… Die ersten zwei Fünfzehn-Stunden-Tage im Tabakstand auf dem Oktoberfest liegen hinter meinen Kollegen/innen und mir. Die Stimmung ist gut, ich denke mal, daß wir trotz all der Anstrengungen problemlos miteinander zurecht kommen werden. Das Wetter ist uns derzeit noch nicht so wohl gesinnt, zwischendrin hat es immer wieder mal heftig geregnet, vor allem gestern abend. Aber zumindest der Einzug der Wiesn-Wirte und der gestrige Trachten-Umzug waren von leichtem Föhn und Sonnenschein begleitet. Heute durfte ich ausschlafen, so auch die kommenden Tage bis zum Freitag, da unser Chef mich heuer unter der Woche für die Spätschicht eingeteilt hat. Wann ich heute aufgestanden bin, darf ich gar nicht sagen – es ist sehr, sehr spät gewesen, doch die lange Nachtruhe hat mir gut getan… 😉
Schlagwort: Erzählungen
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… Ich hatte vor lauter Euphorie in der Nacht von Samstag auf Sonntag nicht viel Schlaf bekommen. Recht müde hing ich in meiner zum Glück recht ruhigen Abteilung herum, als die sehr liebenswerte und nette Kastellanin Frau W. um die Ecke bog. „Sehen Sie sich das Konzert heute abend auch noch an? Im Theatinergang ist wieder ein Plätzchen frei für Sie.“ Ich hob die Schultern. „Ich weiß noch nicht recht…“ – „Sollten Sie machen, Frau I. . Der Mariss Jansson ist ein Genie, nicht mehr der Jüngste, er hat schon einige Herzattacken hinter sich. Wer weiß, vielleicht ist heute die letzte Gelegenheit, ihn live zu erleben.“…
… Das gab mir zu denken. So fand ich mich nach Dienst wieder in der wundervollen „Königsloge“ ein – diesmal allerdings noch ein Eckchen höher, in unserem Aufenthaltsraum. Von dort war der Ausblick sogar fast noch besser…
… Erneut trudelte Prominenz ein:…
… Roger Willemsen führte als Moderator durch den Abend. Ich hatte ihm bislang nicht sonderlich viel Sympathie entgegen gebracht, doch während der insgesamt fast drei Stunden des wundervollen Konzerts revidierte ich nur allzu gerne meine Meinung über ihn. Herr Willemsen präsentierte gut gelaunt, mit viel Augenzwinkern, Humor, und einer sehr beeindruckenden Kenntnis der klassischen russischen Musik die einzelnen Musikstücke und Interpreten…
… Der Star des Abends war ganz ohne Zweifel der lettische Dirigent Mariss Jansson, unter seiner Leitung präsentierte das Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks einen überaus bunten und mitreissenden Querschnitt durch die russische Klassik, von Tschaikowsky über Prokofjew und Schostakowitch bis A. Katchaturian…
… Zusammen mit dem weltweit renommierte Terem-Quartett – zwei Akkordeon-, ein Balalaika- und ein Bass-Balalaika-Spieler – führte das Orchester zum allerersten Mal eine kurze Symphonie auf, die von dem jungen Russen Alexander Tschaikowsky – übrigens kein Nachfahre des Peter Illitsch – zu Ehren Mariss Jansson’s komponiert worden ist…
… Diese beiden Kameraleute hatten mein ganzes Mitgefühl. Im Laufe des Konzerts mussten sie mindestens fünfzig Mal die breite Treppe zur Feldherrenhalle hinauf und wieder hinunter laufen…
… Der Große Kulissenmaler hatte den Himmel zur Feier des Abends ganz wundervoll gestaltet…
