… in der Gesundheitspolitik – und zwar im Sinne, was tun wir für diejenigen, die schwächer sind“, sagte der SPD-Politiker und Gesundheitsminister Karl Lauterbach Mitte Oktober während einer Pressekonferenz. Aha…
… Meine orthopädische Schuhmacherin hat mir vorhin während eines Termins erzählt, dass sämtliche Krankenkassen die Regeln bezüglich orthopädischen Schuhwerks auf Anordnung von oben geändert hätten. Bislang war es üblich, dass man zwei Jahre lang je ein Paar Fußbekleidung gefertigt bekommen hat, und im dritten Jahr sogar zwei, ein Paar Straßen- sowie ein Paar leichtere Sommer- bzw. Hausschuhe. Nun sei es so, dass man nur mehr dann orthopädische Ersatzschuhe, egal welcher Art, bekommen würde, wenn man diese mehr als zwei Jahre getragen habe. Solches Schuhwerk zieht man als gehbehinderter Mensch nicht nur ab und zu an, aus lauter Jux und Dollerei, oder weil das zwischendurch mal Spaß macht, solche doch schon etwas klobige Treter anzulegen. Sondern permanent und weil man es dringend nötig hat. Auch bei einem sehr sorgfältig und strapazierfähig gearbeitetem Maßschuh und trotz gewissenhafter Pflege lassen mit der Zeit, so etwa nach gut einem Jahr “Dauerbetrieb”, die Einlagen, Nähte und erforderlichen eingearbeiteten Stützen nach. Nicht nur die Sturzgefahr erhöht sich dadurch, auch die Instabilität der Füße, Gelenke, Muskeln und Sehnen…
… Hat man genügend Geld zur Verfügung, trifft es einen bei weitem nicht so schwer, bei Bedarf auch ohne Rezept die ca. 1.800 bis 2.200 Euronen für ein benötigtes Paar orthopädischer Maßschuhe locker zu machen. Als nicht sonderlich begüterte Person ist man auf die Übernahme der Kosten durch die Krankenkasse angewiesen, wobei ein Eigenanteil von ca. 70 bis 85 Euro verbleibt. Die Folgen dieser Änderung bezüglich der Kostenübernahme orthopädischer Maßschuhe trifft aber nicht nur die nicht vermögenden Gehbehinderten, sondern auf Dauer auch die orthopädischen Schuhmacher. Seit Inkrafttreten würde der seit vielen Jahren schon bestehende Betrieb meiner Schustermeisterin erneut Umsatzeinbußen verspüren und hätte auch an Stammkundschaft verloren, nachdem es nach der Corona-Pandemie mit dem Geschäft endlich wieder aufwärts gegangen war. Ihren Chef würde nun bereits die große Sorge umtreiben, dass man einen Teil der Lehrlinge und Gesellen auf Dauer nicht mehr würden halten können…
… Und nun frage ich mich seit meinem Termin fortgesetzt, wie der Herr Lauterbach das mit der sozialen Gerechtigkeit in der Gesundheitspolitik wohl gemein haben könnte…
Ein Drabble – Kurz-Kurz-Kurzgeschichte mit genau 100 Worten:
… Sweatshirt, Freizeithose, Socken und sportlich aussehenden Schuhe dieses Menschen wurden von farbigen Billiglohn-Arbeiterinnen in Afrika, Pakistan, Indien und Bangladesh zusammengenäht und-geklebt. Den Schreibtisch aus asiatischem Billigholz hat er in einem schwedischen Möbelhaus erstanden. Er fährt den in einem taiwanesischen Unternehmen gefertigten PC hoch. Nachdem er sich mit der Familie ausgetauscht hat, ob sie am Abend Döner, Pizza, Thai Curry oder doch lieber Burger von McDoof essen wollen, geht er daran, mithilfe des im kalifornischen Silicon Valley auch von queeren, schwerbehinderten, farbigen und weiblichen Fachkräften entwickelten Betriebssystems seine dümmlichen, homophoben, rassistisch und frauenfeindlich angehauchten Kommentare in die Tasten zu hauen…
