… Was da wohl alles für feine Geschenke in den großen Körben versteckt waren, die neulich von einigen Mulis der Tragtierkompanie durch Berchtesgaden bugsiert wurden? Als junges Mädchen hätten mich allerdings die Maultiere weitaus mehr gefesselt als die schön verzierten Packerln… 😉
… Ich wünsche euch einen wunderbaren und friedvollen Nikolaustag!…
… Dieses Jahr treiben endlich wieder die Krampus- und Buttnmandl-Passn ihr lautes Unwesen in Berchtesgaden und Umgebung. Buttnmandl sind turmhohe, sorgfältig in Stroh eingebundene und grausige Holzlarven tragende Gestalten. Auf dem Rücken sind schwere Kuhglocken befestigt und in den rußgeschwärzten Händen halten sie Haselnussruten, mit denen sie vor allem Halbwüchsigen Hiebe versetzen. Man sagt, dass dieses Brauchtum schon uralt sei, und bis in den Keltenzeit zurück reichen würde. Mit dem Lärm der riesigen Glocken soll kurz vor der Wintersonnenwende, wenn ja eigentlich das neue Jahr anbricht, böse Geister vertrieben werden. Die Züchtigung junger Menschen mit den Ruten entstammt einem gleichfalls sehr alten Fruchtbarkeitsritus. Als Pass bezeichnet man eine Gruppe von Kramperln bzw. Strohbuttnmandl. Das Mitlaufen in einer Pass ist jungen und ledigen Männern vorbehalten, und sie darf nie die Zahl Zwölf überschreiten. Vom „streng katholischen“ Mittelalter an bis ins 18. Jahrhundert war das Krampus- und Buttnmandl-Laufen untersagt. Danach arrangierte man sich mit diesem doch recht heidnisch anmutendem Brauchtum, und gesellte den Heiligen Nikolaus zu den wilden Wesen. Normalerweise wird im Berchtesgadener Land der Nikolaus vom Nikoloweiberl in Tracht begleitet, seit einigen Jahren wird dieses zusehends durch weiß gekleidete Engerln ersetzt – na ja, Bräuche und Traditionen wandeln sich halt auch stets ein wenig…
… Die Lichtverhältnisse waren am 05. Dezember rund um den Berchtesgadener Schlossplatz eher suboptimal, daher sind einige Bilder nicht so scharf geraten, wie ich das gerne gehabt hätte. Eigentlich hatte ich geplant, den Nachmittag und Abend dort zu verbringen, und dann mit einem der letzten Züge zurück nach München zu fahren. Doch gegen 16:00 Uhr fing es dann so unangehm zu regnen an, dass ich die Segel strich, und viel früher als beabsichtigt zurück kehrte…
… Das letzte Bild zeigt eine mit viel Liebe und Sorgfalt handgeschnitzte und -gedrechselte Pass von Kramperln und Buttmandl mit Nikolaus…
… Wie ein dickes Laken hat sich Hochnebel über das sanft gewellte Voralpenland gelegt. Nur wenig Licht durchdringt die zähe, feuchte, graue Masse. Die Umrisse der Gehöfte, Scheunen, der Zäune, Wildansitze, Stallungen, Wälder verschwimmen im Dunst. Der Regionalzug trägt mich Richtung Salzburg, nach einer kurzen Busfahrt steige ich in eine Seilbahngondel, die mich rasch nach oben befördert. Und dann, ganz plötzlich, wölbt sich über mir das wundervoll blaue Himmelszelt. Und die von Schnee und Eis gekrönten Berggipfel der Heimat scheinen auf dem weißen, stumm brodelnden Wolkenmeer zu treiben, als wären sie schwerelos…
… ist der Begriff, welchen der liebe Roland diese Woche in seiner Foto-Challenge mit einem Bild umgesetzt sehen möchte…
… Das Foto stammt ausnahmsweise mal nicht von mir. Es ist auf dem Instagram-Account des mehrfachen Rodel-Weltmeisters Felix Loch zu sehen und zeigt einen Ausschnitt der teilweise völlig zerstörten berühmten Kunsteisrodelbahn am Königssee…
