… „Hast du vielleicht bittschön a Leckerli für mi? Ned? Ned amoi a kloans? Aa koa ganz kloans? – Sooo schad!“…
… Zum Glück kam nur wenig später das Frauli aus dem Supermarkt und hatte natürlich ein Leckerli zur Hand, ein schön großes sogar… 😉

Glück ist die Summe schöner Momente
Zögernd griff ich nach einem der durchscheinenden Gebilde, das so klein wie eine Murmel war. Es fühlte sich nicht unangenehm an, samtig, beinahe wie die Haut einer Aprikose, und warm. Mir war ein wenig ekelig zumute, hatte ich doch kurz zuvor noch beobachtet, dass dieses Ding sich wie ein Lebewesen sachte bewegt hatte. Doch ich überwand meine Abscheu und biss hinein – und schmeckte eigentlich gar nichts – und dennoch schien dieses Ding seltsam süß zu sein, und gleichzeitig würzig, und wohltuend, entspannend auch, wie ein guter Schluck Wein oder Likör – und die geleeartige, lebendig wirkende Masse im Inneren bekam nun in etwa die Konsistenz von Gummibärchen. Ich schluckte und fühlte ein beinahe unwiderstehliches Verlangen nach einem weiteren Zeitkügelchen.
Caspisian nickte, als hätte er meine Gedanken gelesen. „Ja, diese Dinger haben schon ein gewisses Suchtpotenzial. Aber man muss streng darauf achten, nicht zu viel auf einmal davon zu essen. Zeitkapseln im Übermaß genossen haben eine höchst unangenehme Nebenwirkung. – So, jetzt muss ich die größere verstauen.“ Er wandte sich um und angelte nach einigem Suchen nach einem passenden Gefäß in einem der hohen Regale, wobei er mit einem leisen Schmerzenslaut zusammenzuckte.
„Was ist mit Ihnen? Haben Sie sich verletzt?“
„Vorgestern hat ein Historiker bei seiner durchaus interessanten Schilderung der Menschheitsgeschichte einige hunderttausend Jahre übersprungen, ich musste diese in einem besonders großen und schweren Glas verstauen, und da habe ich mir wohl ein wenig den Rücken verrissen.“
„Kann ich Ihnen helfen?“
Caspisian maß mich auf seiner Unterlippe kauend eine Weile prüfend, dann nickte er. Ich nahm das Glas vorsichtig in beide Hände und bugsierte es unter die Trichteröffnung.
„Ganz langsam entriegeln – richtig so. Und nun ganz sanft mit den Händen nachhelfen, bis die Zeitblase hineingerutscht ist. – Bravo! Du stellst dich geschickt an!“
Er musterte mich wieder einmal lange Zeit eindringlich, wie das wohl seine Art zu sein pflegte, dann nickte er und holte tief Luft, bevor er zum Sprechen ansetzte: „Weißt du, ich könnte hier Hilfe gebrauchen. Mit gut zweihundert Jahren bin ich zwar in dieser Welt hier nicht unbedingt alt, aber allmählich geht mir der Job in der LiZAS doch zusehends auf die Knochen. Wie wär’s, wenn du eine Weile bleibst, und mich unterstützt?“
Ich hatte mit Vielem gerechnet, nur nicht mit so einem Angebot. Ich war völlig baff und wusste nicht, was ich darauf sagen sollte. Caspisian zuckte mit den Schultern.
„Klar, damit habe ich dich jetzt völlig überfahren. Ich mach dir einen Vorschlag: Ich führe dich noch ein wenig herum und zeige dir, wo die Zeitkapseln gelagert werden, und du überlegst dir derweilen meinen Vorschlag.“
Fortsetzung folgt!
Das missmutige, zerfurchte Gesicht des Kleinen wurde noch vergrämter, so beschloss ich klugerweise, einzulenken und mich zu entschuldigen.
