… Ich gesteh’s, auch wenn sich das jetzt vielleicht ein wenig schräg liest, ich habe erst im “zarten Alter” von fast Vierundsechzig Gefallen an den Harry-Potter-Romanen gefunden. Ich bewundere die mittlerweile zu Recht weltberühmte Autorin Joanne K. Rowling über die Maßen für ihre großartige Phantasie und ihr geradezu geniales Geschick, mit einer Unzahl herrlich origineller, skurriler, schräger und überaus witziger Einfälle immer wieder die zunehmend düsterer werdende Handlung aufzulockern. Von den Hauptprotagonisten einmal abgesehen haben es mir deshalb die schlitzohrigen, ideenreichen, verschmitzten Weasley-Zwillinge Fred und George am meisten angetan…
… Die Lektüre des letzte Bandes – “Harry Potter und die Heiligtümer des Todes” – ist mir allerdings trotz aller Bewunderung für die Schriftstellerin und Neugier, wie sich der lang währende Kampf des Zauberlehrlings Harry Potter gegen den unsäglich bösen Voldemort am Schluss auflösen wird, schwer gefallen. Das ist schon ein bedrückendes Werk, und angesichts der beschriebenen Grausamkeiten und Brutalitäten gefällt es mir ehrlich gesagt nicht, dass dieser letzte Band ebenfalls in der Kategorie Kinder- und Jugendbücher geführt wird…
… Aber auch in den “Heiligtümern des Todes” gibt es sie, die schönen und humorvollen Gags, allerdings weitaus sparsamer verteilt als zuvor. Mein absoluter Favorit ist jenes kleine, mit Perlen bestickte Handtäschchen, welches die manchmal schon recht oberg’scheit einher kommende Hermine zunächst bei der Hochzeit von Bill Weasley mit der wunderschönen Fleur und dann im weiteren Verlauf der Handlung stets mit sich trägt. Ich staunte beim Lesen nicht schlecht, was da so alles in diesem fast schon winzig zu nennenden Accessoir nach und nach Platz fand: Ein geräumiges Zelt inklusive gemütlichem Mobiliar, etliches an Kochgeschirr, Harry Potters Tarnumhang samt einer beachtlichen Sammlung Klamotten und Schuhe, ein recht umfangreiches Sortiment an Büchern, Zaubertränke (was gäbe ich darum, könnte ich nur ein einziges Mal diesen Vielsafttrank oder den Tarnumhang ausprobieren! 😀 ), ein stattliches Sümmchen Galleonen, und noch einiges mehr…
… Seit der Lektüre von “Harry Potter und die Heiligtümer des Todes” hat es mir dieses phantastische Perlenhandtäschchen sehr angetan. Immer wieder ertappe ich mich dabei, wie ich mir verträumt die Frage stelle, was ich wohl in solch ein kleines, hübsches Zauberbehältnis packen würde: Ja, das Zelt mit Einrichtung mal auf alle Fälle – was würde ich wandern, könnte ich jedesmal, wenn mich die Kräfte verlassen, solch eine komfortable Unterkunft aufschlagen! Die Kamera natürlich, so lange ich sie nicht benötigen würde, denn die wiegt samt 18-300er Objektiv schon beinahe stattliche zwei Kilo. Ein zweites Paar meiner klobigen orthopädischen Spezialschuhe, ohne die ich mittlerweile keine hundert Meter mehr zurücklegen kann. Natürlich auch Klamotten zum Wechseln und Körperpflege-Produkte, ich wäre dann ja schließlich auf Mehr-Tages-Touren unterwegs. Ich könnte viele Liter Wasser, Säfte und Tee mitnehmen, und höchst opulente Brotzeiten. Einen großen Regenschirm. Ein zweites Paar Wanderstöcke, falls ich mal wieder so schusselig sein und meine Gehhilfen irgendwo vergessen würde. Den Laptop, dann könnte ich – Internetz vorausgesetzt – immer direkt von meinen Wanderungen berichten. Vielleicht zudem noch einen E-Roller, mit dem könnte ich dann, wenn Müdigkeit meine Beine schwer werden lässt, ausgesprochen kraftsparend unterwegs sein. Ach, was, ein E-Rollstuhl wäre da noch viel bequemer! Und das alles in einem kleinen, unscheinbaren, hübschen Perlenhandtäschchen, das so leicht wie eine Feder über meiner Schulter hängen würde…
… Hin und wieder komme ich bei meinen Träumereien dann noch auf einen anderen Gedankengang: Sind wir Menschlein im übertragenen Sinne nicht auch so etwas wie solch ein Zauber-Perlenhandtäschchen? Denn das, was man bei jeder Person von außen wahr nimmt, ist doch im Grunde genommen nur so etwas wie die Spitze eines Eisbergs. Der Großteil des menschlichen Wesens befindet sich unsichtbar tief im Inneren verborgen. Und selbst wenn man anderen vertrauliche Einblicke in das Innere seines Perlenhandtäschchens gewährt, werden diese anderen nie und nimmer die gesamte Vielfalt der Gedanken- und Seelenwelt, der Erinnerungen – guter wie schlechter -, der Regungen und Gefühle – Freude, Ängste, Liebe, Abneigung, Trauer, Frust, Tapferkeit, Edelmut, Klugheit, Langmut, Ungeduld, Unduldsamkeit, Verständnis, Vorurteile – überschauen können. Allein die menschliche Seele ist doch wie ein Palast aus Tausendundeiner Nacht, mit schier unzählbaren großen und kleinen Zimmern, strahlend erleuchtenden Sälen und Hallen, stattlichen Freitreppen, gemütlichen Erkern, erholsamen Gärten voll sanftem, satten Grün, wundervoller Blütenpracht und klaren, kühlen Brunnen, engelsgleicher Gestalten, die einen tröstend und liebevoll umgeben – aber auch verwinkelten, düsteren Wendeltreppen, dunklen, von uralten Spinnwebenschleiern umflorten Ecken, kalten Verließen, aus denen einen in schlaflosen Nächten ruhelose, klagende, anklagende Gespenster heim suchen…
… Habt einen schönen Sonntag, ihr lieben Perlenhandtäschchen ringsum! Und mögen euch viele sanfte Engel und nur ganz wenige dunkle Geister durch’s Leben geleiten… 😉