Marthas Momente-Sammlung

Glück ist die Summe schöner Momente

Der Montagsmotz…

… Unmittelbar nachdem  der Disney Konzern den Trailer zur Realverfilmung des Zeichentrick-Klassikers „Arielle, die Meerjungfrau“ aus dem Jahr 1989 präsentiert hatte, ging ein gewaltiger Shitstorm los. Ein Grund der Entrüstung war, dass Disney dieses filmische Remake auf gar keinem Fall hätte produzieren sollen, das sei alles nur Geldmacherei und Pfusch, und man würde der Original-Geschichte dadurch den Zauber nehmen…

… Hauptursache der Entrüstung quer durch sämtliche (a)sozialen Netzwerke war allerdings, dass Disney es tatsächlich gewagt hat, die weibliche Hauptrolle mit einer Person of Color zu besetzen. Eine schwarze Arielle! Um Himmels Willen! Was für ein Affront! Ein Sakrileg sondergleichen! Arielle hat gefälligst weiß und rothaarig zu sein, so wie im Original! – In diesem, dem Märchen „Die kleine Meerjungfrau“ von Hans Christian Andersen, welches in groben Zügen Pate für das Drehbuch stand, hat das zauberhafte Wesen allerdings grüne Haare. Und ihre Hautfarbe – bleiche Glieder – wird nur am Schluss ganz kurz erwähnt…

… Beim Lesen der Kommentare kam mir ein etwas grober bayrischer Spruch in den Sinn – hier sitze ich und kann nicht anders: „Auweh, da ganze Mensch a Depp.“ Denn da ist unter ungezählten rassistischen Anfeindungen die Rede davon, dass eine dunkelhäutige Arielle Kinderträume zerstören würde. Ich solle nur mal ein paar Kids fragen, die würden mir alle sagen, dass Arielle weiß und rothaarig sein muss. Das bezweifle ich sehr. Kinder sind in ihren Ansichten häufig flexibler, toleranter und unvoreingenommener als Erwachsene. Und Kinder mit Migrationshintergrund haben bestimmt ganz andere Vorstellungen davon, wie eine Nixe auszusehen hat als der „biodeutsche“ Nachwuchs. Zudem rangiert der Disney-Klassiker von der Meerjungfrau in den Listen der beliebtesten Kinderfilme lediglich im Mittelfeld, dürfte mithin etlichen Kids gar nicht bekannt sein…

… Eine dunkelhäutige Arielle mit Rastafrisur würde also Kinderträume vernichten. Was für ein Bullshit! Die Gefahr für Schäden an Kinderträumen und -seelen sehe ich weitaus eher bei jenen ungeschnittenen und unverpixelten Videoclips von Hinrichtungen, Folterungen und Kastrationen, die mittlerweile in etlichen Schulen Deutschlands im Umlauf sind, als bei einem völlig harmlosen Märchenfilm!…

… Noch so ein Klopfer: Die Zukunft Hollywoods sei aufgrund der neuen und nach Meinung eines Kommentators übertriebenen Regelungen bezüglich Diversität quasi in Gefahr. Und wenn die Hälfte aller cineastischen Auszeichnungen an Filmschaffende gehen würden, die einer Minderheit angehören, dann wäre das der Diversität eher hinderlich. Was für eine gequirlte Sch***e! – Ich kann den Herrn, der sich dergestalt geäußert hat, beruhigen: Laut dem kürzlich erstellten Hollywood Diversity Report der UCLA – University of California Los Angeles – besteht kein übermäßig großer Trend der amerikanischen Filmindustrie zu mehr Diversität, im Gegenteil. Im Jahr 2022 wurde nur jede fünfte Rolle mit Personen besetzt, die einer Minderheit angehören…

