… in möglichst vielen Bundesländern so lange dafür demonstriert, dass das Bundesverwaltungsgericht nach Antrag sämtlicher Länderparlamente alle als rechtsextrem bekannten Parteien einem Überprüfungs- und danach Verbotsverfahren unterzieht. „PRÜF!“ ist eine Aktion des ehemaligen EU-Parlament-Abgeordneten und Kabarettist Nico Semsrott…
… Am Nachmittag fand die erste PRÜF!-Demo auf dem Geschwister-Scholl-Platz an der Münchner Uni statt, es sind meiner Schätzung nach ca. 2.000 Demonstrant:innen vor Ort gewesen, und wir haben uns geschworen, so lange nicht locker zu lassen, bis auch die bayrische Landesregierung dem Bundesverfassungsgericht einen solchen Antrag auf Überprüfung rechtsextremer Parteien zukommen lassen wird. Ich weiß, eher geht wohl ein Kamel durch’s berühmte Nadelöhr, zumal sich die Schwarzen selber gerne mal am rechten Rand und darüber hinaus bewegen – aber die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt. Und unsere Demokratie sollte es uns wert sein, Haltung zu zeigen und um sie zu kämpfen…
… Am Sonntag Abend war ich Teil einer Lichterkette gegen Rechts auf dem Münchner Odeonsplatz. Leider ist die Veranstaltung viel zu kurzfristig angesetzt worden, deswegen kamen nicht mehr als ca. 1.000 Mitmenschen. Ich hoffe, das wird am 8. Februar bei der großen antifaschistischen Kundgebung auf der Theresienwiese ganz anders aussehen, ich tippe da insgeheim auf wieder mindestens 100.000 Teilnehmer:innen – obwohl die Öffentlich-Rechtlichen in den Nachrichten dann wie gewohnt von „einigen Tausenden“ sprechen werden…
… Mittlerweile habe ich mir ein paar Gedanken durch den Kopf gehen lassen. Wir sollten vielleicht zuallererst das Verallgemeinern und Über-einen-Kamm-scheren sein lassen – da packe ich mich ganz fest an der eigenen Nase. Nicht alle „cd“U/“cs“U-ler und ihre Wählerschaften sind den Rechten wohlgesinnt, es gibt auch in dieser Partei durchaus anständige Menschen, nicht alle in Bayern wählen Schwarz – bei der letzten Landtagswahl war es grade mal etwas mehr als ein Drittel, nicht alle Hamburger:innen sind kühl, reserviert und versnobt, nicht alle Berliner:innen sind streitlustig, besserwisserisch und spottlustig – um einige Beispiele zu nennen. Ganz wichtig ist jetzt der Zusammenhalt in unserem Land, da hindern kindische Vorurteile. Und Mit-Antifaschist:innen in die braune Schmuddelecke schieben, nur weil sie sich, geschockt von den Ereignissen, unbeholfen ausgedrückt haben, schadet und spaltet – und genau das brauchen wir grade am allerwenigsten…
… @Grinsekatz hat neulich in seinen Kommentaren sehr gut argumentiert – und ich habe viel darüber nachgedacht. Er hat Recht, unser Grundgesetz ist wohl und stark und mit viel Bedacht und Weisheit formuliert und ausbalanciert, vor missbräuchlichen Veränderungen gut gesichert – es ist nach wie vor der größte Schutz unserer Demokratie, und wir können uns derzeit fest darauf verlassen. Das bekräftigen auch die im Dezember 2024 vom Bundestag beschlossenen Änderungen des Bundesverfassungsgerichts…
… Ich kann mir gut vorstellen, dass es nach der Wahl und den darauffolgenden Verhandlungen, die sich schon ein Weilchen hinziehen können, zu einer Neuauflage der GroKo kommen wird. Derzeit würde eine solche Konstellation für eine ziemlich stabile Mehrheit im Bundestag sorgen und die Blaunen außen vor halten. Die SPD wäre zwar nur „Juniorpartner“, doch leicht wird sie es Blackrock Freddy ganz sicher nicht machen, mit seinen im Eifer des Wahlkrampfs vollmundig angekündigten politischen Änderungen ungestüm und ungehindert voran zu preschen (vielleicht denken sich die Schwarzen aber auch trotz der heutigen endlos langen Standing Ovations bei der Eröffnung des Parteitags: „Nee, nee, der Fritze, der kann’s wirklich nicht!“ und zaubern auf die Schnelle einen neuen Kandidaten aus dem Hut – Wunschdenken, ich weiß 😉 )…