„Es tut mir leid. Ich verspreche Ihnen, dass ich mich ab jetzt beherrschen und respektvoller verhalten werde. – Übrigens, ich heiße Benni – und Sie?“
Tiefdunkle Blicke schienen sich bis in das Innerste meiner Seele zu bohren. Eine kleine Ewigkeit schlich dahin, bevor das Männchen sich einen Ruck gab und mir brummelnd antwortete: „Caspisian.“
„Ein schöner Name.“, lobte ich, und freute mich darüber, dass meine Worte dem Zwerg sichtlich wohl taten. Wer weiß, wann er das letzte Mal ein Kompliment zu hören bekommen hatte… Er packte mich am Arm und zog mich mit sich, auf das Ende des gläsernen Trichters in der Mitte der Kuppel zu.
„Komm, jetzt zeig‘ ich dir ein paar literarische Zeitspannen, die sich über Nacht angesammelt haben.“
Unter der Trichtermündung erhob sich ein hölzernes Podest mit mehreren Stufen, halbmondförmig eingerahmt von gut mannshohen Regalen, in denen verschlossene, leere, durchsichtige Gefäße aller Größen standen. Etwas mühevoll erklomm Caspisian das Podest und deutete eifrig auf einige seltsame Gebilde, die am Boden der gläsernen Röhre zu erkennen waren. Neugierig presste ich meine Nase gegen die Trichterwand.
Ich hatte mir in meiner Phantasie alles Mögliche vorgestellt, aber dass Zeit so aussehen könnte, wäre mir nie im Leben in den Sinn gekommen. Die einzelnen Segmente – ein besserer Ausdruck fällt mir nicht ein – glichen irgendwie Seifenblasen, durchscheinend, mit einer sanft in allen Regenbogenfarben schillernden Haut. Sie schienen lebendig zu sein, bewegten sich träge, wuchsen mal in die Länge, ballten sich dann wieder zu Kugeln zusammen. Es wirkte, als würde sich eine leicht pulsierende, gallertartige Masse in ihrem Inneren befinden.
Der Gnom entnahm einer Innentasche seines Fracks eine unförmige Brille mit sehr dicken Gläsern und setzte sie auf. Konzentriert betrachtete er die eigenartigen Gebilde vor sich.
„Hmmm, ja… Die kleinen Zeitkapseln, die in der Nacht eingetroffen sind, stammen unter anderem von einer deutschen Schriftstellerin, ihre bayrischen Krimis verkaufen sich sehr gut – sie überspringt in ihren Romanen immer nur wenige Stunden oder Tage.“ Er deutete auf eine größere „Seifenblase“. „Ein amerikanischer Autor, der grade an einer mehrere Generationen überspannenden Familiengeschichte schreibt – als ob es nicht schon mehr als genug davon geben würde.“
„Sie sehen das durch Ihre Brille?“
„So ist es. Ist eine Spezialanfertigung, es heißt, sie sei vom Großen Gnuff persönlich für mich gemacht worden.“
„Und diese Zeiteinheiten müssen Sie jetzt aus dem Trichter nehmen und verstauen?“
„Die großen schon, ja. Die kleinen esse ich.“
Ich fühlte, wie mir sämtliche Gesichtszüge entgleisten. Das wird ja immer schräger, verflixt noch eins! Jetzt behauptete der Kerl doch glatt, dass man Zeit essen kann! Schief lächelnd schüttelte ich den Kopf. „Ach, kommen Sie, Caspisian, jetzt veralbern Sie mich aber schon ganz ordentlich!“
Anstatt mir zu antworten, beugte der Zwerg sich vor, öffnete den Auslass des Trichters, nahm eine der kleinen, durchscheinenden, schillernden Kugeln in die Hand, führte sie zum Mund und kaute genussvoll. Er schluckte, und wies mit der Rechten auf die Zeitblasen.
