… Da hatte ich in jener TV-Reisedoku, die der Auslöser für meinen Heidelberg-Trip gewesen ist, etwas gesehen, was mich förmlich elektrisiert hatte, und nun unbedingt mit eigenen Augen bestaunen musste…
… So betrat ich wohlgemut das Foyer der Alten Universität, und war zunächst einmal sehr positiv erstaunt über die Lässigkeit und Freundlichkeit des dortigen Aufsichtspersonals. Überhaupt sind die Menschen in dieser schönen Stadt am Neckar ausgesprochen freundlich und offen, und das erste Adjektive, das mir auf meiner Altstadtwanderung in den Sinn kam, war „fröhlich“. Ich vermeinte deutlich, in all den alterwürdigen Gassen eine leichte und beschwingte Heiterkeit zu fühlen. Als ich nach dem Lösen der sehr preiswerten Eintrittskarte die Garderobe ansteuerte, um meinen Rucksack abzugeben, meinte man, dass das nicht nötig sei und geleitete mich fürsorglich zum Aufzug…
… Oben war ein Catering-Team grade fleißig bei den Vorbereitungen für einen abendlichen Empfang. Ich schlängelte mich durch Stehtische, Gläser- und Geschirrkisten hindurch, passierte eine weit geöffnete Tür – und dann stand ich eine Weile wie angewurzelt und schaute, und staunte. Ich kam mir vor, als wäre ich unversehens in Hogwarts gelandet…
… Die Aula der Alten Universität Heidelberg:…
… Ich konnte in aller Ruhe durch den wunderschönen Raum schlendern und ihn genussvoll auf mich wirken lassen. Außer mir befand sich lediglich ein altes Ehepaar im Saal. Als sie eintraten, murmelte der weißgeschopfte Herr: „Hier hatte ich vor sooooo vielen Jahren zusammen mit all meinen guten Freunden meine Abschlussfeier…“ Sich innig an den Händen haltend ließem sie sich auf einer der seitlichen Bänke aus dunklem Holz nieder, und er begann, von seiner Universitätszeit zu erzählen, ein wenig stockend, mit leiser, etwas brüchiger Stimme…
… Es dauerte lange, bis ich mich losreißen konnte, um mein nächstes Ziel anzusteuern…
… Heidelberg ist die älteste Hochschulstadt Deutschlands, die Ruprecht-Karls-Universität wurde im Jahr 1386 gegründet. Sie besaß eine eigene Gerichtsbarkeit. Im 16. Jahrhundert errichtete man in der Augustenstraße an der Rückseite des Uni-Komplexes ein Gefängnis für aufsässige und straffällig gewordene Studenten, den Karzer. Die Haftzeiten, zu welchen die jungen Leute seinerzeit verdonnert wurden, betrugen zwischen einer und vier Wochen. Sie durften die Vorlesungen besuchen, und mussten sich dann wieder in ihren Zellen im zweiten Obergeschoss einfinden…
… Im 19. Jahrhundert mutierte das, was einst als harsche Disziplinarmaßnahmen gedacht war, zusehends zur Gaudi, es galt zum guten Ton, in seiner Studentenlaufbahn wenigstens einmal im Karzer eingesessen zu haben. Aus dieser Zeit stammen auch die schier unzählbaren Wandmalereien – Portraits ehemaliger Häftlinge, flotte und alberne Sprüche, Scherzgedichte und -parolen. Man müsste einen ganzen Tag im Karzer verbringen, um all die weit über hundert Jahre alten Graffitis zu studieren…