… An dieser GroKo wird es dann liegen, ob sie den Weg bereiten wird für ein neuerliches Vertrauen in die Demokratie und in die sogenannten „Altparteien“ – oder aber für einen blaunen Albtraum…
… Aber ich bin der Meinung, wir sollten allesamt erst mal gar nicht so weit in die Zukunft schauen, sondern nur auf das, was demnächst auf uns zukommen wird. Es gibt durchaus noch Hoffnung – zu dieser Erkenntnis bin ich mal wieder nach einer ziemlich schlaflosen Nacht gekommen…
… Danke an @Wupperpostille für dieses feine Schreibprojekt. Die drei Worte, die der heutigen Kurz-Kurz-Kurz-Geschichte zu finden sein müssen, lauten diesmal: Behutsam, Notar, Flüstern…
… Flüstern ertönte, als der hünenhafte, weißbeschopfte Notar Josef Bischoff den kostbar eingerichteten Salon betrat, in dem sich die Nachkommen des jüngst verstorbenen Großunternehmers Jakob Hindelang eingefunden hatten. Erwartungsvoll wandten sich die Gesichter der beiden Töchter und des Sohnes Hindelangs sowie deren Ehepartnern Bischoff zu, der behutsam das Testament aus seiner ledernene Aktenmappe zog.
Nur wenig später überzog geisterhafte Blässe die Antlitze der Erben. Hindelang hatte ihnen lediglich die Pflichtanteile vermacht und seinen Reichtum Organisationen hinterlassen, die sich dem Kampf gegen Rechtsradikalismus verschrieben hatten. „Ihr hättet auf mich hören und nicht in die AfD eintreten sollen.“, lautete der Schlusssatz des Testaments…
… als ihr gewahr wurde, welches braune Gesindel man hier in Bayern doch tatsächlich in den Landtag gewählt hat. Und zwar keineswegs aus Frust, oder um den „Altparteien“ einen Denkzettel zu verpassen, sondern voller Bedacht…
… Die AfD-Fraktion ist von 17 auf 32 Mitglieder angewachsen. Die Mehrheit der 18 Neuen ist jung und radikal. Ca. ein Drittel der Blaunen-Fraktion stehen dem radikalen Lager nah…
… Einige Beispiele: Benjamin N. hat in den vergangenen Jahren engen Schulterschluss mit der Querdenker-Szene gesucht. Er vertritt nicht nur bei Corona, sondern auch bezüglich Migrationspolitik eine radikale Meinung. Er war bei der Burschenschaft Danubia aktiv, die vom bayrischen Verfassungsschutz beobachtet und als rechtsextrem eingestuft wird…
… Auch der 22-jährige Daniel H. ist Burschenschaftler. Gegen ihn laufen derzeit Ermittlungen der Staatsanwalt wegen Volksverhetzung und des möglichen Verwendens von Kennzeichen verfassungsfeindlicher Organisationen…
… Andreas J. arbeitete eng mit den Anhängern des völkischen Flügel-Netzwerks der Blaunen zusammen. Anlässlich eines mutmaßlichen Angriffs auf ihn durch angebliche illegale Migranten war er vor einigen Monaten im Gespräch. Was diesen Angriff anbelangt – da gibt es weiterhin viele ungeklärte Fragen. Ist meiner Meinung nach genauso eine Schwurbelgeschichte wie neulich das „Spritzen-Attentat“ auf Chrupalla…
… Rene D. ist gleich Benjamin N. ein strammrechter Flügelanhänger. Ihm wird zur Last gelegt, auf Facebook anstößige und menschenverachtende Einträge veröffentlicht zu haben. Dazu gehörte eine Abbildung Frau Merkels, die an einem Galgen hängt, daneben sind die Worte „Wir schaffen das“ zu lesen. Natürlich streitet D. die Urheberschaft seiner FB-Posts ab…
… Franz S., Mitglied der AfD-Nachwuchsorganisation „Junge Alternative“ und Kinderpfleger werden enge Kontakte zur vom Verfassungsschutz beobachteten Identitären Bewegung nachgesagt…