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… „Was gäbe ich drum, wenn ich am Samstag den Lang Lang live spielen sehen und hören könnt‘!“, seufzte ich am Freitag, 4. Juli, als ich frühmorgens mit einem Kollegen und einem Handwerker in den Lift einstiegen. „Am liebsten würde ich mich morgen nach Feierabend im Personalraum verstecken…“, seufzte ich. „Des braucht’s gar net.“, meinte der Handwerker, „Mia ham a Dutzend Stühle in den Theatinergang ‚bracht, wenn’st die Frau H. von der Verwaltung fragst, dann derfst bestimmt mit dabei sei‘, wenn a paar Leut‘ vom Haus sich des Konzert anschaun.“ Ich wär dem guten Mann am liebsten um den Hals gefallen…
… Als ich ein paar Minuten später das Büro der netten Frau H. im vierten Stock wieder verließ, schwebte ich vor Seligkeit förmlich die breite Treppe hinab in den Hartschiersaal. Zum Glück hatte ich einen sehr anspruchsvollen Posten, ich musste unsere Besucher in zwei verschiedene Richtungen dirigieren und jede Menge erklären. So verging die Zeit bis zum Abend recht schnell, bis ich im wunderschönen Theatinergang meinen Platz einnehmen konnte…
… Der Ausblick auf den Odeonsplatz und die wunderschön erleuchtete Feldherrnhalle, in der sich allmählich die Mitglieder der Münchner Philharmoniker versammelten, war grandios, Königsloge sozusagen…
… Unter uns marschierte etwas Prominenz auf…
… Das Fernsehen ist auch live dabei gewesen…
… Die 8.000 Plätze hatten sich bis auf den letzten gefüllt. Außer uns gab es noch einige andere „Logengäste“ gegenüber. Und obwohl es eine Stunde vor Konzertbeginn noch gar nicht gut ausgesehen hatte, besserte sich nun das Wetter zusehends…
… Die Müncher Philharmoiker spielten sich ein, dann betraten der Dirigent Alan Gilbert und der Weltklasse-Pianist Lang Lang die Bühne in der Feldherrnhalle. Gegebenwurde Prokofjew’s Klavierkonzert Nr. 3 in C-Dur – und ich war voll gefordert – die herrliche Musik, das jugendliche, sehr sympathische Auftreten des Chinesen – und dazu hatte mich noch das Foto-Jagdfieber gepackt… 😉
… Wunderschön waren auch die Beleuchtungs-Effekte…
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… Seit ein paar Tagen schon brummelte hin und wieder der schöne, große Zeppelin NT aus Friedrichshafen über München hinweg. Aus dem Internet erfuhr ich, daß mein guter Freund noch bis Sonntag auf der Flugwerft des Deutschen Museums bei Oberschleißheim zu Gast ist. So machte ich mich heute nachmittag wohlgemut auf die Strümpfe, um das wundervolle Fluggerät, an dessen Bord ich vor beinahe genau zwei Jahren einen unvergesslichen Rundflug erleben durfte, zu besuchen…
… Von der S-Bahn-Station geleiteten mich viele bunte und duftende Blumen zuerst zum Alten (erbaut so um 1617 unter Herzog, später Kurfürst Maximilian I.) und dann zum sogenannten Neuen Schloss Schleißheim – wobei die Bezeichnung „neu“ nicht mehr so ganz passend ist, denn Kurfürst Max Emanuel ließ bereits im Jahr 1701 diesen Komplex errichten. Er erhoffte sich die Kaiserkrone, und hätte in diesem Fall seinen Herrschersitz von der Münchner Residenz nach Schleißheim verlegt. Doch Max Emanuel wurde die Ehre und Bürde versagt, das Oberhaupt des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation zu werden…
… Beim Aufsuchen des sogenannten Stillen Örtchens im Obergeschoss des Schlossgebäudes machte ich die Entdeckung, daß zur Zeit anscheinend gar keine Museums-Aufsicht dort positioniert war. So sah ich mich ein kurzes Weilchen um, und machte ein paar Bilder vom Treppenhaus und dem angrenzenden Saal…
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… ist mir heute gegen Mittag in der Residenz widerfahren:…
