… In einem Kommentar bezüglich meines letzten Montagsmotzes hat ein Mitblogger Bedenken angemeldet, ob faire Löhne und Gehälter und eine wirksame Mietpreisbremse denn auch bezahlbar wären. Wieso sollte das bei lt. Finanzminister Ch. Lindner zu erwartenden Steuereinnahmen von sage und schreibe einer Billion Euro im Jahr 2024 nicht möglich sein? Wir haben die gefährliche Corona-Pandemie relativ glimpflich überstanden. Wir haben den Winter ohne russisches Gas und Öl gemeistert. Warum sollte es uns nicht auch gelingen, dafür Sorge zu tragen, dass jede/r Bürger:In dieses Landes ohne Not von dem leben kann, was Monat für Monat aufs Konto eingeht? Warum sollte es uns nicht auch gelingen, darauf zu achten, dass Jede/r hier in unserem doch so wohlhabenden Land ausreichend Wohnraum zu einem menschenwürdigen Preis zur Verfügung hat? Natürlich müsste man dafür in der “großen Politik”, bei den Lobbyisten und in den Chef-Etagen der Unternehmen umdenken. Oh, wait! – Umdenken, das ist insgeheim seit Olims Zeiten schon das furchtbarste aller Unworte Deutschlands!…
… Warum sollten anständige Löhne und Gehälter und bezahlbare Mieten nicht zu ermöglichen sein? So etwas ist über drei Jahrzehnte hinweg hier in Deutschland selbstverständlich gewesen! Nennt sich Wirtschaftswunder, kann man in jedem halbwegs guten Geschichtsbuch nachlesen. Damals brummte die Konjunktur. Wer zum Monatsersten genügend Geld zum Leben auf dem Konto hat und sich keine Sorgen bezüglich seiner Wohnsituation machen muss, konsumiert unbeschwert, und kurbelt auf diese Weise die Wirtschaft an. Das wäre heutzutage auch nicht anders!…
… Mit der Wiedervereinigung und der sogenannten “Abwicklung” der Wirtschaft in den neuen Bundesländern begann die Habgier – eine der sieben Todsünden – einem schlimmen Unkraut gleich zu wuchern. H. Kohls Nachfolger, der gerne Anzüge von Brioni trägt und teure Zigarren schmaucht und wie kein anderer vor bzw. nach ihm (bis jetzt) die Werte und Ideale der Sozialdemokraten verraten hat, bemühte sich nach Leibeskräften, die Gier noch zu schüren. Er begünstigte den Lobbyismus – das hat sich bis dato nicht geändert, auf einen Bundestagsabgeordneten kommen zur Zeit 28 Lobbyisten, von denen mit Sicherheit kaum einer die Sorgen und Nöte der kleinen Bürgerlein vertritt. Er ließ einen im Jahr 2014 in vierundvierzig Fällen der Korruption für schuldig befundenen Manager der Volkswagen AG ein Konzept zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit entwickeln, das als Hartz IV traurige Berühmtheit erlangte. Das ALG II hat sich in all der Zeit nur als begrenzt erfolgreich erwiesen – mit wenigen Ausnahmen: Es demütigt und verunsichert die Antragssteller:Innen durch ein gnadenloses Offenlegen nicht nur der Finanzen sondern auch ihres Lebenswandels bis in die Intimsphäre, und wirkt daher ungemein abschreckend. Und es öffnete für Niedriglöhne, befristete Beschäftigungen, Leiharbeit und steuer- sowie sozialabgabenfreie Mini-Jobs Tür und Tor ganz weit! In den sechzehn Regierungsjahren von “Mutti”, während denen fleißig “ausgesessen” wurde und sich bezüglich Sozialpolitik nicht allzu viel Erwähnenswertes und Positives tat, feierten nebst der Gier Rücksichtslosigkeit, Profitstreben um jeden