… Gegen Mitte Juni traf ich zufällig in der Fußgängerzone eine frühere Arbeitskollegin. Wir hatten uns immer gut verstanden, auch wenn wir nur relativ selten miteinander als Museumsaufsichten in der Münchner Residenz eingeteilt worden waren. Sie erzählte mir betrübt, dass sie Anfang Juli in Rente gehen würde. Obwohl sie sich gut dreißig Jahre für einen Schutz- und Sicherheitsdienst krumm und bucklig geschuftet habe, würde sie in Zukunft von dem, was man ihr monatlich ausbezahlen würde, nicht leben können, denn der Stundenlohn ihres Brötchengebers war seit jeher ausgesprochen mager, und der Arbeitsvertrag mit stundenweiser Abrechnung eine Zumutung. Ich legte ihr nahe, sich an das Sozialamt zu wenden und Grundsicherung zu beantragen. Und bot ihr meine Hilfe an, denn mit diesem Amt hatte ich ja vor Jahren ein gerüttelt Maß an Erfahrungen gesammelt. Wir tauschten die aktuellen Telefonnummern aus und gingen wieder unserer Wege…
… Neulich fiel mir ein, dass ich von Bärbel doch eine geraume Weile nichts mehr gehört hatte. Ich wollte wissen, wie es ihr denn im Sozialamt ergangen sei, und ob ich ihr bei der Bearbeitung des recht umfangreichen Antrags zur Hand gehen könne…
… Sie meldete sich gleich beim ersten Klingelton und ließ sich nicht lange bitten, mir ihr Leid zu klagen. Nein, den Antrag auf Grundsicherung lt. SGB XII habe man ihr noch nicht zugeschickt. Seit gut drei Wochen habe sie insgesamt dreizehn Mal angerufen – beim Servicetelefon, bei einem Sachbearbeiter, den ihr eine Dame vom Servicetelefon fälschlicherweise als für sie zuständig genannt hatte, bei der richtigen Sachbearbeiterin und bei deren angeblicher Bürokollegin. Meistens würde nur eine Ansage vom Band laufen, dass aufgrund des hohen Arbeitsaufkommens telefonische Anfragen nicht entgegen genommen werden könnten, man solle sich per E-Mail bzw. Brief an sie wenden. Zweimal habe sie eine Nachricht auf dem AB hinterlassen, vier E-Mails und zwei Briefe verschickt. Und bis dato habe man auf keine einzige ihrer Bemühungen reagiert. “Nichts! Nicht einmal den kleinsten F*** hat man mir zur Antwort gegeben! Da fühlt man sich scheiße, das kann ich dir sagen!”…
… Ich versicherte ihr, dass ich ihren Frust ausgesprochen gut nachvollziehen könne. “Weisst du,”, meinte sie, “neulich hatte ich am Servicetelefon eine sehr gesprächige Mitarbeiterin. Die erzählte mir, dass die Leut’ aus der Ukraine ohne Termin und völlig unbürokratisch Leistungen vom Sozialamt beziehen würden. Die würden in der Früh einfach so zur Tür hereinmarschieren, und nach dem Ausfüllen eines dreiseitigen Antrags würde man ihnen quasi sofort die Grundsicherung bewilligen. Und vor mir hätte sie einen deutschen Schwerbehinderten am Telefon gehabt, der wäre den Tränen nahe gewesen. Sein Antrag sei vor über zwei Monaten genehmigt worden, und bis zum heutigen Tag sei kein einziger Cent vom Sozialamt auf sein Konto überwiesen worden. Furchtbar! – Ich kann das durchaus verstehen, dass man Kriegsflüchtlingen rasch helfen möchte, wäre ich in deren Lage, dann wäre ich auch heilfroh, wenn man mir so schnell als möglich unter die Arme greifen würde. Ich kann auch verstehen, dass wegen der Menschen aus der Ukraine Sozialämter und Jobcenter überlastet sind. Du kennst mich, ich bin ganz sicher politisch nicht braunversifft, aber wenn man als Einheimische, die fünfundvierzig Jahre lang brav ihre Steuern und Abgaben abgedrückt hat, und die sich ihrer Lebtag lang nichts zuschulden hat kommen lassen, bei der Bitte um Hilfe vom Sozialamt fast einen Monat lang völlig ignoriert wird, dann kommt man schon in Versuchung, sich ungute Gedanken zu machen. Da frage ich mich dann auch, ob ich mir vielleicht einen ukrainischen Pass besorgen sollte, um an meine Grundsicherung zu kommen! – Kennst du vielleicht jemanden, der sich auf’s Fälschen von Dokumenten versteht? (Das ist jetzt nicht ganz ernst gemeint!)”…
