… Nach meinem Aufenthalt im „37 Grad“ bummelte ich zunächst Richtung Leuchtturm, und bog dann nach rechts ab auf die Promenade am See. Der schöne blaue Himmel hatte sich mittlerweile mit den in diversen Grautönen gehaltenen Schlieren hoher Wolkenfelder überzogen, die den nahenden Wetterumschwung ankündigten. Nicht ein Windhauch rührte sich, lässig gegen die runden Ufersteine plätschernd, im zaghaften Licht der tief stehenden Sonne wie geschmolzenes Silber schimmernd, breitete sich der große See zu meinen Füßen aus…
… Nach einigen hundert Metern driftete mein Blick zufällig nach rechts – und ich blieb ruckartig an einer offenen Pforte stehen, welche die wirr verknotete Mauer einer brusthohen Hecke durchbrach. Ich starrte staunend auf einen Zaubergarten, ein anderes Wort fällt mir für dieses wilde, die Phantasie sehr anregende Sammelsurium an Figuren, Figürchen, Säulen, Brunnen, Bögen nicht ein. Zaghaft passierte ich das Tor und ging langsam umher, die Kamera stets im Anschlag…
… An den üppig ausladenden Schalen steinerner Brunnen war kristallklares Wasser zu abstrakten, malerischen Gebilden gefroren. Umrankt von harmonisch sich wölbenden Bögen, auf zierlichen Säulen ruhend, umgeben von schlanken, edlen Statuen, und molligen, verschmitzt vor sich hin schmunzelnden Buddhas verströmte ein kleiner, giftgrüner Plastikchristbaum das Licht seiner elektrischen Lämpchen. Ein geflügelter, goldener Löwe hielt einem kreischend bunten Zwergenpaar ein geöffnetes Buch entgegen, ein mannshoher Gladiator schien vor einem träumerisch den Schnee betrachtenden Schwan wie verschämt seine Geißel zu verbergen, ein blaues Einhorn bäumte sich auf, farbige Rindviecher gaben sich ein Stelldichein mit gescheckten Schweinen, und ungeachtet der winterliche Kälte räkelte sich ein Jüngling in kurzen Hosen und bloßen Beinen auf dem verschneiten Rasen. Unweit von ihm kauerte eine Schar kleiner Drachen, es war, als hielten sie eine Versammlung darüber ab, ob sie denn nun Feuer speien oder ihre Energien lieber für den nächsten Kälteeinbruch aufsparen sollten. Ein chinesischer Krieger, der dem Mausoleum Xi’an’s entsprungen zu sein schien, hütete den Eingang zum Büro jenes Anwesens Bahnhof Nr. 5 in Lindau – im „wahren Leben“ eine Großhandlung für Steinmetz-, Deko- und Gartenartikel – auf dem Balkon im ersten Stock des Nebengebäudes hielt die sehr naturgetreu gestaltete Plastik eines Esels treulich Wacht…