… präsentiert sich die Münchner Residenz den zahlreichen täglichen Besuchern/innen aus aller Welt. Dabei hatte man es in jenen fernen Tagen der bayerischen Kurfürsten und Könige mit der Zeit gar streng gehandhabt. Davon zeugten die über 200 Uhren, welche in den vielen Räumen des Münchner Stadtschlosses aufgestellt gewesen sind – sehr viele davon kann man heutzutage noch besichtigen, wenn sie auch nicht mehr in Gang gesetzt werden und nur mehr als höchst dekorative Schmuckstücke dienen…
… Eine Auswahl an Exemplaren höchst vollendeter Uhrmacherkünste findet sich z. B. in den heutigen Silberkammern, früher waren das die sogenannten Staatsratszimmer des ersten bayerischen Königs Max I. Joseph…
… Einer meiner Lieblings-Zeitmesser ist in den sogenannten Kurfürstenzimmern zu finden. Zu dem edlen Stück gibt es eine kleine Anekdote: In früheren Tagen waren zwei Uhrmachermeister sechs Tage die Woche von morgens früh bis abends spät ausschließlich damit beschäftigt, die gut zweihundert Chronometer aufzuziehen und zu warten. Für diese Aufgabe hatte man stets besonders erfahrene und begabte Fachleute eingestellt, die sich aber nur um das In-Gang-Halten und um anfallende Reparaturen kümmern, aber keinesfalls für den bayerischen Hof neue Uhren anfertigen durften, auch wenn diese noch so stattlich und prachtvoll gewesen wären. Heimische Zeitmesser galten halt in jenen Tagen so gar nicht als schick, anders als die für sündhaft teures Geld vor allem in Frankreich erstandenen Geräte…
… Zu Zeiten des in Bayern recht unbeliebten Kurfürsten Karl Theodor empörte dies den Münchner Uhrmachermeister Johann Krapp so sehr, dass er nach der Instandsetzung einer besonders wertvollen, in einer Pariser Manufaktur gefertigten Uhr kurzerhand das Zifferblatt aus Emaille mit seinem Namenszug versah. Der Kurfürst war anfangs natürlich not amused, beließ es dann anscheinend jedoch bei einer handfesten Rüge… 😉
… Während meines Bummels durch die entzückende Welt der Marionetten in der Salzburger Hohenfeste ist mir dieses Märchen aus meiner Heimat wieder einmal in den Sinn gekommen:…
… Zwischen dem Salzburger und dem Berchtesgadener Land türmt sich der wuchtige Koloss des Untersberg-Massivs. Dieser Bergstock hat eine Besonderheit: Er ist fast so durchlöchert wie ein Stück Schweizer Käse. Zahlreiche Höhlen – darunter die Schellenberger Eishöhle, die St.-Kolowrats- sowie die vor einigen Jahren durch eine spektakulären Rettungsaktion zu Ruhm gelangte Riesending-Höhle – und Dolinen durchziehen das Felsgestein…
… Seit Alters her erzählt man sich, dass in den schier unzählbaren unterirdischen Kammern und Gelassen ein Zwergenvolk hausen soll, die Untersberg Manndln. In ihren Hallen und Sälen tief im Fels verborgen sollen gar wundersame Blumen blühen, und heilkräftige Quellen sprudeln, Gold und Juwelen ohne Zahl glitzernd und funkelnd die Wände schmücken. Die Zwerge werden als scheu und sich vor den Menschen zurück haltend beschrieben, allerdings auch als neckisch und schelmenhaft. Armen und Ausgestoßenen erweisen sie gelegentlich warmherzige Wohltaten, und beschenken sie mit Reichtümern. Sie lieben Musik und Tanz und wohnen deshalb gerne unentdeckt Festen und Hochzeiten bei. Zusammen mit anderen märchenhaften Wesen wie Riesen und Wildfrauen bilden sie die Schutzmacht eines der größten Herrscher Europas, der in einem prächtig ausgestatteten Saal im steinernen Kern des Untersbergs thronen soll…
… Die Rede ist vom Kaiser Karl dem Großen. Umgeben von seinem Hofstaat und den tapfersten Ritten befindet er sich in einem tiefen, todesähnlichen Schlaf. Sein dichter Bart ist schon so lange gewachsen, dass er sich zweimal um den Marmortisch, der vor ihm steht, herum windet. Sobald der Bart des Kaisers das dritte Mal um den Tisch reichen wird, wird das Ende der Welt gekommen sein…
… Alle hundert Jahr‘ erwacht der Kaiser und sendet einen Edelmann hinauf zum Gipfel des Geierecks, um nachzusehen, ob immer noch Raben den Berg umkreisen. Währenddessen misst die Tochter Karls des Großen das Barthaar nach, und wenn sie sieht, dass dieses immer noch nicht die dritte Runde vollendet hat, entströmen Tränen ihren Augen, und werden im Geflecht des Bartes zu Perlen. Auf des Edelmannes Nachricht, dass nach wie vor Raben am Geiereck ihr munteres Spiel mit den Bergwinden treiben, neigt sich des Kaisers Haupt auf die Brust, und mit einem Wehruf versinken er und seine Getreuen erneut in tiefem, tiefem Schlaf…
… Auf dem Brixener Brot- und Strudelmarkt wurde zu jeder vollen Stunde auch vorgeführt, wie man in früheren Tagen das Korn gewann und Stroh häkselte. Mit den schwer zu handhabenden und sicher nicht ganz ungefährlichen Dreschflegeln hantierten Männer, die bereits ganz deutlich in die Jahre gekommen waren. Während ich ihnen zusah, stellte ich mir innerlich die Frage, ob es überhaupt noch junge Einheimische gibt, die mit diesem alten Handwerk vertraut sind… Eine mit einer Dampfmaschine betriebene uralte, transportable Mühle bereitete dann aus den gedroschenen Körnern die verschiedensten Sorten Mehl zu…
… Eigentlich ist dieser Markt recht überschaubar – und genau das macht ihn so schön. Es herrschte eine entspannte, gemütliche Atmosphäre, an den langen Biertischen rund um den Domplatz-Brunnen hat sich so manches interessante Gespräch mit Einheimischen entwickelt. Es wurde geschlemmt, getrunken, genossen, Musik gemacht, getanzt – und das alles wohltuend friedlich. Es gab keine gröhlenden und pöbelnde Horden Betrunkener in billigen Pseudo-Trachten. Leben und leben lassen war die vorherrschende Devise. Am liebsten wäre ich dort geblieben…
… Nach gut dreistündiger Fahrt setzte uns der freundliche und etwas schlitzohrige Busfahrer mit bayerischen und türkischen Wurzeln in unmittelbarer Nähe der Altstadt von Brixen ab. Ich hatte den Tagesausflug in dieses südtirolerische Städtchen gebucht, weil ich mich seit Jahren schon für den dortigen Brot- und Strudelmarkt interessierte, der alljährlich zum Erntedankfest abgehalten wird. Und weil ich mich bei jeder Reise per Bus oder Zug gen Süden und wieder zurück geradezu magisch von den hoch aufragenden Doppeltürmen des Doms angezogen fühlte…
… So tapperte ich langsam dahin, zunächst durch ein schmales Stadttor, eine kleine Gasse mit einer Kapelle entlang, genoss die ersten Eindrücke, und wandte mich dann nach rechts, denn ich wollte mir zumindest von außen die Brixener Residenz ansehen. Bevor ich’s mich versah, hatte ich die kleine Brücke über den Burggraben passiert und eine Eintrittskarte gelöst. So groß wie die Münchner Residenz wird dieses Stadtschloss schon nicht sein, dachte ich mir, ich mach da jetzt auf die Schnelle einen Rundgang, und dann geht’s Richtung Markttreiben…
… Ich hätte den ganzen Tag in diesem Museum verbringen können, und bereute es schon nach kurzem bitterlich, dass ich mich aufgrund des knappen Zeitrahmens von fünfeinhalb Stunden bis zur Rückfahrt nicht genauer umsehen konnte. Der erste Stock der Hofburg ist fast ausschließlich sakraler Kunst gewidmet, da mich diese nicht sonderlich interessiert, durchmaß ich jene Räume schnellen Schrittes. Die Räumlichkeiten des sogenannten Kaisertrakts im zweiten Obergeschoss allerdings hatten es mir sehr angetan, allein schon wegen der wunderschönen Kachelöfen. Im Erdgeschoss befindet sich ein Kripperlmuseum, das dem in Neapel in nichts nachsteht. Es gibt Hunderte verschiedene Darstellungen nicht nur der Geburt Jesu‘ in den verschiedensten Materialien, von Papier über Holz bis hin zu Wachs und Elfenbein, sondern auch seiner Lebens- und Leidensgeschichte zu bestaunen – allein dort könnte man viele Stunden mit Schauen und Staunen zubringen…
… Die Brixener Hofburg wurde bereits Mitte des 13. Jahrhunderts auf Geheiß des damaligen Bischofs Bruno von Kirchberg errichtet. Nach einer Erneuerung im Renaissance-Stil Ende des 16. Jahrhunderts, erhielt sie ihr heutiges Aussehen durch einen barocken Ausbau zu Beginn des 18. Jahrhunderts. In den Nischen der jeweils elf Arkaden im Süd- und Nordflügel der Residenz befinden sich zwei Dutzend dunkle Tonfiguren, die herausragende Persönlichkeiten des Habsburger Stammbaumes repräsentieren – im Volksmund die Schwarzen Mannder genannt…
… Im Kaisertrakt der Hofburg von Brixen…
Hofkapelle
Deckenfresko des Kaiserlichen Empfangssaaals
… Nach meinem etwa eineinhalbstündigen Rundgang, trennte ich mich mit einem klein bisschen schweren Herzen von der Hofburg. Und nahm mir im Stillen ganz fest vor, eines nicht allzu fernen Tages wieder zu kommen, und mir dann ganz viel Zeit zu nehmen. Ein leises Hüngerchen begann, mich zu plagen – das Frühstück im Reisebus lag nun schon über fünf Stunden zurück – also wandte ich mich gen Domplatz. Dort war das Treiben rund um den Brot- und Strudelmarkt schon in vollem Gange…
… (1622 bis 1726), wegen der blauen Schärpe, die er in Gefechten stets trug, auch der Blaue König genannt, nicht so verschwenderisch und auch größenwahnsinnig gewesen wäre, dann würde es die Türkenstraße in München heutzutage wahrscheinlich gar nicht geben. Nachdem sein Vater, Kurfürst Ferdinand Maria, nicht unbedingt von Ehrgeiz geprägt gewesen war, trat diese manchmal recht unselige Eigenschaft umso stärker bei Max Emanuel auf. Er wollte deutscher Kaiser werden. Und dazu musste man prunken und protzen, was das Zeug hielt. So brütete er dereinst die Idee aus, die Münchner Schlösser Nymphenburg, Schleißheim und die Residenz durch Kanäle miteinander zu verbinden, auf welchen man dann wie in Venedig in Gondeln ruhend, Wein trinkend, schmausend und von schöner Musik geleitet lustwandeln hätte können…
… Der maßlose Umgang mit Gut und Geld brachte Bayern während der Regentschaft Max Emanuels mehrfach an den Rand des Bankrotts, und so mussten schließlich die Pläne eines Kanalnetzes in und um München fallen gelassen werden. Damals befand man sich bereits mitten im Aushub der Wasserstraße, die Schleißheim und die Residenz miteinader verbinden sollte. Die Arbeiten wurden von Zwangsarbeitern, Soldaten und einigen Gefangenen verrichtet, die der Blaue König von seinem erfolgreichen Feldzug gegen die Türken bei Wien mitgebracht hatte. Fälschlicherweise entstand daraus in späteren Jahren die Legende, es wären beinahe ausschließlich Osmanen gewesen, die beim geplanten Kanal zugange gewesen wären – und somit der spätere Straßennamen…
… Viele Jahre lang lag lag das Gelände brach. Dann baute man zu Zeiten König Max I. Joseph zunächst die sogenannte Türkenkaserne, die im 2. Weltkrieg beinahe völlig zerstört wurde, dort befindet sich heute das sogenannte Kunstareal mit den drei Pinakotheken sowie der Sammlung Brandhorst. Unter König Ludwigs I. im Zuge der Gründung der Universität und der Anbindung Schwabings an München bildete sich allmählich die sogenannte Maxvorstadt, was vom Kanal – Türkengraben – noch zu sehen war, wurde zugeschüttet und als Baugrund ausgewiesen…
… Vieles vom einstigen Glanz, dem früheren Charme, dem etwas exzentrischen Bohéme-Charakter der Türkenstraße ist mittlerweile verschwunden. Für mich allerdings ist sie immer noch eine der spannendsten und interessantesten Straßen Münchens. Vor einigen Tagen erst bin ich sie wieder einmal entlang geschlendert, von ihrem Anfang an der Brienner Straße bis sie nahe der Münchner Kunstakademie in die Georgenstraße mündet…
… Anstelle des früheren Wittelsbacher Palais, in dem unter anderem nach ihren Rücktritten die bayerischen Könige Ludwig I. und Ludwig III. residierten, und die Gestapo von den dreißiger Jahren bis zum Ende des 2. Weltkriegs ihre Kerker, Folterkammern und Verhörräume hatte, befindet sich heute der Glas-Beton-Stahlpalast der Bayerischen Landesbank, auf der anderen Straßenseite sind sehr moderne Zweckbauten bzw. Baugruben zu sehen…
… Interessant wird die Türkenstraße meiner Meinung nach ab der Kreuzung mit der Gabelsbergerstraße mit der Jugendstilfassade des sogenannten einstmaligen Officiums, inzwischen ein Versicherungsgebäude…
… Etwa fünfzig Meter weiter nordwärts befindet sich dieses schmucke Anwesen, welches nicht nur durch die Vorderfront hervor sticht, sondern auch durch die etwas schräge Kunst im Tor und einer üppig wuchernden Hinterhofidylle…
… Nach der Kreuzung Theresienstraße hat man zum Glück gut die Hälfte der einstigen Fassaden im Stil des Neubarocks und der Neurenaissance nach dem 2. Weltkrieg wieder aufgebaut – mehr als drei Viertel der Türkenstraße sind durch die Bombenangriffe auf München zerstört worden. Und einige der alten Läden aus längst vergangenen Tagen haben sich bis in die Jetztzeit erhalten, so z. B. das kleine Antiquitätengeschäft in Hausnr. 66, sowie das Antiquariat und der Tabakladen schräg gegenüber, und der Baumarkt Suckfüll, bei dem man noch Nägel, Schrauben, Muttern etc. einzeln kaufen kann (allerdings ist das Haus ein Neubau und nicht recht fotogen 😉 )…
… In eine ehemalige Bedürfnisanstalt zogen in den Sechzigern das Bürgerbüro der Maxvorstadt sowie der kleinste Jeansladen der Stadt…
… Das wohl legendärste Etablissement in der Türkenstraße ist Kathi Kobus‘ „Alte Simpl“, bis 1903 das Kaffeehaus Kronprinz Rudolf. Die Liste der berühmten und illustren Stammgäste, die sich während der Blütezeit des Lokals quasi die Klinke in die Hand gaben, ist schier endlos, ich will hier nur einige nennen: Franz Wedekind, Ludwig Thoma, Olaf Gulbransson, Thomas Mann, Karl Valentin, Liesl Karlstadt, Joachim Ringelnatz, Alfons Gondrell. Am 13. Juni 1944 zerstörte eine Bombe den „Alten Simpl“ vollständig. Nach dem Wiederaufbau übernahm die Schauspielerin Toni Netzle von 1960 bis 1992 den Simpl, unter ihrer Leitung erlebte die Gaststätte eine letzte Blütezeit und war vor allem ein Treffpunkt für Theater- und Filmleute sowie Journalisten…
… Heute wird der „Alte Simpl“ vor allem von jungen Studenten/innen frequentiert. In der Kulturszene spielt er allerdings keine Rolle mehr…
… Demnächst wird dieser Stadtspaziergang noch ein bisserl fortgesetzt… 😉
… Vor einigen Jahren sah ich eine TV-Dokumentation über alteingesessene Salzburger Familien, traditionsreichen Handwerksbetriebe und alten Läden. Dabei kam die Sprache auch auf die Steingasse, und was da im Laufe der nächsten Minuten gezeigt wurde, fand ich recht interessant. Ich nahm mir fest vor, dieser Straße mal einen Besuch abzustatten. Aber wie das so ist, entweder kam mir bei meinen Ausflügen nach Salzburg etwas dazwischen, oder ich war nach einer ausgedehnten Tour zu müde…
… Am Mittwoch jedoch machte ich ernst. Am Platzl nahe der Staatsbrücke stieg ich aus, wandte mich nach rechts und begab mich frohgemut auf den Weg…
… Neben dem Fluß Salzach war in längst vergangenen Zeiten die Steingasse der Haupthandelsweg in sowohl nördliche als auch südliche Richtung. Es war eine der belebtesten Straßen der Alpen. Nicht nur die schwerfälligen Salzfuhrwerke rumpelten Tag für Tag durch das alte und enge Steintor, auch bodenständige Handwerksbetriebe hatten beiderseits der Gasse Heimstatt gefunden – z. B. Hafner, Töpfer, Gerber und Färber. Bis zur Salzachregulierung Mitte des 19. Jahrhunderts besaßen die meisten der imposanten Häuser, die zum Teil heute noch stehen, auf der Rückseite direkten Zugang zum Fluss und prachtvolle Gärten…
… Großenteils ist die Steingasse sehr schmal. Viele der Anwesen scheinen direkt in den Fels des hochragenden Kapuzinerbergs gebaut worden zu sein. Alte, verwitterte Türen, schmale und steile Treppenaufgänge, sowie halb verfallene Türmchen verleihen der Straße eine geheimnisvolle, manchmal sogar etwas düstere Atmosphäre. Nach dem Passieren des Inneren Steintors hat man einen herrlichen Ausblick auf die Salzburger Altstadt…
… Je weiter östlich man gelangt, umso breiter wird die Steingasse. Am 1660 erschaffenen Engelsbrunnen mündet sie schließlich in die Arenbergstraße…
… Ihr wisst ja, ein Klick auf’s Bild macht dieses groß… 😉
… An dieser Stelle möchte ich meinen Followern, den langjährigen sowie den neu dazu gekommenen, ein ganz herzliches Dankeschön sagen. Es ist Tag für Tag eine große Freude, euch hier zu haben… <3
… nach meinem Einzug in die Medizinische Klinik musste ich realisieren, dass man es dort mit den angekündigten Terminen keineswegs ernst zu nehmen pflegt. Lange Zeit musste ich z. B. auf das CT der Oberschenkelmuskulatur warten. Und am Tag nach meiner Aufnahme hatte außer dem morgendlichen Blutdruck- und Temperaturmessen keine einzige der geplanten Untersuchungen statt gefunden – weil man kurzfristig meine Akte verschludert hatte. Eine Zimmergenossin hatte man sage und schreibe zehn Stunden lang auf eine Blutentnahme zwecks Gentest warten lassen. Endlich, sie war schon den Tränen nahe, eigentlich hätte sie am frühen Morgen entlassen werden sollen, und ihr stand eine lange Heimfahrt bevor, kam „Unser kleiner Liebling“, zapfte ihr ein Röhrchen Lebenssaft ab (warf dieses dann zerstreut in den Mülleimer ) und meinte huldvoll: „Sie dürfen jetzt gehen.“…
… Die Biopsie, ein operativer Eingriff, bei dem mir einige erbsengroße Stücke Muskulatur aus dem linken Oberarm entnommen wurden, war für Donnerstag neun Uhr angesetzt worden. Um halb Neun sollte ich mich bereit halten, da würde dann der Krankentransport in die benachbarte Chirurgische Klinik erfolgen…
… Natürlich kam niemand – darauf hätte ich nach den Erfahrungen, die ich bereits gemacht hatte, ohne zu zögern mein Monatsgehalt verwettet. Um halb Zehn ging ich zum TheraTrainer im Flur, um mir ein Viertelstünderl lang den Frust wegzuradeln. Frau Doppeldoktor und Unser kleiner Liebling bogen um die Ecke. Frau Dr. Dr. zog erstaunt die Augenbrauen hoch. „Hatten Sie nicht um neun Uhr Ihren Biopsie-Termin?“ Ich nickte. „Stimmt!“ Unser kleiner Liebling fauchte mich an: „Was sitzen Sie dann hier rum!“ Ich knurrte genau so unfreundlich zurück: „Weil man mich noch nicht abgeholt hat!“…