… Man geht davon aus, dass es mindestens ein Jahr dauern wird, bevor dort wieder Wettkämpfe werden stattfinden können. Die Wassermassen, die in der Nacht von Samstag auf Sonntag vom Himmel fielen, haben in meiner Heimat Berchtesgaden arge Verwüstungen angerichtet – Bergrutsche, Stein- und Schlammlawinen, Unterspülungen, Hauseinstürze. Bei Marktschellenberg wurde die Berchtesgadener Ache zum reissenden Fluss, der die tiefer gelegenen Teile des Ortes überschwemmte. Die Bahnstrecke ist gesperrt, sämtliche Zufahrtstraßen waren zumindest vorübergehend nicht befahrbar, das Dorf Scheffau, hoch über Marktschellenberg gelegen, war von der Außenwelt völlig abgeschnitten. Zum Glück sind meine Angehörigen wohlauf. Es scheint wohl „nur“ ein bzw. zwei Todesopfer gegeben zu haben, und die Zahl der Verletzten sich in Grenzen zu halten. Am Sonntag Abend hat es erneut recht heftig zu regnen begonnen, in der Nacht sollen die sintflutartigen Niederschläge aber gottlob abebben…
… ist in meiner Heimat, dem Berchtesgadener Land, das holzverarbeitende Handwerk Tradition, wie in so vielen anderen Alpenregionen auch. In früheren Tagen hat man mit dem Vertreiben der sogenannten Berchtesgadener War‘ gute Geschäfte gemacht. Auf sogenannten Kraxn, hölzernen Gestellen, die rücklings getragen wurden, zogen die Händler in ferne Regionen aus, um etwas naiv anmutendes, bunt bemaltes Kinderspielzeug, kunstvoll gedrechselte und verzierte Schachteln, Heiligenstatuen und Küchengerätschaften feil zu bieten…
… Der berühmteste dieser fahrenden Händler und Holzhandwerker war der Anton Adner, eine von vielen Sagen und Legenden umwobene Persönlichkeit. Geboren wurde er entweder in Schönau am Königssee oder aber im Tirolerischen, so genau weiß man das auch heutzutage nicht. Angeblich ist er 1705 zur Welt gekommen, und 117 Jahre alt geworden. Mit ca. 109 Jahren hat er in München einen der beiden Türme der Frauenkirche erklommen, er ist damals einer Einladung des ersten bayerischen Königs Max I. Joseph gefolgt, und durfte an dessen traditioneller Fußwaschung am Gründonnerstag teilnehmen. Der Regent ist vom „bayerischen Methusalem“ so angetan gewesen, dass er dem Schachterlmacher eine kleine Leibrente anweisen, und ihn sogar von seinem Hofarzt behandeln ließ…
… Statue von Anton Adner. Charakteristisch für ihn war, dass er während seiner langen Wanderschaften mit der schwer beladenen Kraxn auf dem Rücken zu stricken pflegte…
… Auch heutzutage erfreut sich die Berchtesgadener War‘ und Holzbildhauerei großer Beliebtheit, Hauptabnehmer sind vor allem die Touristen aus allen Ländern der Welt. Zahlreiche Kunstwerke in Berchtesgaden legen ein beredtes Zeugnis davon ab, dass man nicht nur aus edlem Gestein gar schöne Dinge formen kann…
… der Berchtesgadener Talkessel erfüllt von urtümlich anmutendem Brüllen und dem Geläut teils schwerer Kuhglocken. Die Strohbuttmandln und Fellkramperl treiben an der Seite des Heiligen Nikolaus ihr Unwesen. Dieser Brauch geht vermutlich sogar bis in die Zeit der Kelten zurück, und wurde im Laufe der Jahrhunderte, nachdem das Christentum nach Europa gebracht worden ist, sozusagen in den neuen Glauben integriert. Der Lärm sollte ursprünglich böse Geister vertreiben, damit man unbeschwert nach der Wintersonnenwende am 21. Dezember ins neue Jahr starten konnte. Das Schlagen junger Mädchen (und auch alter Frauen, wie ich schmerzhaft feststellen musste 😉 ) sowie junger Burschen, und das Beschmieren der Gesichter mit Ruß symbolisiert einen ebenfalls uralten Fruchtbarkeitsritus…