… Die Russlanddeutsche Elena R. ist eine glühende Verschwörungstheoretikerin. Die Ukraine selbst würde z. B. hinter den Raketenangriffen auf Wohnhäuser in Kiew stecken, schwurbelte sie dem BR im Mai vor. Bereits 2017 geriet sie durch die Veröffentlichung eines Konterfeis des GröFaZ mit der Bemerkung „Vermisst seit 1945 – Adolf bitte melde dich!…“ in die Schlagzeilen…
… Ramona S., ehemalige Krankenschwester, ist eine der vehementesten Corona- und Impfgegnerinnen. Sie bekundet zudem gerne in Interviews, dass CO2 kein Treibhausgas sei, und dass sie nicht an den menschengemachten Klimawandel glauben würde…
… Noch sind die AfD-Vertreter der zukünftigen Landtagsfraktion nicht zusammengekommen. Aber es ist damit zu rechnen, dass eine Mehrheit der Blaunen im Bayrischen Landtag dem völkisch-nationalen Lager zugerechnet werden kann…
… Die Blaunen stellen nun im Landtag die größte Oppositionsfraktion. Das bedeutet, dass ihnen gewisse Privilegien gewährt werden müssen. Bezüglich des Rederechts: Die AfD darf in Zukunft als erste auf Erklärungen der neuen Regierungskoalition antworten. Es stehen den Blaunen nun auch längere Redezeiten zu. Zudem haben sie Ansprüche auf mehr Vorsitze in diversen Ausschüssen. Wobei da die Kandidat:innen nach wie vor von den Ausschussmitgliedern gewählt und bestätigt werden müssen – ein kleiner Trost…
… In früheren Zeiten hätte man solch ein Gesindel, wie es nun in Zukunft für die nächsten fünf Jahre im Bayrischen Landtag zu finden sein wird, vermutlich nicht einmal zur Wahl zugelassen. – Was das für die Zukunft unseres Landes bedeuten könnte – mir wird das Herz schwer und der Magen sehr flau, wenn ich daran denke. Wie schon in meinem letzten Montagsmotz angekündigt – aufgeben werde ich dennoch nicht, und weiterhin gegen die braune Pest anschreiben, anreden, auf die Straße gehen. Und mit Geduld, Verständnis, Freundlichkeit und guten Manieren in meinem näheren Umfeld zugange sein. Versuchen, ein gutes Beispiel zu geben, und dadurch vielleicht die eine oder andere Person zum Umdenken anzuregen. Und ich habe schon mal vorsichtshalber nachgesehen, wo meine leeren Koffer stehen und überlegt, was ich, sollte ich auswandern, mitnehmen würde…
… Unter diesem Motto begannen die beiden Hauptinitiatoren der Münchner Integrations-Initiative Bellevue di Monaco ca. zehn Tage vor der Landtagswahl am 08. Oktober, eine Kundgebung zu organisieren. Als Veranstaltungsort war ursprünglich der Max-Josephs-Platz vor der Staatsoper gedacht, doch als der Zuspruch der angeschriebenen Akteure und der Interessierten in den sozialen Netzwerken immer stärker wurde, wich man auf den Odeonsplatz aus. Die Organisatoren Till Hofmann und Angela Bauer, beide Vorstandsvorsitzende von Bellevue di Monaco, rechneten mit ca. 4.000 Demonstrant:innen – gekommen sind am 04. Oktober mehr als 35.000!…
… Was als Protestaktion gegen Rechts geplant und gedacht gewesen war, entwickelte sich im Laufe des Abends zu einem wunderbaren Fest der Demokratie. Namhafte Bands traten auf, prominente Kabarettist:innen, kurze, aber bewegende Reden wurden gehalten, die Blaunen, aber auch der Söder von der „cs“U sowie Hubsi Oiwonger bekamen von Künstler:innen wie Michael Mittermaier, Max Uthoff, Claus von Wagner und Luise Kinseher ordentlich ihr Fett weg. Und immer wieder wurde aufgerufen, ermutigt, zur Wahl zu gehen, unsere Demokratie zu erhalten, sich abzuwenden von faschistischen, populistischen, undemokratischen Umtrieben…
