… Ich kam trotz des Schnees und Matsch auf weiten Teilen des Wanderweges gut voran, und erreichte alsbald jenen Bereich nahe des Klausbachs, an dem sich in früheren Zeiten einmal eine Wildfütterung befunden hatte. Nun hat man dort einen Adler-Beobachtungspunkt mit Unterstand, Sitzbänken zum Erholen und zwei großen, handgeschnitzten, hölzernen Adlerköpfen errichtet. Denn seit etlichen Jahren schon horstet ein Steinadlerpaar genau gegenüber auf dem Teufelskopf genannten Vorgipfel der Reiteralm…
… Ein junges Pärchen, ausgerüstet mit ziemlich starken Ferngläsern, erzählte mir, dass sie die beiden Greifvögel gut sehen könnten, sie würden in einer verkrüppelten Bergkiefer direkt oberhalb der Steilwand sitzen. Für einen recht langen Moment bedauerte ich es sehr, nicht das stärkere 100-400er Teleobjektiv mitgenommen zu haben. Aber auf meinen Touren muss ich darauf bedacht sein, das Gewicht des Rucksacks möglichst gering zu halten…
… Dann war mir das Glück so was von hold, denn einer der Steinadler erhob sich in die Lüfte und drehte hoch über dem Teufelskopf schwebend seine Runden, und sein lautes Rufen erfüllte das Tal…
… Der Adler-Beobachtungspunkt befindet sich unweit jener Senke des Klausbachs, die in früheren Tagen mit feinstem, weißem Sand bedeckt war. Wir legten dort stets einen längeren Halt ein, damit mein Bruder und ich eine Weile spielen konnten. Wir gruben unsere Hände fest in den pudrigen Sand und genossen das kühle Gefühl auf der Haut, oder versuchten, schwere Steine hievend, Dämme zu bauen, und das klare, munter sprudelnde Wasser des Bachs umzuleiten, wobei wir uns gar manches Mal nasse Füße holten…
… Diese Senke gibt es nicht mehr. Ich stieg die paar Schritte zum Hochufer hinauf, um einen Blick auf den Klausbach zu werfen. Ein schmales Rinnsal wand sich durch das von großen Steinen bedeckte Bachbett. Das hatte ich ganz anders in Erinnerung!…
… Auch eine weitere Sehenswürdigkeit früherer Tage hat sich inzwischen verändert. Der sogenannte Heiratsstein hatte sich früher viel weiter südlich befunden…
… “Die Sage verspricht dem Heiratsfreudigen Eheglück im gleichen Jahr, wenn der lagernde Stein, gefasst an den seitlichen Kerben, dreimal um den großen Stein getragen wird. Wer wagt es?” Den Fußsspuren nach hatten es allein in den vergangenen Tagen Etliche gewagt… 😉
… Wenn sich auch so Manches auf dem altvertrauten Weg verändert hatte, so ist doch auch Etliches gleich geblieben. Die kleine Holzhütte zum Beispiel, in der früher Forstarbeiter Rast gemacht hatten, und die auch uns vor so langer Zeit stets als Ort zum Ausruhen gedient hatte. Nach jedem unserer Ausflüge hatte ich lange Weile davon geträumt, eines Tages in so einer Hütte zu wohnen…
… Hoch oben wehten wohl gar kräftige Winde, wie man an den aufgewirbelten Schneefahnen der Bergriesen ringsum erkennen kann. Der Adler war mittlerweile meinen suchenden Blicken entschwunden, doch manchmal konnte ich sein Rufen noch laut und deutlich vernehmen…
… Langsam näherte ich mich dem Zielpunkt meines Ausflugs. Davon werde ich euch demnächst berichten…
… Es zog mich wieder einmal gen Heimat. Der Süden Bayerns lag unter einer beinahe geschlossenen Hochnebelschicht. Deshalb hatte ich Bedenken, ob ich die geplante Tour wirklich antreten sollte, als ich am frühen Vormittag am Salzburger Hauptbahnhof eingetroffen war. Doch die Aufnahmen diverser Webcams im Berchtesgadener Land waren vielversprechend, so stieg ich in die Buslinie 840 und ließ mich zügig in die heimatlichen Gefilde kutschieren…
… Wieder einmal klarte sich der Himmel zusehends auf, nachdem der kleine Grenzort Markt Schellenberg passiert war. Es schien, als würden sich der Hohe Göll und der Kehlstein noch etwas verschlafen aus ihren weißen, weichen Wolkenkissen schälen…