… Ich gab ihr den Rat, noch einmal beim Servicetelefon des Sozialamts anzurufen und nach der Teamleitung ihrer Sachbearbeiterin zu fragen. Die für sie zuständige Sachbearbeiterin noch einmal anzuschreiben, um eine Rückmeldung zu bitten und eine Frist von einer Woche zu setzen. Und wenn dann immer noch keine Reaktion erfolgen würde, erst einmal eine briefliche Beschwerde per Einschreiben mit Rückantwort an die Teamleitung zu schicken. Und wenn das auch nichts bringen würde, eine Dienstaufsichtsbeschwerde einzureichen. “Und – was denkst du – wie viel Wartezeit muss ich da jetzt einkalkulieren?” – “Kann ich dir leider nicht sagen. Aber rechne noch mit einigen Wochen.” – “Weisst du, ich habe ja noch ein paar tausend Euro auf der Seite, dieses sogenannte Schonvermögen, das habe ich mir in all den Jahren als Museumsaufsicht quasi vom Mund abgespart. Aber das habe ich eigentlich als Rücklage für den Winter gedacht, für Schlimmes, was vielleicht noch auf uns zukommen mag! Das würde ich nur ausgesprochen ungern jetzt verbrauchen müssen, nur weil das Sozialamt nicht dazu in der Lage ist, auf meine Anfragen zu reagieren.” Bedrückt beendeten wir unser Gespräch…
… So weit ich weiß, ist in den Sozialämtern und Jobcentern bundesweit die Personaldecke seit langem schon mehr als hauchdünn und sehr angespannt, dem Eifer geschuldet, so schnell als möglich die “Schwarze Null” zu erreichen. Und auch aufgrund der teils durchaus menschenunwürdigen Behandlung der Hilfesuchenden – angefangen bei den sehr umfangreichen Anträgen auf Grundsicherung und Hartz IV, bei denen man sich ja bis hinein in die Privatsphäre förmlich entblößen muss. Dass das nicht jeder Hilfesuchende auf die leichte Schulter nimmt, und gute Laune zum bösen Spiel macht, ist nachvollziehbar! In den letzten Jahren ist die Zahl der bedrohlichen Konfliktsituationen in den Sozialämtern massiv angestiegen. Wer will sich schon als Sachbearbeiter:In unter solchen Bedingungen das täglich Brot verdienen und dort anheuern! – Das rächt sich jetzt – und zwar an jenen, die an dieser Situation nicht die geringste Schuld tragen – vor allem an den geringverdienenden Rentnern:Innen, den Schwer- und Schwerstbehinderten, denen, die in diesen Zeiten der Inflation und geradezu explodierenden Energiekosten Unterstützung bitter nötig haben. Kein Wunder, dass jene, die sich nun um Hilfe bittend an diese Ämter wenden, und ignoriert bzw. deren Anliegen auf die lange Bank geschoben werden, auf düstere Gedanken kommen. Und ich gehe sehr davon aus, dass meine frühere Kollegin Bärbel kein Einzelfall ist! Und dass diese Situationen natürlich auch polarisieren und mit Sicherheit dem braunen Gesindel wieder mehr Leute in die Arme treiben werden!…
… Meine Daumen für Bärbel sind ganz fest gedrückt. Und ich hoffe zutiefst, dass man im Amt der Ämter demnächst ein Einsehen haben und ihr einen Termin geben wird…
Nicht nur IKEA, viele andere internationale Großunternehmen wie McDoof, Amazon und Google zahlen nachweislich seit vielen Jahren schon weniger als 15 % Steuern auf ihre gewaltigen Umsätze in Deutschland. – Die Deutschen so: Das ist schon eine Sauerei, aber was sollen wir als kleine BürgerInnen dagegen machen. *Achselzucken*