… Ich bin schon auf verdammt vielen Demos und Kundgebungen gewesen – „Zammreissen, Bayern!“ ist die schönste und bewegendste gewesen, die ich bislang erleben durfte. Friedvoll ging es am Odeonsplatz zu, trotz der riesigen Menschenmasse, die sehr hilfsbereite und freundliche Polizei musste kein einziges Mal einschreiten…
… Natürlich hatte ich die Knipse dabei, und mich auch beizeiten eingefunden, so dass ich einen gar feinen Platz ganz vorne an der Bühne ergattern konnte. Und natürlich will ich euch einige bebilderte Eindrücke nicht vorenthalten… 🙂
… Angela Bauer und Till Hofmann von der Integrations-Initiative Bellevue di Monaco, die Organisatoren der Kundgebung…
… Frau Professor Ursula Münch, Politikwissenschaftlerin und Leiterin der Evangelischen Akademie Tutzing…
… Ulli Hoeneß, Steuerhinterzieher im großen Stil und Ex-Bayernboss. Ganz schee oid isa wordn, da Würstlfabrikant…
… Charlotte Knobloch, Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern. Sie warnte eindringlich vor einem weiteren Erstarken der AfD: „Wenn nach Umfragen jeder siebte bayerische Wähler am Sonntag für eine rechtsextreme Partei stimmen will, dann ist das kein bloßer Ausrutscher mehr im politischen Betrieb. Allen muss klar sein: Was heute ins Rutschen kommt, kann morgen schon unsere Demokratie unter sich begraben.“ …
… Dieter Reiter, Münchens Oberbürgermeister. Er war als Teilnehmer der Kundgebung präsent. Die Organisatoren hatten im Vorfeld großen Wert darauf gelegt, dass es keine Redner:innen irgendwelcher politischer Parteien geben dürfe…
… Die Band Dreiviertelblut intonierte einen ihrer großen Hits „Deifedanz“ (Teufelstanz), dessen Text durchaus auch als Warnung davor verstanden werden kann, sich mit dem blaunen Gesindel einzulassen – „Wannst mim Deife tanzt, dann brauchst guate Schuah…“…
… Basketball-Weltmeister Isaac Izzy Bonga, der als Redner das Miteinander, den Zusammenhalt, die Rücksichtnahme aufeinander beschwor…
… Auch nur als Gast anwesend: Katharina „Katta“ Schulze, nebst Florian Hartmann Fraktionsvorsitzende der Bayrischen Grünen…
… Luise Kinseher, Kabarettistin und lange Jahre Fastenpredigerin beim Starkbieranstich auf dem Nockherberg. Sie wünschte sich ein neues bayrisches Wappentier, und zwar die Kuh. Denn der Löwe würde entweder nur faul herum liegen, furchtbar laut brüllen und brutal alles reißen und fressen, was ihm vor die Nase kommt. Die Kuh hindessen würde keiner Seele etwas zuleide tun, sie würde sich vegan ernähren, und vor allem gelassen und geduldig wiederkäuen. Und sie ist eine Frau. Zudem würde sich so ein tiefes, gelassenes „Muuuuuh!“ viel schöner anhören als das Brüllen eines Löwen…
… Die legendäre Spider Murphy Gang. Der mittlerweile 77-jährige Band-Leader Günther Sigl spielte in einer kurzen Rede nach dem Auftritt auf Hubsi Oiwongers umstrittene Rede im Juni in Erding an: „Wenn’s jetzt hoaßt, man solle sich die Demokratie zurückholen – ja, leck mich doch am Arsch! Ich hab meine Demokratie – und die wollen sie uns wieder wegnehmen!“ Er sei vor kurzem wieder Opa geworden, und er wünsche seinen Enkeln so sehr ein Bayern ohne braunen Dreck…
… Michael Mittermaier erzählte davon, wie er an einem der letzten Wiesntage von einem Pöbler angegangen wurde, als er dessen fremdenfeindlichen Äußerungen nicht zustimmte…
… Claus von Wagner und Max Uthoff. Claus von Wagner zeigte sich erschüttert darüber, dass in diesen Tagen bei manchen wohl schon der kleinste Anlass ausreichen würde, um sich den Blaunen zuzuwenden. Max Uthoff warnte vor einer beunruhigenden Veränderung bei den Öffentlich Rechtlichen Fernseh- und Rundfunkanstalten hinsichtlich Diversität, politischer Ausgeglichenheit und Objektivität. Ganz ehrlich – das ist mir grad in letzter Zeit, während des Wahlkampfes hier, beim Bayrischen Rundfunk auch schon aufgefallen…