Preis, Spekulantentum, Verrohung und Entmenschlichung fröhliche Urständ’ und verbreiteten sich gemäß der Uralt-Motti “Wie oben so unten” bzw. “Der Fisch fängt vom Kopf zu stinken an” unter den Bürger:Innen. Dazu kommt, dass immer mehr Abgeordnete und Minister:Innen des Bundestags der gehobenen Mittel- bzw. Oberschicht entstammen. Das ist doch logisch, dass ein Spross begüterter Eltern, der im Idealfall gleich nach dem Studium in die Politik wechselt, überhaupt nicht nachvollziehen kann/will, welche Existenzsorgen Jemanden mit einer kleinen Rente, eine/n Hartz-IV- – pardon – Bürgergeld-Empfänger:In, oder mit dem Mindestlohn billig abgespeiste Arbeitnehmer:Innen umtreiben (Mindestlohn = 12 Euro pro Stunde, brutto wohlgemerkt. Das sind bei 160 Arbeitsstunden im Monat 1.920 Euro VOR Abzug der Steuern und Sozialabgaben. Man versuche doch mal, damit bei den herrschenden Mietpreisen und Lebenskosten eine/n Ehepartner:In und zwei Kinder durchzubringen und eine Teilhabe am gesellschaftlichen Leben zu ermöglichen!). Dass es Menschen, die mit dem Silbernen Löffel im Munde groß geworden sind, schwer fällt, Scham bei dem Gedanken zu empfinden, dass es in Deutschland, einem der reichsten Länder der Welt, so etwas wie Tafeln geben muss, und der Andrang dort immer größer wird! Dass die Zahl der Obdachlosen in einem nie zuvor gekannten Ausmaß ansteigt! Dass man kaum wahr nimmt, dass es dem rechten Gesindel aber so was von in die Hände spielt, wenn es augenscheinlich niemanden interessiert, die immer weiter auseinander klaffende Schere zwischen Arm und Reich wieder zu schließen – angesichts von mehr als 30 % Wählerstimmen für die AfD in einigen Bundesländern sind wir über “Wehret den Anfängen!” schon lange hinaus!…
… Zurück zum anfänglichen Thema: Mit etwas Umdenken wäre es durchaus machbar, faire Löhne und Gehälter und bezahlbaren Wohnraum für Alle zu schaffen. Wobei wir allerdings wieder bei “Umdenken” sind, dem furchtbarsten und schrecklichsten Unwort der Deutschen…
… Was meiner Meinung nach nötig wäre:…
- Als erstes den gelackten Dressman los werden, der sich als Finanzminister geriert, und dessen Partei als kleinstes Mitglied der Ampel-Koalition den beiden Großen permanent Prügel zwischen die Beine wirft, sobald diese anstreben, brennende Themen des Koalitionsvertrags im sozial- und umweltpolitischen Bereich in die Tat umzusetzen. Bestes Beispiel ist das aktuelle und mir die Zornesröte ins Gesicht treibende Gezetere von Herrn L. bezüglich einer Kindergrundsicherung.
- Eine Reichensteuer. Es kann nicht sein, dass in unserem Land 48 Personen 81 % Prozent des Gesamtvermögens inne haben, ohne entsprechend zur Kasse gebeten zu werden!
- Eine Besteuerung der alljährlichen Milliardengewinne ausländischer Unternehmen in Deutschland. Jahr für Jahr gehen seit langem schon dem Fiskus ca. 39,1 Milliarden an Steuern von Firmen wie Google, Microsoft, IKEA, Disney, McDoof, Amazon, Apple oder Starbucks durch die Lappen.
- Nicht vor Schreck kuschen und einknicken, wenn Reiche und Großunternehmen damit drohen, Deutschland zu verlassen! Sollen sie doch! Ich bin ganz sicher, dass dadurch unsere Wirtschaft nicht zusammenbrechen würde. Wir haben so viel schon überstanden, wir würden auch damit zurechtkommen.
