Einer der herrlichsten Romane, die je über München geschrieben worden sind, feiert heuer sein 35-jähriges Jubiläum:
„Briefe in die chinesische Vergangenheit“, verfasst von Herbert Rosendorfer.
Mittels eines Zeitkompasses springt der kultivierte, gebildete und wissenschaftlich sehr interessierte Mandarin Kao-tai aus dem China des 10. Jahrhunderts mitten ins 20. Jahrhundert nach München – eigentlich wollte er in seiner geliebten Heimatstadt K’ai-feng landen, hatte aber leider die Erdumdrehung falsch berechnet. Wie Kao-tai, der ja nicht nur aus einer sehr fremden Kultur, sondern auch einer gänzlich anderen Zeit stammt, „Min-chen“, die Hauptstadt von „Ba-jan“, wahrnimmt, und was er dort erlebt, und wie er dies in Briefen an seinen treuen Freund Dji-gu schildert, beschert mir auch nach mehrmaligem Lesen immer noch Lachtränen…
… auf der Wiese unter dem Monopteros, dem kleinen Tempelchen im Münchner Englischen Garten, ist nebst dem CSD, Brunnenfest, Faschingszug der Damischen Ritter etc. ein weiteres Beispiel dafür, wie schön bunt in vielerlei Hinsicht München zum Glück immer noch ist. Es findet stets an einem Sonntag Nachmittag Ende Juli/Anfang August statt. Der Dresscode ist recht simpel: Möglichst keine Jeans, möglichst sehr phantasievoll und schön anzusehen, die Vielfalt der Kostüme reicht von prachtvollen Kleidern mit Korsagen, Reifröcken und rauschenden Volants bis hin zu Outfits der Lolita-, Mittelalter- und Steampunk-Szene. Man findet sich in Grüppchen zusammen, zelebriert die nachmittägliche Mahlzeit im Grünen – manche sogar ausgesprochen stilvoll mit silbernen Kerzenleuchtern, Trinkbechern, antiken Etageren, kostbaren Tafeldecken und Mundservietten – tauscht sich aus und flaniert…
… Ich habe es mir nicht nehmen lassen, am Sonntag Nachmittag einen kleinen Bummel in den Englischen Garten zu unternehmen – dergleichen erfreut stets meine Augen und mein Herz – und natürlich auch die Kamera. 😉 Verständlicherweise war die Teilnehmerschar der großen Hitze wegen überschaubar. Trotzdem sind mir einige Aufnahmen gelungen… 😉
… Wer von den TeilnehmernInnen des Viktorianischen Picknicks sich hier entdeckt, und sein Bild haben möchte, melde sich bitte per Kommentarfunktion, ich werde die entsprechenden Aufnahmen selbstredend gratis zur Verfügung stellen. Auch wer sein Foto lieber entfernt haben möchte, braucht mir hier nur kurz eine Nachricht zu hinterlassen…
… Da hatte ich in jener TV-Reisedoku, die der Auslöser für meinen Heidelberg-Trip gewesen ist, etwas gesehen, was mich förmlich elektrisiert hatte, und nun unbedingt mit eigenen Augen bestaunen musste…
… So betrat ich wohlgemut das Foyer der Alten Universität, und war zunächst einmal sehr positiv erstaunt über die Lässigkeit und Freundlichkeit des dortigen Aufsichtspersonals. Überhaupt sind die Menschen in dieser schönen Stadt am Neckar ausgesprochen freundlich und offen, und das erste Adjektive, das mir auf meiner Altstadtwanderung in den Sinn kam, war „fröhlich“. Ich vermeinte deutlich, in all den alterwürdigen Gassen eine leichte und beschwingte Heiterkeit zu fühlen. Als ich nach dem Lösen der sehr preiswerten Eintrittskarte die Garderobe ansteuerte, um meinen Rucksack abzugeben, meinte man, dass das nicht nötig sei und geleitete mich fürsorglich zum Aufzug…
… Oben war ein Catering-Team grade fleißig bei den Vorbereitungen für einen abendlichen Empfang. Ich schlängelte mich durch Stehtische, Gläser- und Geschirrkisten hindurch, passierte eine weit geöffnete Tür – und dann stand ich eine Weile wie angewurzelt und schaute, und staunte. Ich kam mir vor, als wäre ich unversehens in Hogwarts gelandet…
… Die Aula der Alten Universität Heidelberg:…