… Nur wenige Minuten später wurde mir das nächste Highlight dieser Busfahrt zuteil: Nach der Enzianbrennerei Graßl macht die Bundesstraße eine Rechtskurve, und unmittelbar danach ragt der Watzmann in all seiner Pracht und Herrlichkeit in den Himmel…
… Nach nur einem Viertelstünderl Aufenthalt am Berchtesgadener Bahnhof ging es via Buslinie 846 weiter, Richtung Hintersee…
… Das schöne Ramsauer Barockkircherl St. Stephan vor dem Massiv der Reiteralm, aus dem Bus fotografiert, nicht vom berühmten Malerwinkel an der Ramsauer Ache aus. Denn dafür hätte ich aussteigen und dann eine Stunde lang auf den nächsten Bus warten müssen…
… Am Hintersee stieg ich aus und genoss zunächst einmal ein Weilchen den schönen Anblick. Im Süden ragt das Hochkaltermassiv empor, und die östlich gelegenen Berchtesgadener Berge Hoher Göll, Brett und Jenner spiegelten sich in den stillen Wassern…
… Ich ging ein Weilchen die Straße zurück und wandte mich dann gen Süden, Richtung Klausbachtal. In meinen Kindheits- und Jugendtagen bin ich mit der Familie sehr oft dort gewesen, es ist der Lieblings-Sonntagsausflug meines jüngeren Bruders und mir gewesen. Ich habe ungezählte schöne Erinnerungen an diesen Ort, und ich gab mich ihnen mit Freude hin, als ich auf das Klausbachhaus zu schritt, einem alten Bauernhaus, das am Eingang zum Nationalpark steht und als Informationszentrum dient. Vor 1995 war das Gehöft als Laroslehen bekannt gewesen, erbaut vermutlich im 14. Jahrhundert, und war in der Unterau zwischen Markt Schellenberg und Berchtesgaden gestanden…
… Nach etwa zweihundert Metern bog der Wanderweg von der Forststraße ab. Er war aufgrund der Niederschläge am vergangenen Wochenende großenteils mit festem Schnee bedeckt, so machte ich kurz Halt, um die vorsorglich mitgenommenen Schuh-Spikes anzulegen – eine sehr gute Anschaffung, die ich vor einer Weile getätigt hatte. Danach konnte ich frei und ungehindert ausschreiten, ohne ein Ausrutschen befürchten zu müssen…
… Da wo sich vor über fünfzig Jahren eine ausgedehnte Lichtung erstreckt hatte, über die mein Bruder und ich so gerne johlend im vollen Galopp gerannt waren, hat sich mittlerweile ein richtiger Wald gebildet! Ich stand eine Weile stumm schauend da. Über ein halbes Jahrhundert seit meinen Kindertagen! Und wie rasch ist sie in der Rückschau vergangen, diese lange, lange Zeit! Und wie wach sind sie immer noch, die Erinnerungen an so viele Klausbachtal-Ausflüge!…
… Ein fröhliches Zwitschern riss mich aus meinen Gedanken. Nach kurzem Suchen fand ich den kleinen Sänger, der auf dem Wipfel einer Tanne thronte. Es könnte eine Sumpf- oder eine Weidenmeise sein, ich bin mir da leider überhaupt nicht sicher…
… Immer wieder brandeten bauschige, weiße Hochnebelschleier an den Bergmassiven hoch, ent- und verhüllten Gipfel, Schroffen, Kanten…
… Und es dauerte nicht lange, da durfte ich das nächste Highlight meiner Wanderung erleben. Davon erzähle ich euch demnächst…
… Ich wünsche euch allen ein schönes und entspanntes Wochenende. Bleibt bzw. werdet gesund, lasst es euch wohl ergehen, seid gut zu euch und zu euren Mitmenschen…
… Solche Wortschöpfungen zählen zu den vielfältigen Gründen, warum es mir Wien so angetan hat. Unter einem Freiwilligen Durchgang versteht man in der Donaumetropole eine Passage durch einen oder mehrere Hinterhöfe, um einen Weg abkürzen zu können. In Salzburg würde man dergleichen als Durchhaus bezeichnen. Leider habe ich mir nicht die Zeit genommen, den Freiwilligen Durchgang von der Lerchenfelder- zur Neustiftstraße zu erkunden. Aber im Frühjahr ist bereits ein weiterer Wien-Aufenthalt geplant, und da möchte ich das unbedingt nachholen. Freiwillige Durchgänge gibt es übrigens in Österreichs Hauptstadt einige, ich habe im Internet einen guten Beitrag gefunden, der die schönsten und interessantesten vorstellt…
