… war ich am Dienstag mal wieder unterwegs. Während der Führung durch das Bayerische Landgestüt Schwaiganger wurde erwähnt, dass man in einer Dependance nahe des Riegsees nordöstlich von Murnau seltene Schaf- und Ziegenrassen sowie Murnau-Werdenfelser Rinder züchten und vor dem Aussterben bewahren würde. Das wollte ich mir unbedingt ansehen. Und so zog ich nach einigen Recherchen im WWW an einem prachtvollen Sommertag los, auf den langgezogenen Hagener Höhenrücken…
… Nahe des Wegs – eine schmale Straße – entdeckte ich die ersten Herbstzeitlosen des Jahres…
… Während ich langsam und mit etlichen Fotopausen die doch ganz ordentlich steile Steigung zum kleinen Örtchen Hagen empor schnaufte, wuchsen mir die überreichen, prallen, saftigen, herzhaften Früchte des Sommers aus den Gärten links und rechts fast in die Futterluke hinein…
… Ich passierte saftige sanft geschwungene Wiesen, auf denen die Bauern eifrig mit dem Wenden und Einfahren der würzig duftenden Heuernte beschäftigt waren, und kühle, lichte Wälder…
… Wilde Bienen hatten Quartier in einer Baumhöhle bezogen…
… Während meines Abstiegs von der kleinen Kapelle des Mesnerhäusls auf einem schmalen Wiesenpfad sah ich ihn inmitten des Moor- und Schilfgebiets am nördlichen Ufer des Riegsees. Und begann, innerlich inständig zu bitten: „Flieg nicht weg! Bitte, bitte, flieg nicht weg!“ So schnell mich meine schwachen Beine trugen, marschierte ich den Abhang hinunter, um möglichst nahe an das Ried zu gelangen. Und der wunderschöne, große Silberreiher, der da auf seinen schlanken, langen Beinen inmitten der Sumpflandschaft stand, tat mir den Gefallen und verharrte ruhig, hin und wieder auf eine sehr elegante und mühelose Weise einen Fisch fangend…
… Die guten Aussichtsplätze am Schilfrand waren rar und deshalb vor allem von den Kormoranen heiß begehrt, was hin und wieder zu Streitereien mit heftigem Flügelschlagen und lautem Geschrei führte…
… Laut trompetend wasserten zwei stattliche Kanadagänse, um mit lang gestreckten Hälsen eine Art Ballett zu vollführen – ich vermute, es handelte sich hierbei um Revierstreitigkeiten, die auf eine sehr elegante Weise ausgetragen wurden…
… Nach einer geraumen Weile Schauen, Freuen und Staunen machte ich mich wieder auf den Weg Richtung Hofheim…
… Fünf Tage lang musste ich wegen eines sehr hartnäckigen und heftigen grippalen Infekts das Bett hüten. Am Mittwoch fühlte ich während eines kurzen Spaziergangs, wie allmählich die Lebensgeister wieder erwachten. Donnerstags hielt mich dann nichts mehr in der Stadt, ich hatte eine schier unbändige Sehnsucht danach, nach langer „Abstinenz“ mal wieder im Blauen Land auf Wanderschaft zu gehen. Ich hatte mir diesmal die recht angenehme und kurze Strecke zwischen den Dörfern Aidling nahe des Riegsees – das ich hier schon mal ausführlich gezeigt habe – und Hofheim auserkoren…
… Es war ein berückend schöner Herbsttag, tiefblau spannte sich der Himmel über mir, nur im Südwesten hielten sich hartnäckig Fönwolken, Zeichen eines Tiefdruckgebiets in Norditalien…
… Langsam schritt ich dahin, genoss den herrlichen Ausblick auf den Riegsee, die sanft geschwungenen Hügel des Blauen Landes, die hoch aufragenden Berggipfel. Pferde grasten friedvoll auf einer immer noch saftig grünen Weide. Tiefrotes Laub tüpfelte den intensiv leuchtenden Himmel, späte Blüten säumten meinen Weg…
… Ein Rotmilan zog stumm seine Kreise über mir und spähte nach Beute…
… Ein Falke saß im Wipfel eines hochragenden Baumes, er stieg auf, und begann plötzlich mit dem charakteristischen Rütteln, sein plötzliches Niederstürzen war dermaßen pfeilschnell, dass ich es mit der Kamera nicht einfangen konnte…
… Nahe eines Gehöfts auf dem langgestreckten Hügelrücken nördlich des Riegsees erspähten mich vier Kälbchen und trabten neugierig geworden näher. Ich kraulte plüschige Ohren und vergrub meine Hände in den Fellwirbeln ihrer breiten Stirnen…
… Im Schatten einer Baumgruppe stand eine steinerne Stele, der eingravierte Text wies darauf hin, dass hier bis Mitte des 18. Jahrhunderts die Aidlinger Dorfkirche St. Georg gestanden hatte, bevor man ein neues barockes Gotteshaus in der Ortsmitte errichtet hatte…
… Ich passierte das Anwesen und erreichte eine kleine Kapelle, genannt Mesnerhäusl. Der Sage nach soll sich an diesem Ort in grauer Vorzeit eine Kultstätte der Frühlingsgöttin Ostara befunden haben. Ich ließ mich auf der verwitterten Holzbank an der südlichen Kapellenwand nieder und genoss den Frieden, die Ruhe, und den schönen Ausblick…
