… Dorthin, in Nähe der Residenz und der Münchner Stadtmitte, trieb es mich heute Nachmittag. Vor einer Weile hatte ich erfahren, dass als Reminiszenz an das schöne Venedig die Hofgarten-Arkaden bis in den Oktober mit hellen Stoffbahnen verkleidet seien. In einem kurzen Fernsehbericht hatte ich gesehen, wie diese sich sachte im Winde bauschten – und das hat mein Fotografenherz höher schlagen lassen…
… Die Vorhänge fallen teils lose in den Bögen der Arkaden, teils sind sie in verschiedenen Höhen kunstvoll gerefft. Die verschiedenen Ein- und Ausblicke und das an diesem herrlichen Spätsommertag träge Spiel von Licht und lauem Lüftchen mit diesen Installationen gefielen mir sehr…
… Danach schlenderte ich noch ein Weilchen durch den Park, entdeckte Muschelblumen an der Innenseite des Pavillons, und einen seidig glänzenden Flügel, dem ein virtuoser Künstler wundervolle Melodien entlockte, begleitet vom sanften Murmeln unermüdlich sprudelnder Wassergeister…
… ein Wort mit ihm wechseln dürfen, bin ihm eigentlich auch noch nie persönlich begegnet – und trotzdem zählt dieser Mann seit beinahe dreißig Jahren dank seiner Musik zu meinen besten Freunden: Der amerikanische Jazz-Gitarrist Pat Metheny…
… Er wurde 1954 in Lee’s Summit, Missouri geboren, lernte als kleines Kind zunächst Trompete, bevor er im Alter von zwölf Jahren zur Gitarre wechselte. Als Fünfzehnjähriger spielte er bereits an der Seite damaliger Jazz-Größen. Mit Achtzehn wurde er Dozent für Gitarrenspiel an der Universität von Miami, ein Jahr später am Berklee College of Music in Boston…
… 1976 gründete er zusammen mit dem Keyboarder Lyle Mays die Pat Metheny Group, die bis heute Bestand hat. Metheny’s Kompositionen sind zum Teil außerordentlich melodiös. Allerdings fällt es schwer, sie zu kategorisieren, sie weisen eine große Stilvielfalt auf, angefangen von Filmmusiken, sehr dicht und weit durcharrangierten Aufnahmen der Gruppe, über Einflüsse von Country-, lateinamerikanischer und Folk-Music und klassischem Jazz bis hin zu recht experimentellen Improvisationen…
… Vielleicht kennen einige von euch, die so ungefähr meines Alters sind, noch die folgende Aufnahme von ihm (im Jahre 1985 fünf Wochen lang der Nummer-Eins-Hit), die Titelmusik zu dem Film „Der Falke und der Schneemann“:
… Mit eben diesem Song begann meine Freundschaft mit Pat Metheny. Etwas an diesem irgendwie pulsierenden, vorwärts treibenden, und doch so schwerelos anmutenden Sound fesselte mich – und tut es nach wie vor. Ich habe bislang zwei seiner Konzerte hier in München live miterleben dürfen. Während einiger Arrangements saß nur er zusammen mit seiner Akustik-Gitarre auf der leeren, abgedunkelnden Bühne. Wie versunken dieser Mann musizierte, er wirkte wie ein kleiner, traumverlorener Junge mit langem, welligem Haar, aus dem das blendend weiße Licht eines einzelnen Punktscheinwerfers bisweilen Funken schlug. Da hatte er sich endgültig in mein Herz gespielt…
… Wenn Kummer und Schwermut an mir nagen, wenn die Welt rings herum grau, trübe und öd erscheint, dann lege ich eine CD von Pat Metheny auf, und binnen kurzem ist es so, als würde mir eine sanfte Hand über den Kopf streichen und eine warme Stimme mir zuflüstern „Komm schon, das ist doch alles nicht so schlimm!“ Und ich lasse mich fallen in seine Musik, sie durchzieht wie eine Frühlingsbrise meine Seele, sie lindert meinen Schmerz und klärt die Gedanken…
… Ich habe versucht, mein absolutes Lieblings-Lieblings-Lieblings-Stück von diesem genialen Gitarristen mittels einer Diashow in Bilder umzusetzen. Ich hoffe, ihr habt ein Weilchen Zeit, um mit mir zu entspannen, zu träumen und zu genießen…
… Dieses ausgesprochen sehens- und hörenswertes Schmankerl hab‘ ich beim Stöbern auf YouTube ausgegraben. Aufgenommen wurde die mitreissende Interpretation des Santana-Klassikers „Jingo“ während einer Jubiläumsveranstaltung des Jazzfestivals von Montreux im Jahre 2006…
… Carlos Santana und seine Band begleiten mein Leben seit über vierzig Jahren. Ich kann mich noch gut daran erinnern, daß meine Schulkameradinnen und ich während der langen Zugfahrt von Berchtesgaden zur Realschule nach Bad Reichenhall fasziniert den befeuernden Klängen lauschten, die blechern und verzerrt aus dem Lautsprecher eines Kassettenrekorders drangen. Für meine Ohren war die Mixtur aus Hardrock, Blues, südamerikanischer Rhytmen und afrikanischen Einflüssen eine Offenbarung, der Kommentar meiner Eltern lautete schlichtweg: „A so a grausige Negermusi‘!“…
