… Gestern Abend, als ich mal wieder durch diverse TV-Kanäle zappte, musste ich bei einer Meldung ziemlich schwer schlucken: Michael Sergejewitsch Gorbatschow ist am 30. August nach langer, schwerer Krankheit in einem Moskauer Krankenhaus verstorben…

… Ich habe ziemlich viel Phantasie – aber wie Deutschland, Europa, vielleicht sogar die ganze Welt ohne das Wirken dieses Mannes heutzutage aussehen würde, kann ich mir nicht vorstellen – mag es eigentlich auch gar nicht. Wir verdanken ihm die Wiedervereinigung unseres Landes, und eine über Jahrzehnte währende Phase der politischen Entspannung zwischen Ost und West, der Abrüstung und das Ende des sogenannten Kalten Krieges…
… Ich hatte Anfang der Neunziger die ganz große Ehre, ihm einmal persönlich zu begegnen. Er war auf Kurzbesuch in München, und unser damaliger Ministerpräsident Max Streibl hatte ihn und seine Frau Raissa Gorbatschowa in die Bayrische Staatsoper eingeladen, zu einer Aufführung des “Wildschütz” – ich weiß noch jede Einzelheit so genau, als wäre es gestern erst gewesen. In der Pause gab es ein schönes Abendessen im großen Seitenstüberl des noblen Foyerrestaurants, in dem ich damals arbeitete. Die Lifttüren öffneten sich, und “Gorbi” samt Frau, Streibl und Gemahlin im Gefolge schritt den Mittelgang entlang. Die Gäste hatten sich erhoben, sie applaudierten frenetisch und jubelten. Gorbatschow genoss das sichtlich, er schüttelte unentwegt Hände, lächelte warmherzig, plauderte kurz mit ungezählten Leuten. Er war ja bekanntlich nicht sehr groß gewachsen – aber er hatte eine umwerfende, unfassbare, förmlich elektrisierende Ausstrahlung. Der Orchesterwart der Bayrischen Staatsoper hielt ihm die Rechte hin, nachdem Gorbatschow sie mit beiden Händen fest umgriffen und geschüttelt hatte, brach der Mann völlig überwältigt in Tränen aus…
… Alle meine Kollegen:Innen und ich durften den Sowjetirussischen Staatspräsidenten während des Diners kurz bedienen – ich war dazu auserkoren worden, seine leere Wasserflasche auszutauschen und ihm den Brotkorb zu reichen, er zwinkerte mir lächelnd zu, und als ich das Stüberl wieder verließ, war ich so stolz und voller Freude und Erregung, als hätte er mir die höchsten aller Orden verliehen. Ein wahrhaft unvergesslicher Moment…
… Mögen Sie in Frieden ruhen, Michail Sergejewitch Gorbatschow…
16 Antworten zu “Ein ganz großer Staatsmann ist abgetreten…”
Du bist jetzt schon die 2..Bloggerin, die ihn persönlich und so nah gesehen hat!
Ich kann mir gut vorstellen, dass das eine bleibende Erinnerung ist!
VG
Christa
Welche Bloggerin hatte denn auch so eine unvergessliche Begegnung mit Gorbi?
Liebe Grüße
Hallo Martha,
eigentlich ist es ein Blogger😉 – es ist der Herbert von Bloghausgeschichten!
Solltest du ihn nicht finden, so stelle ich dir seinen Link gerne ein!
VG
Christa
Du kannst mir den Link auch gerne per Mail schicken.
Liebe Grüße!
Das habe ich vorhin durch Zufall mitbekommen.
…und Putin heuchelt noch Anteilnahme… der wird in Wirklichkeit auf dem Tisch tanzen. Der größte Kritiker ist endlich tot. 🙁
Wäre schon gewesen, wenn Micha seine Vision eines offenen Russlands hätte verwirklichen können.
Für die Durchsetzung eines offenen Russlands hätte Gorbatschow viel mehr Rückhalt und Unterstützung im eigenen Land gebraucht – und dort sind sie ihm ja verwehrt worden.
Ja, leider. Das wäre echt toll gewesen, wenn es geklappt hätte.
Weltfrieden wäre dann keine ach so ferne Illusion mehr…
Der wäre tatsächlich näher gerückt.
Das sind diese unvergesslichen Momente. an diesem Arbeitsplatz wirst du ja eine Menge Promis erlebt haben
Oh ja, ich könnte ein ziemlich dickes Buch über die Begegnungen mit den Reichen, Schönen und Berühmten schreiben, die mir während der Jahre in der Bayrischen Staatsoper untergekommen sind!
Das klingt nach einer wunderbaren und wirklich unvergesslichen Begegnung. Vielen Dank fürs Teilen!
Sehr gerne! 🙂
Leider hat er in seinem Land wenig Unterstützung für seine Vision gehabt. Ein großer und für uns wichtiger Staatsmann ist von uns gegangen
Es ist leider häufig so, dass ein Prophet im eigenen Lande nichts gilt. Sehr schade. Hätte er das russische Volk an seiner Seite gehabt, würde es jetzt ganz sicher keinen Krieg in Europa geben.
Da hast du recht