… Wie ein dickes Laken hat sich Hochnebel über das sanft gewellte Voralpenland gelegt. Nur wenig Licht durchdringt die zähe, feuchte, graue Masse. Die Umrisse der Gehöfte, Scheunen, der Zäune, Wildansitze, Stallungen, Wälder verschwimmen im Dunst. Der Regionalzug trägt mich Richtung Salzburg, nach einer kurzen Busfahrt steige ich in eine Seilbahngondel, die mich rasch nach oben befördert. Und dann, ganz plötzlich, wölbt sich über mir das wundervoll blaue Himmelszelt. Und die von Schnee und Eis gekrönten Berggipfel der Heimat scheinen auf dem weißen, stumm brodelnden Wolkenmeer zu treiben, als wären sie schwerelos…
Berchtesgaden
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… ist der Begriff, welchen der liebe Roland diese Woche in seiner Foto-Challenge mit einem Bild umgesetzt sehen möchte…
… Das Foto stammt ausnahmsweise mal nicht von mir. Es ist auf dem Instagram-Account des mehrfachen Rodel-Weltmeisters Felix Loch zu sehen und zeigt einen Ausschnitt der teilweise völlig zerstörten berühmten Kunsteisrodelbahn am Königssee…

… Man geht davon aus, dass es mindestens ein Jahr dauern wird, bevor dort wieder Wettkämpfe werden stattfinden können. Die Wassermassen, die in der Nacht von Samstag auf Sonntag vom Himmel fielen, haben in meiner Heimat Berchtesgaden arge Verwüstungen angerichtet – Bergrutsche, Stein- und Schlammlawinen, Unterspülungen, Hauseinstürze. Bei Marktschellenberg wurde die Berchtesgadener Ache zum reissenden Fluss, der die tiefer gelegenen Teile des Ortes überschwemmte. Die Bahnstrecke ist gesperrt, sämtliche Zufahrtstraßen waren zumindest vorübergehend nicht befahrbar, das Dorf Scheffau, hoch über Marktschellenberg gelegen, war von der Außenwelt völlig abgeschnitten. Zum Glück sind meine Angehörigen wohlauf. Es scheint wohl „nur“ ein bzw. zwei Todesopfer gegeben zu haben, und die Zahl der Verletzten sich in Grenzen zu halten. Am Sonntag Abend hat es erneut recht heftig zu regnen begonnen, in der Nacht sollen die sintflutartigen Niederschläge aber gottlob abebben…
… ist in meiner Heimat, dem Berchtesgadener Land, das holzverarbeitende Handwerk Tradition, wie in so vielen anderen Alpenregionen auch. In früheren Tagen hat man mit dem Vertreiben der sogenannten Berchtesgadener War‘ gute Geschäfte gemacht. Auf sogenannten Kraxn, hölzernen Gestellen, die rücklings getragen wurden, zogen die Händler in ferne Regionen aus, um etwas naiv anmutendes, bunt bemaltes Kinderspielzeug, kunstvoll gedrechselte und verzierte Schachteln, Heiligenstatuen und Küchengerätschaften feil zu bieten…
… Der berühmteste dieser fahrenden Händler und Holzhandwerker war der Anton Adner, eine von vielen Sagen und Legenden umwobene Persönlichkeit. Geboren wurde er entweder in Schönau am Königssee oder aber im Tirolerischen, so genau weiß man das auch heutzutage nicht. Angeblich ist er 1705 zur Welt gekommen, und 117 Jahre alt geworden. Mit ca. 109 Jahren hat er in München einen der beiden Türme der Frauenkirche erklommen, er ist damals einer Einladung des ersten bayerischen Königs Max I. Joseph gefolgt, und durfte an dessen traditioneller Fußwaschung am Gründonnerstag teilnehmen. Der Regent ist vom „bayerischen Methusalem“ so angetan gewesen, dass er dem Schachterlmacher eine kleine Leibrente anweisen, und ihn sogar von seinem Hofarzt behandeln ließ…
… Statue von Anton Adner. Charakteristisch für ihn war, dass er während seiner langen Wanderschaften mit der schwer beladenen Kraxn auf dem Rücken zu stricken pflegte…
… Auch heutzutage erfreut sich die Berchtesgadener War‘ und Holzbildhauerei großer Beliebtheit, Hauptabnehmer sind vor allem die Touristen aus allen Ländern der Welt. Zahlreiche Kunstwerke in Berchtesgaden legen ein beredtes Zeugnis davon ab, dass man nicht nur aus edlem Gestein gar schöne Dinge formen kann…
… Berchtesgadener Christbaumschmuck…