Der Berliner Flughafen hätte Anfang 2011 eröffnet werden sollen, er kostet uns SteuerzahlerInnen seitdem pro Tag (!) ca. 1,15 Millionen Euro. – Die Deutschen so: Bitter, aber das ist halt mal saudumm gelaufen. Kann man nix machen, als kleine/r BürgerIn schon gar nicht. *Achselzucken*
Cum Cum- und Cum Ex-Geschäfte haben dem Staat Steuerverluste von ca. 30 Milliarden Euro eingebracht. – Die Deutschen so: Das ist schlimm, aber mit so was kenne ich mich nicht aus, und was sollen wir als kleine BürgerInnen dagegen machen. *Achselzucken*
Durch den Wirecard-Skandal ist dem Staat sowie AnlegernInnen ein Schaden von ca. 3,2 Milliarden Euro entstanden. – Die Deutschen so: Ja mei, furchtbar, aber was sollen wir als kleine Bürgerinnen schon dagegen machen. *Achselzucken*
Großunternehmen entlassen Tausende von ArbeitnehmerInnen, zahlen ihren Managern und Vorständen aber weiterhin völlig ungerührt millionenschwere Gehälter und Prämien aus. – Die Deutschen so: Das ist schon ungerecht, aber was sollen wir als kleine BürgerInnen denn dagegen machen. *Achselzucken*
Verkehrsminister Andi Scheuer setzt mit seiner fehlgeplanten PKW-Maut ca. 500 Millionen Steuergelder unwiederbringlich in den Sand. – Die Deutschen so: So lange der Kerl kein Tempolimit auf den Autobahnen einführt, soll uns das recht sein. *Achselzucken*
Verkehrsminister Andi Scheuer bewilligt der Deutschen Bahn ein milliardenschweres Unterstützungspaket. Als erste Maßnahme daraufhin erhöhen sich die DB-Vorstände ihre Gehälter um ca. ein Drittel. – Die Deutschen so: Na ja, die werden schon ihre Gründe haben, und was sollen wir als kleine BürgerInnen auch dagegen tun. *Achselzucken*
Der frühere Fußball-Nationalspieler und FC Bayern Präsident Uli Hoeneß hinterzieht ca. 28,5 Millionen Euro Steuern. – Die Deutschen so: Des is scho a raffinierter Hund, da Uli! Wie der die Batzis vom Fiskus ausgetrickst hat! Wenn der aus dem Knast kommt, dann mach ma den sofort wieder zum FC Bayern-Präsidenten. *Verstohlener Applaus*
In Europa liegt Deutschland bei der “Rangliste” der hinterzogenen Steuern – ca. 125 Milliarden Euro pro Jahr – hinter Italien auf einem höchst beschämenden zweiten Platz. – Ein Viertel der Deutschen so: Ach, wenn ich wüsst’, wie das geht, würde ich schon auch gerne mal Steuern hinterziehen.
Ein Hartz-IV-Bezieher sitzt am helllichten Tag auf der Couch und schaut TV. Er hat bei der Antragstellung penibelst genau seine gesamten Vermögenswerte sowie die privaten Verhältnisse bis ins kleinste Detail angeben und sämtliche Kontoauszüge der letzten drei Monate vorlegen müssen. Nach dem Beifügen aller vom Jobcenter verlangter Unterlagen ist seine Akte mit dem vielseitigen und bisweilen in schwer verständlichem Behördendeutsch verfasste Antrag mehrere Zentimeter dick. Bei der persönlichen Abgabe der Dokumente muss er ein langes, häufig nicht unbedingt respektvoll und freundlich geführtes Gespräch mit dem/der zuständigen SachbearbeiterIn führen. Er darf nicht mehr als 5.000 Euro auf der hohen Kante sein Eigen nennen, und ist dazu verpflichtet, jeglichen Geldeingang, auch die Geburtstags- und Weihnachtsgeschenke der Großeltern an ihn, seine Frau und sogar an seine Kinder dem Jobcenter zu melden. Er darf zusehen, wie er mit der verdammt knapp bemessenen Grundsicherung zurecht kommt, muss auch durchaus damit rechnen, dass Angestellte des Jobcenters vor seiner Türe stehen und überprüfen, ob sich seine Lebensumstände mit den Angaben in seinem Antrag decken. Verhält er sich nicht absolut regelkonform, lehnt er z. B. drei der oftmals lächerlichen Vermittlungsvorschläge zu unterqualifizierten und schlecht bezahlten Jobs ab oder verpasst einen Gesprächstermin, muss er mit Sanktionen rechnen. – Die Deutschen so: Der lungert den ganzen Tag vor der Glotze herum, anstatt einer anständigen Arbeit nachzugehen, wie sich das gehört! Dieser faule Sozialschmarotzer macht sich auf unsere Kosten ein feines Leben! Das gehört sofort rigide und hart bestraft! Für so etwas zahle ich keine Steuern und Abgaben!…
