… erscheint mir bisweilen meine Umwelt…
… Während ich am Vormittag andächtig und voller Genuss meine Brotzeit schmauste, vernahm ich auf der Straße unter mir lautes Geschrei. Ich trat ans Wohnzimmerfenster, um nachzusehen. Auf dem gegenüber liegenden Bürgersteig prügelte eine vielköpfige Horde junger Männer auf einen schmächtigen Jüngling ein, bis er in die Knie ging. Hysterisch kreischend trat jene „Friseuse“ aus der Nachbarschaft, die mir vor einem Jahr den Kopf fast kahl geschoren hatte, als ich einen flotten Kurzhaarschnitt haben wollte, mit den Füßen unablässig auf den am Boden Liegenden ein, obwohl sich dieser mit vor Schmerz verzerrtem Gesicht wand und laut um Hilfe schrie. Ich zückte sofort mein Handy und wählte den Notruf. Zum Glück hielten bereits nach wenigen Minuten vier Polizeistreifen mit Blaulicht und Sirene und eine Schar Beamt:Innen nahm sich des Schlägertrupps und der durchgeknallten Göre an…
… Gestern suchte ich erneut das Wirbelsäulenzentrum auf. Im Laufe des Nachmittags klärte sich, warum ich am Freitag das Schild nicht gesehen hatte, welches darauf hin weist, dass man die Ärztezimmer und den Empfang in den ersten Stock verlagert hatte: Man hat vergessen, dieses aufzuhängen. Bei großem Andrang werden kleine Eingriffe wie z. B. Infiltrationen immer noch in den alten Räumlichkeiten durchgeführt. Das Team, das für die letzte Behandlung verantwortlich ist, soll danach an der Eingangstür das Schild anbringen, hat aber nicht daran gedacht. Ich wusste doch, dass ich Recht gehabt hatte!…
… Ich kannte den für mich zuständigen Facharzt bereits vorher als ungehobelten verbalen Grobian. Gestern hat er sich allerdings selbst übertroffen. So bezeichnete er mich im Laufe unseres Gesprächs als „altes Weib“ (ich bin Fünfundsechzig), warf mir vor, „viel zu fett“ zu sein – ich habe Kleidergröße 44/46 auf 1,72 mtr. Körpergröße! Dass ich seit viereinhalb Jahren regelmäßig Ergotherapie betreiben würde, war seiner Meinung nach „absoluter Blödsinn“, weil das sowieso nichts bringen würde – wenn dem so wäre, warum habe ich dann gut drei Jahre lang keine Rückenprobleme mehr gehabt? Ich war wie vor den Kopf gestoßen. Versierter Facharzt hin oder her – so geht man nicht mit Menschen um! Nach der Anamnese verpasste er mir die ersten sechs Spritzen der dreiteiligen Infiltration – kontrolliert von einem bildgebenden Verfahren (Röntgen) werden mehrere Injektionen direkt an die entzündeten Nervenwurzeln in der Wirbelsäule verabreicht. Im Laufe der nächsten vier Wochen folgen Teil zwei und drei der Behandlung – und dann kann er mich ganz gepflegt am Abend besuchen, der „gute Herr Doktor“. Ich werde die Praxis nicht wechseln, weil ich mich an sich dort gut aufgehoben fühle, aber ich werde auf alle Fälle eine/n andere/n Arzt/Ärztin verlangen…
… Vor einer Woche verschüttete jemand im Eingangsbereich unseres Hauses eine Menge Essen. Es sah aus wie Tiroler Gröstl mit Kartoffeln, Fleischwürfeln etc. Früher hätte man als Mieter:In Kehrblech und Besen geholt und den Haufen weggeräumt. Doch der lag dort vor sich hingammelnd, bis Montag Vormittag die Jungs von der Hausreinigung kamen, um zu kehren und zu wischen – wenn ich nicht so arge Rückenschmerzen gehabt hätte, dann hätte ich ganz sicher diesen Unrat beseitigt. – Dass man als Mieter:In auch für die Sauberkeit des Wohnhauses eine Mitverantwortung trägt, scheint heutzutage nicht mehr bekannt bzw. üblich zu sein. Es tut mir Leid, das jetzt zu schreiben – aber es ist so, dass hauptsächlich die jungen Nachbar:Innen keinerlei Interesse an einem sauberen Umfeld haben. Das ist beileibe nicht das erste Mal gewesen, dass da achtlos Dinge einfach im Hausflur bzw. Lift fallen gelassen werden – von vollgerotzten Papiertaschentüchern über Pappbecher, Plastiktüten, Mund-Nasen-Masken bis hin zu diversen Flüssigkeiten und Speiseresten. Und am Abstellplatz unserer Mülltonnen im Hinterhof sieht es regelmäßig so aus, als hätte eine Bombe eingeschlagen. Es macht oft ganz den Anschein, als wüssten die Mitglieder der „Generation Fridays For Future“, die bei uns wohnen, nicht, dass man Kartons zerkleinert, bevor man sie in die Papiertonnen steckt, dass man keine Plastiktüten in den Biomüll entsorgen soll, und dass Pappe, Papier und Lebensmittel nichts in den Restmülltonnen zu suchen haben…
… Das scheint ein unruhiger Nachmittag zu werden. Die Kontrahenten vom Vormittag sind erneut voller Hass und Wut aufeinander los gegangen. Die Polizei ist wieder mit etlichen Streifenwägen vor Ort…