… der TU München und des Klinikums Rechts der Isar ist in meinem Falle Mitte Januar mit einem Ergebnis abgeschlossen worden. Gestern wurde ich von meiner Neurologin im Friedrich Baur Institut für Muskelerkrankungen über die daraus gewonnenen Erkenntnisse informiert…
… Nach eindreiviertel Jahren hat „das Kind nun einen Namen“, will heissen, die lange und ausführliche Forschung nach der Ursache und der Art meiner Muskelerkrankung hat endlich einen Treffer erzielt. Bei der Untersuchung meiner DNA hat sich heraus gestellt, dass ein Gen namens Titin mutiert ist, und somit eine Fehlfunktion aufweist. Titin ist für die Bildung jener langen Eiweiß-Molekül-Ketten verantwortlich, die zum Bau von Muskelgewebe verwendet werden. Die genaue Bezeichnung meiner Form von Muskelschwund lautet Tibia-Dystrophie, und sie tritt nach Angaben meiner Neurologin vom FBI äußerst selten auf…
… Eine Tibia-Dystrophie ist nicht behandelbar, lässt sich nicht aufhalten, ist nicht heilbar. Der Abbau vor allem der Beinmuskulatur ist langsam aber kontinuierlich fortschreitend. Das macht mir seelisch grad ein wenig zu schaffen. So lange keine klare Diagnose vorlag, hatte ich ja trotz aller vorläufiger negativer Prognosen nie ganz die Zuversicht aufgegeben, dass es sich um eine heilbare Krankheit handeln würde, oder dass sich der Verlauf zumindest stoppen lassen würde. Diese Hoffnung muss ich nun ein- für allemal begraben…
… Natürlich habe ich gestern der Neurologin vom FBI sofort kund getan, dass ich mich gerne als Teilnehmerin für sämtliche Heilmittel-Studien zur Verfügung stellen würde, sei es zur Erforschung von Medikamenten oder auch der Genschere CRISPR-Cas9. Man würde mich in jedem Fall anschreiben, bekam ich zur Antwort. Allerdings seien der Andrang der freiwilligen Probanten bereits jetzt sehr groß, und die Auswahlkriterien überaus streng…
… So heisst es nun, die Diagnose zu akzeptieren und damit zurecht zu kommen. Aufstehen, den Staub von der Schleppe klopfen und das Krönchen richten. Und das Leben nach wie vor so weit als möglich genießen – auch wenn mir das von der Deutschen Rentenversicherung Bayern Süd zur Zeit recht schwer gemacht wird…
… Gestern nachmittag hatte ich meinen Termin in der nahen Radiologie-Praxis. Eine Stunde später stiefelte ich mit den Bildern im Rucksack zurück nach hause. Und verbrachte danach eine schlaflose Nacht. Immer wieder trieb es mich aus dem warmen Bettchen, immer wieder musste ich die Aufnahmen mit akribischer Genauigkeit studieren, sie mit jenen von Hypophysen- und anderen Tumoren vergleichen, die ich im WWW gefunden hatte. Als absoluter Laie wurde ich daraus natürlich überhaupt nicht schlau, kein Wunder also, dass mich das noch mehr umtrieb…
… Obwohl ich wie gerädert war, machte ich mich am Vormittag auf den Weg zum Neurologen. Ich redete gar nicht lange um den heissen Brei herum, sondern drückte dem Jüngling am Empfang unverzüglich das große Bilder-Kuvert in die Hand. Man hieß mir, zu warten. Und dann gewährte mir mein Doktor ohne viel Federlesen eine lange Audienz von fast einer halben Stunde. Er teilte mir freundlich und behutsam mit, dass ich mir bezüglich meines Hirnkastls überhaupt keine Sorgen zu machen bräuchte, da sei alles in bester Ordnung und weit und breit nichts von einem Tumor oder anderen bösen Dingen zu sehen. Zudem versprach er, mich zu unterstützen, falls es Probleme mit der Genehmigung meiner Rente geben würde. Und er stellte mir in Aussicht, dass er in absehbarer Zukunft vielleicht sogar einen kleinen Nebenjob für mich habe, als Vorleserin für seinen kleinen, dreijährigen Sohn…