… Ich konnte in aller Ruhe durch den wunderschönen Raum schlendern und ihn genussvoll auf mich wirken lassen. Außer mir befand sich lediglich ein altes Ehepaar im Saal. Als sie eintraten, murmelte der weißgeschopfte Herr: „Hier hatte ich vor sooooo vielen Jahren zusammen mit all meinen guten Freunden meine Abschlussfeier…“ Sich innig an den Händen haltend ließem sie sich auf einer der seitlichen Bänke aus dunklem Holz nieder, und er begann, von seiner Universitätszeit zu erzählen, ein wenig stockend, mit leiser, etwas brüchiger Stimme…
… Es dauerte lange, bis ich mich losreißen konnte, um mein nächstes Ziel anzusteuern…
… Heidelberg ist die älteste Hochschulstadt Deutschlands, die Ruprecht-Karls-Universität wurde im Jahr 1386 gegründet. Sie besaß eine eigene Gerichtsbarkeit. Im 16. Jahrhundert errichtete man in der Augustenstraße an der Rückseite des Uni-Komplexes ein Gefängnis für aufsässige und straffällig gewordene Studenten, den Karzer. Die Haftzeiten, zu welchen die jungen Leute seinerzeit verdonnert wurden, betrugen zwischen einer und vier Wochen. Sie durften die Vorlesungen besuchen, und mussten sich dann wieder in ihren Zellen im zweiten Obergeschoss einfinden…
… Im 19. Jahrhundert mutierte das, was einst als harsche Disziplinarmaßnahmen gedacht war, zusehends zur Gaudi, es galt zum guten Ton, in seiner Studentenlaufbahn wenigstens einmal im Karzer eingesessen zu haben. Aus dieser Zeit stammen auch die schier unzählbaren Wandmalereien – Portraits ehemaliger Häftlinge, flotte und alberne Sprüche, Scherzgedichte und -parolen. Man müsste einen ganzen Tag im Karzer verbringen, um all die weit über hundert Jahre alten Graffitis zu studieren…
… Als ich mich am Dienstag Nachmittag vom Hotel aus auf den Weg machte, musste ich eine Entscheidung treffen: Entweder einen ausgedehnten Bummel durch die Altstadt unternehmen, oder aber den berühmten Philosophenweg auf halber Höhe des Heiligenbergs am nördlichen Ufer des Neckars entlang spazieren. Beides zu tun kam leider, leider meiner Muskelschwäche wegen nicht infrage. Derzeit sind Touren von zweieinhalb bis drei Kilometern das Maximum, danach verlieren die spärlichen Reste der Muskulatur an den Füßen und in den Waden ihre Kräfte, das Risiko, trotz der Gehstöcke zu stolpern und zu stürzen, steigt um ein Vielfaches. Ich beschloss, die Bewanderung des Philosophenwegs auf einen späteren, weiteren Heidelbergbesuch zu verschieben und wandte mich gen Altstadt…
… Ich passierte eine Nebenstraße mit recht nobel wirkenden, stattlichen Anwesen, und hatte binnen weniger Minuten die Hauptstraße erreicht, die von West nach Ost die Heidelberger Altstadt durchzieht…
… Es dauerte gar nicht lange, und ich traf auf ein berühmt-berüchtigtes Heidelberger Original: Den Hofzwerg Perkeo…
… Die einen Quellen behaupten, er habe eigentlich Clemens Pankert geheissen, die anderen, sein Name sei Giovanni Clementi gewesen. Er soll Knopfmacher gewesen sein, bevor er als Sechzehnjähriger im Jahr 1718 in Südtirol die Bekanntschaft des Kurfürsten von der Pfalz Karl Philipp machte. Beeindruckt von der Trinkfestigkeit und Schlagfertigkeit des Burschen nahm der Herrscher ihn als Hofzwerg in seinen Dienst und mit nach Heidelberg. Dort wurde Pankert bzw. Clementi zum Hüter des riesigen Weinfasses – Fassungsvermögen ca. 130.000 Liter – im Schloss ernannt. Man glaubt, der Spitzname Perkeo rühre daher, dass der Zwerg auf die häufige Frage, ob er denn mal das Riesenfass leer trinken würde, auf Italienisch zu antworten pflegte: „Perché no – warum nicht.“…
… Ich hatte das erste Ziel meines Rundgangs erreicht, die Alte Universität. Dort hatte ich mir zwei ganz besondere Besichtigungen vorgenommen. Doch davon demnächst mehr…
… Heidelberg gefiel mir bereits auf den ersten Metern, die ich zu Fuß Richtung Altstadt zurück legte, ausnehmend gut. Fröhlich war das erste Adjektiv, das mir in den Sinn kam. Auf dem kurzen Weg zur Hauptstraße, die von West nach Ost das historische Zentrum durchzieht, fand ich sozusagen als Vorspeise für ungezählte andere, nicht nur optische, Genüsse, viel Vergnügen an teils skurrilen, wunderbaren Steinmetzarbeiten…
Der sieht doch aus wie der junge Richard Burton, finde ich.