… Die Pension Lehrerhaus, in der ich zwei Mitte Dezember zwei Nächte verbrachte, liegt im 8. Wiener Bezirk, der Josefstadt. Dieses Gebiet wurde relativ spät besiedelt. Ein Gut namens Roter Hof war bis ins 17. Jahrhundert von ein paar Anwesen eines namenlosen Sprengels abgesehen das einzige nennenswerte Bauwerk. Zu Beginn des 18. Jahrhunderts wurde die Siedlung von der Stadt Wien erworben, doch erst 1850 eingemeindet. Man benannte sie nach dem Kaiser Joseph I (1678 – 1711). Im Laufe der Zeit entwickelte sich der Stadtteil zu einem Sitz des Bürgertums, viele Beamte leben dort und wissen die Nähe zum Rathaus, dem Parlament und dem Museumsviertel zu schätzen. Der 8. Bezirk ist der kleinste Wiens…
… Das Lehrerhaus befindet sich in der schmalen und eher unauffälligen Josefsgasse. Es war der Sitz des 1885 gegründeten Lehrerhausvereins, der es sich zum Ziel gesetzt hatte, jungen Pädagog:Innen während ihrer Ausbildung vorübergehend eine preiswerte Unterkunft zu geben. Es ist ein stattliches Jugenstilhaus mit einigen ziemlich beeindruckenden Treppenhäusern. Die ich allerdings nicht zu Fuß erkundet habe, ich bin immer ganz brav mit dem sehr engen, altertümlichen Lift gefahren… 😉
… Das Wetter war an meinem zweiten Tag in Wien nicht eben vielversprechend, es war bitterlich kalt, und dazu pfiff auch noch ein stürmischer Wind durch die Gassen. Keine guten Bedingungen, um wandernd die Stadt zu erkunden. So machte ich mich nach dem Frühstück auf den Weg ins nahe Museumsviertel…
… habe ich jetzt doch glatt eine Weile lang übersehen:…
… Seit meinem allerersten Beitrag Anfang September 2008 wurde mein kleiner Blog jetzt über eine Million mal angeklickt. Wer hätte das gedacht – ich am allerwenigsten. Denn als ich damals hier mit einer Kurzgeschichte startete, war ich felsenfest davon überzeugt, spätestens nach einem halben Jahr wieder das Handtuch zu werfen…
… Das ist jetzt nach einer ganz üblen Geschichte, die mir vor einigen Tagen widerfahren ist, und von der ich euch demnächst erzählen werde, ein wohltuender Stimmungsaufheller! Ich glaube, heute abend werde ich ein bisschen feiern…
… Ich wünsche euch ein wunderbares und erholsames Wochenende. Bleibt bzw. werdet gesund, habt es fein und lasst es euch wohl ergehen!…
… Gestern Abend, als ich mal wieder durch diverse TV-Kanäle zappte, musste ich bei einer Meldung ziemlich schwer schlucken: Michael Sergejewitsch Gorbatschow ist am 30. August nach langer, schwerer Krankheit in einem Moskauer Krankenhaus verstorben…
… Ich habe ziemlich viel Phantasie – aber wie Deutschland, Europa, vielleicht sogar die ganze Welt ohne das Wirken dieses Mannes heutzutage aussehen würde, kann ich mir nicht vorstellen – mag es eigentlich auch gar nicht. Wir verdanken ihm die Wiedervereinigung unseres Landes, und eine über Jahrzehnte währende Phase der politischen Entspannung zwischen Ost und West, der Abrüstung und das Ende des sogenannten Kalten Krieges…
… Ich hatte Anfang der Neunziger die ganz große Ehre, ihm einmal persönlich zu begegnen. Er war auf Kurzbesuch in München, und unser damaliger Ministerpräsident Max Streibl hatte ihn und seine Frau Raissa Gorbatschowa in die Bayrische Staatsoper eingeladen, zu einer Aufführung des “Wildschütz” – ich weiß noch jede Einzelheit so genau, als wäre es gestern erst gewesen. In der Pause gab es ein schönes Abendessen im großen Seitenstüberl des noblen Foyerrestaurants, in dem ich damals arbeitete. Die Lifttüren öffneten sich, und “Gorbi” samt Frau, Streibl und Gemahlin im Gefolge schritt den Mittelgang entlang. Die Gäste hatten sich erhoben, sie applaudierten frenetisch und jubelten. Gorbatschow genoss das sichtlich, er schüttelte unentwegt Hände, lächelte warmherzig, plauderte kurz mit ungezählten Leuten. Er war ja bekanntlich nicht sehr groß gewachsen – aber er hatte eine umwerfende, unfassbare, förmlich elektrisierende Ausstrahlung. Der Orchesterwart der Bayrischen Staatsoper hielt ihm die Rechte hin, nachdem Gorbatschow sie mit beiden Händen fest umgriffen und geschüttelt hatte, brach der Mann völlig überwältigt in Tränen aus…
