… Diesen Begriff will der Wortman in der dritten Woche seines interessanten und anregenden Blogprojekts umgesetzt haben. Ich fürchte, das wird bei mir wieder ein Mehrteiler werden, denn mir sind schon einige Merkwürdigkeiten eingefallen… 😉
… Das sieht schon ziemlich schräg, witzig und auch merkwürdig aus, was die Herren der Damischen Ritter (ein sehr origineller Münchner Verein zur Pflege des Brauchtums) beim Gaudiwurm, dem Münchner Faschingszug, so als Helmzierden tragen… 😀
… Die Aufnahmen habe ich 2020 gemacht…
… Ich wünsche euch einen schönen und entspannten Sonntag!…
… Als ich am Montag nebst vielen anderen Kommentaren auch einen der lieben Hanne beantwortete, kam mir in den Sinn, dass ich so wie sie in der Kindheit im Fasching ebenfalls mal als ungarisches Mädel, als Piroschka, verkleidet war. Da hatte ich noch meine stattlichen Zöpfe, wenn ich mich recht erinnere, fielen diese einige Monate später der Schere von Mamas damaliger Stammfrisöse zum Opfer. Die für ein Kind von vielleicht zehn, elf Jahren recht üppige Oberweite ist natürlich nicht echt, sondern wurde mit etlichen Papiertaschentüchern ausgestopft und in Form gebracht. Das Foto entstand vor dem Kinderfaschingsball im nahen Gasthof, danach habe ich mit Sicherheit nicht mehr so proper und adrett ausgesehen… 😉
… Fast alle Bilder habe ich von der ersten Hälfte des Zugs gemacht. Danach lässt die Qualität der Wägen und Masken nach meinem Empfinden stets sehr stark nach. Die Musik aus den turmhohen Lautsprechern auf den Wägen ist schmerzvoll überlaut, und etliche Gaudiwurm-TeilnehmerInnen scheinen deutlich sichtbar recht fleißig mit alkoholischen Getränken „vorgeglüht“ zu haben. Deshalb habe ich mich nach einem Stünderl Zuschauen und Knipsen gepflegt zurückgezogen… 😉
… ging’s nach den Damischen Rittern und der Münchner Vorstadthochzeit 1905 beim Gaudiwurm zu, beim Vorbeiparadieren dieser hinreissend farbenfrohen, exotischen und phantasievollen Gruppe. Ich weiß leider nicht, wie sich diese Mädels-Formation nennt und woher sie stammt – aber sie anzusehen stimmt mich immer noch fröhlich…
… Im Jahr 1908 erfand Karl Arnold, ein „zuagroasta“ (eingewanderter) Karikaturist, ein gar außergewöhnliches Künstlerfest, einen Kostümball mit festgesetztem Thema: Die Parodie einer ehrbaren Vorstadthochzeit. Entstanden ist eine Festivität mit herausragendem Niveau. Am weißgedeckten Tisch sitzen die Braut, aus einem sogenannten „Glasscherbenviertel“ (ärmliches, verrufenes Wohngebiet) stammend, der Bräutigam, die Verwandtschaft, und in einem Kinderwagen befindet sich der bereits gezeugte Nachwuchs. Alter Tradition der Prinzregentenzeit folgend gibt es den Einzug des Veteranen- und Gesangsvereins, sowie die Parade der „Jungfrauen“ samt haarsträubend falscher Gesangseinlage. Es geht zu wie im richtigen Leben – die Festgäste lassen in ihrem Bestreben, sich möglichst fürnehm zu gerieren, kein Fettnäpfchen aus, es gibt rührselige Ansprachen, es wird geschmust, parliert, gesoffen, gefressen und gestritten. Volkssänger kommentieren das Geschehen mit satirischen Gstanzln (Scherzreime), natürlich dürfen auch gesalzene Seitenhiebe auf das aktuelle politische Geschehen keinesfalls fehlen. Und auf der Bühne wird ein kurzes, skurriles Theaterstück dargeboten, in welchem der Märchenkönig, Ludwig I., Ludwig Ganghofer und andere Größen der bayerischen Kultur und Geschichte auftreten…
