir derweilen meinen Vorschlag.“
Fortsetzung folgt!


