… Die Zahl der Fachärzte in Deutschland, die keine Kassenpatienten mehr behandeln wollen, steigt zusehends. Oft wird dies mit der unzureichenden Vergütung durch die sogenannte Budgetierung begründet, das heisst, dass die Ärzte pro Kassenpatient pro Quartal eine bestimmte Summe erhalten – zwischen ca. 50 und 70 Euro, von Bundesland zu Bundesland verschieden. Ist ein Kassenpatient chronisch krank oder zieht sich die Behandlung hin, werden die Dottores vor allem gegen Ende der Quartale für ihre Leistungen von den Kassen nicht weiter bezahlt. Für Hausärzte wurde dieses völlig unsinnige System bereits abgeschafft, für Fachärzte besteht es aus für mich nicht nachvollziehbaren Gründen weiterhin. Als weiterer Grund für die Ablehnung von Kassenpatienten wird häufig auch eine Überlastung der Praxis genannt…
… Allerdings habe ich den Verdacht, dass die Budgetierung und eine Überlastung der Praxen in nicht wenigen Fällen als Gründe lediglich vorgeschoben werden. Mit Privatpatienten und IGeL-Leistungen (sogenannte individuelle Gesundheitsleistungen, die von den Krankenkassen nicht übernommen werden) lässt sich halt weitaus müheloser weitaus mehr Kohle machen als mit den „armen Schluckern“ von gesetzlich Versicherten, die sich z. B. eine Stoßwellentherapie für ca. 500 Euro oder eine Eigenblutbehandlung für ca. 1.000 Euro nicht leisten können oder wollen. Wobei der Nutzen diverser IGeL-Leistungen laut Monitoring der Verbraucherzentralen in vielen Fällen unklar und zweifelhaft ist…
… Kassenpatienten sind also in immer mehr Arztpraxen nicht weiter willkommen. Kassenpatienten – das sind ca. neunzig Prozent der deutschen Arbeitnehmer:innen, das sind die Leute, die unser Land am Laufen halten! Das sind diejenigen, die morgens die Straßen reinigen, die unseren Müll wegbringen, die sich zu nachtschlafender Zeit an den Backofen stellen, damit die Damen und Herren Ärzte morgens frisch gebackene Semmeln auf dem Frühstückstisch haben! Das sind die Pflegekräfte, die den Angehörigen der Weißkittel die Hintern sauber wischen und sie umsorgen, wenn sie in ein Heim oder ins Krankenhaus müssen. Das sind die oftmals schlecht entlohnten Sprechstunden- und Arzthelfer:innen! Das sind die Friseusen, die den G’studierten die Haare schneiden, die Putzfrauen, welche die Praxisräume säubern, die Barristas, die den Damen und Herren Medizinern den frischen Kaffee zubereiten, die Kellner, diep sie in Restaurants umsorgen, die Postboten, die Fabrikarbeiter, die Kassiererinnen in den Supermärkten, uvm., und nicht zuletzt die Rentner:innen, die sich jahrzehntelang krumm und buckelig geschuftet haben! All diese Menschen tragen am wenigsten Schuld an der sogenannten Budgetierung der Fachärzte – und werden dennoch als Sündenböcke herabgewürdigt! Sind den feinen Damen und Herren Ärzte nicht mehr willkommen, nicht mehr gut, nicht mehr lukrativ genug!…
