… Während sich die Zahl der Besucher meines Blogs langsam der 50.000 nähert – vielleicht ist es heute Abend sogar schon so weit – sitze ich gemütlich hier an meinem großen und dennoch mit allerlei Krimskrams überfüllten Schreibtisch und lasse meine Gedanken ein wenig wandern. Zurück an den Anfang…
… Dazu muß ich ausholen: Zwischen Juni 2006 und Juli 2008 war ich arbeitslos. Eine fünfzigjährige Bedienung mit über dreißig Jahren Berufserfahrung und sogar einem Meisterbrief in der Tasche. Etwas übergewichtig und leicht hinkend und einem Lebenslauf, in welchem eben etwas mehr als nur eine knappe Handvoll früherer Arbeitsverhältnisse aufgelistet waren. Verbissen und unermüdlich schrieb ich Bewerbungen, führte Vorstellungsgespräche, arbeitete zur Probe, sehr oft ohne Bezahlung. Niemand wollte mich einstellen. Ich kontaktierte die zuständige Sachbearbeiterin der Agentur für Arbeit: „Wenn ich einen Fortbildungs-Gutschein für einen Computerkurs bekommen würde, das würde sicherlich meine Chancen für eine erfolgreiche Bewerbung verbessern…“ Ich sprach persönlich vor, telefonierte mit der Dame, schrieb mehrere Bittbriefe – ohne jeglichen Erfolg…
… Ich hatte bislang um alles, was mit Hardware, Software, WorldWideWeb etc. zu tun hat, einen Riesenbogen geschlagen. Trotz, Sturheit, Ignoranz, Dummheit – ich hatte mich ganz einfach mit diesem neuen Medium nicht anfreunden wollen. Nun dämmerte mir allerdings, daß mir nichts anderes übrig bleiben würde. Der Förderkreis für Erwachsenenbildung bot einen „Einsteiger-Computerkurs 50 +“ an. Arbeitslose und Hartz-IV-Empfänger durften die ca. 600 Euro Gebühren in zwölf zinsfreien Monatsraten abstottern. Ich zeigte der uneinsichtigen Arbeitsagentur innerlich den Stinkefinger und meldete mich an. Unsere erfreulich kleine Gruppe – wir waren grade mal zu Zehnt – wurde von einem jungen Dozenten geleitet, der voller Elan unterrichtete, auch sehr gewissenhaft und anschaulich erklären konnte…
… Ich fing Feuer, begann, mich nach Ablauf der Schulung regelmässig in Online-Café’s „herum zu treiben“, und erstand, nachdem ich endlich wieder einen festen Job gefunden hatte, einen Laptop, dessen Preis nach den Weihnachtsfeiertagen unwiderstehlich herunter gesetzt worden war. Monatelang gab’s lediglich das ultralangsame Internet per analogem Telefonanschluß. Dann, im Sommer 2008, kam DSL 6000. Mit dem netten Dozenten bin ich in lockerer Verbindung geblieben, er hatte mich ein paarmal besucht, um mir bei Software-Installationen und anfänglichen Internet-Problemen behilflich zu sein. Dabei kamen wir auch mal zufällig auf meine Schriftstellerei zu sprechen. „Warum hast du eigentlich noch keinen Blog?“, wollte er wissen. Ich machte große Augen. „Blog? Was ist das jetzt eigentlich genau?“ Ein Freund, der nach wie vor alles, was mit dem Internet zusammen hängt, verabscheut wie der Teufel das Weihwasser, hatte mich mit düsteren Schilderungen vor den Gefahren der sogenannten Blogs mehr als einmal eindringlich gewarnt! „Das ist ähnlich wie eine Homepage. Aber mit viel mehr Gestaltungsmöglichkeiten. Du kannst ein Online-Tagebuch führen, das machen Viele. Du kannst Kochrezepte und Strickmuster genauso veröffentlichen wie deinen Tagesablauf. Du kannst deine Beziehungskisten ausbreiten usw. usw. – Für dich wäre ein Blog optimal, um deine Schreibereien etwas bekannt zu machen.“, meinte mein Dozent. Er kritzelte „WordPress“ auf einen Zettel. „Hier – das kann ich dir wärmstens empfehlen.“…
… Zwei Monate nach diesem Gespräch geriet mir während einer sehr halbherzigen Stöberei das Papierchen wieder zwischen die Finger. Verzagt drehte und wendete ich es ein Weilchen. „WordPress“… Es siegte die Neugier. Nur wenige Minuten später hatte ich meinen Blog „freidenkerin“ eröffnet. Wie neu das alles war! Wie aufregend! Wie verstörend auch! Mit fliegenden Fingern, von einer gehörigen Portion Selbstzweifel und Misstrauen gebeutelt, tippte ich am 13. September 2008 den ersten Beitrag, eine Kurzgeschichte aus meiner Heimat, die mittlerweile ihren Weg in mein Buch „Die Spanschachtel“ gefunden hat. Ganze fünf Mal ist dieser Post angeklickt worden. Einige Tage später folgte der erste Kommentar. Vor lauter Verzagtheit, etwas falsch zu machen, getraute ich mich nicht, ihn zu beantworten…
… Doch ich war eifrig bereit, dazu zu lernen. Bei den täglichen, spannenden, aufregenden Streifzügen durch die schier unermessliche Blogger-Landschaft begriff ich, wie man am besten miteinander kommuniziert, wie Posts gestaltet, bearbeitet werden, das Downloaden von Fotos, die gepflegte Nettikette, derer man sich tunlichst bedienen sollte, ich gewöhnte es mir an, ohne Scheu auf anderen Blogs zu stöbern, durfte nach einer Weile sogar die ersten Stammleser begrüßen. Das „Stützkorsett“ für meine Aktivitäten bildeten die Kurzgeschichten und Erzählungen, die ich in den Jahren zuvor zu Papier gebracht hatte. Etliche Male, wenn ich wieder eine meiner Schöpfungen in die Tasten gehauen hatte, krochen Bangigkeit und Selbstzweifel in mir hoch. Na ja, diese Bloggerei geht jetzt so lange gut, bis dein Vorrat an Schreibereien aufgebraucht ist. Und dann wird Schluß sein. Schade drum. Nach so vielen Jahren hast du endlich eine Möglichkeit gefunden, deine Kreativität mit anderen zu teilen – aber leider wird das Vergnügen nicht von Dauer sein…
… Wie schön, daß man sich bisweilen so herrlich irren kann! Mittlerweile steht mein Blog ohne jegliches Korsett alter G’schichten. Aus Hemmungen, falscher Selbsteinschätzung und Misstrauen sind Vertrauen, Begeisterung und eine ganz große Freude zur beinahe täglichen Gestaltung geworden. Mich hier entfalten und ausdrücken zu können, sei es mittels Bild oder Schrift, bedeutet mir so viel. Ich habe während der vergangenen, gut dreizehn Monate viele neue Menschen kennen lernen dürfen, einige von ihnen auch real, nicht nur virtuell. Und es entwickeln sich sogar Freundschaften. Mit einigen wenigen, anfänglichen Fingertippern und Mouseklicks habe ich mir einen wahren Schatz erschlossen. Ich bin so dankbar dafür…
Edit: Die letzten beiden Besucher meines Blogs – es ist jetzt 21:28 – werden jetzt virtuell ganz doll geherzt und geknutscht von mir! Und – Flump!!! – da knallt auch schon der Korken aus der Flasche Unternehmerbrause! 50.001 Klicks! Det is dufte, det is knorke, wa! Ick freu mia so! Nie und nimmer hätte ich mir so etwas erträumt! Dankeschön euch allen!