- Ein wirksames Gesetz möglichst ohne Schlupflöcher gegen Geldwäsche! Denn Deutschland gilt mittlerweile als Paradies für Geldwäscher. Ca. 100 Milliarden Euro an Steuergeldern gehen dadurch Jahr für Jahr verloren.
- Ein Anheben des Mindestlohns auf ein Niveau, das jedem/jeder Arbeitnehmer:In ein sorgenfreies Leben für sich und die Familie ermöglicht. Auch dieses Gesetz möglichst ohne Schlupflöcher. Oder noch besser: Ein bedingungsloses Grundeinkommen. Dass dies finanzierbar wäre, ist mittlerweile hinlänglich bewiesen.
- Ein Gesetz, dass der Bundestag zu 50 % aus Arbeiter:Innen ohne akademischen Abschluss und mit mindestens zehnjähriger beruflicher Praxis bestehen muss.
- Ein Gesetz, das den Lobbyismus im Bundestag und den Länderparlamenten stark einschränkt.
- Und zu guter Letzt: Eine hieb- und stichfeste Mietpreisbremse! Und ein gezieltes Vorgehen gegen Spekulantentum. Sowie ein Gesetz, das dazu verpflichtet, dass in den Bundesländern pro Legislaturperiode ein erheblicher Anteil an Sozialwohnungen bzw. bezahlbarem Wohnraum geschaffen werden muss.
… Nicht machbar? Nicht umsetzbar? Doch! Das wäre es, wenn man denn nur wollen würde! Wenn man bedenken würde, was Not und Unzufriedenheit, das Gefühl, dass Entscheidungen über einen hinweg getroffen werden, das Gefühl, von “denen da oben” nicht wertgeschätzt, nicht zur Kenntnis genommen zu werden, in absehbarer Zukunft mit unserem demokratischen Staat anrichten könnten. Wahrscheinlich wiegen sich so manche unserer Volks(ver)treter:Innen, Großunternehmer:Innen, Lobbyisten und Spekulant:Innen in dem Gedanken in Sicherheit, dass es in Deutschland keine Revolution geben wird, so lange das entsprechende Formblatt nicht erfunden ist. Wenn ihr euch da mal nicht täuscht!…
8 Antworten zu “Der Montagsmotz – Nachklapp…”
Ein beneidenswert guter Text, von dem ich jedes Wort unterschreibe. Chapeau!
Insbesondere die Punkte Reichensteuer, Besteuerung von (IT)-Konzernen und die Geldwäschevermeidung wären Dinge, die es schnellstens anzugehen gilt. Stattdessen …
…tja, stattdessen machte die mediale Rohstoffverschwendung mit den vier großen Buchstaben, und dem durchgeschwurbelten Ex-Chefredakteur schon vor über zehn Jahren mit der Titelzeile “Macht Hartz IV faul?” auf, brachte reihenweise Artikel über Deutschlands angeblich “faulsten Arbeitslosen” und wurde in ihrer medialen Verleumdungskampagne noch fleißig von RTL II und dessen ähnlich gelagerten Formaten und der FDP unterstützt.
So – und durch zahllose Entwicklungen auf dem Arbeitsmarkt, die wir mehrheitlich dem Herrn mit dem Anzug von Brioni zu verdanken haben – entsteht nicht das Bild eines Landes, dessen obere Zehntausend Geld horten als könnten sie es fressen, und das zuweilen unrechtmäßig, sondern das eines Landes, das ein massives Problem mit irgendwelchen “Sozialschmarotzern”, oder eigentlich allen Beziehern irgendwelcher Sozialleistungen hat.