… Alle meine Kollegen:Innen und ich durften den Sowjetirussischen Staatspräsidenten während des Diners kurz bedienen – ich war dazu auserkoren worden, seine leere Wasserflasche auszutauschen und ihm den Brotkorb zu reichen, er zwinkerte mir lächelnd zu, und als ich das Stüberl wieder verließ, war ich so stolz und voller Freude und Erregung, als hätte er mir die höchsten aller Orden verliehen. Ein wahrhaft unvergesslicher Moment…
… Mögen Sie in Frieden ruhen, Michail Sergejewitch Gorbatschow…
… Am Wochenende hat in einer gemütlichen, traditionsreichen Gaststätte in Bad Reichenhall unser 50-jähriges Klassentreffen stattgefunden. Lange hatte ich nach einer spontanen Zusage vor etlichen Wochen überlegt, ob ich überhaupt daran teilnehmen sollte, denn im Laufe der Jahre habe ich die Erinnerungen an jene Zeit beinahe völlig verdrängt, und was mir noch im Gedächtnis geblieben war, waren verschwommene und recht düstere Eindrücke aus meiner Realschulzeit…
… Am Samstag Vormittag machte ich mich gespannt auf die kurze Reise gen Südosten, die mich dank BRB und Deutscher Bahn wieder einmal ordentlich Nerven kostete: Eine Signalstörung unterwegs, mehr als eine Stunde Verspätung, vorzeitiges und überraschendes Ende der Zugfahrt statt im modern ausgebauten Salzburger Hauptbahnhof, wo ich mit meinem Rollator problemlos in die S-Bahn nach Reichenhall hätte umsteigen können, im alles andere als behindertengerechten Bahnhof Freilassing – man hatte uns Passagiere grade mal fünf Minuten zuvor darüber informiert. Als ich endlich händeringend in Freilassing einen (sehr liebenswürdigen) Service-Angestellten der DB aufgestöbert hatte, der mir die steilen Treppen von Gleis 1 zu Gleis 3 hinab und wieder hinauf helfen konnte, war ich eigentlich schon bedient genug, und wäre am liebsten wieder umgekehrt…
… Was für ein Glück, dass ich diesem Impuls nicht nachgegeben hatte! Wie viele andere Mitschülerinnen hatte ich meine Klassenkameradinnen der einstigen Kaufmännischen Realschule St. Zeno der Englischen Fräulein seit 25 Jahren nicht mehr gesehen. Allein beim Identifizieren anhand unseres Abschlussfotos aus dem Jahr 1972 hat es viele Überraschungen, Freude, Lachen und auch manch eine Träne gegeben. Wir hatten uns um drei Uhr nachmittags eingefunden, und saßen bis in den späten Abend zusammen. Und so nach und nach woben wir mit den Erzählungen von den längst vergangenen Tagen unserer Schulzeit einen lebhaften und farbenfrohen Teppich aus Erinnerungen und Eindrücken…
… Ganz besondere Freude hat es uns bereitet, dass eine unserer ehemaligen Lehrerinnen – Mater Moderata von den Englischen Fräulein, kurz Mo genannt – an unserem Treffen teilgenommen hat. Inzwischen an die Mitte Achtzig beeindruckte sie sehr durch ihren nach wie vor glasklaren Verstand, ihre vielschichtigen Interessen und nimmermüde Wissbegierde, und jene mütterliche Wärme, die sie bereits zu unseren Schultagen – damals hatte sie Stenographie und Maschinenschreiben unterrichtet – so besonders gemacht hatte…
… Nur wenige aus unserer Abschlussklasse haben an dem “goldenen” Jubiläum unseres Schulabgangs nicht teilgenommen, vier einstige Klassenkameradinnen sind leider bereits verstorben. Eine Mitschülerin hatte sogar den weiten Weg aus den USA, aus Virginia, auf sich genommen, um uns zu treffen…