… Als körperlich Schwerbehinderte und Asperger Autistin bin ich übrigens ein Teil der diversen Minderheit. Und kann über eine weitere Aussage des Kommentators, die in etwa so lautet, dass die Akzeptanz der Diversität – und damit auch die Inklusion Behinderter – zu schnell voran schreiten würde, nur fassungslos den Kopf schütteln. Kein Wunder, dass intelligente Außerirdische seit vielen Jahren schon einen riesigen Bogen um unser Sonnensystem schlagen!…

… Mir tun diese rassistischen und engstirnigen Schmierfinken, die sich die Mäuler über eine dunkelhäutige, aparte, junge Schauspielerin zerreissen, und wertvolle Kraft und Energien darauf verschwenden, sich am Thema Diversität negativ abzuarbeiten, unendlich leid. – Disney hat übrigens bereits mehrmals betont, dass lediglich die überragende Gesangsstimme von Halle Bailey den Ausschlag dafür gegeben hat, sie für die Rolle der Meerjungfrau zu engagieren…

…Ich werde mir die Neuverfilmung von Arielle ansehen. Weil laut etlichen ernst zu nehmenden Kritiker:Innen der Film rundum gut gelungen sei – bezaubernd, herzerwärmend, hervorragend in Szene gesetzt, und mit all den schönen und sorgfältig neu arrangierten, bekannten Songs…

… Ich habe das hier schon mehrmals geschrieben – und wiederhole es gerne: Diversität tut niemandem weh und nimmt niemandem von uns etwas weg. Aber sie bereichert und macht unsere Welt herrlich bunt, lebensvoll, kreativ, sozial, interessant, schön, vielfältig. Sie ist seit Anbeginn der Welt unter uns, und wir haben viel zu lange unsere Augen und Herzen davor verschlossen. – Ich wünsche all den diversitätsfeindlichen, unüberlegt keifenden und geifernden Kurzhirnschwurblern, die sich am Shitstorm gegen die Realverfilmung von „Arielle, die Meerjungfrau“ beteiligt haben, drei Tage allerheftigsten Dünnpfiff und kein Blatt Toilettenpapier im Haus…

 


14 Antworten zu “Der Montagsmotz…”

  1. Liebe Martha, ich pflichte dir aus vollem Herzen bei. Als Mutter einer ASS-Tochter, als ehrenamtliche Jugendarbeits-Aktive und als Mensch.
    Hast du eigentlich den Zweiteiler mit Sebastian Ströbel letzte Woche gesehen? Eigentlich total bescheuert, dass der in der Reihe „Herzkino“ gelabelt war, klar, wegen der Liebesgeschichte. Mich hat aber viel mehr die inklusive Geschichte berührt. Und vor allem die genialen Schauspieler des jungen Pärchens.
    Ich schätze mal, so mancher Vertreter der reaktionären „Biodeutschen“ wäre erstaunt, wieviel Neandertaler und internationales Gen-Gut (übrigens oft aus dem anatolischen Raum) sich in seinem „Stammbaum“ befindet.
    Ich wünsche dir eine schöne Woche.
    Liebe Grüße, Anja

    • Danke, Annuschka! Dass wir so oft die gleichen Gedanken und Einstellungen haben, bedeutet mir viel und gibt mir immer wieder Mut.
      Nein, diesen Zweiteiler habe ich nicht gesehen, der wird aber sicher in der Mediathek abrufbar sein.
      Schätzungsweise gut ein Drittel der Deutschen hat unter seinen Vorfahren Menschen mit Migrationshintergrund. Und unsere Ahnen stammen ganz unbestritten aus dem nahen Osten. Denn dort wurden Ackerbau und Viehzucht erfunden und von pösen, pösen Migrant:Innen zu uns nach Europa gebracht.
      Hab du auch eine gute neue Woche.
      Sei herzlich gegrüßt!