… Man hatte mich in die drei nördlichen der insgesamt sechs sogenannten Steinzimmer eingeteilt. Weit und breit war kein Besucher zu sehen, daher vertiefte ich mich voller Begeisterung in die Betrachtung der wunderschönen, aus verschiedenfarbenem Marmor mit kunstvollen Intarsien bestehenden Türstöcke. Da sah ich, wie zwei Räume von mir entfernt eine Gestalt, in einen schwarzen, bodenlangen Kapuzenmantel gekleidet, und von der Größe eines etwa sechs-, siebenjährigen Kindes sehr rasch von links nach rechts huschte, ja, beinahe flog. Ich machte mich so schnell ich konnte auf den kurzen Weg dorthin – und fand – nichts, niemanden! In jenem Gemach gibt es zudem keine seitlichen Türen! Ich ging zurück ins dritte Zimmer, überprüfte suchend das kleine, angrenzende Vestibül sowie die Besucher-Toilette. Beide Kabinen waren leer. Gespannt wartete ich eine geraume Weile, denn es kommt schon des Öfteren vor, daß sich Kinder selbständig machen, das riesige Schloss durchstreifen und ihren Eltern weit voraus sind. Doch es begegneten mir keine um einen Sprößling besorgte Erwachsene!…
… Dieser seltsame Vorfall beschäftigt mich nach wie vor sehr. Was war es, was ich da gesehen habe – und ich bin mir sehr, sehr sicher, daß mich meine Sinne nicht getäuscht haben! Einen Schlossgeist gar???…
… Update: Dank Tante Guggel habe ich erfahren, daß es in der Tat in der Münchner Residenz „umgehen“ soll – ab und an wird dort die Schwarze Dame der Wittelsbacher gesehen. Und dort kann man mehr über diese Erscheinung erfahren – danke, liebe Quizzy, für den Link: http://www.gespensterweb.de/Spukorte/spukortedt/bayern/munch/munch.htm …
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… is des da Fünfe-Zug nach Giasing…“ – An diese bayerische Version des Glenn-Miller-Hits „Chattanooga Choo Choo“ musste ich am frühen Nachmittag denken, als ich mit großer Kamera angetan an der Großhesseloher Brücke im Isartal nahe München auf den historischen Zug wartete, den der Bayerische Localbahnverein jedes Jahr zu Ostern mehrmals täglich auf einem Rundkurs fahren lässt. Im Wechsel werden die sorgfältig restaurierten Waggons aus den frühen Zwanzigern entweder von der kohlegefeuerten, im Jahr 1913 erbauten Dampflok 70 083 oder der 1930 gefertigten E-Lok 169 005, einem sogenannten „Krokodil“, gezogen…
… Nachdem mit viel Schnaufen und Heulen das historische Züglein unter uns Schaulustigen durchgefahren war, beschloss ich, mir dieses noch einmal anzusehen, und zwar von der Donnersberger Brücke nahe des Münchner Hauptbahnhofs aus. So marschierte ich wohlgemut im Fußgängergeschoss der Großhesseloher Brücke über das tief unter mir liegende Isartal hinweg Richtung S-Bahnhof Solln. Am Ufer des Flusses ergötzte man sich am Picknick, Kinder spielten, zahlreiche Radlfahrer/innen brausten einher, am Kiosk nahe der Schleuse wurde Einkehr gehalten, im stillen Wasser des Isarkanals spiegelten sich die frisch ergrünten Bäume…
… Noch ein paar Impressionen vom historischen Zug, aber auch von modernen Garnituren, wie z. B. dem Meridian und ICE, sowie einem guten alten Freund, dem Zeppelin NT, der grade mal wieder zu Besuch in München ist, von der Donnersberger Brücke aus aufgenommen…