… Trotz aller Heiterkeit und den Geschichten über einstige Streiche und lustige Begebenheiten kamen wir auch immer wieder auf jenen unseligen Krieg zu sprechen, der knapp 2.000 Kilometer von uns entfernt wütet und so unendlich viel bitteres Leid verursacht. Und immer wieder wurde uns bewusst, wie gesegnet wir als Mitglieder jener bislang einzigen Generation in unserem Lande sind, die ohne Krieg aufwachsen und sich entfalten durfte. Das machte diesen Samstag Abend in Bad Reichenhall zu etwas ganz besonders Wertvollem und Bewegendem…
… Wie zwei andere Klassenkameradinnen hatte ich mich im Gasthof Bürgerbräu in Bad Reichenhall über Nacht eingemietet, so konnte ich den Tag ohne jeden Zeitdruck und Anspannung genießen. Zusammen mit etwa einem halben Dutzend früherer Mitschülerinnen saßen wir bis zur Sperrstunde beisammen. Gebannt lauschten wir den Erzählungen einer ehemaligen “Internen” – so wurden jene Mädchen genannt, die in der Klosterschule untergebracht waren, im Gegensatz zu den “Externen”, die Tag für Tag zum Teil lange Fahrten mit Bus und Bahn auf sich nehmen mussten. Damals, vor fünfzig Jahren, herrschten in der Klosterschule St. Zeno eiserne Strenge und Drill – so etwas würde man heutzutage keinem jungen Menschen mehr zumuten. Im Stillen war ich zutiefst darüber erleichtert, dass ich mich seinerzeit mit aller Kraft gegen die Entscheidung meiner Eltern aufgelehnt hatte, mich als Interne anzumelden…
… Nach einem sehr ausgedehnten Frühstück mit meinen beiden ehemaligen Schulkameradinnen am Sonntag Morgen machte ich mich mit Rucksack, Rollator und Kamera auf den Weg durch die kleine Stadt, um noch mehr meiner Erinnerungen aufzufrischen. Und stand dann irgendwann vor der ehemaligen Kaufmännischen Klosterrealschule der Englischen Fräulein St. Zeno…
… Ich hatte den Gebäudekomplex als viel düsterer und größer in Erinnerung. Das runde Hauptportal in der Mitte des nun sehr ansprechend wirkenden, strahlend weißen Hauptgebäude durften wir als Schülerinnen damals nicht betreten. Wir mussten durch den sogenannten Schuhkeller, der sich rechts hinter dem Hauptbau befand – niemand, der vor fünfzig Jahren in St. Zeno zur Schule ging, wird den Geruch, der dort herrschte, jemals wieder vergessen… 🙂
… Das schöne Seitenportal – auch da blieb der Eintritt Gästen und Würdenträgern vorbehalten…
… Gleich am Eingang zum kleinen Friedhof liegt unsere ehemalige Schulleiterin begraben – Mater Merona Hammerschmidt. Sie war eine bemerkenswerte Persönlichkeit, von brillianter, messerscharfer Intelligenz, herrschsüchtig, gnadenlos streng, ungemein selbstbewusst. Sie war von kleinem Wuchs und ziemlich rundlich, doch sie konnte überraschend schnell sein. Wenn Mater Merona so rasch durch die weitläufigen Gänge der Schule flitzte, dass der Schleier ihres Habits waagrecht hinter ihr her wehte, dann war höchste Gefahr in Verzug!…
… Sie hatte genaue Vorstellungen, was ihr Ableben anbelangte: Es sollte schnell gehen, sie wollte “kein Fraß für Würmer” werden, und nicht in Deutschland beerdigt werden, und wenn doch, dann an einem Platz, von dem aus sie alles im Blick haben würde. Unmittelbar nach ihrer Pensionierung fuhr sie in die Schweiz, um dort Urlaub zu machen. Trotz der langen Reise wollte sie sich nach ihrer Ankunft noch auf einen Ausflug begeben. Beim Einsteigen ins Auto brach sie zusammen und verstarb binnen kurzem. Sie wurde in einem Zinksarg zurück nach Bad Reichenhall verbracht. Das einzige freie Grab befand sich direkt neben dem Eingang zum Friedhof, von wo aus man Straße, Kirche und Schule gut übersehen kann. Da es seinerzeit sehr heiß war, wurde sie überaus rasch beerdigt. So hatten sich ihre Forderungen an ihren “obersten Dienstherrn” beinahe buchstabengetreu erfüllt. – Ganz vorne, unter den blauen Blümchen ist ihre letzte Ruhestätte…
