… Mein bester Freund Basti und ich hatten in unserer Spielesammlung nebst einem knallbunten Berg an Legosteinen, vom unermüdlichen Gebrauch schon recht ausgeleiert, auch eine Armee bestehend aus sehr kleinen Kunststoffsoldaten samt Fahrzeugen, Panzern und Kanonen. Diese ließen sich mit winzigen Sprengpatronen, an denen sich dünne, kurze Zündschnüre befanden, auch richtig abfeuern…
… Eines Nachmittags erzählte der Basti, wie er so einen Knallkörper in eine der stinkenden, fürchterlich qualmenden Zigarren hinein gefieselt hätte, die sein schon sehr betagter Großvater zu rauchen pflegte. Und diese sei dann auch tatsächlich nach einem Weilchen explodiert. „Die hat’s in tausend Fetzen zerrissen, sag‘ i dir! Der Opa hat vielleicht a blödes Gesicht g’macht, ich hab‘ mich schier gekringelt vor Lachen!“…
… Eines Nachmittags, als meine Eltern zum Einkaufen in die Kreisstadt gefahren waren, entdeckte ich Papas noch gut gefüllte Zigarettenschachtel auf der Anrichte in der Küche. Und da packte mich der Übermut. Mit einer aufgebogenen Büroklammer dröselte ich vorsichtig etwa die Hälfte des Tabaks aus einem der Glimmstengel, ganz, ganz sachte, um ja nicht die Papierhülle zu verletzen. Dann führte ich die winzig kleine Sprengladung ein und gab mir die allergrößte Mühe, die braunen Krümel wieder ordentlich zurück zu stopfen…
… Sehr gespannt wartete ich, während der Papa, der Lehrer an der Volksschule meines Heimatortes war, spätnachmittags beim Korrigieren der Schulaufgaben fleißig vor sich hin qualmte. Nichts geschah. Auch nicht mit der Zigarette nach dem Abendessen. Oder dem halben Dutzend beim Fernsehen. Na ja, dumm gelaufen, dachte ich mir, hast halt was verkehrt gemacht…
… Am nächsten Tag stand ich zusammen mit dem Basti und einem Kumpel namens Franz in der großen Schulpause auf der nahen Bolzwiese. Etwa zehn Meter entfernt hielt sich ins Gespräch vertieft die lockere Runde der Lehrkräfte auf. Wir bewunderten grade die „Bronco-Hosn“ vom Franz, eine Wildlederhose mit Fransen an den Seitennähten, als es drüben bei den Lehrern einmal kurz und kräftig „Puff!“ machte. Ich bekam mit, wie sich ein paar der Umstehenden irritiert Tabakskrümel aus dem Gesicht wischten und mein Vater sich mit spitzen Fingern einen Fetzen Zigarettenpapier von der Unterlippe zog. Dann zog ich es vor, schleunigst das Klassenzimmer aufzusuchen und mich bis Ende der Pause im großen Lehrmittelschrank zwischen den zusammengerollten mannshohen Landkarten ferner Kontinente zu verstecken…
… „Ich hab‘ dich beim Englisch-Unterricht angemeldet!“, verkündete Papa mit seidenweicher Stimme, als er Mittags nach Hause kam. Dies glich in jenen mittlerweile sehr, sehr fernen Tagen einer Höchststrafe! Denn die Englisch-Stunden waren kein Pflichtfach und nach der normalen Schulzeit angesetzt. Noch dazu fanden sie in einem ungemütlichen, düsteren Raum im Souterrain der Schule statt. Von meiner zerknautschten, mit Eselsohren behafteten Zwangslektüre „Billy Ball and Peter Pimm“ wanderten meine unendlich leidvollen Blicke in jenem mit wunderbaren, warmen Tagen schier übervollem Frühsommer immer wieder neiderfüllt auf die allmählich sich bräunenden Beine der unbeschwert im Sonnenschein spielenden Kinder, die schreiend und lachend über den Bolzplatz jagten. Und schwor mir innerlich, mich nie, nie, nie wieder zu solch einem dummen Streich hinreißen zu lassen…