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… auf einen Haufen morscher, alter Knochen acht.“, mit diesen Worten begrüßte mich gestern früh die Dienstleiterin in der Residenz. Mit ihrer flapsigen Umschreibung meinte sie die Reliquiensammlung nahe der Hofkapelle. In einem kleinen, abgedunkelten Raum mit einer wuchtigen, ungefähr dreißig Zentimeter dicken, stählernen Panzertür befinden sich, überaus prunk- und kunstvoll in Gold und Silber gefasst und mit ungezählten Juwelen besetzt, nebst den Knochen vieler sogenannter Heiliger auch solch illustre Dinge wie: Barthaare der Apostel Petrus und Johannes, Splitter vom Kreuz Christi, Teile eines Gewandes der Gottesmutter Maria, die mumifizierten Leiber zweier von Herodes in Bethlehem nach der Geburt Jesu ermordeten kleinen Kinder, die Häupter von Johannes des Täufers und seiner Mutter Elisabeth, Stroh aus der Krippe Christi, Teile seiner Dornenkrone, vom Essigschwamm, mit dem er am Kreuz hängend getränkt worden war, sowie Partikel der Geißelsäule, und Fetzen des Tischtuchs vom letzten Abendmahl…
… Reliquien dienten dazu, göttliche Weisheit und Erleuchtung zu erlangen, sowie als angeblich übernatürliche Heilmittel allerlei Krankheiten und Blessuren. Aber sie wurden auch bei „wichtigen“ Schlachten auf hohen Stangen vor den Soldaten hergetragen – meist zum Kriegsdienst gepresste Bauernsleut‘ und Arbeiter. Diese konnten, falls sie des Schreibens mächtig waren, Zettelchen mit ihren Namen an den heiligen Überresten befestigen, was ihnen die unversehrte Heimkehr aus dem Feldzug garantieren sollte…
… Hier ein paar Eindrücke aus der Reliquienkammer – da ich für die kleine „Taschen-Olympus“ leider keinen Polfilter hab‘, kann man auf einigen Bildern Glas-Spiegelungen sehen…
… In früheren Tagen sind die Reliquien in der sogenannten Reichen Kapelle des sehr gläubigen Kurfürsten Maximilian I. (er regierte von 1597 bis 1651) aufbewahrt gewesen – die Frömmigkeit hat Seine Hoheit, sowie seine Nachfolger bis zu Max III. Joseph Mitte/Ende des 18. Jahrhunderts allerdings nicht davor bewahrt, getreulich dem Hexenhammer zu folgen und eine in die Tausende gehende Schar anders- und freidenkender, eigensinniger, unangepasster Frauen und Männer zum Teil furchtbarer Qualen und dem Tode zu überantworten…
… Die Reiche Kapelle…
… Unweit der Reliquienkammer befindet sich die Hofkapelle der Residenz. Sie wurde zu Beginn des 17. Jahrhunderts im Auftrag Maximilian I. erbaut, welcher sie der Heiligen Maria weihen ließ. Seine starke Marien-Verehrung wirkt sich bis in die heutigen Tage aus, noch immer ist die Mutter Jesu Bayern’s Schutzpatronin…
… Am späten Nachmittag übte ein Streichertrio für das am Abend stattfindende Konzert, die wunderschönen klassischen Weisen schwangen sich sanft durch die weitläufigen Säle und Räume…
… Ich lauschte hingerissen – wenn auch mit einem weinenden Auge, denn dies war mein vorerst letzter Tag als Aufsicht in der Residenz, die nächste Woche über bin ich wieder der Pinakothek der Moderne zugeteilt worden. Und ich genoss es, eine ruhigere Kugel zu schieben, und mich ab und an sitzend etwas ausruhen zu können. Denn die Tage zuvor hatte ich in Abschnitten meinen Dienst versehen, die zu Beginn des großen sowie des kleinen Rundgangs liegen, und war sehr viel damit beschäftigt gewesen, nicht nur jugendliche Besucher davon abzuhalten, Kaugummis an fragile Rokoko-Stühlchen zu kleben, an der Brokat-Überdecke von Kurfürst Maximilian I. Prunkbett zu zerren, wertvolle Seidentapeten und verspielte Stuckverzierungen zu begrapschen, gegen zierliche Porzellanvasen, Standuhren, Glasstürze und Vitrinen zu klopfen oder gar daran zu rütteln, die Finger in die schimmernden Polster von Sitzmöbeln zu vergraben, und sogar mit den Nägeln das Blattgold von den Ornamenten der hohen Flügeltüren zu kratzen. Bei Schülergruppen scheint es eine Art Sport zu sein, in Nähe einer Museums-Aufsicht geballte Ladungen von Verdauungsgasen auszustoßen, da muss man mit einem Pokerface die Luft anhalten oder flach durch den Mund atmen, wenn man sich nicht zur Seite bewegen kann…