… Wohlgemerkt, nicht alle Deutsche sind so. Aber in meinen Gesprächen und Begegnungen mit meinen Mitmenschen erschreckt es mich immer wieder sehr, wie viele sich fast genauso verhalten, wie ich in meinem zugegebenermaßen überspitzt gezeichneten Beitrag hier schildere…
… Jedesmal, wenn ich Freitag mittags langsam mit dem “Hackenporsche” Richtung Alter Nördlicher Friedhof schlendere – was in der Regel so zwei bis drei Mal im Monat der Fall ist – bin ich neugierig auf das, was man in der kleinen Zweigstelle der Münchner Tafel ausgeben wird. Denn die Lebensmittelspenden ändern sich quasi von Woche zu Woche. Nur eines ist sicher: An Kartoffeln, Karotten und Äpfeln herrscht so gut wie nie Mangel… 😉
… Da kann man natürlich küchentechnisch kaum vorplanen, wie man das ja bei einem normalen Einkauf im Supermarkt so zu halten pflegt. Denn das Angebot und auch die ausgegebenen Mengen variieren permanent…
… Hier in München werden ausschließlich Lebensmittel an den Tafel-Dependancen ausgegeben. Vieles davon ist in der Regel nicht mehr taufrisch bzw. hart am Mindesthaltbarkeitsdatum. Deshalb lernt man als Tafelgast sehr schnell zwei Dinge: Zum einen so zügig als möglich die Spenden zu verarbeiten bzw. einzufrieren, und zum anderen: Mindesthaltbarkeitsdatum heisst ganz ohne Zweifel “Haltbar bis” und nicht “Tödlich ab”. 😉
… Man hat mir schon öfters erzählt, dass einige von uns Tafelgästen derb beschimpft worden sind: “Ihr unverschämten Sozialschmarotzer fresst uns Steuerzahlern die Haare vom Kopf!” Mir selber ist das zum Glück noch nicht widerfahren, ich glaube, ich würde ordentlich zornig werden, würde man mir das an den Kopf werfen…
… Kein/e Steuerzahler/in muss für die bundesweit 947 Tafeln auch nur einen einzige Cent berappen. Die Tafel Deutschland e. V. finanziert sich fast ausschließlich über Spendengelder. Zu den Spendern gehören nebst regionalen Einzelhändlern, Bäckereien, Metzgereien, Kfz-Betriebe, Druckereien und Banken auch große Supermarktketten, Lebensmittelproduzenten, Automobilhersteller, Mobilfunkanbieter und Werbeagenturen. Hier in München zählen auch einige weltberühmte Größen des FC Bayern wie Paul Breitner, Jerome Boateng und Manuel Neuer zu den Wohltätern – sie unterstützen die Tafel nicht nur monetär, sondern werben auch neue Spender an, und arbeiten des Öfteren beim Sortieren und Verteilen der Lebensmittel mit…
… Zwar fordert der Vorsitzende der Tafel Deutschland e. V., Jochen Brühl, staatliche Hilfe an, ausschließlich für den logistischen Bereich, d. h. für die Instandhaltung des Fuhrparks, für Lager- und Kühlhallen. Sehr viele Ehrenamtliche – und bei den Tafeln sind beinahe ausschließlich Ehrenamtliche tätig! – stehen einer finanziellen Beteiligung des Bundes allerdings äußerst kritisch gegenüber. Eine Mitfinanzierung der 1993 gegründeten NGO durch staatliche Hilfen würde bedeuten, dass der Staat in die Organisation eingreifen könne. Das sollte unter allen Umständen vermieden werden…