… Ich kann momentan gar nicht recht mit Worten ausdrücken, wie erleichtert ich bin! Dass sich meine Befürchtungen als unnötig erwiesen haben, macht mich so froh und dankbar, auch wenn die Ursache meiner Muskelerkrankung nach wie vor im Dunkeln liegt…
… Auf meinem gestrigen Weg zur Radiologie-Praxis habe ich einen kleinen Umweg über den tief verschneiten Alten Nördlichen Friedhof gemacht, und bin ein Viertelstünderl an meinem Lieblingsfutterplatz verweilt, der zu meiner großen Freude wieder sehr eifrig von vielen kleinen, geflügelten Gästen aufgesucht wird…
… Nach einer beinahe schlaflos verbrachten Nacht hatte ich Donnerstag in aller Herrgottsfrüh den Entschluss gefasst, mich bis zur Frühverrentung arbeitsunfähig attestieren zu lassen. Ich setzte mich an meinen Rechenknecht und sandte eine wohl formulierte und ausgesprochen freundliche E-Mail an unsere Disponenten, in der ich den Sachverhalt meiner Meinung nach leicht verständlich schilderte, sowie ausdrücklich darauf hin wies, dass ich zu meinen zwei Diensten am heutigen Freitag und am Sonntag in der Residenz selbstverständlich noch antreten würde, aber darum bitten würde, mich dann ab kommenden Montag nicht mehr in die Planung miteinzubeziehen…
… Nach einem schönen und erquickenden kleinen Spaziergang durch den Hofgarten – die wundervolle Licht- und Dunststimmung hatte mich magisch angezogen – begab ich mich entspannt und heiter gestimmt zum sogenannten Appell in die Residenz. Und durfte dort feststellen, dass die Damen und Herren Disponenten mich bereits aus der Dienstliste gestrichen hatten. Zuerst war ich sehr überrascht und wusste nicht, ob ich lachen oder weinen sollte, dann beschloss ich, die Situation mit Humor und Gelassenheit zu nehmen. Zwei Arbeitstage mehr oder weniger – was spielt das denn für eine große Rolle, und außerdem habe ich Kräfte gespart, die ich anderweitig für freudvollere Dinge einsetzen kann…
… Nun bin ich meine beruflichen Pflichten los. Und während ich beim Neurologen, den ich sofort aufsuchte, um mir eine Krankmeldung ausstellen zu lassen, ein Weilchen wartete, schmiedete ich bereits Pläne: Jetzt kann ich mich ausgiebig um meine zwei Romanfragmente „Die Schwarze Frau“ und „Starlight Sue“ kümmern. Einen Sonnenaufgang im Englischen Garten fotografieren. Eine Nacht lang vor der Glotze durchmachen und mir mindestens eine Staffel „Grey’s Anatomy“ reinziehen. Ausgiebig wandern im Blauen Land. Den Leonhardiritt am Kloster Benediktbeuren anschauen. Nach Kiel, Berlin und Leipzig reisen und liebe Internet-Freundinnen besuchen – das steht schon seit ewigen Zeiten auf meiner To-Do-Liste ganz weit oben…
… ringe ich mit einer schweren Entscheidung, und zwar, mich bis zur Verrentung, die hoffentlich in 165 Tagen stattfinden wird, dauerhaft arbeitsunfähig attestieren zu lassen. Nach jedem Dienst in der Residenz wird mir immer deutlicher bewusst, dass ich weder körperlich noch seelisch dazu in der Lage bin, dort weiter meine Arbeit zu verrichten. Gestern hatte ich eine lange Schicht – achteinhalb Stunden – und obwohl ich durchaus zwischendrin viel sitzen konnte, musste ich heute den ganzen Tag zuhause im Bett verbringen, so sehr hat das an meinen Kräften gezehrt. Ich darf ja meine mittlerweile für mich unentbehrlich gewordenen Wanderstöcke – meine Vorderfüße 😉 – nicht zum Dienst ins Museum mitnehmen, deshalb kostet mich jede Wegstrecke – und es sind weite Wege in diesen Heiligen Hallen! – enorm viel Kraft. Zudem hat mir gestern Abend ein Kastellan bereits durch die Blume nahe gelegt, fern zu bleiben, sollte sich mein Zustand verschlechtern…