… Vor ein paar Tagen hieß es, dass die Gewalt in Arztpraxen Besorgnis erregend zunehmen würde. Ich billige das auf gar keinem Falle – aber nachvollziehen kann ich diese unschöne Entwicklung. Da ist durchaus ein gerüttelt Maß an Selbstverschulden seitens mancher „Halbgötter in Weiß“ vorhanden. Wenn man z. B. trotz akuter Beschwerden über Gebühr lange auf einen Facharzttermin warten musste, trotz dieses fest vereinbarten Termins als Kassenpatientin dann über eineinhalb Stunde im Wartezimmer schmort, weil eine Handvoll Privatpatienten vorgezogen werden. Wenn man eine dreiviertel Stunde trotz vorheriger telefonischer Absprache auf ein Rezept warten muss. Wenn man von einem Facharzt verbal attackiert und grundlos beschimpft, als Mensch zweiter Klasse behandelt wird, jede Diskussion oder gar Meinungsäußerung brüsk im Keim erstickt werden. Wenn man als Patient:in in einer Praxis mit unverhohlenem Rassismus konfrontiert wird. Wenn die Anamnese ausgesprochen schlampig und oberflächlich und die Behandlung ziemlich grob erfolgt, weil man „solche Patienten wie Sie in Zukunft nicht mehr behandeln möchte“. Oder gar eine OP ohne Einverständnis des Patienten mit Migrationshintergrund durchführt, weil man zu bequem oder zu ignorant ist, einen Dolmetscher hinzu zu ziehen. Dann ist das durchaus verständlich, dass manche Mitmenschen mit Aggressivität reagieren. Wobei es in den meisten Fällen die Sprechstunden- und Arzthelfer:innen trifft, jene, die am wenigsten dafür können…
… Alle Ärzt:innen müssen seit September 1948 das Genfer Gelöbnis ablegen, seit 2017 in einer aktualisierten Fassung. Wieviele frisch gebackene Mediziner:innen dieses Gelöbnis wirklich ernst meinen, und für wieviele es bald danach der Vergessenheit anheim fällt? Zumindest was die von mir hervorgehobenen Abschnitte anbelangt dürfte es in Deutschland tagtäglich eine erkleckliche Anzahl an Verstößen geben:…
…“Als Mitglied der ärztlichen Profession
gelobe ich feierlich, mein Leben in den Dienst der Menschlichkeit zu stellen.
Die Gesundheit und das Wohlergehen meiner Patientin oder meines Patienten werden mein oberstes Anliegen sein.
Ich werde die Autonomie und die Würde meiner Patientin oder meines Patienten respektieren.
Ich werde den höchsten Respekt vor menschlichem Leben wahren.
Ich werde nicht zulassen, dass Erwägungen von Alter, Krankheit oder Behinderung, Glaube, ethnischer Herkunft, Geschlecht, Staatsangehörigkeit, politischer Zugehörigkeit, Rasse, sexueller Orientierung, sozialer Stellung oder jeglicher anderer Faktoren zwischen meine Pflichten und meine Patientin oder meinen Patienten treten.
Ich werde die mir anvertrauten Geheimnisse auch über den Tod der Patientin oder des Patienten hinaus wahren.
Ich werde meinen Beruf nach bestem Wissen und Gewissen, mit Würde und im Einklang mit guter medizinischer Praxis ausüben.
Ich werde die Ehre und die edlen Traditionen des ärztlichen Berufes fördern.
Ich werde meinen Lehrerinnen und Lehrern, meinen Kolleginnen und Kollegen und meinen Schülerinnen und Schülern die ihnen gebührende Achtung und Dankbarkeit erweisen.
Ich werde mein medizinisches Wissen zum Wohle der Patientin oder des Patienten und zur Verbesserung der Gesundheitsversorgung teilen.
Ich werde auf meine eigene Gesundheit, mein Wohlergehen und meine Fähigkeiten achten, um eine Behandlung auf höchstem Niveau leisten zu können.
Ich werde, selbst unter Bedrohung, mein medizinisches Wissen nicht zur Verletzung von Menschenrechten und bürgerlichen Freiheiten anwenden.
Ich gelobe dies feierlich, aus freien Stücken und bei meiner Ehre.“…
Hier einige Artikel zum Blogpost:
https://www.mdr.de/ratgeber/gesundheit/igel-leistungen-krankenkasse-106.html
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… Habt eine gute und möglichst sorgenfreie neue Woche!…