„Du kannst ruhig mal eine probieren. – Du hast dich vorhin ja darüber gewundert, warum ich trotz meiner zweihundert Jahre noch relativ jung aussehe – hier ist das Geheimnis: Die Zeitkapseln wirken verjüngend.“
Fortsetzung folgt!
Das Männlein machte sich mit einer Vielzahl von Schlüsseln, manche waren riesig, andere wiederum winzig klein, am Schlüsselloch zu schaffen, das auf wundersame Weise unablässig seine Größe veränderte. Er hielt kurz inne und seine übergroßen, tiefschwarzen Augen funkelten vor Missbilligung und Entrüstung.
„Beim dreimal verdorbenen Hoggenpfuhl, das ist nicht EIN Gnuff! Das ist DER GROSSE GNUFF! Der absolute Herrscher der Salmeyden, so nennt sich das Zwergenvolk, dem ich entstamme.“
„Und dieser Große Gnuff hat dich hierher gebracht?“
„Nicht er selbst – aber nein! Ein hohes Mitglied seines Hofstaats hat mir diesen Posten zugewiesen – das mag vor – lass mich kurz nachdenken – etwa zweihundert Jahren gewesen sein.“
Ich zog die Brauen hoch.
„So alt sind Sie?… Ich meine, man würde Sie nicht mehr für einen Teenager halten, aber zweihundert Jahre sieht man Ihnen gewiss nicht an. Wie machen Sie das?“
„Das verrate ich dir später.“
Endlich sprang die Türe einen Spaltbreit auf. Das Männlein glitt behende hindurch und winkte mir. Mit klopfendem Herzen, zögernd und doch von einer unstillbaren Neugier getrieben folgte ich ihm.
Wir standen am Rande einer sehr imposanten Rotunde. Ich legte den Kopf in den Nacken, als ich zu der runden Öffnung hoch oben starrte, die sich in der Mitte der reich mit Intarsien verzierten gewölbten Decke befand. Ein durchsichtiger Trichter umschloss das Loch und reichte, sich zusehends verjüngend, bis etwa einen Meter über den schimmernden, dunkel gefliesten Fußboden der Halle. Der Raum mutete wie der Bienenstock eines Riesen an, oder wie ein Theater mit ungezählten Rängen. Auf den einzelnen Etagen schien es eine schier unfassbare Menge an Schränken zu geben, manche hatten die Größe eines Zimmers.
„Potztausend!“, entfuhr es mir – das war seit einer Weile eines meiner Lieblingswörter. Der Zwerg machte eine elegante, weit ausholende Armbewegung.
„Bitte sehr – hier siehst du die Literarische Zeiterfassungs- und Aufbewahrungsstelle. – Potztausend – den Ausdruck habe ich übrigens seit einer Ewigkeit schon nicht mehr gehört.“
Ich zuckte mit den Schultern.
„Ach, ich habe ein Faible für alte Wörter.“
Ich drehte mich langsam um meine Achse und schaute und staunte.
„Und in all diesen Behältnissen befindet sich jene Zeit, die von Schriftstellern beim Schreiben ihrer Werke übersprungen worden ist?“
„Nun ja, nicht in allen. Es gibt schon noch eine Menge Platz. Und leider lösen sich im Laufe der Zeit diese übersprungenen Einheiten auch wieder auf. Aber das dauert zum Glück lange.“
„Was wird denn dieser Gnuff denn eines Tages mit all dieser Zeit machen?“
Mein kleiner Freund stampfte ungehalten mit dem Fuß auf. „Nein, nein, nein! Das heisst nicht DIESER Gnuff! Das ist DER GROSSE GNUFF! – Ich verbitte mir diese Respektlosigkeit! – Mit Autoritäten scheinst du wohl ein Problem zu haben!“
Ich nickte und grinste schief. „Yepp. Immer schon – egal, ob es sich um Götter, Päpste, Regierungschefs, Vorgesetzte, Eltern etc. handelt.“
Der Zwerg sah mir tief schnaufend in die Augen.