… Ich möchte mir für die Entscheidungsfindung bis zum Sonntag Zeit nehmen. Da momentan die doch ziemlich aufreibende und aufregende Residenzfestwoche statt findet, möchte ich meine Kollegen/innen nur ungern hängen lassen. – Die freundliche Sachbearbeiterin vom Jobcenter hat mir vor ein paar Wochen bereits angekündigt, dass ich einen Termin bei der Arbeitsvermittlung über mich ergehen lassen müsste, sollte ich mich wieder für längere Zeit arbeitsunfähig attestieren lassen. Das scheint mir inzwischen aber das weitaus kleinere Übel zu sein – und wer weiß, vielleicht würde sich aus solch einem Gespräch eine ganz neue und unerwartete Perspektive ergeben…
… Oft ist es ja so, dass man sich fürchtet, seinem Leben eine andere Richtung zu geben – und dann hinterher feststellen darf, dass die Bedenken und Ängste völlig unnötig gewesen sind…
… Fehlen wird mir Münchens riesiges und wunderschönes Schloss nach viereinhalb Jahren teils sehr intensiver Beschäftigung mit ihm und seiner so interessanten und wechselhaften Geschichte durchaus. Ich hoffe aber, dass ich dort auch nach meinem Weggang weiterhin gern gesehen sein werde, wenn auch „nur mehr“ als Besucherin…
… Einige Impressionen aus den Königlichen Appartements der Münchner Residenz – wenn man sich an der großen Pracht satt gesehen hat, dann schärft sich in der Regel der Blick für die Details…
Nach fast eineinhalb Jahren Forschen und Suchen sieht es ganz danach aus, als hätte das Friedrich-Baur-Institut für Muskelerkrankungen nun eine heisse Spur bezüglich der Art und Ursache meines Muskelschwunds gefunden. Es deutet Vieles darauf hin, dass es sich um eine Variante einer sogenannten Gliedergürteldystrophie handeln könnte. Bei dieser sehr seltenen Form einer Dystrophie wird, hervorgerufen durch einen genetischen Defekt, ein bestimmtes Protein namens Dysferlin, das offenbar – ganz genau weiß man das noch nicht – für die Regeneration beschädigter und abgestorbener Muskelfasern zuständig ist, nicht mehr vom Körper produziert. Die Informationen im WWW bezüglich Gliedergürteldystrophie sind recht rar und durchweg im „Fach-Chinesisch“ gehalten. Nachdem ich mich hartnäckig durch einige medizinische Fachartikel geackert habe, sieht es für mich folgendermaßen aus: Prognostiziert wird ein schleichender Verlauf, nach etwa fünfzehn Jahren droht der Rollstuhl. Positiv ist, dass zwar die Lunge in Mitleidenschaft gezogen werden kann, aber nicht das Herz, das Gehirn und die anderen inneren Organe. Des Weiteren ist positiv, dass man inzwischen gute Forschungsergebnisse bezüglich einer Therapie mit einem Medikament erzielt hat, das ursprünglich zur Krebsbekämpfung entwickelt worden ist, teilweise ist es gelungen, die Produktion von Dysferlin sogar erneut anzuregen, zwar abgeschwächt, aber immerhin so weit, dass der Krankheitsverlauf gestoppt werden konnte…
Jetzt, wo das Kind endlich einen Namen hat, bin ich sehr erleichtert. Man will nun noch einmal eine umfangreiche Blutprobe von mir, um die labortechnischen Untersuchungen weiter vertiefen und die Diagnose hieb- und stichfest machen zu können…