… Die Well-Brüder intonierten ein ganz neues Evangelium nach Markus, wobei sie unseren „Landesvater“ und seinen Stellvertreter vortrefflich auf die Schippe nahmen…
…Heinrich Bedford-Strohm, ehemaliger Ratsvorsitzender der Evangelischen Kirche Deutschland, warnte eindringlich davor, sich von den Rechtsextremen zum Hass verleiten zu lassen. Und er wusch den Politiker:innen, auch den „Christlich Sozialen“, ganz ordentlich den Kopf. Was bezüglich Flüchtlingspolitik zur Zeit an Gerede im Umlauf sei, hätte nichts, aber auch gar nichts mit der christlichen Lehre Jesu zu tun. Vor allem der Satz „Was ihr dem geringsten meiner Brüder getan habt, das habt ihr mir getan.“ scheint mittlerweile in Vergessenheit geraten zu sein…
… La Brass Banda, der absolute musikalische Höhepunkt des Abends. Die jungen Burschen, die wie üblich barfuß und in Lederhosen auf die Bühne kamen, ließen sich von einem Stromausfall zu Beginn ihres Auftritts keineswegs beunruhigen und spielten einfach drauf los. Die ausgelassen tanzende und mitsingende Menge dankte es ihnen mit tosendem Applaus…
… Einer von so vielen Gänsehautmomenten des Abends…
… Kleiner Tipp an jene Zeitgenoss:innen, die uns Bayern am liebsten unter einer riesigen Glaskuppel vom Rest der Welt abschotten wollen: Ehrlich gesagt, das ist eine saublöde Idee, es gibt nämlich verdammt viel gute, coole, kluge und aufrechte Leut‘ hier… 😉
… Habt noch einen guten Tag! Ich werde heute nicht mehr viel tun, außer mich von den gestrigen Strapazen – fast vier Stunden Stehen auf dem Odeonsplatz – gebührend erholen… 😉
Es ist schon ein paar Jahre her, ich war damals erst seit kurzem für den Eichborn Verlag tätig und begleitete den norwegischen Autor Simon Stranger auf einer Lesereise. Im Gepäck hatte er seinen gerade auf Deutsch erschienenen Roman „Vergesst unsere Namen nicht“. Es gibt einen Satz in diesem Buch, der sich mir besonders eingeprägt hat und über den ich hier schreiben möchte. Denn er fühlt sich auf eine bedrohliche Art hochaktuell an.
Der norwegische Originaltitel des Romans lautet »Leksikon om lys og mørke«, frei übersetzt: Lexikon des Lichts und der Finsternis. Simon Stranger erzählt darin die Geschichte der jüdischen Familie seiner Frau im von Nazi-Deutschland besetzten Norwegen. Jedes Kapitel beginnt wie in einem Lexikon mit einem Buchstaben und den passenden Worten, die sich daraus ergeben – von A wie Anklage bis Z wie Zugvögel. Für den Übersetzer Thorsten Alms war dies eine echte Herausforderung, die er souverän gelöst hat. Und beim Kapitel zum Buchstaben F steht er, der Satz, den ich nicht vergessen kann:
»F wie früher, die Vergangenheit, die es immer noch gibt, und wie der Faschismus, der sich hineinfrisst, wie ein Furunkel in die Kultur.«
Denn genau das erleben wir gerade. Ein eitriges Furunkel ist dabei, sich tief hinein in die Gesellschaft zu fressen, sie auszuhöhlen, die moralische Richtschnur zu verschieben. Wir leben in Zeiten einer globalen Krise, die unsere Welt verändern wird – ob wir es wollen oder nicht. In diesen Jahren der Verunsicherung bieten rechte Parteien und rechtspopulistische Akteure einfache Antworten, die den komplexen Problemen in keinster Weise gerecht werden. Aber vielen Menschen vorgaukeln, dass es wieder so werden könnte, wie es eigentlich niemals war. Und niemals sein kann…
… Heute vor 78 Jahren wurde das KZ Auschwitz befreit…
Sage Nein!