… Trotz den gerade geschilderten nicht grade feinen Umständen habe ich in der Residenz die glücklichsten und schönsten Arbeitstage seit ungezählten Jahren verbracht. Ich hoffe so sehr, daß ich bald wieder dort arbeiten darf…
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… als Bayern noch ein Königreich gewesen ist, ist das hier eine Art indischer Tempel gewesen.“, erklärte ein Rikscha-Jockey seinen beiden Passagieren, einem Schweizer Ehepaar, als er in der Durchfahrt von der Residenzstraße zum Brunnenhof kurz an der verschlossenen schmiedeeisernen Pforte des Grottenhofes Halt machte. Die beiden Leut‘ nickten sichtlich beeindruckt, während der Pedalritter sein Gefährt wieder in Bewegung setzte, unterhielten die Drei sich lebhaft darüber, welcher Gottheit dieses angebliche Tempelchen wohl geweiht gewesen war. Ich blickte ihnen nach, und Schauder ob der schier atemberaubenden geschichtlichen Unkenntnis des Rikscha-Fahrers ließen mir die Haare zu Berge stehen. Da hatte ich ja in meinen Vor-Residenz-Zeiten noch mehr gewusst! Zum Beispiel, daß die Grotte im gleichnamigen Hof nichts, aber auch gar nichts mit einem indischen Tempel gemein hat!…
… Herzog Albrecht V. ließ in der zweiten Hälfte des sechzehnten Jahrhunderts eine Art Renaissance-Lustschloß um einen sehr verschwiegenen Innenhof bauen, an dessen Ostseite sich, von mehreren Marmorsäulen gestützt, eine Art sehr verspielte Grotte befand, deren Mittelteil aus Tuffgestein besteht, in welches in großer Zahl Halbedelsteine eingefügt waren. Sämtliche Figuren – mit Ausnahme des güldenen Merkurs, der sich über den zentralen Brunnen erhebt – Ornamente, Blumen, Zapfen, Fabelwesen, Tiere sind aus ungezählten Muscheln in allen Größen und Formen gefertigt, die dem Bayernherzog seinerzeit von befreundeten Fürsten aus Italien zum Geschenk gemacht worden waren…
… Dieses sehr phantasievoll gestaltete Ambiente war zunächst dem Herzog und seiner Familie vorbehalten. Erst Kurfürst Maximilian I. begann, den Grottenhof auch für Festivitäten, sowie geheime Unterredungen zu nutzen, denn das Plätschern der Brunnen machte es etwaigen Lauschern so gut wie unmöglich, den Wortlaut der geführten Gespräche zu erfassen…
… Als man in den sechziger Jahren des vorigen Jahrhunderts daran ging, die Kriegsschäden an der Grotte auszubessern, bat man per Zeitungsannoncen und Rundfunkansagen die Münchner Bürger/innen darum, an den Stränden der heimischen Seen und in Bella Italia, das grade als Urlaubsdomizil in Mode kam, Muscheln zu sammeln und zu spenden…
… Unmittelbar hinter der Grotte liegt der atemberaubend schöne Saal des Antiquariums. Ursprünglich ist dieser von Herzog Albrecht als eine Art Museum für seine umfangreiche Sammlung angeblich antiker Statuen gedacht gewesen. Die Baumeister Jacopo Strada und Simon Zwitzel schufen von 1581 bis 1589 ein zu jener Zeit einzigartiges Tonnengewölbe, und mit beinahe siebzig Metern Länge den größten Renaissancesaal nördlich der Alpen…
