… Ein Balsaholz-Floß treibt über den Pazifik…
… Inspiriert vom sensationellen Sprung des Österreichers Felix Baumgartner durch die Atmosphäre bestellten das Wilde Weib und ich vor einigen Wochen bei den Amazonen die Bücher des norwegischen Forschers und Abenteurers Thor Heyerdahl. Diese Reiseschilderung von ihm und seinen fünf Kameraden an Bord eines hölzernen Floßes ist zur Zeit meine abendliche Lektüre…
… Obwohl die abenteuerliche Fahrt im Jahre 1947 statt gefunden hat, ist die Erzählung Thor Heyerdahl’s auch heute noch ungemein frisch, spannend, mitreissend. Aber aus aktueller Sicht auch bestürzend…
… Die „Kon Tiki“ wurde aus neun frisch geschlagenen Balsaholzstämmen zusammen gefügt, ohne jegliche Verwendung moderner Hilfsmittel, ohne auch nur ein Stückchen Metall dabei zu Hilfe zu nehmen. Zusammen gehalten wurden die bis zu ca. 14 Meter langen Stämme lediglich durch Hanfseile. Zwei Mangrovenstämme bildeten den A-förmigen Mast, der das trapezförmige Segel mit dem Abbild des legendären Inka-Gottes Kon-Tiki trug. Aus Mangrovenholz waren auch die Kielschwerter unter dem Floß, mittels derer man zusätzlich zum langen und schweren Steuerruder am Heck den Kurs beeinflußen konnte…
… Thor Heyerdahl und seine Kameraden wollten mit ihrer wagemutigen Fahrt über den Pazifik den Beweis erbringen, dass Polynesien ohne Weiteres auch von Südamerika aus hätte erforscht und besiedelt werden können. Seiner Meinung nach war diese Theorie sogar logischer und leichter nachvollziehbar wie die Annahme, der pazifische Lebensraum sei von Asien aus erobert worden. Obwohl er für seine These mit der „Kon Tiki“ ja den unwiederlegbaren Beweis erbrachte, tut man sich in wissenschaftlichen Kreisen nach wie vor ungeheuer schwer, dies zu akzeptieren…
… Ausgestattet mit ungefähr 1.100 Litern Trinkwasser, einer großen Kiste Süßkartoffeln, Kokosnüssen und tropischer Früchte, und jeder Menge Proviantrationen der amerikanischen Navy stachen Heyerdahl und seine Mannen – Erik Hesselberg, Bengt Danielsson, Knut Haugland, Torstein Raaby und Hermann Watzinger – am 28. 4. 1947 von Callao/Peru aus in See…
… Über hundert Tage lang bekamen sie weder ein Schiff noch Land zu sehen, sie waren umgeben von der schier endlosen Weite des Pazifik. Einzige Verbindung mit der Außenwelt war ein Funkgerät. Mit dem Kennzeichen LI2B wurden Tag für Tag die Position, sowie meteorologische und nautische Daten gesendet. Hunderte Amateurfunker weltweit begleiteten virtuell die „Kon Tiki“ auf ihrer Drift über das größte aller Weltmeere…
… Was mich beim Lesen mit am meisten erschüttert, sind die wundervollen, plastischen Schilderungen der Sauberkeit des Wassers – glasklare, grünlich schimmernde Wellen, die sich turmhoch über das winzig anmutende Floß erhoben, doch ohne Schaden anzurichten stets zwischen den Balsastämmen versickerten wie zwischen den Zinken einer Gabel. Es hat damals, vor grade mal 65 Jahren, noch nicht die geringste Verschmutzung der Ozeane gegeben. Beinahe märchenhaft – und bestürzend – muten auch die Erzählungen über den geradezu sagenhaften Fischreichtum an – Scharen fliegender Fische, die jeden Morgen an Bord nur eingesammelt werden mussten, um zum Frühstück gebraten zu werden. Riesige Horden Goldmakrelen, Thunfische, Bonitos, Seeschildkröten in der Nähe der Galapagos-Inseln, eine unübersehbare Schar riesiger Wale kreuzte eines Tages den Kurs der „Kon Tiki“! Die Mannschaft spielte mit Haien, indem sie diese zuerst mittels Köder anlockten, und dann an Bord zu ziehen versuchten. Oft genug brauchten sie lediglich ihre Esslöffel ins Wasser zu halten, um sich mit dem ausgesprochen nährstoffreichen Plankton zu versorgen…
… Nach 101 Tagen und ca. 6.980 zurück gelegten Kilometern rammte die Kon Tiki das Korallenriff von Raroia im Tuamotu-Archipel. Die Bambushütte, welche den sechs Männern auf ihrer Expedition Schutz vor den Elementen geboten hatte, sowie der Mast wurden dabei schwer beschädigt. Heyerdahl und seine Kameraden konnten sich so gut wie unverletzt auf ein winziges Eiland retten, und dank des noch intakten Funkgeräts ihre Position bekannt geben. Sechs Tage später wurden sie geborgen…
… Originalfoto zu finden bei http://steve-edgeworld.com