Wenn sie jetzt ganz unverhohlen
Wieder Nazi-Lieder johlen
Über Juden Witze machen
Über Menschenrechte lachen
Wenn sie dann in lauten Tönen
Saufend ihrer Dummheit frönen
Denn am Deutschen hinterm Tresen
Muss nun mal die Welt genesen
Dann steh auf und misch dich ein:
Sage nein!
Meistens rückt dann ein Herr Wichtig
Die Geschichte wieder richtig
Faselt von der Auschwitzlüge
Leider kennt man′s zur Genüge –
Mach dich stark und misch dich ein
Zeig es diesem dummen Schwein:
Sage nein!
Ob als Penner oder Sänger
Banker oder Müßiggänger
Ob als Priester oder Lehrer
Hausfrau oder Straßenkehrer
Ob du sechs bist oder hundert
Sei nicht nur erschreckt, verwundert
Tobe, zürne, misch dich ein:
Sage nein!
Und wenn jetzt die Neunmalklugen
Ihre Einsamkeit benutzen
Unsren Aufschrei zu verhöhen
Öffentlich zurechtzustutzen
Wolln wir statt mit Eitelkeiten und Zynismus abzulenken
Endlich mal zusammenstehn
Endlich mit dem Herzen denken
Lasst uns doch zusammenschrein:
Sage nein!
Und wenn sie in deiner Schule
Plötzlich lästern über Schwule
Schwarze Kinder spüren lassen
Wie sie andre Rassen hassen
Lehrer, anstatt auszusterben
Deutschland wieder braun verfärben
Hab dann keine Angst zu schrein:
Sage nein!
… der mit etlichen Hollywood-Größen vor der Kamera gestanden hatte, sowie Weltenbummler und Autor, sondern auch ein unermüdlicher Mahner gegen Nazi-Gedankengut, NS-Ideologien und Rechtsextremismus. Am 19. Januar ist Hardy Krüger im gesegneten Alter von 93 Jahren verstorben…
… Seine Eltern waren begeisterte Anhänger des Nationalsozialismus. „Auf dem Klavier stand eine Hitlerbüste.“, erinnerte sich der weltbekannte Mime. Er wurde auf die NS-Eliteschule Ordensburg bei Sonthofen geschickt. Rein äußerlich entsprach Hardy Krüger mit seinen blonden Haaren und den blauen Augen dem „germanischen Rasse-Ideal“, so nimmt es nicht weiter Wunder, dass ihn der Regisseur A. Weidenmann für den Propagandafilm „Junge Adler“ entdeckte. J. Goebbels war begeistert von dem sechzehnjährigen „Helden“, der damals noch ein leidenschaftlicher Jung-Nazi war…
… Erst eine Begegnung mit dem Ufa-Star Hans Söhnker öffnete ihm die Augen. In aller Deutlichkeit und unter Lebensgefahr hatte ihm der Schauspieler klar gemacht, dass Hitler und seine Schergen Verbrecher waren. Ab da lebte Krüger in ständiger Angst, sich in der Ordensburg zu verraten…
… Den Zweiten Weltkrieg überlebte er nur, weil ein Offizier der SS-Waffendivision „Nibelungen“ ihn nicht hinrichten ließ, obwohl er sich geweigert hatte, auf einen Spähtrupp der US-Army zu schießen. Bis zu seinem Tode versagte ihm bei der Schilderung dieses traumatisierenden Erlebnisses die Stimme. Zum „Meldegänger“ degradiert nutzte Hardy Krüger die erstbeste Gelegenheit, um zu desertieren…
… Von da an wurde er zum „wilden Anti-Nazi“ und engagierte sich bis kurz vor seinem Tod gegen Rechtsextremismus, NS-Ideologien und Faschismus. Er hielt Vorträge in Schulen, unterstützte soziale Projekte, warb für mehr Toleranz, war ein unermüdlicher Mahner und Aufklärer…
… Sein irdisches Leben hat Hardy Krüger am Mittwoch ausgehaucht. Seine schauspielerischen Leistungen und auch seine Stimme gegen Nazitum werden uns für immer im Gedächtnis bleiben…