… In der Klosterkirche St. Zeno – die größte romanische Basilika Altbayerns. Rechts hinter dem Chorgestühl gab es einen Verbindungsgang zwischen der Schule, dem Konvent der Klosterfrauen und der Sakristei. Dort hat man uns mehr oder weniger brave Schäfchen immer in die Kirche gelotst, wenn wir an einem Gottesdienst teilnehmen mussten – für uns Externe war das nur einige Male während eines Schuljahrs, die Internen mussten pro Woche insgesamt dreimal zur Frühmessse um sieben Uhr morgens antreten…
… Das Institut St. Zeno der Englischen Fräulein in Bad Reichenhall war früher eine überaus renommierte Kaufmännische Realschule gewesen. Die weltberühmte Filmschauspielerin Vivien Leigh (Vom Winde verweht) hatte zu ihren prominentesten Schülerinnen gezählt. St. Zeno genoss einen solch guten Ruf, dass man bei einer Bewerbung nur zu erwähnen brauchte, dass man dort die Mittlere Reife erlangt hatte, und schon war einem der Job sicher. Was ging das seinerzeit einfach!…
… Ich werde jetzt noch eine Weile in den vielen Erinnerungen schwelgen. Und freue mich jetzt schon auf das nächste Klassentreffen, das in zwei Jahren stattfinden soll…
… Kommt gut in die neue Woche, bleibt bzw. werdet gesund, und habt es fein!…
… Ich hatte als Kind eine sehr üppig wallende Haarpracht, wenn ich sie offen trug, war sie so lange, dass ich mühelos darauf sitzen konnte. 😉 Meine Mutter flocht sie jeden Morgen zu zwei akkuraten Zöpfen – bis ich so um die zehn Jahre alt war. Dann wurde mir der lange und schwere Kopfschmuck sehr lästig und auch höchst hinderlich beim Fußballspielen, denn eine behende Stürmerin mittels Ziehen an den Zöpfen zu stoppen, galt seinerzeit nicht als Foul. 😉 So mopste ich eines Tages meiner Mutter zehn Mark vom Haushaltsgeld, und ließ mir fest entschlossen einen jungenhaften Kurzhaarschnitt verpassen…
… Dieses Foto entstand, als ich so acht, neun Lenze zählte, während eines Kinderfaschings. Ich war als Indianermädchen kostümiert, wobei die Vorstellungen meiner Eltern und mir, wie eine Squaw auszusehen hätte, recht weit auseinander klafften… 😉
… während langer, finsterer Herbst- und Winterabende ist das Kartenspiel Watt’n. Mein Vater und sein jüngerer Bruder haben’s mir beigebracht, als ich so zehn Jahre alt gewesen sein mochte…
… Es wurde – und wird hoffentlich immer noch! – besonders in ländlichen, bayerischen Wirtschaften und Gasthäusern an den Stammtischen ausgesprochen gerne – hm! – zelebriert, kann man schon fast sagen. Eine Schar Mannsbilder beim Watt’n und Kiebitzer (in die Karten Schauende) können einen ganzen Saal unterhalten, es wird geschauspielert, diskutiert, geschrieen, überboten, vor Ärger auf den Tisch gehauen, die Haare gerauft, es ist schlicht und ergreifend eine wahre Gaudi…
Das Spiel…
… ist das Altbayerische Kartenspiel, welches auch zum Schafkopfen verwendet wird, allerdings ohne die Sechsen…
…Die Farben (von links nach rechts): Eichel, Schelle, Gras und Herz…
… Am interessantesten und lustigsten ist Watt’n, wenn es zu Viert gespielt wird. Die beiden schräg gegenüber Sitzenden helfen jeweils zusammen…
… Dies sind die drei höchsten Trümpfe: Der Herzkönig, Max genannt, er sticht alles ohne Ausnahmen, der Schell-Siebener, der heißt Schelli bzw. Belli und sticht alles außer den Max, und der Eichel-Siebener, man bezeichnet ihn als Spitz oder Soacher, darf alle Trümpfe außer Max und Belli stechen…
… Es werden fünf Karten pro Spieler ausgeteilt, der linkerhand neben dem Geber platzierte bestimmt danach den Trumpf-Schlag, also As, König, Ober, Unter, Zehner etc., der Vordermann die Trumpffarbe…
… Hier lautet die Ansage des Schlags eindeutig As. Zwei “Kritische”, also Haupttrümpfe – Spitz und Belli – noch dazu, und einen Partner mit einem halbwegs guten Blatt auf der Hand, da hat man gute Chancen, dieses Spiel für sich zu entscheiden…
… Nun bestimmt der links oder gegenübersitzende Spieler die Trumpffarbe, quasi für die Gegenpartei. Und da gibt es keinen Zweifel, Eichel ist’s, man hat mit dem Gras-As insgesamt vier Trümpfe auf der Hand, zwar keinen “Kritischen”, aber verloren ist da noch gar nie nix!…
