… machte ich mich wohlgemut auf den Weg in die Praxis meines Neurologen, damit man mir dort die für das Medizinisch Genetische Zentrum München benötigten zehn Milliliter Blut abzapfen konnte. Ich würde dort das diesbezügliche Schreiben des Friedrich-Baur-Instituts vorlegen, und in kurzer Zeit würde die Angelegenheit erledigt sein – so vermeinte ich in meiner heiligen Einfalt…
… Aber erstens kommt es bekanntlich anders zweitens als man denkt. Der zum Team meines Neurologen gehörende fahrige und etwas tolpatschige Jüngling verstand zunächst mein Anliegen überhaupt nicht, ich als medizinischer Laie musste ihm den Text des FBI-Briefes geduldig ausdeutschen. Dann meinte er nach ungezählten Entschuldigungen: “Ich weiß nicht, ob wir das dürfen. Das heisst, ich bin mir recht sicher, dass wir das dürfen. Aber so ganz sicher halt dann doch nicht. Ich werde das mit Herrn Dr. A… abklären müssen. Leider weiß ich nicht, wann der Herr Dr. A… Zeit dafür haben wird. Ich rufe Sie aber in jedem Fall heute noch an.”…
… Somit ward ich unverrichteter Dinge wieder entlassen. Dreimal dürft ihr raten, wer sich dann im Laufe des Nachmittags nicht telefonisch meldete!…
… Tags darauf begab ich mich per Telefon in eine sehr, sehr, sehr lange Warteschleife, um beim guten Onkel Doktor nachzuhaken. Nach siebzehn Minuten schenkte man mir endlich Gehör. Der Jüngling erzählte mir, dass man für diese Blutentnahme extra große Röhrchen bestellen müsse, weil man diese nicht vorrätig habe. Ich war perplex, war ich doch davon ausgegangen, dass 10 ml eigentlich ein recht kleines Pfützchen sind, ein halbes Schnapsstamperl voll. Des weiteren versprach man mir erneut, sich noch im Laufe des Tages zu melden…
… Was natürlich nicht erfolgte. Kurz bevor ich mich am Mittwoch früh auf die herrliche Bergtour auf den Herzogstand begab, drehte ich eine weitere, nicht sehr erbauliche Runde in der Telefon-Warteschleife meines Neurologen, bestrebt, keinesfalls locker zu lassen. Diesmal erzählte man mir, dass man einen geeigneten Augenblick abwarten müsse, um Dr. A… wegen der Blutprobe zu befragen: “… für so was muss man den Doktor erwischen, wenn er gute Laune hat, denn wenn er schlecht gelaunt ist, dann sagt er von vornherein Nein.” Wenn ich nicht gesessen wäre, dann hätte mich diese Aussage umgehauen. Darf das denn im fortgeschrittenen 21. Jahrhundert immer noch sein, dass ein gstudierter “Halbgott in Weiß” je nach Laune und Gusto auf folgende Weise über eine dringend erforderliche medizinische Maßnahme entscheiden kann: Bin ich gut drauf, sage ich ja, bin ich mies drauf, dann sage ich nein? Noch dazu ein Mediziner, auf den ich bislang recht große Stücke gehalten hatte, und der mir nur Wochen zuvor vollmundig mit schmelzendem Blick und samtweicher Stimme versichert hatte, immer für mich da zu sein, sollte ich Hilfe brauchen!…
… Ich fuhr in die Berge, kam des abends überaus glücklich zurück, und fand folgende Nachricht auf dem Anrufbeantworter vor, garniert von zahlreichen Entschuldigungen: “Der Dr. A… weigert sich, Ihnen die Blutprobe für das MGZ entnehmen zu lassen. Er meinte, das ginge ihn nichts an, das sei ausschließlich die Angelegenheit des Friedrich-Baur-Instituts.” Bitterlichst enttäuscht ging ich zu Bett…
… Anderntags suchte ich meine Hausärztin auf. Die zeigte sich wesentlich kooperativer, meinte zwar auch, dass diese Blutprobe bezüglich einer klärenden Gen-Analyse durch das Medinizisch Genetische Zentrum Sache des FBI sei, erklärte sich aber durchaus bereit, mir diesen Gefallen zu erweisen. Nachdem sie das Friedrich Baur Institut wegen einiger offener Fragen kontaktiert hatte, versprach ihr die Dame am Telefon, sich kundig zu machen und so bald als möglich zurück zu rufen. Das war am vergangenen Donnerstag. Bis jetzt hat sich das FBI nicht bei meiner Hausärztin gemeldet…
… Ich setzte mich an den Laptop und verfasste eine Mail an die Leiterin des Friedrich Baur Instituts, schilderte ihr das Problem und bat um Klärung und Hilfe, denn schließlich sei eine möglichst hieb- und stichfeste Diagnose meines Muskelschwunds sehr wichtig für mich. Auch darauf habe ich bis jetzt weder eine schriftliche noch eine mündliche Antwort bekommen. Allerdings gestern vormittag eine Nachricht auf dem AB, ich solle mich doch bitte mit dem FBI in Verbindung setzen, um einen Termin mit der für mich zuständigen Neurologin dort zu vereinbaren. Vielleicht, vielleicht, vielleicht winkt mir dann ja das ganz große Glück, und es erklärt sich endlich jemand dazu bereit, mir dieses verdammte, halbe Schnapsglas Blut abzunehmen und an das MGZ zu schicken!…