… Obwohl die Sonne stetig höher stieg, blieb es eisig kalt. Meine neuen Bekannten und ich versuchten, in Bewegung zu bleiben, um wenigstens ein bisschen warm zu werden. Dann, nach gut einer Stunde Warten, war es endlich so weit, langsam bog das erste Gespann der Prozession um die Kurve. Im Fond der Kutsche saß kein Geringerer als Kardinal Reinhard Marx, Erzbischof von München und Freising. Am Leonhardi-Kircherl angelangt, erklomm er ein etwa mannshohes Podest, um die Tiersegnungen erteilen zu können…
… Und jetzt mach‘ ich nimmer viel Worte, sondern lass die Bilder sprechen. Ihr wisst ja, wenn ihr euch eines davon genauer anschauen wollt, braucht ihr nur darauf zu klicken… 😉
… Corona-Zwangspause fanden an diesem Sonntag, dem 6. November in Altbayern und einigen Teilen Westösterreichs endlich wieder Leonhardifahrten statt. Dabei handelt es sich um Prozessionen zu Pferde bzw. in Kutschen und sogenannten Truhenwägen zu einer Kapelle oder Kirche, die dem Heiligen Leonhard von Limoges, dem Schutzpatron der landwirtschaftlich genutzten Tiere, insbesondere der Pferde, geweiht ist. Den feierlichen Abschluss bilden eine Tiersegnung sowie ein Gottesdienst. Genaueres über St. Leonhard, der hier in Südbayern auch als „Bauernherrgott“ bezeichnet wird, habe ich in einem früheren Blogpost bereits erzählt…
… Wochenlang grübelte ich darüber, an welchen Ort es mich am Sonntag wohl verschlagen würde, bis ich mich aufgrund von zahlreichen Bauarbeiten und Streckensperrungen dazu entschied, an den Schliersee zu fahren. Das war am unkompliziertesten – in den Regionalzug Richtung Bayrisch Zell ein-, und an der Haltestelle Fischhausen/Neuhaus wieder aussteigen, nur wenige Gehminuten vom dortigen St. Leonhard Kircherl entfernt…
… Das Wetter war prachtvoll, wenn auch sehr, sehr kalt, das war schon ein höchst krasser Unterschied zu den beinahe sommerlich milden Temperaturen in den Wochen zuvor! An den schattigen Stellen hatte sich Raureif gebildet, und ein eisiger Wind wehte vom Spitzingsattel her durch das Schlierseer Tal…
… Ich war beizeiten in Fischhausen, einem südlichen Ortsteil von Schliersee, angelangt, und stellte mich auf eine lange und klamme Wartezeit ein. Bald kam ich ins Gespräch mit meinen Nachbarn, die gleich mir am Straßenrand ausharrten und ihre Kameras vorbereiteten. Das Ehepaar, welches ungefähr meines Alters gewesen sein mochte, war ortsansässig und versorgte mich gutmütig quasi mit Insider-Informationen… 😉
… Die Gespanne und Reiter:Innen kamen allmählich aus den umliegenden Ortschaften heran, um sich an den beiden Startpunkten der Wallfahrt nahe des Bahnhofs Schliersee sowie einem großen Bauernhof in Fischhausen zu versammeln – aus Hausham, Agatharied, Fischhausen und Neuhaus…
… Ich fürchte, ich werde euch demnächst wohl ziemlich viele Bilder von der Schlierseer Leonhardifahrt zeigen… 😉
… Kommt gut und möglich unbeschwert durch den Tag!…
… Der neue Begriff von Rolands schönem Fotoprojekt rund um die dritte Jahreszeit lautet:…
… Herbstpoesie…
… So richtig feine poetische Kunst ist die folgende Fürbitte an den „bayrischen Bauernherrgott“ St. Leonhard, der Mitte des 6. Jahrhunderts in Frankreich gelebt hatte, nicht wirklich. 😉 Aber ich bin mir sicher, dass sie heute am frühen Vormittag während der schönen Leonhardifahrt am Schliersee, einem alten und sehr traditionsreichen bayrischen Brauch, bestimmt oft von vielen Bauern und Viehzüchtern gen Himmel gesandt wurde:…