… der Berchtesgadener Talkessel erfüllt von urtümlich anmutendem Brüllen und dem Geläut teils schwerer Kuhglocken. Die Strohbuttmandln und Fellkramperl treiben an der Seite des Heiligen Nikolaus ihr Unwesen. Dieser Brauch geht vermutlich sogar bis in die Zeit der Kelten zurück, und wurde im Laufe der Jahrhunderte, nachdem das Christentum nach Europa gebracht worden ist, sozusagen in den neuen Glauben integriert. Der Lärm sollte ursprünglich böse Geister vertreiben, damit man unbeschwert nach der Wintersonnenwende am 21. Dezember ins neue Jahr starten konnte. Das Schlagen junger Mädchen (und auch alter Frauen, wie ich schmerzhaft feststellen musste 😉 ) sowie junger Burschen, und das Beschmieren der Gesichter mit Ruß symbolisiert einen ebenfalls uralten Fruchtbarkeitsritus…
… Alle Jahre wieder kommt dieser Tage in etlichen Internetforen und den Medien die Frage auf, ob die gruseligen Masken der Kramperl und Buttmandl und die unheimliche Stimmung, die sie ohne Zweifel verbreiten, kleinen Kindern nicht gar seelischen Schaden zufügen würden. Ich denke nicht. Wer im Alpenraum lebt, wächst mit derlei auf. Man kennt die Geschichte dieses Brauchtums, und ist mit Recht stolz darauf. Die Buttnmandl- und Kramperl-Bassn (Gruppen), die rund um den Nikolaustag unterwegs sind, haben es in der Regel auf Halbwüchsige abgesehen, kleine Kinder haben normalerweise nichts vor ihnen zu befürchten. Zudem bin ich der Meinung, dass der niveaulose und vor Sex and Crime nur so strotzende Müll, der bereits untertags in diversen Fernsehprogrammen ausgestrahlt wird, kleinen Menschen mit Sicherheit mehr schadet als ein leichter Schlag mit einer Haselnussgerte einmal im Jahr…
… Hier einige Impressionen vom 5. Dezember im Markt Berchtesgaden:…
… um den zur Zeit noch sehr stillen und idyllischen Hintersee in meiner Heimat habe ich neulich gemacht. Ein bisserl ziert er sich noch, der Frühling, der Himmel wirkte bisweilen düster, in den Senken und kleinen Seebuchten liegen noch Schnee und Eis. Doch kleine blaue, rosige, weiße und gelbe Blütenkelche strecken sich bereits aus dem vorjährigen Laub, und wenn der Wind nicht wehte, dann verwöhnte die durch immer größer werdende Wolkenlücken blitzende Sonne mit erstaunlich kraftvoller Wärme…
… Bei meinem letzten Besuch in der Heimat geriet mir ein kleines Büchlein in die Hände, das ich, einmal angefangen, binnen weniger Stunden ausgelesen hatte:…
… Im Zeichen des Ungeistes – Autor: Prof. Dr. Rudolf Kriß (1903 – 1973)…
… Er war eine der herausragendsten Persönlichkeiten meiner Heimat, Brauereibesitzer (Berchtesgadener Hofbräuhaus), ein tiefgläubiger Menschenfreund, ein bahnbrechender Forscher religiöser Volkskunde, sowie Förderer und Bewahrer heimischer Traditionen…
… 1938 hatte das NS-Regime Kriß die Professur in Wien entzogen, Hauptgrund war seine unverhohlen kritische Einstellung Hitler und seinen Gefolgsleuten gegenüber, und wohl auch seine Homosexualität…
… Ende 1943 lernte er durch Zufall einen jungen Ramsauer Bauern kennen, der über keine große Bildung verfügte, jedoch ein bestrickendes, schriftstellerisches Talent sein Eigen nannte. Rudolf Kriß nahm den Autor unter seine Fittiche, und half ihm beim Erarbeiten eines beeindruckenden Romans. Kurz vor Abschluss des letzten Kapitels musste der Jungbauer ins Feld ziehen. Sein Mentor nahm Kontakt zu einem Berchtesgadener Maler und Zeichner auf, der die Buch-Illustrationen gestalten sollte. Es kam zu einer Diskussion, in deren Verlauf der Professor – nicht zum ersten Mal – einige abwertende Bemerkungen über den Führer und Konsorten fallen ließ…
… Nur wenig später, im Januar 1944, wurde Rudolf Kriß von der SS verhaftet, der Kunstmaler hatte ihn denunziert. Nachdem er gut ein halbes Jahr im Münchner Gefängnis Neudeck zugebracht hatte, wurde er nach Berlin, ins Zuchthaus Moabit, überstellt, und während einer zehnstündigen Verhandlung zum Tode verurteilt. Den Richterspruch, das Warten auf die Hinrichtung, sowie seine insgesamt eineinhalb Jahre währende Leidenszeit, hatte Kriß mit bewundernswerter Haltung und überragender Seelengröße hingenommen und ertragen. Dem mutigen Einsatz seiner besten Freundin, Kammersängerin Frau Felicie Hüni-Mihasecsek, ist es zu verdanken, dass schließlich die Begnadigung zu lebenslangem Zuchthaus erfolgte…
… Kriß wurde mit vielen Mitgefangenen nach Straubing überstellt, es folgte eine beinahe zwei Monate dauernde, furchtbare, groteske Irrfahrt unter teilweise entmenschlichten Zuständen durch halb Deutschland…
