… Viele Wochen lang kämpfte ich im Morgengrauen stets vergeblich gegen den Inneren Schweinehund. Häufig hatte ich bereits gehört/gelesen, dass morgens der Nymphenburger Schlosspark besonders bezaubernd und faszinierend wäre. Nur zu gerne würde ich das gerne einmal selbst erleben – doch nie konnte ich mich dazu durchringen, aufzustehen, immer wieder erlag ich den Verlockungen meines warmen, kuscheligen Bettchens…
… Am Mittwoch hatte ich kurz vor Dämmerung einen sehr skurrilen Traum – ich befand mich wieder einmal auf einer großen Reise, auf der so manches völlig aus dem Ruder lief. Die Intensität dieses nächtlichen Walkürenritts durch phantasievolle und auch bedrohliche Szenarien ließ mich nicht mehr los, so beschloss ich kurzerhand, aufzustehen und endlich einmal in aller Frühe gen Park zu gondeln…
… Von dem Augenblick an, als ich die bereits weit geöffneten schmiedeeisernen Pforten des Nymphenburger Schlossparks passierte, wähnte ich mich in einer verzauberten, so wundervollen, anderen Welt. Es war so herrlich still, und seit Jahrzehnten hatte ich solch einen intensiven Chor an Vogelstimmen nicht mehr wahrgenommen. Nur einige Jogger stapften mehr oder weniger rhythmisch auf den Hauptwegen einher, ansonsten schien das gesamte weitläufige Gelände mir zu gehören…
… Ich stand eine Weile still, staunend und mich freuend, dann schnallte ich mir die Kamera um, und wandte mich südwärts, in den dichten, aromatisch duftenden Wald hinein…
… Ein Buchfink begrüßte mich mit seinem weithin schallenden Morgenlied…
… An der ersten Weggabelung stand ein Reh, völlig ohne Scheu und gelassen beobachtete es mich, bevor es voller Grazie und Anmut ins dichte Unterholz schritt…
… Und nur wenig später gesellte sich ein Rehbock herbei, etwa zehn Meter vor mir bummelte er völlig gemächlich einher. Wir spazierten ein Weilchen so dahin, bis er an einer kleinen Kanalbrücke nach links abbog, in Richtung der saftigen Wiese vor der Amalienburg, und ich mich nach rechts auf den Weg zum Großen See machte…
… Ich erreichte das östliche Seeufer, und sah im klaren Morgenlicht etwas, das mir auf meinen vielen Touren am Spätnachmittag stets verborgen geblieben war: Eine Fischreiherkolonie! In einem stattlichen, weit verzweigten Baum auf einer der drei Inseln konnte ich mehrere riesige Nester der großen Vögel entdecken…
… Keine zehn Meter über mir glitt einer der erwachsenen Reiher lautlos dahin, unwillkürlich kam mir der Gedanke an urtümliche Flugsaurier in den Sinn…
… Ein anderer Altvogel wurde bereits ungeduldig im Nest erwartet…
… „Ja, Oida, was schleppst’n da oo!“…
… „An Ast, Schatzi, du hast ma doch g’sagt, i soll an Ast mitbringa.“…
… „FISCH! Ich hab dia g’sagt, du sollst ma an FISCH holn, koan AST! FISCH! I hock seit da Nacht scho auf unsere Oa (Eier 😉 ), i hab an fürchterlichn Kohldampf, i brauch an FISCH! Jetzt! Sofort! – Na ja, jetzt gib‘ scho her, dein Ast. Aber dann bringst ma ganz schnell an Fisch, gell.“…
… Ein Stockwerk höher balgten sich lautstark die schon recht großen Jungvögel…
… Weder die kleinen Blässhuhn-Küken noch der geschäftig nach Futter suchende Buntspecht schien der Radau der halbstarken Reiher sonderlich zu stören…
… Lange Zeit verharrte ich beobachtend am Großen See, dann wandte ich mich gen Norden und schlenderte langsam zur Pagodenburg…
… Kurz vor der kleinen westlichen Pforte, dem Hartmanshofer Tor, kreuzte ein Reh mit wenigen flinken Sprüngen den Weg…
… Gute drei Stunden hatte meine Erkundung gedauert, Zeit, die wie im Fluge vergangen war. Und ich habe mir fest vorgenommen, nicht wieder Monate bis zur nächsten frühmorgendlichen Schlosspark-Exkursion verstreichen zu lassen…