…Außerdem, wer weiß, was der Partner so alles zu bieten hat. Und jetzt wird’s drollig, weil sich nämlich die Spieler untereinander über die Stärke ihrer Karten informieren. Lautlos, mit Grimassen und Gesten. Ein Kussmund ist das Zeichen für den Max. Rechts zwinkern bedeutet Belli, links Spitz. Zucken mit dem rechten Zeigefinger: Man kann mit einem guten Trumpf aufwarten. Zucken mit dem Mittelfinger: Na ja, net schlecht, aber halt a nix Überwältigendes. Zucken mit dem kleinen Finger: Bloß a ganz a kloans Trümpferl. Augen gen Himmel verdrehen meint “Plafond”, man hat nix, aber auch gar nix Brauchbares auf der Hand…
… Eine Spiel zählt zwei Punkte, zwölf Punkte zählt eine Partie insgesamt, die Verlierer erhalten das sogenannte Pummerl. Beim dritten Stich wächst die Hochspannung. Welches Duo geht als Sieger hervor? Wenn eine “Mannschaft” gut zusammen agiert und sicher ist, dann kann sie “ausschaff’n”, das heißt, die Gegner zur Aufgabe auffordern: “Gemma!” oder “Schleicht’s euch!”. Haben die Angesprochenen nur mehr wenig zu bieten, dann werden sie daraufhin lamentierend, wehklagend oder fluchend wie die Fuhrknechte ihre Karten auf den Tisch werfen. Wenn sie allerdings davon überzeugt sind, noch so gut bestückt zu sein, um das Spiel doch für sich entscheiden zu können, dann entgegnen sie laut und barsch die Punktzahl steigernd: “Drei!” – “Vier!” – “Fünf!” Oh, oh! Der Gegner ist eine harte Nuss! Man kann sich hoch steigern, bis zwölf Punkte erreicht sind, dann heißt’s : “Ausg’schafft is’!” Und es folgt der Augenblick der Wahrheit…
… Vor Beginn der munteren Runde ist bereits entschieden worden, wie viele Pummerl insgesamt ausgetragen werden. Und was ein solches Pummerl wert ist, denn a bisserl a Belohnung soll’s nach so viel Einsatz von Hirn, Lautstärke, schauspielerischen Talenten, auch Muskelkraft schon geben! Es wird um Geld genau so gern gespielt wie um einige Runden Bier oder Schnaps. Ich meinerseits habe vor vielen Jahren einmal mit einem Ex-Chef als Partner um Frankenwein gewattet, pro Pummerl ein Bocksbeutel. Und wir hatten eine dermaßen starke Gewinnsträhne, dass ich danach die Lokalität auf allen Vieren verlassen musste…
Ich hoffe sehr, dass Watt’n, diese prächtige, zünftige, lebensvolle Gaudi, trotz hochmodernster elektronischer Spielereien auch heutzutage noch in den bayerischen Wirtschaften weiterhin gebührend gewürdigt wird…
… Wie ich neulich auf Facebook auf dieses Gedicht stieß, kam mir unverzüglich die Erinnerung daran, dass ich, als ich es so im Alter von vielleicht elf, zwölf Jahren zum allerersten Mal vorgetragen bekommen hatte, heulen musste wie ein Schlosshund. Ich hatte mir diese dramatischen Szenen an Bord der “Schwalbe” im weiten Eriesee so dramatisch vor meinem inneren Auge ausgemalt, und mit dem tapferen Steuermann John Maynard so sehr gelitten, dass ich völlig die Fassung verloren hatte. Mir ging das noch lange nach, auch nachdem man mir zur Beruhigung erzählt hatte, dass in der wahren Begebenheit, die diesem Gedicht zugrunde liegt, der Held der Geschichte überlebt hatte (auch wenn er später völlig verarmt und verwahrlost als Trinker gestorben ist)…
John Maynard! ” Wer ist John Maynard?” ” John Maynard war unser Steuermann, aus hielt er, bis er das Ufer gewann; er hat uns gerettet, er trägt die Kron’, er starb für uns, unsre Liebe sein Lohn. John Maynard!” —
Die “Schwalbe” fliegt über den Erie-See, Gischt schäumt um den Bug wie Flocken vom Schnee, von Detroit fliegt sie nach Buffalo; die Herzen aber sind frei und froh, und die Passagiere mit Kindern und Frau’n im Dämmerlicht schon das Ufer schau’n und plaudernd an John Maynard heran tritt alles: “Wie weit noch, Steuermann?” Der schaut nach vorn und schaut in die Rund’: ” Noch dreißig Minuten…Halbe Stund’.”