… Im Frühjahr 1945 wurde Rudolf Kriß aus dem Zuchthaus befreit, er machte sich auf den Weg in die Heimat. Unterwegs fühlte er sich innerlich wie taub, wie erstarrt, dem Irdischen entrückt, zögerte seine Heimkehr immer wieder hinaus…
… Als er endlich in Berchtesgaden eintraf, wurde ihm von Verwandten, Freunden und den Brauerei-Angestellten ein stürmischer Empfang bereitet…
… Dr. Rudolf Kriß schrieb „In Zeiten des Ungeistes“ bereits kurz nach seiner Rückkehr nach Berchtesgaden 1945 nieder. Von der amerikanischen Besatzungsmacht wurde er Ende Mai 1945 zum Bürgermeister Berchtesgadens ernannt. Er setzte seine wissenschaftlichen Tätigkeiten zuerst in Salzburg, dann in München fort. Zudem unternahm er Forschungsreisen u. a. nach Nordafrika und erweiterte seine private Sammlung auf insgesamt ca. 14.000 Votivgaben und anderer Zeugnisse religiöser Volkskunst, die hauptsächlich aus dem Alpenraum stammten…
… Die 3. Auflage wurde 2015 vom Heimatkundeverein Berchtesgaden e. V. heraus gegeben…
… Abschließen möchte ich meine Buchbesprechung mit einem Zitat aus dem Klappentext:…
… „Überaus zutreffend … hat Professor Kriß den Titel seines Buches gewählt. Dieses Buch und mit ihm alle Opfer des Hitlerregimes haben uns damals den Auftrag erteilt, den Ungeist des Nationalsozialismus in unserem Volke endgültig auszurotten. Es soll uns alle zu mehr Wachsamkeit gegen Radikalismus aller Art, insbesondere gegen Rechtsextremismus und Neonazismus ermahnen.“…
… Nach der feudalen Kaffeepause haben wir uns in Berchtesgaden noch ein wenig die Füße vertreten, um wenigstens ein paar der vertilgten Kalorien wieder abzubauen. Stattliche Erker, schöne Fenster und schöne Lüftlmalereien an den Hausfassaden hatten es mir wie immer ganz besonders angetan… 😉
… Zu guter Letzt statteten wir der in den Jahren 1480 bis 1488 erbauten Franziskanerkirche noch einen kurzen Besuch ab. Eigentlich heisst dieses Gotteshaus ja Unserer lieben Frau am Anger, wegen des Gnadenaltars mit der Statue der wohltätigen Ährenmadonna, die sich hinter dem Hauptaltar befindet…
… Was mich in der Franziskanerkirche am meisten fasziniert, ist das Holzrelief des letzten Abendmahles. Bemerkenswert, wie plastisch dieses geschnitzte Kunstwerk ausgearbeitet worden ist, wie individuell die einzelnen Gesichter gestaltet wurden…
… darf man sich ab und an schon mal gönnen. So fuhren wir am Donnerstag nach dem Mittagessen und einem kleinen Päuschen mit dem Bus nach Berchtesgaden, um auf der Dachterrasse des noblen Hotels „Edelweiss“ Kaffee zu trinken. Unsere Cappuccini waren hervorragend, desgleichen die Torte aus hellem und dunklem Schokomousse. Und die Aussicht auf meine Heimat und die Berge ringsum wunderschön…
… Blick nach Süden auf die Franziskanerkirche, dahinter unser kleines „Matterhorn“, die Schönfeldspitze, die wie eine Pyramide das Steinerne Meer überragt und rechts daneben das Watzmann-Massiv…
… Noch einmal der König Watzmann mit seiner etwas kleineren Frau und den sieben Kindern, davor die evangelische Kirche, und mein absolutes Traumhaus: die Villa Marienfels, nach ihrem Erbauer auch Villa Pintsch genannt…
… Die Häuser am und rund um den sogenannten Doktorberg, dahinter ragt der Untersberg empor…
… Der Lockstein thront über Berchtesgaden, von dort oben hat man einen wundervollen Blick über den gesamten Talkessel und die ringsum aufragenden Berggipfel. An hohen Feiertagen wie z. B. Weihnachten versammeln sich die Weihnachtsschützen auf seiner Kuppe, und das wuchtige Donnern ihrer klobigen Böller hallt rollend durch das Tal…
… Der große, lang gezogene Gebäudekomplex in der Bildmitte ist das Berchtesgadener Schloss, einstmals sehr beliebtes Domizil der Wittelsbacher Herrscherfamilie, die in meiner Heimat sehr gerne Jagdferien verbracht hatte. Überragt wird das stattliche, hochherrschaftliche Anwesen von den Zwillingstürmen der Stiftskirche…
… Schier ungezählt waren die kleinen und großen Aus- und Einblicke beiderseits meines Wegs, so dass die gut zwei Stunden der Wanderung wie im Fluge vergingen. Als ich mich wieder der Wohnung meiner Mutter näherte, verspürte ich großen Hunger und Vorfreude auf die versprochenen Rahmschwammerln, und Erleichterung, weil mir das Knie trotz der gut drei Kilometer langen Wanderung kaum Beschwerden verursachte…