… Kurfürst Maximilian I. wandelte das Antiquarium in einen Festsaal um, er ließ den Boden tiefer legen, und an der Westseite einen gewaltigen Kamin errichten – die Hälfte meiner Wohnung hätte darin Platz – sowie eine Empore, auf der Seine Hochwohlgeboren mit Familie und Anhang speisten. Zu jener Zeit waren die sogenannten Schauessen üblich, Bürgern/innen wurde die Ehre einer Einladung zuteil, der herzöglichen Sippschaft beim Tafeln zusehen zu dürfen – wobei den Geladenen weder Speis noch Trank gereicht wurden, einzige Nahrung war das Privileg, all die Pracht und den Prunk und den Herrscher einmal aus der Nähe mit den eigenen Augen gesehen zu haben…
… Kurz vor dem Zusperren saß ich noch eine kleine Weile ganz alleine im großen Saal des Antiquariums. Es war wundervoll ruhig, nur ganz, ganz sachte drang das Plätschern eines fernen Brünnleins an meine Ohren. Es hörte sich an, als würden längst vergangene Stimmen raunen, prachtvolle Roben die nahe Treppe hinab rauschen. Der Zeremonienmeister pochte mit seinem Stock auf den schimmernden Fliesenboden und rief: „Seine Hoheiten, der Herzog und die Herzogin von Bayern!“… Doch es war nur einer der Kastellane, der durch das weitläufige Schloss schritt, um die Türen zu verschließen…
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… Ich habe eine neue Bezeichnung für das COPD-Leiden gefunden, für mich heisst dieses nicht „Schaufenster-“ sondern „Fotografier-Krankheit“. Denn da ich beim Spazierengehen so oft stehen bleibe, um Aufnahmen zu machen oder mögliche Objekte zumindest anzuvisieren, komme ich überhaupt nicht außer Puste…
… Eigentlich wollte ich für Franka eine ganz besondere U-Bahnstation fotografieren, nämlich die am Königsplatz. Doch mit den dort gemachten Bildern bin ich so gar nicht zufrieden. Ich werde mich in den kommenden Tagen noch einmal dahin begeben. – Danach trieb ich mich ein wenig vor dem frisch renovierten Lenbachhaus herum, dem man einen hypermodernen Anbau verpasst hat, bevor ich die Augusten- und Schellingstraße entlang wieder gemächlich Richtung Wohnstatt schlenderte…
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… Jawoll, denn meine Eltern waren sogenannte Heimatvertriebene. Der Vater stammte aus Schlesien, meine Mutter aus Sudetendeutschland. Die Familie meiner Mutter – fünf Geschwister, meine mit einem Nachgeborenen hochschwangere Großmutter, und deren Eltern – hatte man zuerst eine Straße entlang getrieben, im Graben lagen die bereits verwesenden Leichen Erschossener. Dann wurden sie zusammen mit ungezählten Anderen in einen Viehwaggon gepfercht und in drei langen und überaus harten Tagen nach Dachau gekarrt. Zu essen und zu trinken gab es auf dieser Reise so gut wie gar nichts. Im Dachauer Konzentrationslager angelangt mussten sie sich sehr unsanft und entwürdigend von Soldaten der amerikanischen Streitkräfte untersuchen und entlausen lassen. Anschließend wurden sie in die Gaskammern des KZ’s gesperrt. In jener Nacht fand niemand von ihnen auch nur eine Minute Schlaf, aus lauter Angst, man könnte die tödlichen Giftgasduschen in Betrieb setzen…
… Meinen Vater und seine Familie hatte es nach München verschlagen, man quartierte sie in einen dunklen, muffigen, unsauberen Bunker inmitten der zu mehr als zwei Dritteln zerstörten Stadt ein. Er und eine Handvoll Freunde unternahmen wagemutig nächtliche Streifzüge an den Südbahnhof, dort waren die mit Lebensmitteln vollgepfropften Frachtzüge der US-Armee abgestellt. Bei den Versuchen der Knaben, etwas Essbares zu stehlen, mussten sie mehr als einmal um ihr Leben bangen, mehr als einmal pfiffen ihnen die Gewehrkugeln der Wachposten um die Ohren…