… Westlich von mir sah ich die roten Dächer von Hofheim, dem kleinen Dorf, das ich als Ziel meines Ausflugs gewählt hatte. Und unter mir lockte das Sumpfgebiet am Nordende des Riegsees. Ausgeruht marschierte ich langsam den schmalen Pfad entlang, der am Ende des langgezogenen Hügelrückens Richtung See führte…
… Ich war noch nicht recht weit von Riegsee Richtung Froschhausen gewandert, da ließen mich heisere Raubvogelrufe stutzen. Über mir umkreisten einander ein prachtvoller, großer Rotmilan, auch Gabelweihe genannt, und ein Bussard – eine Horde Spatzen, die am Giebel eines Bauernhofs eine Art Versammlung abhielt, war davon nicht grade begeistert, wild tschilpend stob sie davon. Es schien bei den Zweien wohl Revierstreitigkeiten zu geben, die aber nach kurzem ohne großes Aufsehen beigelegt wurden, danach flogen die Raubvögel in entgegengesetzte Richtungen davon. Wir Menschlein könnten oft von den angeblich nicht intelligenten Tieren lernen, wie Konflikte aggressionsfrei zu lösen wären…
… Wie ein Spiegel lag der Riegsee ruhig inmitten der sanft hügeligen Landschaft…
… Blick zurück auf das Dorf…
… Das letzte Stück Weg nach Froschhausen führte durch ein Schilfgebiet…
… Die fernen Schroffen der Zugspitze waren in Gewitterwolken gehüllt, hier jedoch war der Himmel wundervoll weißblau, gelegentlich kühlte eine Seebrise die sommerliche Luft…
… Froschhausen ist vor allem wegen seinem kleinen Kircherl St. Leonhard bekannt, dort findet alljährlich die das Bauernjahr beschließende Leonhardifahrt statt, ein großer Umzug mit geschmückten Pferden und Fuhrwerken. Das Innere des Gotteshäusleins ist ein wahres barockes Kleinod, sorgsam durch ein schönes schmiedeeisernes Gitter geschützt…
… Eine Stute döste zusammen mit ihrem Fohlen in der Nachmittagssonne, Ziegen beäugten mich beim Vorbeiwandern höchst neugierig, ein Bauer schuf mit seiner Radltruh‘ (Schubkarren) die Heuernte seines Vorgartens in den Stadel…
… Obwohl ich schon recht müde war, beschloss ich, die etwa eineinhalb Kilometer bis zum Murnauer Bahnhof zu marschieren, langsam, mit vielen Pausen, Schritt für Schritt. Nach einem etwas schweißtreibenden Aufstieg warf ich einen abschiednehmenden Blick zurück…
… Dann kam mir ein Regionalbus (DB-Linie 9631) entgegen, Ziel Uffing am Staffelsee, ich befand mich grade nahe einer Haltestelle, entschloss mich spontan dazu, einzusteigen – und erlebte eine der schönsten Busfahrten meines Lebens. Die Route schlängelte sich fast eine dreiviertel Stunde lang durch die sanfte hügelige Landschaft, wir passierten heimelige kleine Bauerndörfer, gondelten vorbei an stattlichen Höfen, an Schlösschen und winzigen zwiebelgetürmten Barockkirchlein. Als ich müde aber sehr glücklich am Uffinger Bahnhof auf den nächsten Zug Richtung München wartete, beschloss ich im Stillen, noch in diesem Sommer nach und nach diese Busstrecke abzuwandern, und mir Vieles von dem, was ich entdeckt hatte, genauer zu besehen…
… Der Riegsee, etwa zwei Kilometer östlich des Staffelsees gelegen, ist ein sogenannter Toteissee, ein Relikt aus der Würmeiszeit (ca. 115.000 bis 10.000 vor unserer Zeitrechnung). Der Name geht auf den germanischen Eigennamen Ruodgis – Siegpfeil – zurück. Er ist das größte bayerische Gewässer ohne erkennbaren Zu- und Abfluss. Eine Besonderheit des Riegsees sind schwimmende Inseln bestehend aus Moorpflanzenwuchs, die sich gelegentlich vom Ufer lösen und über die Wasser treiben. Anscheinend wurde die Gegend bereits zur Römerzeit erstmals besiedelt…
… Ich bin vor einigen Tagen beim Stöbern zufällig im WWW auf dieses Fleckerl des Blauen Landes aufmerksam geworden. So packte ich am Freitag den Rucksack und zog los, zuerst mit dem schon vertrauten Nahverkehrszug nach Murnau, weiter ging es noch ein kurzes Stückerl mit einem Regionalbus. In der seit fast eintausenddreihundert Jahren existierenden Gemeinde Riegsee stieg ich aus, und durfte schon bald danach zu meiner großen Freude entdecken, dass dieser Ort sich genauso wie Seehausen seinen traditionellen und unverfälschten Kern erhalten hat…
… Nach einer ausgiebigen Tour durch das Dorf Riegsee wandte ich mich auf einem teilweise recht schmalen Pfad gen Süden, Richtung des kleinen Nachbarörtchens Froschhausen…