„Da solltest du mal ein wenig an dir arbeiten, sonst wirst du noch ein schlimmes Ende nehmen.“
Ich lachte. „Was glauben Sie wohl, wie oft ich diesen Spruch schon zu hören bekommen hab‘!“
Fortsetzung folgt!
Langsam und leise trat ich näher – da schreckte der Zwerg hoch und riss die schwarzen, riesigen Augen auf.
Nachdem er sich den Schlaf aus den Augenwinkeln gerieben hatte, musterte er mich neugierig und griesgrämig von meinem unordentlich zerwühlten Schopf bis zu den nicht grade sauberen Laufschuhen.
„Wer bist du und was willst du hier?“
Verlegen trat ich von einem Fuß auf den anderen und zuckte mit den Schultern.
„Ich habe einen Morgenspaziergang gemacht, bin auf diese Allee und diesen Prachtbau hier gestoßen – beides habe ich noch nie zuvor gesehen, obwohl ich schon so lange in dieser Stadt lebe. Und da bin ich neugierig geworden, und wollte mich ganz einfach mal umsehen…“ Ich verstummte, verlegen geworden. Der Zwerg besah sich angelegentlich seinen alten Frack, zupfte hier und da ein Staubkörnchen weg, und murmelte: „Scheint so, als wärst du aus der Nebenwelt hierher gelangt.“
„Nebenwelt?“, echote ich dümmlich. Irgendwie schien ich ganz gehörig auf der Leitung zu stehen.
Mein Gegenüber zuckte blasiert die Schultern, stand auf, dehnte und streckte sich, nach einem herzhaften Gähnen wandte er sich wieder mir zu.
„Die Sinne von euch Menschen sind im Grunde genommen bemitleidenswert schlecht. Ihr nehmt seit jeher nur einen Bruchteil dessen wahr, was in Wirklichkeit rings um euch existiert. So entgeht euch, dass neben jener Welt, die ihr so gut zu kennen glaubt, noch etliche andere vorhanden sind. Und manchmal gerät halt der eine oder andere von euch in eine der Nebenwelten.“
Mir wurden die Knie weich, ich musste mich an der Schreibtischkante abstützen.
„Bin ich jetzt etwa gestorben? Wie komm ich denn wieder in meine Welt zurück?“, lallte ich – der Schock hatte meine Zunge gelähmt.
Wieder ein Schulterzucken. „Nein, nein, du bist nicht tot. Früher oder später wirst du schon irgendwie zurück gelangen, mach dir da jetzt keine zu großen Gedanken. Bis jetzt ist jeder, der sich hierher verirrt hat, irgendwann wieder in seiner Welt gelandet.“
Ich fühlte große Erleichterung. Mein Gesprächspartner nahm kurz den Zylinder ab und kratzte sich den Schädel, der mit dichtem, gewelltem, feuerrotem Haar bedeckt war. „Nun – da du jetzt hier bist, und deine Wissbegierde dich den ganzen weiten Weg hat laufen lassen: Was willst du wissen?“
Ich holte tief Luft und machte mit der Rechten eine ausladende Gebärde. „Dieses riesige Gebäude – was ist das? Eine Kirche?“
Der Zwerg lachte schallend. „Eine Kirche! Ach, du liebes Universum, nein, nein, dies hier ist ganz sicher keine Kirche! So was haben wir hier in der Nebenwelt nicht nötig, das kann ich dir versichern!“
„Eine Bibliothek? Ein Bahnhof? Ein Kaufhaus?“
„Falsch, falsch, falsch. – Nein – dies hier ist die LiZAS, die Literarische Zeiterfassungs- und Aufbewahrungsstelle.“
„Davon habe ich noch nie etwas gehört, gesehen oder gelesen. Können Sie mir das bitte näher erklären?“
Das Männlein zog einen gewaltigen Schlüsselbund aus der Hosentasche, und während er sprach, wandte er sich der vor uns aufragenden, schweren und hohen Tür zu. „Du kennst doch Bücher?“
„Na, klar! Ich liebe Lesen, ich wohne sozusagen in einer eigenen kleinen Bibliothek!“
„Dann weißt du ja auch, dass viele Autoren in ihren Romanen, Gedichten, Erzählungen häufig Zeitspannen überspringen, manchmal nur einige Stunden oder Tage, manchmal Wochen, Monate oder Jahre.“
Ich nickte eifrig. „Oh, ja!“
„Hast du dich schon mal gefragt, was mit all diesen Zeiten geschieht, die von den schreibenden Menschen übersprungen werden?“
Heiliger Strohsack, in welch verrückten Dummfug bin ich da jetzt nur wieder hinein geraten!, dachte ich mir, während ich den Kopf wiegend nachdachte.
