… Bereits vor Wochen hatte der Tourismusverband Mittenwald im “Gesichtsbuch” vollmundig die Werbetrommeln für den Almabtrieb am 18. September gerührt. Auf den Fotos waren augenscheinlich glückliche Kühe geschmückt mit riesigen, wunderschönen Fuikln (spezielle Kopfzier, die aus einem Fichtenschößling, bunten, zu Rosetten geformten “Gschabertbandln” – langen Hobelspänen – Spiegeln und Heiligenbildern besteht) zu sehen. Ach, dachte ich in meiner heiligen Einfalt, das wird bestimmt wieder ein genauso feines, farbenprächtiges und lebensvolles Spektakel wie vor vier Jahren…
… So machte ich mich in aller Frühe auf den wegen der immer noch gesperrten Unglücksstelle auf der Bahnstrecke nahe Farchant bei Garmisch etwas umständlichen Weg per Bahn und Bus gen Mittenwald. Nach einer Weile Warten und angenehmem Plaudern mit einem lieben Spezl aus dem hohen Norden, der zur Zeit wieder einmal in den Bergen weilt, war das Läuten großer Kuhglocken zu vernehmen. Ich zückte voll freudiger Erwartung die Kamera. Und wurde bitterlich enttäuscht…
… Drei kleinere Herden völlig schmuckloser Rindviecher wurden von einer Schar unwirsch dreinblickender Männer und Kinder im Eiltempo durch das Mittenwalder Ortszentrum getrieben. Binnen fünf Minuten war die “Veranstaltung” vorbei. Ich stand da wie vom Donner gerührt. Natürlich ist mir als Kind der Berge klar, dass nach einem Unglück während des Almsommers die Kühe für den Abstieg ins Tal und den sogenannten Viehscheid nicht “aufgekranzt” (geschmückt) werden. Aber das dürfte den Leuten vom Tourismusverband doch eigentlich schon vorher bekannt gewesen sein. Und dann wäre es den Besucher:innen gegenüber, die wie meine Wenigkeit von weit her kamen, um sich den Almabtrieb anzusehen, doch eigentlich nur fair gewesen, darauf hinzuweisen. Zudem weiß ich, dass es rund um Mittenwald viel mehr als nur zwei oder drei Bauern gibt, die ihr Vieh den Sommer über auf die Almen treiben. Vor vier Jahren hatte sich der Zug der geschmückten Rinder fast eine Stunde lang durch Mittenwald bewegt!
… Ich war ordentlich stinksauer, das dürft ihr mir glauben! Die gute Gesellschaft meines Spezls, ein feines Stück Torte und ein heisser Kaffee renkten meine Laune dann zwar wieder großenteils ein, aber ein fades Gschmäckle blieb dennoch zurück. – Es ist auch gut möglich, dass dieser überaus hastige, schmucklose und fast schon unfreundliche Almabtrieb eine Protestaktion der Bauern rund um Mittenwald war. Denn vor der Kirche hatte sich ein großer Info-Stand befunden, über dem ein ausladendes Transparent im fast schon winterlichen Wind hin und her zappelte: “Wir wollen wolfsfreie Almen!” Denn die Damen und Herren der vierpfötigen Sippschaft Isegrimm treiben seit etlichen Jahren schon einiges Unwesen im Werdenfelser Land…
… Natürlich ist auch die Foto-Ausbeute von heute sehr dürftig. Hier könnt ihr euch, wenn ihr wollt, gerne anschauen, wie schön so ein Almabtrieb normalerweise ist!…
… Ich wünsche euch einen guten Start in die neue Woche! Bleibt bzw. werdet gesund, und habt es fein. Lasst euch nicht allzu sehr ärgern und verunsichern. Alles wird gut! Und wenn nicht – wir sind allesamt stark und tapfer genug, Vieles zu ertragen…