… ist äußerst selten – die Chancen, sich so etwas „einzufangen“, stehen bei ca. 1 : 20.000 – und schreitet zur Zeit auch ziemlich schnell voran. Leider gibt es bis dato für diese Variante einer Muskelerkrankung keine Medikation, die den Verlauf verlangsamen bzw. die Symptome wie z. B. die beinahe permanente schwere Erschöpfung mildern könnte. Das einzige, was ich tun kann – so erfuhr ich gestern während meines lang ersehnten Termins im Friedrich-Baur-Institut – ist, mich gesund zu ernähren, brav die Tabletten gegen die nächtlichen schlimmen Muskelkrämpfe zu nehmen (ich wundere mich immer wieder darüber, dass sich etwas, das eigentlich nur mehr rudimentär vorhanden ist, so schmerzhaft verkrampfen kann!) und konsequent täglich die physiotherapeutischen Übungen durchzuführen, die man mir im Krankenhaus gezeigt hat, um den kläglichen verbliebenen Rest an Muskel“masse“ fit zu halten. Zudem legte mir die junge Neurologin nahe, mit der Psychosozialen Beraterin einen Termin zu vereinbaren, um das Beantragen eines höheren Grades an Schwerbehinderung, sowie der Frührente aufgrund von Berufsunfähigkeit in die Wege zu leiten. Mir wurde noch einmal Blut für eine genetische Untersuchung abgenommen. Bis das Ergebnis feststeht, werden weitere zwei Monate vergehen. Untersucht werden insgesamt zwölf Gen-Gruppierungen, mehr werden von der Krankenkasse nicht genehmigt. Sollte eine umfangreichere Gen-Untersuchung erforderlich sein, muss vom FBI eigens ein Antrag gestellt werden. Und das wird dann noch einmal ein paar Monate in Anspruch nehmen…
… Am Montag muss ich wieder zu meinem Lieblings-Neurologen. Bei ihm werde ich mich mal schlau machen, ob es sinnvoll ist, eine Reha zu beantragen. Und ob ich es Anfang November, wenn meine sechswöchige „Auszeit“ endet, mit der Arbeit im Museum noch einmal versuchen sollte, oder ob es ratsamer wäre, mich noch längere Zeit „aus dem Verkehr zu ziehen“…
… Es gibt auch noch eine „Nebenbaustelle“, um die ich mich dringend kümmern muss: Seit einer geraumen Weile schon geht des Öfteren während des Stuhlgangs viel dunkles Blut mit ab, ein Warnzeichen, dass da mit dem Magen etwas nicht stimmt. Ich habe auch zunehmend mit Übelkeit und Appetitlosigkeit zu tun. Anfang Dezember habe ich in einer nahen Klinik einen Termin für eine Magen- und Darmspiegelung. Außerdem wurde eine Überfunktion der Nebenschilddrüsen diagnostiziert (ich wusste gar nicht, dass es so etwas überhaupt gibt!), die allerdings zum Glück noch nicht besorgniserregend zu sein scheint, eine mit meiner Hausärztin befreundete Endokrinologin ist der Ansicht, es würde reichen, wenn ich das in ein paar Monaten noch einmal überprüfen lassen würde…
… Ich glaube, ich schnapp‘ mir jetzt die Kamera (mit eingesetzter Speicherkarte 😉 ) und mache mich auf den Weg zur Auer Kirchweihdult, um mich abzulenken…
… Dieses Symptom der Distalen Myopathie macht mir zur Zeit am meisten zu schaffen…
… Nach meinem Krankenhausaufenthalt vom 10. bis 23. August hatte mich der fesche und sympathische Vertreter meiner Hausärztin noch bis einschließlich Sonntag, 3. September, krank geschrieben. In der darauf folgenden Woche habe ich sechs Tage gearbeitet. Vom 11. bis 17. September hatte ich am Montag und Mittwoch frei. Danach habe ich wiederum sechs Tage durchgearbeitet. Heute wäre der siebte Tag in Folge gewesen. Seit vergangenem Mittwoch hatte ich zunehmend beim morgendlichen Aufstehen das Gefühl, durch einen Fleischwolf gedreht worden zu sein. Heute früh fühlte ich mich ganz elendiglich schwach und schlapp, und hatte den Eindruck, dass meine Gliedmaßen aus schwammigem Gummi bestünden. Ich habe während der letzten zweieinhalb Wochen gewissenhaft darauf geachtet, sorgsam mit meinen eingeschränkten Kräften zu haushalten. Ich bin auch gewissenhaft dem Rat des Neurologen gefolgt, und habe mir verinnerlicht, dass ich ungefähr dreimal mehr Energien verbrauchen muss, um meinen Alltag zu bewältigen, als ein gesunder Mensch. Und dennoch ist da diese übermächtige, furchtbare Schwäche, die mich lähmt, und die an mir zehrt. Ich fühle mich, als würde ich Tonnen wiegen und mich durch zähen Leim bewegen…
