… Wenn ich gewusst hätte, in welch interessantem Teil von Wien ich für die folgenden zwei Nächte meine Zelte aufschlagen würde, dann hätte ich mich vorab viel besser informiert, und während meines Aufenthalts auch eifriger fotografiert…
… Nach meiner Tour auf dem Aussichtsschiff überquerte ich auf der Marienbrücke, welche die Altstadt mit dem Karmeliterviertel verbindet, den Donaukanal und wandte mich gen Taborstraße…

… Obwohl ich in bereits in den Mittagsstunden eine ordentliche Runde zu Fuß durch die Altstadt spaziert war, kam ich für meine Verhältnisse recht schnell voran, und hatte alsbald die Seitenstraße erreicht, in der sich das kleine Florum Hotel mit den Tabor Rooms befindet. Dort hatte ich ein Zimmerchen zu einem überraschend niedrigen Preis gebucht…
… Wer Komfort und Luxus sucht, ist in den Tabor Rooms garantiert am falschen Platz. Meine Bude im vierten Stock war schmucklos, karg möbliert und sehr abgewohnt. Es gab keinen Fernseher, und ich bedauerte für einen langen Augenblick, dass ich den Laptop nicht mitgenommen hatte. Im Bad gaben die Armaturen jedesmal, wenn ich sie aufdrehte, klagvoll jammernde Geräusche von sich. Aber das Zimmer war sauber, das Bett komfortabel, und im Grunde genommen bin ich ohnehin ausgesprochen genügsam – mir reichen eine gemütliche Schlafstatt und ein sicheres Dach über dem Kopf. Und ich hatte einen kleinen Balkon mit schönem schmiedeeisernem Gelände, und der Blick auf die stattliche Taborstraße entschädigte für die mangelhafte Ausstattung…

… Der freundliche Jüngling am Empfang war anscheinend ebenfalls ganz neu im Viertel, als ich ihn nach einer Restaurantempfehlung befragte, weil mir allmählich der Hunger ganz schön zu schaffen machte, zuckte er hilflos die Schultern. Die einzige Lokalität, die er kennen würde, wäre eine Pizzeria am nahen Karmelitermarkt. So machte ich mich auf den Weg dorthin. Ich hatte die Kamera dabei, war aber bereits rechtschaffen müde und auch des Hungers wegen zu unkonzentriert, um zu fotografieren. Aus dem Grund muss ich ausnahmsweise mal auf ein Foto von Wikipedia zurückgreifen…
Von Peter Gugerell – Eigenes Werk, Gemeinfrei, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=10830985
… Auf dem Marktplatz gibt es viele kleine Lokalitäten und Fressbuden, da fiel die Wahl ziemlich schwer. Überall herrschte reges Treiben, nur in der empfohlenen Pizzeria herrschte gähnende Leere, deshalb ließ ich sie wohlweislich links liegen und nahm in einem kleinen Restaurant namens Tewa Platz. Während ich meine Mahlzeit verspeiste, ein schmackhaftes Rotes Thai-Curry-Gericht, beobachtete ich die Menschen ringsum. Und was ich da sah, gefiel mir außerordentlich gut…
… Mich beeindruckte die friedvolle, gediegene, gelassene Atmosphäre des Karmeliterviertels. Ich begann, mich dort ausgesprochen wohl zu fühlen. Nachdem ich einige Tage später wieder zuhause angelangt war, setzte ich mich unverzüglich an meinen Rechner, um ein wenig nachzuforschen:…
… Das Viertel, zunächst Im Werd genannt, entstand gegen Ende des 14. Jahrhunderts auf der Donauinsel Unterer Werd. Bis im zweiten Drittel des 19. Jahrhunderts die sogenannte Donauregulierung geschaffen wurde, waren die Bewohner ständig von Hochwassern gefährdet. Der Name Karmeliterviertel bürgerte sich zu Beginn des 17. Jahrhunderts ein, als der Orden der Karmeliter ein Kloster und eine Kirche errichtete. Das Kloster wurde Anfang des 20. Jahrhunderts abgerissen…
… Seit langem schon befand sich ein jüdisches Ghetto auf der Unteren Werd. 1670 wurde dieses unter Kaiser Leopold geräumt, doch bereits kurze Zeit später erfolgte ein erneuter Zuzug jüdischer Bevölkerung. Bis 1938 galt das Karmeliterviertel als Zentrum jüdischer Kultur…
… In der Reichsprogromnacht wurden zahlreiche jüdische Einrichtungen zerstört. Teile des Viertels wurden zum Ghetto erklärt, Juden aus Wien und ganz Österreich dorthin zwangsübersiedelt, wo sie unter schwierigsten Bedingungen ihr Leben fristen mussten, auf Auswanderung hofften, oder in Konzentrationslager verbracht wurden…
… Nach 1945 hielten sich nur mehr wenige Juden im Karmeliterviertel auf. Ende der Sechziger kam es erneut zu einer vermehrten Zuwanderung jüdischer Flüchtlinge aus der ehemaligen Sowjetunion. So gibt es heute wieder eine große Zahl an Synagogen, Tempeln, eine Thora-Schule und koschere Restaurants. Und dies im friedlichen und offensichtlich großenteils konfliktfreien Neben- und Miteinander einer ausgesprochen multikulturellen Bevölkerung. Da ist neben der Synagoge ein Döner-Laden zu finden, neben dem jüdischen Schmuckgeschäft ein österreichischer Supermarkt, neben dem katholischen Gotteshaus ein jüdisches Versammlungshaus. Auf den Straßen habe ich schwarzweiß gekleidete orthodoxe Juden mit Schläfenlocken und charakteristischer Kopfbedeckung neben verschleiderten Muslimas beobachtet, rasch dahin wuselnde AsiatInnen, behäbige Ruheständler und agile Hipster, und aus dem Hotel Stefanie, dem ältesten Beherbergungsbetrieb Wiens strömten Tourist:Innen aus aller Herren Länder in alle Richtungen…
… Gefrühstückt habe ich während meiner Tage im Karmeliterviertel sehr fein im kleinen Café Naschkätzchen, gleich gegenüber des Hotels. Nach einem Fitness-Frühstück samt köstlichem Kaffee war ich stets ausgesprochen energiegeladen und mehr als bereit, ein weiteres kleines Stückchen Wiens zu erkunden…
… Was wäre das schön, hätte ich die Mittel, mich für eine längere Zeit im Karmeliterviertel aufzuhalten, es ausführlicher zu erkunden! – Aber so weit ist Wien ja nun auch nicht entfernt, der nächste Aufenthalt dort ist bereits geplant… 😉
… Demnächst entführe ich euch an einen Ort, an dem es vor Stars und berühmten Persönlichkeiten nur so wimmelt… 😉
… Habt einen guten und unbeschwerten Tag!…