… Die Sippschaft meiner Mutter landete schließlich in einer zugigen, schlampig zusammen gezimmerten Barackensiedlung am Rande eines Moors nahe des Chiemsees, unweit der Strafanstalt Bernau. Meinen Vater und die Seinen verschlug es in ein kleines Dörfchen bei Freilassing. Viele Jahre lang mussten sie sich geringschätzige Bemerkungen, Ablehnung und Diskriminierung gefallen lassen – sie waren ja Flüchtlinge…
… Mit diesen Geschichten bin ich aufgewachsen. Vor allem meine Mutter ist durch diese Erlebnisse sehr traumatisiert gewesen, immer und immer wieder erzählte sie meinem Bruder und mir von jenen fernen, schrecklichen Tagen. Ich weiß nicht, wie es meinem Bruder erging, aber ich war lange, sehr lange Zeit dieser Schilderungen müde, ja, sie hingen mir regelrecht zum Halse heraus…
… Erst seit einigen Jahren erkenne ich, wie dankbar ich dafür bin. Die Erlebnisse meiner Eltern,und daß mir diese so hartnäckig nahe gebracht wurden, haben meine Einstellung betreffs Ausländern, Migranten und Asylsuchenden geprägt. Denn ich kann, so denke ich, mich dadurch in diese Menschen hinein versetzen, mit ihnen fühlen, kann zumindest ein bisschen nachvollziehen, wie es in ihnen aussehen mag, welches Leid, welche Schrecknisse, welche Not ihnen zuteil geworden sein mag…
… Mich macht die zunehmende Feindseligkeit gegenüber Schutz- und Zufluchtsuchenden in Europa schaudern und sehr betroffen. Diese ablehnende Haltung, diese Attitüde „Die kommen doch nur hierher, weil sie schmarotzen wollen!“. Dem ist nicht so! Ganz im Gegenteil! Nur ein Beispiel: Im Winter 2012 traten in einer Münchner Flüchtlingsunterkunft etwa sechzig jugendliche Afghanen in den Hungerstreik. Was sie damit bezwecken wollten? Ihnen stand nicht etwa der Sinn nach trendy Kleidung, dem neuesten Mobiltelefon, coolen Outfits, mehr finanziellen Zuwendungen – nein, sie wollten Deutschunterricht, damit sie sich in jenem Land, das sie sehr ungastlich und abweisend behandelte, besser verständigen konnten. Sie wollten eine vernünftige Schulbildung, und Lehrstellen, um ihrem Leben einem Sinn zu geben! Diese jungen Leute sind beileibe kein Einzelfall, die Mehrheit jener Menschen, die bei uns um Asyl ansuchen, denkt ähnlich. Das WWW ist voll mit Erhebungen, Statistiken, Umfragen, Berichten darüber, schriftlichen Belegen, die weitaus mehr Wahrheitsgehalt haben, als die reisserischen, verleumderischen und hetzerischen Artikel einer „Blöd“-Zeitung…
… Ich frage mich oft, wie werden wir, wie wird Europa erst auf die Abermillionen von Klimaflüchtlingen reagieren, die sich in absehbarer Zeit aus Mikronesien, Polynesien, den Seychellen, den Malediven, den vielen vom Klimawandel bedrohten Inseln Indonesiens in Bewegung setzen werden? Im Vergleich dazu werden uns die jetzigen Scharen an Zuwanderern wie ein kleiner Familienausflug anmuten!…
… Aber vielleicht ist uns ja das Glück hold. Vielleicht setzt sich ja der wirtschaftliche Boom in einigen Staaten Südamerikas, Afrikas, Asiens und Indien fort, und die durch Überflutungen und andere Umweltkatastrophen von ihrer Heimat vertriebenen Völker suchen in Zukunft dort das Gelobte Land, und nicht mehr bei uns. Europa wird dann vermutlich eine starke Abschwächung der Wirtschaft, eine drohende Verarmung bevorstehen – dies dann aber wenigstens migranten- und asylantenfrei…