… Ich habe mich für heute krank gemeldet. Ab morgen habe ich drei Tage frei, um mich ein wenig zu regenerieren. Ich hoffe so sehr auf Mitte Oktober, auf den nächsten Termin beim FBI, wenn die Untersuchungsergebnisse allesamt ausgewertet sind, und sich erschließen wird, wie man mir am besten helfen kann. Ich hoffe so sehr auf eine Medikation, die mich stabilisieren und kräftigen wird. Darauf, dass man mir eine Reha genehmigen wird. Und ich zähle die Tage bis zum 16. Oktober. Dann wird im Museum auf die Winteröffnungszeiten umgestellt. Das bedeutet zwar Kurzarbeit – zwei Stunden weniger am Tag – was finanzielle Einbußen mit sich bringt. Aber die Dienste wären weitaus weniger kräftezehrend als die jetzigen achteinhalb bis neun Stunden täglich. Das ist kein Leben zur Zeit, das ist schlicht und ergreifend nur ein jämmerliches Sichdahinschleppen, das mir jede Freude raubt…
… meinen lieben Zimmergenossinnen und mir im Krankenhaus das Termin-Chaos, Unser kleiner Liebling und Unser kleiner Sonnenschein (siehe hier) besonders auf die Nerven gingen, lasen wir uns gegenseitig Ärztewitze vor. Unser Favorit war ohne Zweifel dieser hier:… 😉
Fünf kurze Sätze, die man einem Arzt NIEMALS glauben soll:
„Tut nicht weh.“
„Dauert nicht lange.“
„Komme gleich wieder.“
„Das wird schon.“
„Ich mach das schließlich nicht zum ersten Mal!“
… Ich wünsche euch ein ganz wundervolles und unbeschwertes Wochenende!… 😀
… nach meinem Einzug in die Medizinische Klinik musste ich realisieren, dass man es dort mit den angekündigten Terminen keineswegs ernst zu nehmen pflegt. Lange Zeit musste ich z. B. auf das CT der Oberschenkelmuskulatur warten. Und am Tag nach meiner Aufnahme hatte außer dem morgendlichen Blutdruck- und Temperaturmessen keine einzige der geplanten Untersuchungen statt gefunden – weil man kurzfristig meine Akte verschludert hatte. Eine Zimmergenossin hatte man sage und schreibe zehn Stunden lang auf eine Blutentnahme zwecks Gentest warten lassen. Endlich, sie war schon den Tränen nahe, eigentlich hätte sie am frühen Morgen entlassen werden sollen, und ihr stand eine lange Heimfahrt bevor, kam „Unser kleiner Liebling“, zapfte ihr ein Röhrchen Lebenssaft ab (warf dieses dann zerstreut in den Mülleimer ) und meinte huldvoll: „Sie dürfen jetzt gehen.“…
… Die Biopsie, ein operativer Eingriff, bei dem mir einige erbsengroße Stücke Muskulatur aus dem linken Oberarm entnommen wurden, war für Donnerstag neun Uhr angesetzt worden. Um halb Neun sollte ich mich bereit halten, da würde dann der Krankentransport in die benachbarte Chirurgische Klinik erfolgen…
… Natürlich kam niemand – darauf hätte ich nach den Erfahrungen, die ich bereits gemacht hatte, ohne zu zögern mein Monatsgehalt verwettet. Um halb Zehn ging ich zum TheraTrainer im Flur, um mir ein Viertelstünderl lang den Frust wegzuradeln. Frau Doppeldoktor und Unser kleiner Liebling bogen um die Ecke. Frau Dr. Dr. zog erstaunt die Augenbrauen hoch. „Hatten Sie nicht um neun Uhr Ihren Biopsie-Termin?“ Ich nickte. „Stimmt!“ Unser kleiner Liebling fauchte mich an: „Was sitzen Sie dann hier rum!“ Ich knurrte genau so unfreundlich zurück: „Weil man mich noch nicht abgeholt hat!“…