  2. Ich bin da – wie sollte es anders sein – vollkommen bei dir, gebe aber zu, dass ich den Einschub „– mir schien, als würden diese hauptsächlich von weißen alten Männern stammen –“ als argumentativ schwach, zumindest aber als wenig hilfreich, im Wenigsten aber als unnötig empfinde. 🙂

    • Danke, dass du bei diesem Thema wieder einmal bei mir bist.
      Mir erscheint der Einschub mit den alten weißen Männern stimmig. Denn es ist doch so, dass Shitstorms gegen People of Color und Diversität eher selten von Frauen bzw. Menschen mit Migrationshintergrund oder solchen, die sich selbst im Diversitäts-Spektrum befinden, befeuert werden.

      • Das mag so sein, für mich ist das eben eine dem Diskurs – und zwar jeglichem – nicht zuträgliche Vorverurteilung und Verallgemeinerung, die zudem nicht auf einer empirischen Erhebung, sondern auf einem „mir schien“ fußt. Aber wir müssen uns ja auch nicht in allem einig sein. 🙂

          • Na, denn. 🙂 Vor dem Hintergrund der Frage, wer wohl offenkundig welche Ansichten vertreten dürfte, sei übrigens noch kurz erwähnt, dass sechs der derzeitigen 78 Bundestagsabgeordneten einen Migrationshintergrund haben – damit liegt der Anteil der Abgeordneten mit Migrationshintergrund in der Fraktion der AfD höher als in der der CDU oder der FDP. Der Frauenanteil in der Fraktion liegt zwar nur bei überschaubaren 11,5 % und damit deutlich unter allen anderen. Aber dennoch sind das alles Menschen, die sich in oben genannten Shitstorms wohl ganz ähnlich äußern würden, ohne alt, weiß oder gar männlich zu sein. 🙂

            • Wer hätte das von den Blaunen gedacht… Ja, das ist ein stichhaltiger Grund, den Einschub zu entfernen. Ich danke dir.
              Ich mag Menschen sehr, von denen ich immer etwas hinzu lernen kann, und die mehr von sich geben als nur dummes und sinnentleertes Geschwätz – obwohl so was manchmal durchaus auch sein darf. 😉

  3. Ich hatte das Glück, zweimal ein ganz buntes Zusammenleben verschiedener Kulturen und Ethnien zu erleben. Die Gesetzgebung dort ist knallhart, um Benachteiligungen auszuschließen. Alle Hetzerei wird nicht mit Meinungsfreiheit abgedeckt in dem US-Bundesland. Ohne Probleme geht das Zusammenleben nicht, weil immer viele Interessen zu berücksichtigen sind. Aber ein guter Ansatz ist es bei dem Vielen, was noch zu tun ist. Auch da ist allerlei Geschichtliches noch aufzuarbeiten.
    Hass auf andere wird in der Familie weiter gegeben. Ich kenne da auch Frauen, die seltsame und erschreckende Meinungen haben und heraus posaunen.
    Die Freundin meiner Tochter ist eine Dunkelhäutige. Wenn sie was sagt, dann hat es bei dem Enkel Gewicht. Er liebt sie sehr. Und ich meinte, dass sie die neue Mary Poppins ist. Was hätten die von dir erwähnten Knalltüten dazu gesagt?
    Liebe Grüße

    • Hier in meinem Münchner Viertel gibt es auch ein ziemlich buntes Zusammenleben – Student:Innen und Kunstschaffende aus aller Welt und Einheimische. Das geht natürlich auch nicht immer problemlos. Aber dennoch funktioniert das Miteinander ziemlich gut – entgegen aller Befürchtungen und Vorurteile rassistischer und diversitätsfeindlicher Dumpfbacken.
      Der von mir erwähnte Kommentator, mit dem ich vor ein paar Tagen eine lebhafte Diskussion hatte, war vor einer Weile übrigens ganz entsetzt, weil Disney eine Fortsetzung von Mary Poppins gedreht hat. Wahrscheinlich wusste er nicht, dass die Autorin P. L. Travers insgesamt fünf Bücher über das zaubernde Kindermädchen geschrieben hatte. 😀 Gäbe es eine dunkelhäutige Mary Poppins würden so Manche wohl mindestens genauso am Rad drehen wie bei der neuen Arielle.

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