… Der Schoß, aus dem das nun kriecht, um ein bekanntes Zitat von B. Brecht zu verwenden, ist immer fruchtbar gewesen. Bereits seit den frühen Nachkriegstagen, in welchen dummerweise des aufkommenden Kalten Krieges wegen die Siegermächte die Entnazifizierung nach nur wenigen Monaten schon den Deutschen überlassen hatten. So konnten Tausende von Naziverbrecher ungeschoren in den Staatsdienst gelangen und teilweise hochrangige Ämter, ja, sogar Ministerposten übernehmen.
… Die Gräueltaten der Nazizeit wurden bis zur Jahrtausendwende höchst unzureichend aufgearbeitet. Noch in den Achtzigern saßen ca. 250 Personen im Bundestag, die eine düstere Nazi-Vergangenheit aufzuweisen hatten. Eine erkleckliche Anzahl von Gesetzen aus der NS-Zeit sind nach wie vor gültig, siehe u. v. a. Ehegatten-Splitting, Glücksspiel sowie die rechtliche Definition von Mord…
… Und seit etlichen Jahren lässt man es völlig tatenlos zu, dass rechtes Gedankengut ungehemmt weiterverbreitet wird, man lässt es völlig tatenlos zu, dass Polizei und Bundeswehr, Verfassungsschutz und mit Sicherheit auch das Bundesinnenministerium braun unterwandert werden. Man geifert und hetzt gegen die sogenannte Antifa und die Linke, und die Flüchtlinge, die oft genug nur das blanke Leben retten konnten, bezeichnet man gerne als „Mutter aller Probleme“ – und lässt die Braunen so gut wie ungeschoren schalten und walten.
… Die haaresträubend dauerhaft schlampigen und fehlerhaften Ermittlungen und Justizverfahren bei rechtsextremen Verbrechen, nicht nur in punkto NSU, lassen seit etlichen Jahren schon den Verdacht aufkommen, dass derartige Pleiten, Pech und Pannen mit feiger und desinteressierter Duldung unserer Volks(ver)treterInnen vorsätzlich geschehen.
… Zunehmender Antisemitismus wird – wie jetzt auch das grausige Geschehen in Halle – von den PolitikernInnen mit vor Anteilnahme triefenden Worten kommentiert, der braunschwarze Bundesoberinnenwichel verspricht wieder einmal vollmundig restlose Aufklärung – doch in die richtige, die aufrechte, die menschliche, die demokratische Richtung bewegt sich nichts, wie man am Falle Lübke nur allzu deutlich erkennen kann. Man redet den Blaubraunen mittlerweile in Politik und Medien aber so was von nach dem Munde, und richtet zusehends auch die bundesdeutsche Gesetzgebung nach diesem Gesocks aus. Whistleblower, die rechte Kameradschaften in Bundeswehr und Polizei aufdecken wollen, werden unehrenhaft entlassen, rechte Straftäter mit geradezu lächerlich milden Strafen belegt…
… Ich fürchte, dass nach den blumig-traurig-entsetzten Worten über die Verbrechen in Halle wieder keine deutlichen Konsequenzen in die richtige Richtung folgen werden.
… Meine tiefe Anteilnahme gilt den Angehörigen der Opfer von Halle…