„N-nein – ehrlich gesagt noch nie.“
„Siehst du – und das ist der Sinn und Zweck dieses Bauwerks – das hier ist die bedeutendste Literarische Zeiterfassungs- und Aufbewahrungsstelle in dieser Nebenwelt. Ich sammle all diese nicht genutzten literarischen Zeitspannen und archiviere sie.“
„Aha. Für wen oder was?“
„Na, für den Großen Gnuff.“
„Was ist ein Gnuff?“
Fortsetzung folgt!
… Gemeinhin auch als Drabble bekannt. Keine Blogaktion, nur Spaß an der Freud und Lust am Fabulieren. Die drei Worte Singen – riesig – Dampf, die mir irgendwo im WWW zugeflogen sind, sollten in einen möglichst sinnvollen Text von nur einhundert Worten eingefügt werden…
Das Fenster hoch über ihm stand halb offen. Der Sprung hinauf war für ihn kein Problem. Das fröhliche Singen einer schönen Frauenstimme hatte ihn angelockt. Nun blickte er in eine gemütliche Küche. Verführerische Düfte umwehten seine Nase, doch neugierig marschierte weiter er in den Flur.
Je näher er der angelehnten Badezimmertür kam, umso lauter wurde der Gesang. Dampf quoll aus dem Türspalt und Wasserplätschern hinter einem bunt bedruckten Vorhang untermalte die heitere Melodie.
Zuerst erschrak die Frau, als sie ihn sah. Doch dann verfiel sie dem Charme seiner riesigen grünen Augen. „So eine schöne Miezekatze! Wo kommst du denn her?“
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… Kommt gut durch den Tag, ihr Lieben!…
… Da habe ich vor kurzem eine Idee zu einer Art Märchen ausgegraben, die sich lange Zeit tief in den Eingeweiden meines Archivs versteckt hatte. Mich packte unversehens die Lust, diese Idee richtig auszuarbeiten. So setzte ich mich an meinen braven Schlepptop und ließ meine Phantasie von der Leine…
… Mein Märchen hat etliche Folgen, die ich nun die nächsten zwei Wochen über regelmäßig online stellen werde – aber keine Sorge, zwischendrin bleibt hier genügend Raum und auch Zeit, um über andere Dinge zu bloggen… 😉
… Allen, die dieser Geschichte folgen werden, wünsche ich viel Spaß und Kurzweil beim Lesen… 🙂
Der Tag war lang und anstrengend gewesen, neun Stunden Stehen im heißesten Abschnitt des großen Schlossmuseums, und ungezählte „Materialprüfer“ unterwegs, so nennt eine Kollegin jene Touris, die von vierhundert Jahre alten Wandteppichen bis zu vergoldeten Schnitzereien alles begrapschen müssen. Zuhause angelangt ließ ich mir eine Pizza kommen, zum Kochen hatte ich absolut keine Lust mehr.
Nach einer kurzen Stunde Auslüften und Entspannen auf meinem kleinen Balkon verzog ich mich ins Schlafzimmer, warf mich aufs Bett, und schlief sofort ein, nachdem ich meinen Kopf auf dem Kissen zurecht gerückt hatte.