… Ca. 19 Millionen Tonnen Lebensmittel landen alljährlich im Müll, 43 % dieser schier unvorstellbaren Menge wird von Privatpersonen entsorgt, 57 % stammen aus dem Großhandel. Etwa die Hälfte davon ist noch genießbar, es handelt sich dabei um Retouren, Waren mit kleinen Schönheitsfehlern, Überproduktionen, sowie Erzeugnisse mit nahendem Mindesthaltbarkeitsdatum. Die ehrenamtlichen HelferInnen retten zumindest einen Teil dieser Lebensmittel und geben diese an Menschen, die auf staatliche Transferleistungen angewiesen sind, wie Langzeitarbeitslose, GeringverdienerInnen und SeniorenInnen mit niedrigen Renten. Die Zahl der bedürftigen Tafelgäste steigt seit Jahren schon kontinuierlich an…
… Die Bedürftigkeit muss schriftlich nachgewiesen werden. Hier in München führt die Tafel für jede der mittlerweile 27 Verteilstellen Gästelisten. Man bekommt auf dieser eine feste Nummer, meine ist die 28. 😉 An jedem Spendentag wird mit einer anderen Nummer begonnen, in Zwanzigerschritten wechselnd – 1, 21, 41, 61 usw. -, damit in regelmäßigem Rhythmus so gut wie jede/r mal vorne dran ist. Das bedeutet, dass man an diesen Tagen mehr Glück bei der Zuteilung haben kann. Natürlich darf man sich nicht nach Gusto an den Spenden bedienen, wie in einem Supermarkt, man bekommt sein Kontingent zugewiesen…
… Dass viele der Tafelgäste notorische RaucherInnen und TrinkerInnen wären, wie neulich mal in einem Kommentar zu einem anderen Blogbeitrag unterstellt worden ist, kann ich aufgrund meiner eigenen Erfahrungen nicht bestätigen. In meiner ca. 42 Jahre währenden beruflichen Laufbahn im Dienstleistungsgewerbe – Gastronomie und Schutz- und Sicherheitsdienst – habe ich recht gut gelernt, Mitmenschen einzuschätzen. Und aufgrund privater Erfahrungen, ich war einige Jahre lang mit einem Alkoholiker liiert, kann ich alkoholkranke Personen fast auf Anhieb erkennen. Ich bin mir daher sehr sicher, dass sich zumindest in unserer Tafelgruppe von 120 Gästen kaum mehr als eine Handvoll TrinkerInnen befindet. Wer Vorurteile gegenüber jenen Menschen hegt, welche die segensreiche Hilfe der Tafeln in Anspruch nehmen, sollte sich doch mal ausgiebig mit ihnen unterhalten. Mich zumindest machen die Gespräche mit den Mitgästen häufig sehr betroffen…
… Dass die Tafelgäste ausschließlich “unteren sozialen Schichten” entstammen, ist aus meiner Sicht ebenfalls nicht zutreffend. Unter meinen Mitgästen befinden sich u. a. ein junger und sehr intelligenter ehemaliger Unternehmensberater, der aufgrund schwerer Depressionen eine glänzende berufliche Zukunft verloren hat, eine Ex-Bankangestellte, eine frühere Ingenieurin, die lange Jahre in Südafrika tätig war, ich kenne einige alleinerziehende Mütter und NiedriglohnempfängerInnen. Es geht während der Wartezeiten gesittet zu, ich habe noch nie beobachtet, dass es zu verbalen oder gewalttätigen Ausfällen kam – von unserem Tafelleiter einmal abgesehen, der sich sehr gerne ab und an laut brüllend aufzuführen pflegt wie ein Drill-Seargent. Eines ist allerdings leider nicht von der Hand zu weisen, wie ich bereits in zahlreichen Diskussionen erfahren musste: Tafeln sind eine Brutstätte rechten Gedankenguts. Geschuldet ist dies dem nicht nur meiner Meinung nach immer weitmaschiger werdenden Sozialen Netz. Da muss von politischer Seite aus höchst dringend nachgebessert werden…
… Mit Tafelspenden lassen sich übrigens gesunde und auch schmackhafte Gerichte zubereiten, wie z. B. dieser Quarkauflauf, der mindestens genau so gut gemundet hat, wie er ausgesehen hat… 😉
… Informative und interessante Links zu den Tafeln in Deutschland: