… Nachdem wir feststellen mussten, dass das von uns voller Sehnsucht angepeilte Café ohne Angabe von Gründen geschlossen hatte, schleppten wir uns weiter, bis wir im Ortskern in eine sehr gediegene Lokalität gerieten, sehr freundlich und zuvorkommend bedient wurden, und endlich unsere Gelüste stillen und uns stärken konnten. Danach machten wir uns auf den Rest des Wegs zurück zum Auto, das S. am See in der Nähe einer kleinen Fabrik geparkt hatte. Als wir endlich den fahrbaren Untersatz erreicht hatten, inzwischen war es früher Abend geworden, fielen wir uns erleichtert und stolz in die Arme. Donnerwetter, was waren wir trotz unserer Blessuren noch gut drauf! Wir hatten es geschafft!…
… Mein Lieblingsbauernhaus. Das habe ich schon seit langem immer wieder quasi aus der Ferne bewundert, wenn ich mit S. in der Kocheler Gegend unterwegs gewesen bin…
… Der berühmte Schmied von Kochel. Er soll als kraftstrotzender und riesiger Siebzigjähriger einer der Anführer des Bauernaufstands im Spanischen Erbfolgekrieg gewesen sein, der in der furchtbaren Sendlinger Mordweihnacht (1705) gipfelte. Mittlerweile gilt es aber als ziemlich sicher, dass es sich bei diesem Volkshelden um eine Sagengestalt handelt, die erfunden wurde, um die Niederlage der bayerischen Bauern erträglicher zu machen…
… Der Weg von Kochel zurück zum Auto führte uns eine sanfte Anhöhe hinauf. Von dort hatten wir noch einmal einen sehr schönen Ausblick auf den See…
… Geschafft! Hurra! Das Ende unserer wagemutigen Bergtour ist erreicht…
… befindet sich schon seit vielen Jahren im Wildtierpark Poing. Noch als junger Greifvogel verlor er sein Augenlicht. Dank großer Fortschritte in der Tiermedizin konnte inzwischen sein Sehvermögen durch mehrere Operationen und langwierige Behandlungen zu ca. 50 % wieder hergestellt werden. Wenn Willi gut drauf ist, dann lässt er sich während der Raubvogel-Show vom Falkner aus dem Gehege locken, es kann dann aber durchaus sein, dass er keinen Bock aufs Fliegen hat, und lieber ein Weilchen zu Fuß in der kleinen Arena herum spaziert. Dass Geier sehr geübte Wanderer sind, habe ich vor einigen Jahren ja bereits geschildert…
… Willi erwies einem zahlreichen Publikum und mir am Samstag Nachmittag die Ehre, er geruhte ein wenig herum zu fliegen. Als er sich nach einer kleinen Runde wieder auf dem Podest niederlassen wollte, verlor er das Gleichgewicht und plumpste zu Boden – er hat natürlich nach wie vor Schwierigkeiten, Entfernungen richtig einzuschätzen. Vermutlich hatte er sich dabei erschrocken, er wirbelte herum und griff mit gespreizten Klauen einen der beiden Falkner an. Die angespannte Situation wendete sich aber dank des jungen Mannes, der die Ruhe bewahrte, ganz sanft auf Willi einredete und ihm einige Leckerbissen verabreichte, rasch wieder zum Guten. Allerdings zog der Geier es danach vor, sich wieder zurück in die Ruhe seines Gehege zu begeben…
… Als der Hopp-on-Hopp-off-Touri-Bus am ersten Tag meiner Veronareise mit mir auf dem offenen Oberdeck nahe der romanischen Kirche St. Zeno um eine Ecke bog und gemächlich eine Uferpromenade an der Etsch entlang tuckerte, staunte ich nicht schlecht. Ich hatte ja nicht die geringste Ahnung gehabt, dass es in Verona eine so riesengroße Burg gibt! Ich konnte den nächstgelegenen Halt kaum erwarten, und wäre beim Aussteigen ums Haar auf der sehr schmalen und steilen Treppe ins Foyer des Busses ins Stolpern geraten vor lauter Ungeduld. Ich bändigte meine vor Schreck leicht zitternden Knie und strebte wissensdurstig den altehrwürdigen Mauern entgegen…
… Die imposante Festung wurde in den Jahren 1354 bis 1356 im Auftrag des Skaligerfürsten Cangrande II. della Scala erbaut worden, der sich nach einer Revolte seines Halbbruders Fregnano im Inneren Veronas nicht mehr sicher fühlte. Wichtiger Bestandteil der Burg war eine Brücke, die als Fluchtweg in den Norden gedacht gewesen war. Nach dem Sturz der Scaliger (ein mittelalterliches, veronesisches Herrschergeschlecht) führte das wuchtige Gemäuer ein sehr wechselhaftes Dasein: Die Venezianer nutzten es als Festung und Lagerhaus, den französischen und österreichischen Besatzern diente es als Kaserne. Im Jahr 1923 trat der italienische Staat das Nutzungsrecht an die Stadt Verona ab, anschließend erfolgten massive Umbauten, um die Burg als Museum nutzen zu können. Bei der Neugestaltung orientierte man sich an Palazzi der Renaissance. Die Brücke – Ponte Scaligero – wurde im Jahr 1945 von den Nazis gesprengt, in den Fünfzigern des letzten Jahrhunderts allerdings originalgetreu restauriert…
… In den zahlreichen, teilweise ineinander verschachtelten Räumen des Museumstraktes wird hauptsächlich Veroneser Malerei von der Gotik bis ins 17. Jahrhundert gezeigt. Man könnte mit Schauen und Staunen ganz leicht einen ganzen Tag dort zubringen…
… Ich war allerdings weniger an den Kunstwerken interessiert als an der Burg als solches. Und da kam ich voll auf meine Kosten! Der lange Rundweg über diverse Wehrgänge und Burgmauern bis hoch hinauf in den sogenannten Uhrenturm ist schon eine ganz ordentliche Schinderei gewesen, dank stabiler Geländer und meistens nicht allzu hohen Stufen waren meiner Neugierde aber zum Glück keine Grenzen gesetzt…
Original-Wandbemalung eines Innenraumes
Blick vom Wehrturm nach Südosten
Blick auf die romanische Kirche St. Zeno
… Ein sehr beeindruckendes Kunstwerk ist das Reiterstandbild des Cangrande (Francesco) della Scala, der „lächelnde Ritter“. Ursprünglich stand diese Statue auf dem Areal der Skaligergräber, nachdem ein Blitzschlag sie zu Boden geschleudert hatte, wurde sie ins Castelvecchio verlegt. Berühmt wurde das trotz seiner ruhenden Pose sehr dynamisch wirkende Standbild wegen des spöttischen Lächelns des Ritters. Dieses gilt als Selbstbehauptung gegen die seinerzeit daseinsfeindliche Lehrmeinung des Klerus, der sich das Bild von Tod und Verwesung als Abschreckung gegen die Versuchungen und Genüsse des Lebens zu eigen gemacht hatte…
… Ganz niedlich finde ich ja den kleinen Drachen, der sozusagen als Kopfschmuck zwischen den Ohren des Streitrosses sitzt:…
… Sie liegt südlich der wunderschönen Altstadt, und umschließt halbmondförmig eine kleine Grünanlage mit einem Denkmal des ersten italienischen Königs Vittorio Emanuele und einem aus München (eine der Partnerstädte Veronas) stammenden Brunnen, sowie das wuchtige Rund der beinahe zweitausend Jahre alten Arena. Der Name „Brà“ ist übrigens eine Verbalhornung des deutschen Wortes „Breit“. Von der Stazione Porta Nuova her kommend gelangt man durch den Torbogen Portoni del Brà auf den Platz. Zur Rechten befinden sich das Rathaus – Palazzo Municipale, auch Palazzo Barbieri genannt, der Palazzo Gran Guardia, und das archäologische Museo Lapidario Maffeiano…
… Die breite Promenade ist mit rosafarbenem Marmor aus dem Valpolicella gepflastert, ein Zeichen des Reichtums der Stadt. Ungezählte Tischlein etlicher Restaurants locken unter breiten Sonnensegeln, doch Platz zu nehmen und ein bisschen zu verweilen. Was ich einige Male auch sehr gerne getan habe. Im Verhältnis zu Venedig sind die Preise für Speis und Trank entlang der Veroneser „Flaniermeile“ recht moderat. Und wenn man sich im Bar-Bereich der eleganten Lokalität „Vittorio Emanuele II.“ niederlässt, dann bekommt man zu dem bestellten Drink, einen süffigen Sprizz für sechs Euro zum Beispiel, gratis einen Teller mit feinen Köstlichkeiten serviert: Chips, Oliven, kleine, pikant gefüllte Windbeutelchen, winzige, würzige Bruschetti. Das ersetzt zwar keine Mahlzeit, füllt das Bäuchlein aber doch recht angenehm und stärkt für weitere Unternehmungen…
Portoni del Brà
Palazzo Gran Guardia
An der Promenade
Vittorio Emanuelle II.
… Während ich am frühen Nachmittag auf den Bus zum zweiten Teil der gebuchten Hopp-on-Hopp-off-Rundfahrt wartete, intonierte eine Schar Sänger/innen auf den Stufen des Rathauses den Gefangenenchor aus „Nabucco“. Ooooooh, was war das schön! Da wurde mir das Herz ganz weit, und es kullerte auch die eine oder andere Träne…
… Ohne Zweifel beherrscht die römische Arena mit all ihrer beinahe zweitausend Jahre alten Wucht und Baukunst die Piazza Brà. Auch in ihrem Schatten tummeln sich so wie vor dem Kolosseum in Rom als Legionäre Verkleidete, um sich gegen einen kleinen Obolus mit Touris fotografieren zu lassen. Ein guter Freund aus Italien hat mir einmal erzählt, dass es sich bei diesen Menschen in der Regel um Arbeitslose handeln würde, die dadurch ihre magere Unterstützung aufbessern würden. Vor einigen Jahren hatte der berüchtigte Bunga-Bunga-Präsident Berlusconi einmal allen Ernstes ins Auge gefasst, jenen Leuten diese Art des Geldverdienens zu untersagen. Ich bin froh, dass er damit nicht durchgekommen ist…
… Die Stadtpolizei von Verona fährt übrigens mit Elektro-Autos. Die Autobusse werden schadstoffarm mit Erdgas betrieben, die meisten Taxis sind sogenannte Hybridfahrzeuge. Die Luft in der Stadt ist deshalb ausgesprochen sauber, und zur Zeit sogar sehr wohlriechend, es blüht der Jasmin, der an allen Ecken und Enden gar üppig wuchert. Auf den Straßen befindet sich keinerlei Abfall, Mülleimer werden untertags mehrmals geleert. Und die Autofahrer/innen von Verona verdienen mein uneingeschränktes Lob, sie sind überaus geduldig, verständnisvoll und höflich…
… Fast unmittelbar nach meiner Rückkehr von Padua Ende Februar fackelte ich nicht lange und buchte einen Mehrtagestrip nach Verona. Kurz bevor am 27. Februar der EC von Venedig nach München in die Stazione Porta Nuova eingefahren war, wummerte er über eine Brücke. Eine ganz kleine aber sehr intensive Weile lang hatte ich einen gar wundervollen Blick auf die Stadt Romeos und Julias – und da ist es um mich geschehen gewesen…
… Im Nachhinein bekam ich Zweifel – konnte ich mir eine weitere Reise nach Bella Italia überhaupt leisten? Irgendwie bin ich im Frühling bei unseren Disponenten während langer Wochen in Ungnade gefallen – obwohl ich mir den Grund überhaupt nicht erklären konnte – man knauserte sehr mit den Stunden, mit denen man mich bedachte. Unter diesen Umständen schien es ratsamer, meine paar Kröten zusammen zu halten, anstatt wieder einmal auf Tour zu gehen. Ich war mehrmals kurz davor, Hotel und Zugfahrt zu stornieren, ließ aber doch stets davon ab…
… Dann erfuhr ich vor genau zwei Wochen meine erschütternde Diagnose. Anstatt mich krank schreiben zu lassen stürzte ich mich förmlich in die Arbeit, buckelte zehn Tage mit nur einem einzigen freien Tag dazwischen durch, und wurde zudem von den Kastellanen auf anspruchsvolle und anstrengende Positionen gesetzt. Mit der Zeit freute ich mich erneut sehr auf Verona, dort würde ich auf andere Gedanken kommen. Und wer weiß, vielleicht würde dies ja meine letzte halbwegs unbeschwerte Reise sein…
… Ich liebe es zu fliegen, fahre aber auch leidenschaftlich gerne mit dem Zug. Vor allem, wenn die Strecke quer durch die Alpen führt. Die ständig wechselnden Panoramen beiderseits des Schienenstrangs, die Bergmassive, Wälder, Burgen, Dörfer, Weingüter, Kirchen machen diese Reise immer zu etwas ganz Besonderem…
… Der Wendelstein grüßt an der Grenze zu Österreich…
… Ein Hingucker für Dampflok- und Schmalspurbahnfreunde: Das historische Bähnlein von Jenbach/Tirol…
… Alpenquerung…
Die Europabrücke bei Innsbruck
In luftiger Höhe: Die Brennerautobahn
… An der Stazione Porta Nuova in Verona gönnte ich mir ein Taxi zu dem kleinen Hotel, in dem ich ein Zimmer gebucht hatte. Und das erwies sich als weise, denn die Unterkunft liegt in einem recht unschönen Industriegebiet etliche Kilometer südlich von Verona inmitten von aufgegebenen halbfertigen Industriebauten, Autowerkstätten, und aller Art Fertigungsbetrieben. Das nächst gelegene Restaurant ist in einem Einkaufszentrum, dort befindet sich auch die Bushaltestelle Richtung Innenstadt – und beides ist ungefähr eine halbe Stunde Fußmarsch entfernt. Auch die Aussicht ist alles andere als berauschend – aber der Service ist freundlich, das Zimmer recht groß, sauber und hell, und das Bett wunderbar breit und nicht allzu hart. Jetzt werde ich bei einem Glaserl feinem Roten aus dem Veneto noch ein Weilchen entspannen, und dann Kraft und Ruhe für den morgigen Tag schöpfen – ich habe ein Ticket für den Hop-on-hop-off-Touri-Bus, und freue mich schon sehr auf das, was ich zu sehen bekommen werde… 🙂
… am Samstag nach dem 24. April, dem Namenstag des Heiligen Georg, die Zusammenkunft des Wittelsbacher Hausritterordens vom Heiligen Georg begangen. Ich habe bereits hier und hier darüber berichtet…
… Als ich im letzten Jahr als Wachpersonal anwesend sein durfte, als die mehr als drei Dutzend hochkarätigen Adelsleut aus ganz Europa elegant befrackt eintrafen, und sich die himmelblauen Samtumhänge sowie die schweren Ordensketten umhängten, und mir der Großmeister, Seine Königliche Hoheit Herzog Franz von Bayern mit einem freundlichen Gruß und Lächeln die Hand schüttelte, war ich fest davon überzeugt, dass dieses schöne Erlebnis nicht zu toppen sei…
… Ich wurde allerdings gestern eines Besseren belehrt. Mir wurde das ganz große Privileg zuteil, als eine von nur einer Handvoll Außenstehenden von der Empore der Hofkapelle aus die Initiation dreier Anwärter zu St.-Georgs-Rittern durch den Großmeister, sowie die Rangerhöhungen einiger Mitglieder, und den sehr feierlichen, von Weihbischof Rupert Graf von Stolberg gehaltenen, Gottesdienst mitverfolgen zu dürfen…
… Der Ritterschlag wird mittlerweile nicht mehr mit dem schweren, juwelenbesetzten Ordensschwert durchgeführt, das für den Herzog Christoph von Bayern um 1480 geschmiedet worden ist. Der Großmeister berührte jeden der drei nacheinander vor ihm knieenden jungen Männer leicht an der Schulter, und sprach eine lateinische Formel, dann wurden die neuernannten Ritter in die wunderschönen blauen Umhänge gekleidet…
… Besonders bewegt hat mich das Gebet der St.-Georgs-Ritter am Schluss der Messe, ihre Bitte um die nötige Kraft, ihre Pflichten gewissenhaft zu erfüllen, Armut und Schmerzen zu lindern, sowie um die Reinheit des Herzens, Demut und Liebe. Und das Lied, das sie danach anstimmten, ich nehme an, dass es sich dabei um die Hymne des Ordens handelte…
… Natürlich herrschte während der Zeremonie Fotografierverbot, und ich habe mich eisern daran gehalten. Dass ich dabei zusehen durfte, werte ich als einen sehr großen Vertrauensbeweis seitens des Chefkastellans, und ich wollte ihn auf gar keinem Fall enttäuschen…
… Doch nach dem Gottesdienst machte ich ein paar Bilder vom Schild des Großmeisters und der Ordens-Bibel…
… Der Thronsessel des Großmeisters…
… Sein Schild…
… Die Ordens-Bibel…
… Die festlich geschmückte Hofkapelle in der Münchner Residenz unmittelbar vor der Zeremonie und dem Gottesdienst…
… treffen sich zum Golfspielen. Es dauert nicht lange, und sie beginnen mit ihren besonderen Künsten zu prahlen…
… Der erste: „Ich habe vor ein paar Jahren einen jungen Pianisten operiert, der sieben Finger verloren hatte! Inzwischen füllt er mit seinem Spiel die größte Konzertsäle, und gibt demnächst sogar ein Privatkonzert für die Queen von England.“…
… Der zweite: „Ach, das ist gar nichts! Einem meiner Patienten wurden bei einem schweren Unfall beide Arme und beide Beine abgetrennt. Zwei Jahre, nachdem ich ihn operiert hatte, gewann er bei den Olympischen Spielen eine Goldmedaille.“…
… Der dritte: „Ihr seid doch nur Amateure! Ich bekam mal mit, wie ein sturzbesoffener und zugekiffter Cowboy hoch zu Roß frontal mit einer riesigen Güterlok zusammen prallte. Das einzige, was unversehrt blieb, waren der Arsch des Mannes und die blonde Mähne des Gauls. Ich operierte – und heute ist das der 45. Präsident der Vereinigten Staaten.“…
… Natürlich hatte ich mich auf diesen Ausflug vorbereitet! Ich hatte mir das Örtchen Battaglia Terme via G.oogle Ea.rth zuvor angesehen. Es schien alles so leicht zu sein – mit dem Regionalzug hinfahren, aussteigen, ein wenig herum spazieren, die schöne Villa Selvatico Sartori von allen Seiten vielfach fotografieren, vielleicht sogar die herrliche Barocktreppe hinauf spazieren, mich oben ein wenig umschauen, vielleicht war sogar eine Führung geboten…
… Als ich den Zug verließ, erwartete mich die erste Überraschung: Eine Rückfahrmöglichkeit würde sich erst in gut vier Stunden ergeben. Nun ja, irgendwie würde ich mir die Zeit bis dahin schon vertreiben. Mir halt nach Besichtigung der Villa den Ort anschauen, obwohl das, was ich nebst baufälligem kleinen Bahnhof da so erblickte, nicht eben reizvoll war…
… Ich stiefelte los, mitten durch ein Wohnbaugebiet, mein Ziel stets vor Augen. Da erstand auch – ich will das gleich vorweg nehmen – das einzige halbwegs brauchbare Foto des Anwesens…
… Kreuz und quer marschierte ich durch ein Wohnbaugebiet mit kleinen Einfamilienhäusern. Nachdem ich eine nicht eben einladend wirkende Kurklinik passiert hatte, stand ich vor dem verschlossenen Tor der Auffahrt zur Villa. Ich radebrechte mich mühsam durch den Text, und erfuhr, dass man lediglich am ersten Sonntag des Monats zwischen zwölf und ein Uhr mittags die Villa Selvatico Sartori besichtigen könne, und das nur nach Voranmeldung. So ein Mist!…
… Nun, vielleicht würde sich noch eine bessere Aussicht auf das barocke Prachtstück ergeben, wenn ich um den Hügel herum wandern würde. Ich folgte einer breiteren Straße in östliche Richtung, und stand nach dem Erklimmen einer kleinen Steigung am Ufer eines träge dahin gleitenden Kanals (Canale Padua-Battaglia-Monselice, 1201 in Betrieb genommen), und sozusagen in der Ortsmitte…