Alle Herzen sind froh, alle Herzen sind frei — da klingt’s aus dem Schiffsraum her wie Schrei; ” Feuer!” war es, was da klang, ein Qualm aus Kajüt’ und Luke drang, ein Qualm, dann Flammen lichterloh, und noch zwanzig Minuten bis Buffalo.
Und die Passagiere, bunt gemengt, am Bugspriet stehn sie zusammengedrängt, am Bugspriet vorn ist noch Luft und Licht, am Steuer aber lagert sich’s dicht, und ein Jammern wird laut: “Wo sind wir? Wo?” Und noch fünfzehn Minuten bis Buffalo.
Der Zugwind wächst, doch die Qualmwolke steht, der Kapitän nach dem Steuer späht, er sieht nicht mehr seinen Steuermann, aber durchs Sprachrohr fragt er an: ” Noch da, John Maynard?” ” Ja, Herr. Ich bin.” ” Auf den Strand! In die Brandung!” ” Ich halte drauf hin.” Und das Schiffsvolk jubelt: “Halt aus! Hallo!” Und noch zehn Minuten bis Buffalo.
“Noch da, John Maynard?” Und Antwort schallt’s mit ersterbender Stimme: “Ja, Herr, ich halt’s!” Und in die Brandung, was Klippe, was Stein, jagt er die “Schwalbe” mitten hinein; soll Rettung kommen, so kommt sie nur so. Rettung: Der Strand von Buffalo.
Das Schiff geborsten, Das Feuer verschwelt. Gerettet alle. — Nur einer fehlt! —
Alle Glocken gehen; Ihre Töne schwell’n himmelan aus Kirchen und Kapell’n, ein Klingen und Läuten, sonst schweigt die Stadt, ein Dienst nur, den sie heute nur hat: Zehntausend folgen oder mehr, und kein Aug’ im Zug, das tränenleer.
Sie lassen den Sarg in Blumen hinab, mit Blumen schließen sie das Grab, und mit goldner Schrift in den Marmorstein schreibt die Stadt ihren Dankspruch ein:
“Hier ruht John Maynard. In Qualm und Brand hielt er das Steuer fest in der Hand, er hat uns gerettet, er trägt die Kron’, er starb für uns, unsre Liebe sein Lohn.
… Welche vermeintlich wertlose Sache bedeutet dir sehr viel? Das will Aequitas et Veritas in der neuen Folge ihrer Blog-Challenge wissen…
… Nun, da muss ich gar nicht lange überlegen. Vor etwa 55 Jahren bekam ich von meinen Eltern ein Spiegelteleskop zum Geburtstag geschenkt. Dieses Teil existiert immer noch, auch wenn inzwischen die Optik völlig verzogen ist, und es mitten in der Großstadt nur wenig Sinn macht, die Sterne zu beobachten. Es begleitete mich auf meinem früheren, ziemlich unsteten Leben, bis wir beide hier in meiner kleinen Bude vor ziemlich genau 32 Jahren ein beständiges Zuhause fanden. Seitdem ist es die Zierde meines wuchtigen Schreibtisches. Es erinnert mich immer wieder an klare, kühle Nächte in der Heimat, als ich zusammen mit meinem besten Spezl und Blutsbruder voll kindlicher Freude und Wissensdurst und auch tiefer Ehrfurcht das unendlich ferne Weltall erforschten…
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