… In den wilden Zwanzigern geriet die Vorstadthochzeit allmählich in Vergessenheit. Erst Ende der fünfziger Jahre erweckte ein Komitee den originellen und schrägen Kostümball wieder zum Leben. Seitdem gehören viele hoch angesehene Münchner KünstlerInnen zum Verein Münchner Vorstadthochzeit anno 1905 e. V. Der Ball findet allerdings nicht während des Karnevals statt, sondern wird im holden Frühling im Münchner Hofbräuhaus zelebriert. Kostüme in der Mode aus der „guadn oidn Zeit“ zu Beginn des 20. Jahrhunderts sind Pflicht: Leutnants in himmelblauen bayerischen Uniformen, Coleurstudenten, Lebemänner, Maler, Literatenbohemiens, Vorstadttypen und atemberaubend korsettierte Damen. Man trifft viele TV-Schauspieler, prominente Glasscherbenviertler, Hoflieferanten, Gaukler und Lebenskünstler, eine Kapelle mit dem herrlichen Namen Kaiserschmarrn spielt auf, eine der besten Hochzeitsladerinnen Bayerns arrangiert das Geschehen an der Tafel und auf der Bühne, ein Tanzmeister ordnet das Gewimmel auf dem Parkett…
… Im Gefolge der Damischen Ritter zogen die DarstellerInnen der Münchner Vorstadthochzeit anno 1905 im Münchner Faschingszug, dem Gaudiwurm, durch die Münchner Innenstadt…
… von München sind eine etwas ungewöhnliche „Faschingsgesellschaft“. (Damisch lässt sich am besten mit etwas albern, leicht töricht oder schwindelig übersetzen 😉 )…
… Entstanden ist dieser Verein im Jahr 1928, als sich im Münchner Löwenbräukeller am Stiglmaierplatz achtundzwanzig g’standene alteingesessene Mannsbilder zum ersten Mal trafen. Sie waren Mitglieder der BSZ – Bürger-Sänger-Zunft – und hatten sich allesamt eine Abmahnung eingehandelt, wegen „über Gebühr lustigen Benehmens“ während der Proben. Dabei hatten sie doch nichts anderes im Sinn gehabt, als fröhlich frischen Wind in die Zunft zu bringen und alte Zöpfe abzuschneiden…
… Schon bald trafen sich diese „Revoluzzer“ regelmäßig im Turm des Löwenbräukellers. Sie nannten sich Turmfalken und versprachen, stets wie Pech und Schwefel zusammen zu halten. Künstler wie der Schriftsteller Michl Ehbauer („Die Bayerische Weltg’schicht“), der Zeichner Emil Tieck, der Volksschauspieler Hans Fitz, sowie die Mundartdichter und Turmschreiber Sepp Kiefer und Peps Steidle zählten zu ihren prominentesten Mitgliedern…
… Die Verwandlung der Turmfalken in die Damischen Ritter begab sich während der fünfziger Jahre des 20. Jahrhunderts: Dem Wirt des Löwenbräukellers waren die Organisatoren zweier Faschingsbälle abgesprungen. In seiner Not wandte er sich an die Turmfalken. Nach vielen Stunden des intensiven Grübelns ward eine zündende Idee geboren: Die Leut‘ hatten kein Geld für Kostüme. Aber als Ritter kann sich eigentlich jeder verkleiden: Einen Kartoffelsack als Kettenhemd, der Suppentopf wird zum Helm umfunktioniert, der Kochlöffel zum Schwert, und das Nudelholz zum Morgenstern, und die Damen konnten die Kellen von Schöpflöffeln als Brustpanzer verwenden. Das war die Geburtsstunde der mittlerweile legendären Damischen Ritterfeste…
… Die großen Faschingsbälle der Damischen Ritter gehören inzwischen leider der Vergangenheit an – mit Ausnahme des Kinderballs. Seit 2005 gibt es allerdings einen Faschingszug. Es fing ganz klein an, mit einer Runde der Ritterschar und ihrer Damen um den Stiglmaierplatz. Mittlerweile ist der Zug der Damischen Ritter ein beachtlich großes Spektakel, ein „Gaudi-Wurm“ mit vielen hundert Teilnehmern und mehr als fünfzig Schauwägen, das sich quer durch die Münchner Innenstadt zieht…
… Am Sonntag Nachmittag erschallte wieder einmal der höchst kriegerische Ruf der Damischen Ritter durch die Fußgängezone: „Oh, mei, oh, mei, oh, mei!“ 😉 …
… Oberhaupt der Damischen Ritter ist Herzog Kasimir. Hoch auf seinem stolzen Ross wacht er über die vielköpfige Schar seiner Untertanen und grüßt huldvoll und majestätisch nach allen Seiten…
… Vom Nudelseiher über Kinderspielzeug und ausgestopften Viechern bis zum antiken Teekessel – bei der Gestaltung der Rüstung ist erlaubt, was gefällt, je damischer, desto besser… 😉