Der erste Schimmer des sommerlichen Morgengrauens zeigte sich am Horizont, als ich wach wurde. Ich beschloss, die noch kühle Luft und die ungewohnte Stille in der Stadt zu genießen und einen Spaziergang zu machen. So stand ich auf, schlüpfte in eine Jogginghose, Sneakers und ein schlabberiges T-Shirt und verließ das Haus. Ziellos wanderte ich durch die menschenleeren Gassen, bis ich an eine breite Allee kam, die ich noch nie zuvor gesehen hatte – und ich wohne nun seit über dreißig Jahren hier.
Neugierig geworden folgte ich dem geraden Verlauf der Straße, die von akkurat gepflanzten, riesigen Zypressen gesäumt war. Auch hier war außer mir niemand unterwegs, kein Geräusch durchbrach die vollkommene Ruhe – ausgesprochen ungewöhnlich für einen Werktagmorgen in der großen Stadt.
Hinter den Bäumen duckten sich bunt bemalte, kastenförmige Häuser, ich kam mir vor, als wäre ich auf eine griechische Insel versetzt worden. Am Horizont zeichnete sich die kühn geschwungene, mit glänzendem Kupfer beschlagene Kuppel eines riesigen Gebäudes ab. Ich beschleunigte meinen Schritt und hielt darauf zu.
Wie ich so dahin marschierte, fiel mir auf, dass von den gestrigen Anstrengungen nichts mehr zu spüren war, meine Glieder fühlten sich leicht an, meine Füße brannten nicht mehr, und ich bewegte mich ohne jegliche Mühe.
Endlich stand ich vor dem wuchtigen Bauwerk. Ein Dutzend schlanker, gewundener Säulen zierte die Vorderseite, die von einem ausladenden dreieckigen, üppig goldverzierten Giebel gekrönt wurden. Vom architektonischen Stil her erinnerte es mich an das Pantheon in Rom, nur um einiges größer und höher.
Ich erklomm einige hell schimmernde, marmorne Stufen und näherte mich einer hohen eisernen Tür, die über und über mit allerlei Zierrat und unbekannten Zeichen versehen war, und einen Spalt offen stand.
Vorsichtig und auf leisen Sohlen trat ich ein und befand mich in einer Art kleineren Vorhalle. Linkerhand entdeckte ich einen schlichten Schreibtisch. Dahinter lag in einem voluminösen, mit karminrotem Samt bezogenen Sessel ein zwergenhafter Mann, angetan mit einem schwarzen, speckig glänzenden Frack, weißer Hemdbrust mit Fliege und Bauchbinde, und einem alten Zylinder, der mit Sicherheit schon bessere Zeiten gesehen hatte. Das tiefbraune Antlitz des Gnoms war von ungezählten Fältchen durchfurcht, als hätte jemand eine engmaschige Drahtmaske über seine Züge gelegt und erst vor kurzem wieder entfernt. Im Schlaf zuckte das Menschlein ab und an ein wenig, und die mit seltsam langen und dichten, dunklen Wimpern versehenen Lider flatterten. Was der Kleine wohl träumen mochte?
Fortsetzung folgt!
… „In der Weihnachtsbäckerei…“ 😉 …
… Vor einigen Jahren hatte ich inspiriert von einem Facebook Account namens Tiny People eine Phase, in der ich mit Modelleisenbahn-Figürchen der Größe H0 und Lebensmitteln heiter-unbeschwerte Szenerien gestaltete und fotografierte. Folgendes Bild entstand während eines sehr kreativen Abends mit viel wohlschmeckender Weihnachtsbäckerei… 😉
… In meine Mediathek habe ich dieses Bild am 01.12.2020 hochgeladen:…
… Ich wünsche euch einen möglichst unbeschwerten Wochenstart – und viel Freude beim Öffnen des ersten Türchens eurer Adventskalender… 🙂
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