… Ich wandte mich nach rechts, immer dem Kanal entlang, auf einem sehr gepflegten Sandweg, der nun, am frühen Nachmittag, von vielen Einheimischen zur Gassi-Runde, zum spazieren gehen, joggen und radfahren genutzt wurde. Es sah gut aus, immer lichter wurde es rund um die Villa, hoch auf ihrem Hügel thronend. Und dann, ja, dann hätte es ihn gegeben, den perfekten Blick auf die schöne, von einer orientalisch anmutenden Kuppel gekrönte Fassade – wenn nicht genau an dieser Stelle eine abgestorbene Platane ihr weit gefächertes, weißlich schimmerndes Astwerk direkt in die Sichtachse gereckt hätte! Sie stand in einem Park, vor einer großen, verlassen wirkenden Kuranlage. Ich gesteh’s, ich habe eine geraume Weile geflucht wie ein Fuhrknecht. Zum Glück war ich allein auf weiter Flur…
… Ich ging zurück und durchmaß den Park. Vielleicht, vielleicht hatte das Universum ja ein Einsehen mit mir. – Leider, leider war dem nicht so. Ein hoher Drahtzaun umgab weiträumig die Villa, überwuchert von allerlei dichtem und auch mit Dornen bewehrtem Geflecht. Nur einmal gelang es mir, die Kamera durch eine winzig kleine Lücke zu zwängen, und die herrliche Freitreppe abzulichten…
… Grummelnd und brummelnd schleppte ich mich zurück, denn ich hatte inzwischen so einige Kilometerchen zurück gelegt. Am Rande einer alle paar Minuten dampfenden und blubbernden Thermalquelle im Park ruhte ich mich kurz aus…
… Ich beschloss während der Rückfahrt nach Padua, den nicht ganz gelungenen Ausflug mit einem feinen Abendessen im Ristorante Zairo unweit meines Hotels abzuschließen. Was ich dann auch tat, ich schlemmte mich durch die halbe Speisekarte, und erfreute mich einen letzten Abend lang an der Freundlichkeit und dem gutmütigen Temperament der Menschen von Padua. Und kurz vor dem Zubettgehen tröstete ich mich mit den schönen Aufnahmen der Website der Villa Selvatico Sartori…
… in den ersten Urlaubstag gewesen. Zwar hatte ich in der Nacht zuvor nur sehr wenig geschlafen – in der Nachbarschaft hatte es einen Großbrand gegeben, der zum Glück außer zwei leichten Rauchvergiftungen keine Personenschäden gefordert hatte, und mich hatte wie immer das Reisefieber gepackt. Doch vom Aufstehen über die Busfahrt zum Flughafen bis zum Einchecken am Automaten klappte alles nahezu perfekt, wie am Schnürchen, wie geplant und ungezählte Male durchdacht…
… Doch dann war der Wurm drin: Der Flug mit Air Dolomiti von München nach Bologna hatte eine halbe Stunde Verspätung. Aufgrund dessen erwischte ich meinen Zug nach Padua nicht mehr. Einfach in den nächsten Anschlusszug hüpfen ist in Italien nicht drin, da muss man einen festen Platz reservieren, wenn man mit der Bahn reisen will. Nach einem nicht ganz einfachen Procedere des Umbuchens musste ich in Bologna zweieinhalb Stunden auf meine Verbindung nach Padua warten…
… Ich nahm’s mit Humor, und widmete mich dem, was mir zu jeder Zeit enorm viel Spaß macht: Leute beobachten. Doch ständig war da ein leichtes Mahnen in meinem Hinterkopf, und dämpfte meine Freude: Bologna, Bologna… Endlich, nach einer geraumen Weile, machte es „Klick!“: Am 2. August 1980 detonierte im völlig überfüllten Wartesaal des Bahnhofs von Bologna eine Bombe. Sie tötete 85 Menschen, und verwundete über 200 weitere Personen…