… Um Viertel nach Zehn kamen zwei Männer der Johanniter Unfallhilfe mit einem Rollstuhl ins Zimmer. Ich machte große Augen, denn ich hatte fest damit gerechnet, dass mich jemand vom Haus in die Chirurgische bringen würde. Man schob mich in einen bereit stehenden Krankenwagen, und musste dann, um das Ziel zu erreichen, welches Luftlinie ungefähr vierzig Meter entfernt liegt, einmal rund um den riesigen Klinikkomplex fahren, weil die Ziemssenstraße, welche das Krankenhausgelände an der Nordseite abgrenzt, Bauarbeiten wegen zur Zeit eine Einbahnstraße ist…
… Ich will niemandem bange machen, aber so harmlos, wie es in einem ausgehändigten Informationsblatt dargestellt wird, ist eine Gewebeprobe-Entnahme am Oberarm nicht wirklich. Da die Muskulatur ja nicht verunreinigt werden darf, werden lediglich die Haut und das darunter liegende Gewebe örtlich betäubt. Nach dem Freilegen des Muskels wird dieser durch eine Art kleinen Spatel angehoben und fixiert. Und dann wird geschnitten. Ich bin nicht wehleidig, aber das war durchaus schmerzvoll. Zum Glück hatte ich einen netten jungen Chirurg aus Hamburg, der einigen angehenden Ärzten/innen ausführlich erklärte, was er da tat, ohne medizinisches Kauderwelsch, so dass auch ich gut verstand, was er meinte. Als er den Muskel präpariert hatte, geriet ihm eine kleine Vene in den Weg, die er sanft aus dem Weg bugsieren wollte, wobei sie leider dann doch einriss. Das machte aus dem an sich recht kurzen Eingriff eine Operation, die sich beinahe eine Stunde lang hinzog…
… Zurück ins Modul 2 fuhr mich dann im Rollstuhl eine der sympathischen Jungärztinnen (was sie gar nicht hätte tun dürfen, wie ich später erfahren musste!). Gegen zwölf Uhr mittags war ich wieder in meinem Zimmer…
… Für dreizehn Uhr war die sogenannte Breischluck-Untersuchung angesetzt (mittels einer etwas dicklichen Flüssigkeit wird die Arbeit der Schluckmuskeln von der Kehle bis zum Magen überprüft), wieder in der Chirurgischen Klinik. Auch diesmal hätte ich gewonnen, wenn ich mein Monatsgehalt verwettet hätte…
… Um Viertel nach Zwei chauffierten mich die zwei Jungs der Johanniter auf dem nun schon bekannten langen Weg zur Chirurgischen. Eine knappe halbe Stunde später war die Untersuchung zu Ende, glücklicherweise ohne einen signifikanten Befund. Ich fand es spannend, auf dem großen Monitor mitbeobachten zu dürfen, wie das Geschluckte, das richtig scheußlich schmeckte, in den Magen befördert wurde. „Wir rufen Ihnen gleich einen Rücktransport ins M2.“, versicherte mir die Radiologin. Ich nahm draußen in dem langen, bedrückend schmucklosen Krankenhausflur Platz. Eine der Pflegerinnen sah nach mir. „Sie werden ein halbes Stünderl warten müssen, aber man hat sich schon auf den Weg gemacht.“…
… Nach eineinhalb Stunden, in welchen man mir immer wieder versichert hatte, dass der Rücktransport gleich da sein würde, packte mich das heulende Elend. Mein linker Arm schmerzte und war zudem wegen eines Druckverbands von den Fingern bis zur Schulter unbeweglich. Ich wollte nur noch mehr hier raus, endlich hier raus, nach Hause in mein Bettchen, die Decke über den Kopf ziehen, nichts mehr sehen, nichts mehr hören… Sch…-Myopathie – warum hat es ausgerechnet mich erwischt, ich habe doch zeitlebens versucht, ein guter Mensch zu sein… Ich will hier weg! Ich will meine gesunden Muskeln wieder! Ich möchte wieder ungehindert bergwandern, radfahren, schwimmen, arbeiten, gehen, springen, tanzen können! Warum kommt denn keiner, um mich hier raus zu holen! So schluchzte ich ein Weilchen unbeachtet vor mich hin…