… „Mei, i hab‘ de Haar sooooo schee, und überhaupt bin i da Allerscheenste weit und breit.“…
… „Du spinnst woi! I bin da Scheenste überhaupt!“…
… I bin net bloß da Fescheste im ganz’n Gäu, i bin aa a richtig g’fährlicher Stier! Olé!“…
… „Hearst as, wia de o’gebn? Dene sollt‘ ma vielleicht a paar kloane Batzerln auf’s Hirn sch***n, vielleicht werd’n s‘ dann wieda a bisserl vernünftiger.“…
… „Mei, seid’s es alle Angeber!“…
… „Ob i schee bin oda net, des interessiert mi net. I hätt‘ bloß ganz gern ab und zua a g’standne Maß Bier zum Saufn, und net bloß allerweil des fade Wasser.“…
… „Führt’s euch doch net a so wuid und laut auf! Des allerbeste Schönheitsmittel is‘ lang und vui schlafn. Schaugt’s mi o, i schlaf achtzehn Stund‘ am Tag – und so schee wia i is gar nia neamd.“…
… Nach einem gemütlichen Spaziergang hatte ich den kleinen Ort Bichl erreicht. Schön ist’s dort, ruhig, und idyllisch, irgendwie so, wie man sich ein bayerisches Dorf vorstellt. Langsam schlenderte ich Richtung Kirche, und kam am Fuße des kleinen Hügels, auf welchem sie sich befindet, an einem Bauernhof vorbei. Am Rande der frühlingsgrünen, mit Löwenzahn und Gänseblümchen getupften Wiese vergnügten sich scharrend und pickend einige Hühner, bewacht von einem recht stattlichen Hahn. Als dieser meiner ansichtig wurde, begann er, eine Art Tanz aufzuführen, er stelzte mit gespreizten Schwanzfedern hin und her, sich drehend und wendend und geziert mit den Flügeln schlagend – so etwas hatte ich noch nie zuvor beobachten dürfen! Vielleicht hatte er sich durch meine Anwesenheit bedroht gefühlt, und wollte mich mit diesem tänzerischen Imponiergehabe erschrecken und verscheuchen… 😉
… Neulich wurde ich gefragt, warum sich all diese jungen Menschen so gerne und so ausgefallen verkleiden. Na, weil es ihnen Freude macht! Weil sie es schön finden! Höchstwahrscheinlich auch, weil sie dadurch ihrem Alltag entfliehen können. Auf gewisse Weise ihre Träume verwirklichen können – einmal ein unüberwindlicher und unverwundbarer Superheld sein, eine zeitlose und exotische Schönheit, die alle Augen auf sich zieht, wieder einmal – wenn auch nur für kurze Zeit – ein Kind sein dürfen, im Gebrauch der Masken, Kostüme, Farben, Perücken, Schminken die eigene Kreativität zum Ausdruck bringen. – Ich verstehe das nur allzu gut…
… Voller Genuss ließ ich mich durch die bunte Menge treiben und nahm die schöne, gelöste Stimmung tief in mich auf. Diese vielen jungen Menschen hatten so viel Freude daran, in ihren großenteils sehr aufwändigen, phantasievollen Verkleidungen zu paradieren, sich gerne für die vielen Fotografen/innen in Positur zu werfen. Sie inszenierten Scheinkämpfe, fanden sich zu lebhaftem Austausch zusammen, kleinen Inseln gleich trieben bunte Decken mit picknickenden Phantasiegestalten auf dem frühlingshaft grünen Rasen zu Füßen der barocken Klosterkirche St. Maria…
… Diese Convention für Manga-, Science-Fiction-, Steam-Punk- und Fantasy-Fans findet alljährlich statt. Nachdem einige Jahre lang das Wetter so gar nicht mitgespielt hatte, zeigte es sich diesmal als ausgesprochen gnädig. Im Park des altehrwürdigen Klosters von Fürstenfeldbruck waren buchstäblich Tausende schrill, bunt, schräg, gruselig, phantasievoll, märchenhaft, romantisch, schön, schauerlich verkleideter junger Menschen – ein Fest für jede/n Fotobegeisterte/n. Ich habe mir am Samstag Nachmittag fast eine Blase am rechten Zeigefinger zugezogen…
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