… Aus einem Mauerfragment des damaligen Wartesaals hat man in dessen Neubau eine Gedenktafel für die Opfer angefertigt. An der östlichen Stirnwand hängt eine alte Aufnahme des Bahnhofs, in der nach wie vor die Furchen der enormen Detonation zu sehen sind…
… Mein Pech schien kein Ende zu nehmen – der Hochgeschwindigkeitszug nach Padua hatte eine Viertelstunde Verspätung. Doch endlich glitt er elegant heran, der FrecceRosso, auf die Fahrt mit diesem technischen Wunderwerk habe ich mich einige Monate lang schon sehr gefreut. Und als ich dann eine gute Stunde später im Fond eines Taxis Richtung Hotel rauschte, und zum ersten Mal den wunderschönen Prato della Valle, eines der größten Plätze Europas, in Padua’s historischer Altstadt sah, war ganz flugs alles Ungemach vergessen…
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… Die Uhr über dem Wartesaal des Bahnhofs von Bologna blieb schwer beschädigt genau zum Zeitpunkt des Bombenanschlags stehen. Sie wurde nicht wieder instand gesetzt…
… am westlichen Ende der sogenannten Reichen Zimmer zählt zu den kleinsten Räumen der Münchner Residenz. Nichtsdestotrotz ist seine Restaurierung die langwierigste und auch aufwendigste gewesen. Ein speziell ausgebildeter Holzschnitzer benötigte sage und schreibe fünfzehn Jahre für die Wiederherstellung der vergoldeten und überaus üppig und fein verzierten Bilderrahmen. Als man in den Kriegswirren 1943/44 vor Einsetzen der furchtbaren Bombenangriffe auf München versuchte, wenigstens die Miniaturen zu retten, ist man wohl nicht unbedingt glimpflich mit den Einfassungen umgegangen. Die kleinen Kunstwerke wurden übrigens in den Jahren 1733 bis 1735 mit hauchfeinen Einhaarpinseln und Spezialfarben auf Porzellankacheln gemalt…
… Das größte Kopfzerbrechen bereitete den Restauratoren/innen der Bayerischen Schlösserverwaltung so um das Jahr 2000 allerdings der leuchtendrote Untergrund der Wände. Dank modernster Technik fand man relativ schnell heraus, dass jede der unter der Leitung des genialen Hofarchitekten Francois Cuvilliés aufgebrachten sechzehn Lackschichten eine andere Zusammensetzung, einen von Schicht zu Schicht größeren Anteil an Zinnoberrot aufwies. Allerdings fand man im ganzen Raum keinen einzigen Pinselstrich. Die Handwerksmeister des 18. Jahrhunderts mussten die Farbe aufgesprüht haben – und bis zum heutigen Tage ist es ein ungelöstes Rätsel, wie sie dies wohl zustande gebracht haben mochten…
… Mein absoluter Lieblingsführer hat dies vor kurzem geschildert, und damit wieder eine meiner immer noch zahlreichen Wissenslücken geschlossen. Er kann so fesselnd und lebendig und mit einem so ungemein überragenden Wissen von den längst vergangenen Tagen der bayerischen Herzöge, Kurfürsten und Könige erzählen, dass ich jedesmal, wenn ich seiner ansichtig werde, am liebsten alles stehen und liegen lassen und ihm mit ganz weit aufgesperrten Ohren folgen würde…
… Wenn sich das Museum langsam leert, die Räume nach und nach geschlossen und die Lichter gelöscht werden, dann wirkt es im stillen Halbdunkel manchmal so, als würde das Miniaturenkabinett rot glühen…
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