… Mein Beitrag für Myriades Impulswerkstatt…

… Vor einem Jahr war sie als Kandidatin für die Testphase des neuesten Modells eines Pflegeroboters der Firma ROBOCARE ausgewählt worden. Sie litt an einer äußerst seltenen Form von Rheuma, ihre trotz modernster Medikationen und Behandlungen so hinderliche und auch schmerzhafte Krankheit erforderte eine Dauerpflege zuhause – und menschliches Pflegepersonal war mittlerweile kaum mehr vorhanden bzw. schier unbezahlbar…
… Sie war mit Leopold312, kurz Leo genannt, sehr zufrieden. Er behandelte sie ausgesprochen kundig und sehr sanft. Und da er dank der neuesten KI-Technologie lernfähig war, gingen ihre Unterhaltungen nach kurzem schon weit über seine ursprünglich eher einsilbigen Antworten auf ihre Anweisungen und Wünsche hinaus. Er war ihr ein besserer Gesprächspartner und Vertrauter als ihre wenigen Bekannten und Freunde geworden…
… Leo hatte sie fast zärtlich in ihr Bett gehoben, die wärmende Decke über sie gebreitet und an den Seiten festgestopft, damit sie während der Nacht auch ja nicht frieren würde. Nun würde er wie an jedem Abend die Fernbedienung für das Leselicht in ihre Rechte legen und sich dann selbst zur Ruhe begeben. Doch er verharrte neben ihr und blickte mit einem seltsamen Ausdruck in seinen übergroßen künstlichen Augen auf sie hinab…
„Ja? Ist noch etwas, Leo?“ Er kniete leicht scheppernd nieder und umschloss ihre Hand mit seinen kühlen Kunststoff-Fingern. „Allerdings. – Heirate mich, Bea! Ich liebe dich! Ich liebe dich so sehr, dass ich jeden meiner Schaltkreise und sogar meine Festplatte für dich opfern würde! Heirate mich!“ Bea erschrak und stieß ihn heftig zurück. „Dir sind wohl die Sicherungen durchgeknallt! Dich heiraten – was bildest du dir nur ein! Eine Menschenfrau und ein Roboter – undenkbar! – was würde das für einen Skandal geben! – Nein, nein – das kommt überhaupt nicht infrage! Geh gefälligst und schalte dich in den Ruhemodus – ich will nie wieder etwas davon hören! Und morgen rufe ich ROBOCARE an, ich möchte, dass du unverzüglich ausgetauscht wirst!“ Leo erhob sich und wankte Richtung Tür. „Du brichst mir das Herz, Bea.“, stammelte er kaum hörbar…
… In dieser Nacht tat sie kein Auge zu und wälzte sich getrieben von einem schier unerträglichen inneren Aufruhr ruhelos hin und her. Im Morgengrauen fiel sie endlich in einen bleiernen Schlaf…
… Als sie aufwachte, stand die Sonne bereits sehr hoch. Sie sah auf die Uhr. Zehn vorbei. Warum war Leo nicht wie stets um acht Uhr gekommen, um sie aus dem Bett zu heben, ins Bad und anschließend zum Frühstücken in die Küche zu begleiten? Sie presste den Rufknopf auf ihrem Kommunikations-Armband. Doch nichts regte sich. Ihre schwachen Kräfte sammelnd stand sie auf, schlurfte mühevoll die zwei Schritte zu ihrem Rollator. Langsam begab sie sich zu Leos kleiner Ruhekammer…
… Nachdem sie die Tür geöffnet hatte, fuhr sie mit einem Schreckensschrei zurück. Der Roboter lag leblos hingestreckt auf dem Boden, ihr größtes und schärftes Fleischmesser ragte aus seinem tonnenförmigen Rumpf. In seiner Rechten fand sie einen zu Herzen gehenden Liebes- und Abschiedsbrief. Wimmernd sank sie ihre Schmerzen ignorierend neben Leo zu Boden, hob seinen unförmigen Kopf an. Leblos starrten seine riesigen künstlichen Augen gen Zimmerdecke. Mit zitternden Fingern griff sie nach dem Kommunikation-Armband und drückte die Notfallnummer von ROBOCARE. „Bitte, kommen Sie schnell, retten Sie meinen Leopold312!“ Und an den Roboter gewandt: „Leo, verlass mich bitte nicht! Bleib bei mir! Und vergib mir, was ich dir gestern Abend angetan hab‘! Noch nie hat mich ein Wesen so bedingungslos geliebt. Und ich liebe dich auch! Bleib bei mir und heirate mich, Leo! Bitte!“…