… Zum Abschluss gibt es noch einmal ein Bilder-Kaleidoskop der Pferde-, Reiter- und Gespannwallfahrt. Fast eine Stunde lang ratterten die eisenbeschlagenen Räder der Kutschen, Truhen- und Pritschenwägen an uns vorüber. Sehnsüchtig blickte ich dem letzten Reitertrupp hinterher, ungemein gerne wäre ich ihnen Richtung Froschhausener Leonhardikapelle gefolgt, aber so zügig und ausdauernd hätten mich meine Beine die beinahe zwei Kilometer lange Strecke gewiss nicht getragen. So ließ ich mich noch ein Weilchen durch Murnau und den bunten Trubel des Leonhardimarktes treiben, eine Art Dult, und wandte mich dann mit Eindrücken gesättigt wieder gen München…
… Gespann um Gespann, Reitergruppe um Reitergruppe zog über den Untermarkt hoch in meine Richtung, und bog dann Richtung Froschhausen ab. Ich nahm den Finger kaum noch mehr vom Auslöser, diese Prozession war einfach zu schön! Als ich am frühen Nachmittag wieder zuhause angelangt war, staunte ich über die Flut an Aufnahmen. Ich hatte beinahe zwei Tage lang mit dem Bearbeiten und Sortieren zu tun. Natürlich werde ich euch hier und im nächsten Post nur einen Bruchteil der am Dienstag gemachten Bilder zeigen… 😉
… Der heilige St. Leonhard, Schutzpatron der Gefangenen und der Tiere, vor allem der Pferde. Er wird von Bauern, Schmieden, Fuhrleuten, Schlossern, Obsthändlern und Bergleuten angerufen. Und er gilt als Nothelfer von Wöchnerinnen, bei Kopf- und Gliederschmerzen sowie bei Geisteskrankheiten…
… Bayern ist dafür bekannt, viele Traditionen hoch zu halten und zu pflegen. Zum ländlichen Brauchtum gehört auch die sogenannte Leonhardifahrt, eine oftmals lange, bunte und vielschichtige Prozession von ReiternInnen, örtlichen Trachtenvereinen, Freiwilligen Feuerwehren und Musikkapellen, sowie Fuhrwerken, von spiegelblank polierten Kutschen für die ansässige Prominenz bis zu sorgfältig und kunstvoll arrangierten Motivwägen…
… Der Heilige Leonhard von Limoges, ein fränkischer Adeliger, lebte Legenden zufolge ca. gegen Mitte des sechsten Jahrhunderts. Nachdem er vom Erzbischof Remigius von Reims zum Christentum bekehrt und getauft worden war, wandte er sich voller Mitgefühl der Pflege und Fürsprache von Gefangenen zu. Er lehnte die Bischofswürde ab, und zog sich als Eremit in die Wälder nahe Limoges zurück. In Bayern zählt er seit dem elften Jahrhundert zu den sogenannten Nothelfern, er ist Schutzpatron der Gefangenen, und der Tiere, vor allem der Pferde, und wird im Volksmund häufig „Bauernherrgott“ genannt…
… Die prachtvollen Wallfahrten zu Ehren St. Leonhards gelten als Abschluss des Bauernjahres, sie finden entweder am 6. November statt, dem Namenstag des Heiligen, oder am nächst gelegenen Sonntag. Eine der schönsten Leonhardifahrten Südbayerns wird in Murnau abgehalten. Das schmucke Städtchen ist Mittelpunkt des Blauen Landes, mein Lieblingsausflugsziel dieses langen und wundervollen Sommers. Der lange Zug von weit über dreihundert Fahrzeugen und mehr als achthundert Rössern, vom zierlichen, rassigen Vollblut über schmucke, blondhaarige Haflinger bis zu turmhohen Kaltblütern, durchmisst die Murnauer Altstadt und windet sich dann gemächlich hinaus ins kleine Örtchen Froschhausen zur dortigen Leonhardikapelle, einem barocken Kleinod…
… Zu ungewohnt früher Stunde war ich am 6. November per Zug nach Murnau gegondelt. Natürlich hatte ausgerechnet an jenem Tag die für gewöhnlich pünktliche Bahn durchs Werdenfelser Land etwa zwanzig Minuten Verspätung, ich hatte keinerlei Chance, Froschhausen pünktlich erreichen zu können. Mich mit meinem Los abfindend suchte ich mir am Murnauer Obermarkt einen guten Platz zum Fotografieren inmitten einer Schar gut gelaunter und freundlicher Einheimischer. Um neun Uhr wogten die Kaskaden festlichen Glockengeläuts sämtlicher Kirchen der Stadt durch die Gassen voller Schaulustiger, kaum war der letzte Ton versiegt, näherte sich vom Untermarkt her auch schon die Vorhut der Leonhardifahrt…
… Einige Impressionen aus der Murnauer Altstadt:…
… Die Prozession beginnt mit Fahnenträgern auf wuchtigen Kaltblütern, dahinter trippelten zierlichen Schrittes einige elegante Vollblüter aus dem nahen Bayerischen Landesgestüt Schwaiganger – Fortsetzung folgt:…
… Nach etwa zweistündiger, sehr beschaulicher Fahrt – manchmal entstand der Eindruck, man könne durchaus neben dem Zug spazieren und Blumen pflücken – war Füssen erreicht. Eigentlich war ich schon dabei, mich der Stadtmitte zuzuwenden, doch dann sah ich auf dem Vorplatz einen großen roten Nahverkehrsbus stehen – der würde laut Leuchtschrift auf der Stirnseite nach Garmisch fahren. Eigentlich könnte ich da ja mal nachfragen, welche Buslinie zur Wieskirche fährt, jene weltberühmte bayerische Barockkirche im Alpenvorland…
… So marschierte ich hin und sprach mit dem Fahrer, einem sehr freundlichen und zuvorkommenden Griechen, und der gab mir die Auskunft, dass die Wies auf seinem Weg liegen würde. Ach, was soll’s, dachte ich mir, Füssen läuft mir nicht weg, das kann ich mir ein andermal auch anschauen, und stieg ein…
… Der Bus der Linie 9606 gondelte an den beiden Schlössern Hohenschwangau und Neuschwanstein vorbei, kurvte gemächlich durch manchmal sehr kleine, und gelegentlich etwas größere Ortschaften, und setzte mich nach etwa einer dreiviertel Stunde am Parkplatz nahe dem stattlichen, hoch aufragenden Gotteshaus ab. Direkt vor meiner Nase befand sich der Fahrplanaushang, und blitzschnell erkannte ich, dass dieser Bus an diesem Sonntag die letzte Möglichkeit für mich sein würde, von hier auch wieder wegzukommen – Abfahrt Richtung Garmisch in zwei Minuten – es ist halt noch Vorsaison, und da werden nahverkehrstechnisch am Sonntag auf dem Land um fünf Uhr nachmittags die Gehsteige hochgeklappt. So schnell ich konnte, enterte ich erneut die Linie 9606, ich nahm mir nicht einmal die Zeit, ein Foto von der Wieskirche zu machen. – Nun gut, dann fahr ich halt mit nach Garmisch, das letzte Mal, dass ich dort gewesen bin, liegt schon so lange zurück, dass ich mich gar nicht mehr daran erinnern kann…
… Weiter ging die Reise, hügelauf, hügelab, kreuz und quer durch das sanft geschwungene Voralpenland. Wir passierten Ortschaften wie Steingaden, Bad Kohlgrub, Saulgrub, Oberau, Unterammergau, Oberammergau, Ettal, Farchant, in den meisten drehten wir eine Runde, um mehrere Haltestellen abzuklappern. Ich hatte meine helle Freude dabei, und durfte sehr viel Interessantes und auch Schönes entdecken, so manches habe ich mir in der Denkbirne abgespeichert, um mir das irgendwann einmal genauer anzusehen…
… Gegen halb sieben Uhr abends ragte die kühne und steile Silhouette der Zugspitze vor mir auf, Deutschlands höchster Berg (bzw. Gipfel, denn die Hälfte des Berges liegt bekanntermaßen in Österreich 😉 ), es gelang mir, ein Bild davon zu machen, obwohl der Sonnenuntergang schon eine Weile vorbei war, und grad im sich bewegenden Bus die Lichtbedingungen alles andere als optimal. Im Garmisch-Partenkirchener Bahnhof hatte ich, während ich ein halbes Stünderl auf den Zug Richtung München wartete, die Wahl, mir für mein knapp bemessenes Reisebudget eine Brotzeit zu kaufen oder ein Buch – ich entschied mich für letzteres, und erstand „Winterkartoffelknödel“, der erste Band der Niederbayern-Krimiserie von Rita Falk, und hatte viel Freude und Kurzweil beim Schmökern…
… Müde aber glücklich kehrte ich nach insgesamt gut sechs Stunden Reise mit Bahn und Bus in meine kleine, warme Bude zurück. Und nahm mir fest vor, so bald als möglich wieder Zug-Roulette zu spielen… 😉
… Wenn man aufgrund einer ernsthaften, sehr seltenen und immer noch rätselhaften Erkrankung einen nicht unerheblichen Teil seiner ursprünglichen Beweglichkeit einbüsst, und als körperlich Schwerbehinderte eingestuft wird, gibt es zwei Möglichkeiten, darauf zu reagieren: Entweder man hadert mit dem Schicksal, fühlt sich von diesem höchst ungerecht behandelt, kapselt sich ab, wird verbittert und depressiv, oder aber man setzt sich mit diesem Ungemach auseinander, akzeptiert es, versucht, das Beste daraus zu machen, und die Situation mit Humor zu nehmen. Dafür habe ich mich entschlossen, und das behagt mir, denn ich darf aufgrund dessen immer wieder die Feststellung machen, dass das Leben auch einer Behinderten noch viel Freude bereiten kann…
… Ein Schwerbehindertenausweis hat nicht nur den Vorteil, dass es Preisermäßigungen bei vielen kulturellen Einrichtungen etc. gibt, sondern auch, dass man mittels eines sogenannten Beiblatts, das pro Jahr achtzig Euro kostet, so gut wie kostenfrei sämtliche öffentliche Verkehrsmittel und Nahverkehrszüge der Bahn, des Meridian und des ALEX nutzen darf. So beschloss ich, mir einen seit vielen, vielen Jahren schon gehegten Wunschtraum zu erfüllen, und kreierte kurzerhand ein neues Hobby: das Zug-Roulette = zum Hauptbahnhof pilgern und in den erstbesten Zug einsteigen, der abfährt…
… Gestern war die Premiere meiner neuen Leidenschaft, als ich kurz vor zwei Uhr nachmittags an diesem wundervollen Vorfrühlings-Sonntag am Bahnhof eintraf, hatte ich grade noch Zeit, vor der Abfahrt in zwei Minuten im Zug meiner Wahl einen Waggon zu entern und mir ein gemütliches Plätzchen zu suchen. Die Reise ging nach: Füssen, ein kleines Städtchen am Lech, südwestlich von München, und vor allem für seine Nähe zu den beiden weltberühmten Schlössern Neuschwanstein und Hohenschwangau berühmt…
… Noch präsentierte sich das Alpenvorland recht winterlich. Die Bahn passierte die Erzabtei St. Ottilien, einen meiner Lieblings-Kraftorte, obwohl ich nicht christlich bin, ein schönes kleines Barockkircherl nahe Kaufering, und wandte sich dann allmählich gen Süden. Nach Kaufbeuren hatte sich die etwas diesige Luft geklärt, und die Bergkette der Nordalpen präsentierte sich in voller Pracht und Herrlichkeit…
… Füssen war mir vor eineinhalb Jahren schon bei einem herbstlichen Ausflug an den Alpsee sehr angenehm aufgefallen, und ich hatte bereits damals beschlossen, diesem Ort mehr Aufmerksamkeit zu widmen, und nicht noch einmal einfach nur hindurch zu fahren. Aber – erstens kommt es anders, zweitens als man denkt. Und davon erzähle ich morgen… 😉
Benediktiner-Erzabtei St. Ottilien
Barockkircherl St. Leonhard
Von ferne grüßt das Märchenschloss Neuschwanstein
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