… Alle Jahre wieder kommt dieser Tage in etlichen Internetforen und den Medien die Frage auf, ob die gruseligen Masken der Kramperl und Buttmandl und die unheimliche Stimmung, die sie ohne Zweifel verbreiten, kleinen Kindern nicht gar seelischen Schaden zufügen würden. Ich denke nicht. Wer im Alpenraum lebt, wächst mit derlei auf. Man kennt die Geschichte dieses Brauchtums, und ist mit Recht stolz darauf. Die Buttnmandl- und Kramperl-Bassn (Gruppen), die rund um den Nikolaustag unterwegs sind, haben es in der Regel auf Halbwüchsige abgesehen, kleine Kinder haben normalerweise nichts vor ihnen zu befürchten. Zudem bin ich der Meinung, dass der niveaulose und vor Sex and Crime nur so strotzende Müll, der bereits untertags in diversen Fernsehprogrammen ausgestrahlt wird, kleinen Menschen mit Sicherheit mehr schadet als ein leichter Schlag mit einer Haselnussgerte einmal im Jahr…
… Hier einige Impressionen vom 5. Dezember im Markt Berchtesgaden:…
Mulis und Soldaten der Gebirgsjäger-Tragtierkompanie paradieren vorbei
Der Nikolaus!
Und jetzt geht das wilde Treiben los!
Der Kehlstein lugt über die Dächer des Wittelsbacher Schlosses
… um den zur Zeit noch sehr stillen und idyllischen Hintersee in meiner Heimat habe ich neulich gemacht. Ein bisserl ziert er sich noch, der Frühling, der Himmel wirkte bisweilen düster, in den Senken und kleinen Seebuchten liegen noch Schnee und Eis. Doch kleine blaue, rosige, weiße und gelbe Blütenkelche strecken sich bereits aus dem vorjährigen Laub, und wenn der Wind nicht wehte, dann verwöhnte die durch immer größer werdende Wolkenlücken blitzende Sonne mit erstaunlich kraftvoller Wärme…
… Bei meinem letzten Besuch in der Heimat geriet mir ein kleines Büchlein in die Hände, das ich, einmal angefangen, binnen weniger Stunden ausgelesen hatte:…
… Im Zeichen des Ungeistes – Autor: Prof. Dr. Rudolf Kriß (1903 – 1973)…
… Er war eine der herausragendsten Persönlichkeiten meiner Heimat, Brauereibesitzer (Berchtesgadener Hofbräuhaus), ein tiefgläubiger Menschenfreund, ein bahnbrechender Forscher religiöser Volkskunde, sowie Förderer und Bewahrer heimischer Traditionen…
… 1938 hatte das NS-Regime Kriß die Professur in Wien entzogen, Hauptgrund war seine unverhohlen kritische Einstellung Hitler und seinen Gefolgsleuten gegenüber, und wohl auch seine Homosexualität…
… Ende 1943 lernte er durch Zufall einen jungen Ramsauer Bauern kennen, der über keine große Bildung verfügte, jedoch ein bestrickendes, schriftstellerisches Talent sein Eigen nannte. Rudolf Kriß nahm den Autor unter seine Fittiche, und half ihm beim Erarbeiten eines beeindruckenden Romans. Kurz vor Abschluss des letzten Kapitels musste der Jungbauer ins Feld ziehen. Sein Mentor nahm Kontakt zu einem Berchtesgadener Maler und Zeichner auf, der die Buch-Illustrationen gestalten sollte. Es kam zu einer Diskussion, in deren Verlauf der Professor – nicht zum ersten Mal – einige abwertende Bemerkungen über den Führer und Konsorten fallen ließ…
