… die man als Tafelgast bei der wöchentlichen Ausgabe der Lebensmittelspenden zu beachten hat: In einer Reihe aufstellen, zwei Meter Abstand zu den Personen vor und hinter einem halten, und die Mund-Nasen-Maske tragen. Mehr nicht. Jedes Kleinkind könnte diese Anweisungen mühelos befolgen, und die meisten Bedürftigen tun dies auch…
…Es gibt in unser Gruppe allerdings ein munteres “Damen”trio, das mit diesen Regelungen Woche für Woche enorme Probleme hat. Man “kuschelt” nicht nur in trauter Runde während eines ausgedehnten Schwätzchens miteinander, sondern hält auch in keinster Weise die Abstände zu den anderen Wartenden ein, und die Maske wird bevorzugt als Doppelkinn-BH missbraucht. Aufforderungen unseres Tafelleiters und seiner Gehilfen, die Anordnungen ernst zu nehmen, werden stets mit lautstarkem Gezetere quittiert. Die Erklärungen, dass das Kreisverwaltungsreferat durch stichpunktartige Kontrollen die Einhaltungen der Corona-Maßnahmen überprüfen und im Falle von Verstößen nicht nur unsere Ausgabestelle, sondern auch alle anderen schließen würde, werden geflissentlich überhört…
… Vergangenen Freitag gab es jedesmal, wenn der junge Helfer uns aufforderte, doch bitte ein wenig zurück zu treten und zwei Meter Distanz zueinander nicht zu unterschreiten, keifendes Gemaule. Da platzte mir plötzlich der Kragen, und ich wandte mich den drei Schnepfen zu. Ob die zwei Meter Abstand zum Anderen weh tun oder Geld kosten würden, fragte ich. Und ob sie noch nie zuvor etwas von der Mund-Nasen-Maskenpflicht gehört hätten. Ob es sie intellektuell überfordern würde, sich in einer Reihe aufzustellen. Ob es ihnen tatsächlich am A*** vorbei gehen würde, dass sie mit ihrem Verhalten das Verteilen der Lebensmittelspenden für ca 20.000 Arme in München in Gefahr bringen würden. “Ich wette,”, so schloss ich meinen kleinen Vortrag, “dass Sie dann unter denjenigen sein werden, die am lautesten heulen und zetern, wenn die Tafeln geschlossen werden müssen.”…
… Die Angesprochenen machten Augen so groß wie Christbaumkugeln. Dann quäkte eine dieser … (Selbstzensur): “Corona ist eine Lüge! Corona gibt es doch gar nicht!” Und dann sah ich buchstäblich rot. Ich wurde sehr laut. Und erzählte ihr von meiner Nachbarin, der jungen Assistenzärztin, die in der Notaufnahme einer Klinik arbeitet, und seit langem schon Extra-Schichten einlegen muss. Von einer Bekannten, Intensivpflegerin im Schwabinger Krankenhaus, die wegen der Vielzahl an schweren Covid-19-Fälle körperlich und nervlich am Ende ist. Von der fernen Freundin, deren ehemaliger Arbeitskollege – um die Fünfzig und körperlich kerngesund – aufgrund einer Corona-Infektion verstorben war, und den beiden jetzigen Kollegen, die daran erkrankt sind. Ich redete mich in Rage. Ringsum herrschte Totenstille, man hätte die berühmte Stecknadel fallen hören. “Man wird doch wohl noch seine Meinung sagen dürfen!”, krakeelte die Angesprochene, als ich geendet hatte. Ich konterte hart: “Schieben Sie sich Ihre Meinung sonstwohin.” Ein Tafelgast, ein oberwichtelnder Maulheld, Verschwörungsschwurbler und Rassist, verlangte vom Helfer, den Tafelleiter zu holen, damit er “diesem Weib”, damit deutete er auf mich, “den Weg zum Ausgang zeigt, oder ihr zumindest eine ordentliche Verwarnung verpasst.” Doch sein Ansinnen verhallte ungehört…
… Mir ist das ehrlich gesagt relativ egal, woran jemand glaubt – an Einhörner, das Spaghettimonster, die Flach- bzw. Hohlerde, dass der Mond künstlich beleuchtet wird und sich auf der Rückseite eine Reichsflugscheiben-Raumbasis befindet etc. Aber wenn jemand aufgrund von Egoismus, Borniertheit, Intoleranz, Intelligenzbefreitheit und Rücksichtslosigkeit ungerührt dazu beiträgt, die Versorgung vieler armer Menschen mit Lebensmittelspenden in Gefahr zu bringen, dann macht mich das sehr, sehr zornig. Ich weiß, dass man tunlichst die Beherrschung nicht verlieren soll. Aber ich bedaure meinen Ausbruch nicht im Geringsten, im Gegenteil…