… Um siebzehn Uhr, gerade als das Abendessen serviert wurde, war ich wieder in meinem Zimmer. Die Johanniter hatten mich im Krankenwagen die kurze Strecke von vierzig Metern die Ziemssenstraße entlang bis zum Modul 2 transportiert…
… Am Abend fragte ich bei unserer lieben Klinikzeitung nach: „Ist das denn wirklich nötig, bei so einer kurzen Strecke Krankenwägen zu schicken?“ – „Das ist die Vorschrift.“ – „Aber das könnte doch ein klinikinterner Rollstuhltransport doch genau so gut, und wahrscheinlich sogar schneller.“ – „So was hatten wir ja. Das wurde uns gestrichen. Aus versicherungstechnischen Gründen.“ Ich muss wohl ziemlich entgeistert drein gesehen haben, so ergänzte unsere Lieblingspflegerin: „Weil man auf der Ziemssenstraße wegen der Bauarbeiten für etwa zwanzig Meter das Klinikgelände verlassen muss.“ Ich schnappte nach Luft, meine Zimmergenossinnen schüttelten fassungslos die Köpfe. Und dann setzte die Klinikzeitung noch einen drauf: „So ein Transport durch die Johanniter kostet übrigens 700 Euro. Einfache Strecke.“…
… hat man mich doch tatsächlich aus der Medizinischen Klinik entlassen!… 😀
… Zuhause angekommen gönnte ich mir zuerst ein herzhaftes Weißwurstfrühstück, und dann marschierte ich stracks in mein schönes weiches Bettchen mit seiner wundervollen Sieben-Zonen-Federkern-Matraze. Irgendwie haben mich die vergangenen knapp zwei Wochen im Krankenhaus dermaßen erschöpft, dass ich den Rest des Tages verpennt, und nach einem leichten Abendessen tief und fest die ganze Nacht durchgeschlafen habe – so gut wie seit ewigen Zeiten nicht mehr. Die Krankenhausbetten des Friedrich Baur Instituts in der Neurologischen Station sind nicht eben sehr rückenfreundlich, und in manchen Nächten, in denen man mich verkabelt hatte – Langzeit-EKG, Messung des Sauerstoffgehalts im Blut – oder ich durch die OP-Wunde am linken Oberarm und den Zugang in der Ellenbeuge schmerzhaft behindert war, hatte ich lediglich so vor mich hingedöst…
… Der nette und gut aussehende Vertreter meiner Hausärztin hat mich jetzt noch einmal bis zum dritten September krank geschrieben. So lange bei meiner OP-Wunde die Fäden nicht gezogen worden sind – das wird am 1. September statt finden – dürfe ich ohnehin nicht arbeiten gehen. So habe ich nun also noch zehn Tage, um mich zu regenerieren, meine Gedanken und Gefühle zu sortieren – da ist während meines Klinikaufenthalts in vielerlei Hinsicht sehr viel auf mich eingeströmt, was ich jetzt so nach und nach verarbeiten muss – und mit neu aufgeladenem Kamera-Akku jene Fotomotive aufzuspüren, die mir während einer Stadtrundfahrt mit meiner Zimmergenossin G. aufgefallen sind…
… Anbei mein Lieblingsfoto von der totalen Sonnenfinsternis, welche vorgestern die USA überquert hatte, aufgenommen von der International Space Station aus. So beeindruckend dieses astronomische Ereignis auch gewesen war, die Live-Berichterstattung der NASA hat mich schwer enttäuscht – zwei Stunden lang Dauergesülze der aufgeregten Moderatoren/innen mit ständig wechselnden Interview-Partnern/innen, und meiner Meinung nach viel zu wenig Aufnahmen der SoFi…
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