Und deshalb werden Sie kritisch beäugt, diese Sozialleistungsbezieher. Und zwar primär von denen, die in der wirtschaftlichen Nahrungskette nur unwesentlich höher stehen, will sagen die im Niedriglohnsektor und die mit den prekären Arbeitsverhältnissen. Die haben nämlich Sorge, dass jemand aus dem Heer der Arbeitslosen kommt, und ihren Job für noch weniger macht. Und wenn man denen – wie beispielsweise von der CDU und dem Präsidenten des Zentralverbands des Deutschen Handwerks – auch noch fälschlicherweise(!) vorrechnet, dass Bürgergeldbezug sich mehr lohnt, als einen Job zu haben, dann ist die Neiddebatte schon fast perfekt.
Dann kommt aber noch das eben erwähnte Heer der Arbeitslosen. Menschen, die jeden Tag den Cent mehrfach umdrehen müssen und die nun aber ihrerseits wieder eine Gruppierung brauchen, die sie mit Argwohn betrachten können und die idealerweise noch weniger hat, als man selbst. Für gewöhnlich hat man die dann mit der Gruppe der Geflüchteten gefunden. Die müssen demnach nicht nur jeden Cent mehrfach umdrehen, sondern auch noch darauf aufpassen, dass sie von irgendeinem frustrierten Schwachkopf in Bitterfeld, Braunschweig, Berlin, Bochum oder Bächingen an der Brenz nicht unversehens verdroschen werden.
Und so prügelt munter eine Gruppierung am unteren Ende der wirtschaftlichen Nahrungskette auf eine andere ein, und die 48 erwähnten Personen lachen sich scheckig, dass es ihnen irgendwie so gut gelungen ist, davon abzulenken, dass sie eher das Problem, als die Lösung darstellen.
Und wenn sich doch mal jemand kritisch damit befasst, weisen die 48 Personen und ihre 72 Milliarden Lobbyisten entrüstet darauf hin, dass die oberen Einkommensgruppen ja absolut gesehen den größten Anteil am Einkommensteueraufkommen tragen. Und schon ist es für gewöhnlich vorbei mit den kritischen Fragen …
Ich danke fürs Lob! Das ehrt mich sehr.
Und ich finde, dass dein Kommentar die perfekte Ergänzung meines Blogposts ist. Vielen Dank, dass du deine Gedanken, die meinen sehr ähneln, so ausführlich dargelegt hast.
Da ist mir grade ein kleines Gleichnis in den Sinn gekommen, das im WWW immer wieder mal die Runde macht:
Ein Superreicher, ein Bürgergeld-Bezieher und ein Asylbewerber sitzen an einem Tisch. Auf dem Tisch liegen zwölf Kekse. Der Superreiche nimmt sich elf davon und sagt zum Bürgergeld-Bezieher: “Pass auf, der Asylant will deinen Keks!”
Auf den Punkt!
Danke für diesen kritischen und toll mit Wissen hinterlegten Beitrag – und den ergänzenden Kommentar. Ich bin immer wieder fassungslos, wie schnell die Wähler vergangene Fehltritte vergessen und jemand, der ebenfalls gerne schnell vergisst, zum Bundeskanzler werden kann. Aber Moral spielt auf der Ebene wohl keine Rolle mehr. Meiner Meinung nach ist genug Geld für diese wichtigen Themen da, es wird nur leider für das Falsche ausgegeben – pompöse Staatsakte, Agrarförderung an den falschen Stellen…. die Liste könnte man wahrscheinlich endlos weiter führen.
Ich wünsche mir wieder mehr mutige Menschen in der Politik, für die Umdenken kein Unwort ist.
Ich danke dir fürs Lesen und Kommentieren! Und deinem Wunsch schließe ich mich gerne an.
Grade stört es mich ungemein, dass der Herr L. vehement davon spricht, dass die 12 Milliarden für eine Kindergrundsicherung den Bundeshaushalt zu sehr belasten würden. Er will aber den Soli komplett abschaffen, was einzig und allein seinen Champagner süffelnden und Porsche fahrenden reichen Freunden zugute kommen würde. Und den Bundeshaushalt mit annähernd der gleichen Summe belasten würde…
Gut gemotzt! Kann ich unterschreiben.
Danke!