„Klar, damit habe ich dich jetzt völlig überfahren. Ich mach dir einen Vorschlag: Ich führe dich noch ein wenig herum und zeige dir, wo die Zeitkapseln gelagert werden, und du überlegst dir derweilen meinen Vorschlag.“
Wir verstauten die restlichen Zeitblasen in Gläser, dann holte der Verwalter der LiZAS aus einer seitlichen dunklen Nische einen Servierwagen, auf den wir die Behälter luden. Wir stiegen in einen unablässig auf und ab gleitenden Paternoster und fuhren nach oben.
Die Aufgabe an sich war kinderleicht – die Gefässe wurden nach einem einfachen Schema gelagert, die neuesten wurden zunächst in Schränke im Obergeschoss verstaut. Einmal im Stalenk gab es eine Art Inventur, und dann musste ein wenig umgeräumt werden. In der untersten Etage befanden sich stets etliche leere Gläser, weil die Zeitblasen sich ja allmählich aufzulösen pflegten. Diese leeren Gläser mussten dann wieder ins halbmondförmige Regal an der Trichtermündung gebracht werden. Für zusätzlich benötigte ganz neue Behältnisse würden die … (ein für Menschenzungen völlig unaussprechlicher Name!) sorgen, die in dem netten kleinen, griechisch anmutenden Dorf wohnten, das ich bei meiner Morgenwanderung hierher passiert hatte. Sie würden sich auch stets des Nachts um die Sauberkeit in diesem Riesenbau kümmern.
Ein Stalenk ist so was Ähnliches wie bei uns Menschen ein Monat, erklärte mir Caspisian, nur um einiges länger. Wobei – manchmal gäbe es auch recht kurze Stalenks. Das würde von den Erkenntnissen und Prognosen der Atmosphärenschnüffler abhängen.
„Aha. Sind die so was wie Astronomen?“
Caspisian wiegte den Kopf und zog die Schultern hoch.
„Im Prinzip ja – allerdings gibt es in dieser Nebenwelt hier weder Sonne noch Mond oder Sterne.“
„Wie das denn? Ich denke, Sterne, Planeten, Monde, Galaxien, Schwarze Löcher und all das Um und Auf existieren im gesamten Universum?“
„Jaaaa, in dem euch Menschen bekannten Universum. Hier verhält sich das anders.“
„Aber es ist doch hell draußen, es sieht aus wie Sonnenschein, es gibt sogar einen blauen Himmel und Wolken!“
„Und doch stammt die Helligkeit nicht von einem Stern. Und die nächtliche Dunkelheit gibt es hier nicht wegen der Erdrotation.“
Ich zog staunend die Augenbrauen hoch. „Wer sorgt dann für Tageshell und Nachtdunkel?“
Caspisian trat näher und flüsterte: „Man munkelt, dass das auch vom Großen Gnuff geregelt wird! Er ist der absolute Herrscher über alles!“
„Haben Sie den Großen Gnuff eigentlich schon einmal gesehen? Irgendwo? Auf einer Parade vielleicht, oder in einer Zeitung, TV-Nachrichten, einer Doku? Gibt es ein Bild von ihm? Weißt du, wie er aussieht? Ist er verheiratet? Hat er Kinder? Wie alt ist er?“
„Es soll den Großen Gnuff schon gegeben haben, bevor diese Nebenwelt entstanden ist – und in den Legenden heißt es, dass er sie erschaffen hat. Er sei eines sehr weit zurückliegenden Tages von Kafrickistan gekommen – keine Ahnung, wo das einst gelegen hat. Und nein, ich bin ihm noch nie begegnet, ich weiß nicht, wie er aussieht und auch nichts über seine Familie. Und noch einmal nein – hier gibt es weder Zeitungen noch Fernsehen oder Filme, auch kein Internet und kein Telefon – das hättest du mich bestimmt als nächstes gefragt.“
„Wie kommunizieren Sie dann mit anderen?“
„Das wirst du schon noch herausfinden. – Komm, ich zeige dir jetzt dein Zimmer – falls du es dir überlegen solltest, hier zu bleiben.“