… Nur wenig später, im Januar 1944, wurde Rudolf Kriß von der SS verhaftet, der Kunstmaler hatte ihn denunziert. Nachdem er gut ein halbes Jahr im Münchner Gefängnis Neudeck zugebracht hatte, wurde er nach Berlin, ins Zuchthaus Moabit, überstellt, und während einer zehnstündigen Verhandlung zum Tode verurteilt. Den Richterspruch, das Warten auf die Hinrichtung, sowie seine insgesamt eineinhalb Jahre währende Leidenszeit, hatte Kriß mit bewundernswerter Haltung und überragender Seelengröße hingenommen und ertragen. Dem mutigen Einsatz seiner besten Freundin, Kammersängerin Frau Felicie Hüni-Mihasecsek, ist es zu verdanken, dass schließlich die Begnadigung zu lebenslangem Zuchthaus erfolgte…
… Kriß wurde mit vielen Mitgefangenen nach Straubing überstellt, es folgte eine beinahe zwei Monate dauernde, furchtbare, groteske Irrfahrt unter teilweise entmenschlichten Zuständen durch halb Deutschland…
… Im Frühjahr 1945 wurde Rudolf Kriß aus dem Zuchthaus befreit, er machte sich auf den Weg in die Heimat. Unterwegs fühlte er sich innerlich wie taub, wie erstarrt, dem Irdischen entrückt, zögerte seine Heimkehr immer wieder hinaus…
… Als er endlich in Berchtesgaden eintraf, wurde ihm von Verwandten, Freunden und den Brauerei-Angestellten ein stürmischer Empfang bereitet…
… Dr. Rudolf Kriß schrieb „In Zeiten des Ungeistes“ bereits kurz nach seiner Rückkehr nach Berchtesgaden 1945 nieder. Von der amerikanischen Besatzungsmacht wurde er Ende Mai 1945 zum Bürgermeister Berchtesgadens ernannt. Er setzte seine wissenschaftlichen Tätigkeiten zuerst in Salzburg, dann in München fort. Zudem unternahm er Forschungsreisen u. a. nach Nordafrika und erweiterte seine private Sammlung auf insgesamt ca. 14.000 Votivgaben und anderer Zeugnisse religiöser Volkskunst, die hauptsächlich aus dem Alpenraum stammten…
… Die 3. Auflage wurde 2015 vom Heimatkundeverein Berchtesgaden e. V. heraus gegeben…
… Abschließen möchte ich meine Buchbesprechung mit einem Zitat aus dem Klappentext:…
… „Überaus zutreffend … hat Professor Kriß den Titel seines Buches gewählt. Dieses Buch und mit ihm alle Opfer des Hitlerregimes haben uns damals den Auftrag erteilt, den Ungeist des Nationalsozialismus in unserem Volke endgültig auszurotten. Es soll uns alle zu mehr Wachsamkeit gegen Radikalismus aller Art, insbesondere gegen Rechtsextremismus und Neonazismus ermahnen.“…
… Nach der feudalen Kaffeepause haben wir uns in Berchtesgaden noch ein wenig die Füße vertreten, um wenigstens ein paar der vertilgten Kalorien wieder abzubauen. Stattliche Erker, schöne Fenster und schöne Lüftlmalereien an den Hausfassaden hatten es mir wie immer ganz besonders angetan… 😉
… Zu guter Letzt statteten wir der in den Jahren 1480 bis 1488 erbauten Franziskanerkirche noch einen kurzen Besuch ab. Eigentlich heisst dieses Gotteshaus ja Unserer lieben Frau am Anger, wegen des Gnadenaltars mit der Statue der wohltätigen Ährenmadonna, die sich hinter dem Hauptaltar befindet…
… Was mich in der Franziskanerkirche am meisten fasziniert, ist das Holzrelief des letzten Abendmahles. Bemerkenswert, wie plastisch dieses geschnitzte Kunstwerk ausgearbeitet worden ist, wie individuell die einzelnen Gesichter gestaltet wurden…
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