… Als ich etliche Jahre später als Bedienung in der Schönauer Gaststätte „Bergwirtschaft“ arbeitete, waren die regelmässigen Konzerte von Santana in der Münchner Olympiahalle ein MUSS! Es gab eine recht sympathische Clique, welche sich „Die Milde Dreizehn“ zu nennen pflegte, ausgesprochen humorvolle und einfallsreiche Burschen, denen ich mich angeschlossen hatte. Sie zeichneten nicht nur für das Organisieren und Gestalten unseres ortseigenen Faschingszuges, sondern auch für allerlei Schabernack in und um unseren Heimatort verantwortlich. Jedes Santana-Konzert geriet für uns zum Fest der Sinne! Zumeist brausten wir gen Mittag im Tross in die Landeshauptstadt, schon Stunden vor Konzertbeginn nahmen wir unsere Plätze nebst einem ansehnlichen Sortiment mit Dosenbier und Brotzeit gefüllten Kühltaschen ganz, ganz vorne an der Bühne ein, um unserem großen Idol nur ja möglichst nahe zu sein! Voller Leidenschaft und mit donnernden Ovationen applaudierten wir, bis die Hände taub waren, tanzten, hüpften, rockten, was das Zeug hielt, verausgabten uns, bis jeder Muskel im Leibe einschließlich der Stimmbänder schmerzte und den Dienst versagte. Nur ein ausgedehnter Aufenthalt in einer der Ende der Siebziger angesagten In-Kneipen (und bei Mc.Don.alds) konnte anschließend für die Wiederherstellung unserer Lebensgeister sorgen…
… Während eines Auftritts in München hatte Santana einen afroamerikanischen Sänger an seiner Seite, Greg Walker, ein ebenholzfarbener Hüne mit der Geschmeidigkeit einer Raubkatze und einer schlichtweg umwerfenden Stimme, mal sanft und seidig weich schmeichelnd und schnurrend, mal hinreissend röhrend und schallend wie die Trompeten von Jericho. Ich war hin und weg! Und so was von verliebt! Noch im Morgengrauen nach diesem Konzert setzte ich mich hin und schrieb eine Erzählung: Ein sehr berühmter, dunkelhäutiger Rock-Sänger, schön wie ein Gott und wohlhabend in einer Luxuxvilla in Beverly Hills hausend, liest eines Tages am Straßenrand eine kranke, ausgezehrte, junge Landstreicherin auf (selbstredend mein Alter Ego!), nimmt sie zu sich, pflegt sie gesund und verliert – wie soll’s auch anders sein! – sein Herz an sie, nach etlichen Irrungen und Wirrungen gibt es natürlich ein Happy End! Leider, leider ist bei einem meiner ungezählten Umzüge während meiner Wilden Jahre dieses Manuskript verloren gegangen…
… Ich schätze den Großen Meister auch wegen seiner Allürenlosigkeit. Steht auf den Plakaten und Annoncen zu lesen: „Konzertbeginn 20:30 Uhr“, kann man getrost die Uhr danach stellen. Es gibt keine spektakulären Kostüme, keine irrwitzigen Tanzeinlagen, keine hochtechnisierte Lichtshow voller Spezialeffekte. Keine Playbacks – wo Santana live draufsteht, ist auch ausschließlich Santana live drin. Carlos Santana und seine Band sind zwar im Laufe einer über vierzigjährigen Karriere ein paarmal in der Versenkung verschwunden, haben allerdings stets auf bemerkenswerte Art und Weise für eine erkleckliche Anzahl Comebacks gesorgt, nicht zuletzt im Jahre 2001, als die CD „Supernatural“ mit acht Grammys ausgezeichnet worden ist…
… Carlos Santana’s Laufbahn mit all ihren Höhen und Tiefen ist so gut wie skandalfrei. Über sein Privatleben gibt es lediglich spärliche Informationen. Vor einer geraumen Weile gelangte einmal sein Bekenntnis an die Öffentlichkeit, daß er als Jugendlicher von einem nahen Verwandten missbraucht worden war. Da mir als junges Mädchen dasselbe widerfahren ist, fühle ich mich diesem Menschen natürlich noch mehr verbunden. 2007 wurde nach 34 Jahren seine Ehe geschieden, er hat drei Kinder aus dieser Verbindung, 17, 22 und 23 Jahre alt. Seit langem schon ist Carlos Santana sozial engagiert, er hat eine eigene Stiftung ins Leben gerufen, welche Kindern aus armen Familien eine gute Schulbildung ermöglicht. In San Franzisco gibt es ihm zu Ehren sogar den Santana-Tag – am 6. Juni…
… Ich glaube nicht, daß ich einmal das große Glück haben werde, diesem herausragenden Menschen und Musiker richtig zu begegnen. Und doch zählt er seit über vierzig Jahren zu meinen engsten Freunden. Und Seelentröstern. Wenn mich der Depri und Mutlosgkeit zu packen drohen, wenn ich schlecht drauf bin, unlustig, trübsinnig, dann gibt’s von Carlos Santana und Band was auf die Ohren. Hilft zuverlässig. Minuten später: Frau Mitte Fünfzig rockt mit verzücktem Lächeln durch die Bude… 😉
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