… Um Viertel nach Zehn kamen zwei Männer der Johanniter Unfallhilfe mit einem Rollstuhl ins Zimmer. Ich machte große Augen, denn ich hatte fest damit gerechnet, dass mich jemand vom Haus in die Chirurgische bringen würde. Man schob mich in einen bereit stehenden Krankenwagen, und musste dann, um das Ziel zu erreichen, welches Luftlinie ungefähr vierzig Meter entfernt liegt, einmal rund um den riesigen Klinikkomplex fahren, weil die Ziemssenstraße, welche das Krankenhausgelände an der Nordseite abgrenzt, Bauarbeiten wegen zur Zeit eine Einbahnstraße ist…
… Ich will niemandem bange machen, aber so harmlos, wie es in einem ausgehändigten Informationsblatt dargestellt wird, ist eine Gewebeprobe-Entnahme am Oberarm nicht wirklich. Da die Muskulatur ja nicht verunreinigt werden darf, werden lediglich die Haut und das darunter liegende Gewebe örtlich betäubt. Nach dem Freilegen des Muskels wird dieser durch eine Art kleinen Spatel angehoben und fixiert. Und dann wird geschnitten. Ich bin nicht wehleidig, aber das war durchaus schmerzvoll. Zum Glück hatte ich einen netten jungen Chirurg aus Hamburg, der einigen angehenden Ärzten/innen ausführlich erklärte, was er da tat, ohne medizinisches Kauderwelsch, so dass auch ich gut verstand, was er meinte. Als er den Muskel präpariert hatte, geriet ihm eine kleine Vene in den Weg, die er sanft aus dem Weg bugsieren wollte, wobei sie leider dann doch einriss. Das machte aus dem an sich recht kurzen Eingriff eine Operation, die sich beinahe eine Stunde lang hinzog…
… Zurück ins Modul 2 fuhr mich dann im Rollstuhl eine der sympathischen Jungärztinnen (was sie gar nicht hätte tun dürfen, wie ich später erfahren musste!). Gegen zwölf Uhr mittags war ich wieder in meinem Zimmer…
… Für dreizehn Uhr war die sogenannte Breischluck-Untersuchung angesetzt (mittels einer etwas dicklichen Flüssigkeit wird die Arbeit der Schluckmuskeln von der Kehle bis zum Magen überprüft), wieder in der Chirurgischen Klinik. Auch diesmal hätte ich gewonnen, wenn ich mein Monatsgehalt verwettet hätte…
… Um Viertel nach Zwei chauffierten mich die zwei Jungs der Johanniter auf dem nun schon bekannten langen Weg zur Chirurgischen. Eine knappe halbe Stunde später war die Untersuchung zu Ende, glücklicherweise ohne einen signifikanten Befund. Ich fand es spannend, auf dem großen Monitor mitbeobachten zu dürfen, wie das Geschluckte, das richtig scheußlich schmeckte, in den Magen befördert wurde. „Wir rufen Ihnen gleich einen Rücktransport ins M2.“, versicherte mir die Radiologin. Ich nahm draußen in dem langen, bedrückend schmucklosen Krankenhausflur Platz. Eine der Pflegerinnen sah nach mir. „Sie werden ein halbes Stünderl warten müssen, aber man hat sich schon auf den Weg gemacht.“…
… Nach eineinhalb Stunden, in welchen man mir immer wieder versichert hatte, dass der Rücktransport gleich da sein würde, packte mich das heulende Elend. Mein linker Arm schmerzte und war zudem wegen eines Druckverbands von den Fingern bis zur Schulter unbeweglich. Ich wollte nur noch mehr hier raus, endlich hier raus, nach Hause in mein Bettchen, die Decke über den Kopf ziehen, nichts mehr sehen, nichts mehr hören… Sch…-Myopathie – warum hat es ausgerechnet mich erwischt, ich habe doch zeitlebens versucht, ein guter Mensch zu sein… Ich will hier weg! Ich will meine gesunden Muskeln wieder! Ich möchte wieder ungehindert bergwandern, radfahren, schwimmen, arbeiten, gehen, springen, tanzen können! Warum kommt denn keiner, um mich hier raus zu holen! So schluchzte ich ein Weilchen unbeachtet vor mich hin…
… Um siebzehn Uhr, gerade als das Abendessen serviert wurde, war ich wieder in meinem Zimmer. Die Johanniter hatten mich im Krankenwagen die kurze Strecke von vierzig Metern die Ziemssenstraße entlang bis zum Modul 2 transportiert…
… Am Abend fragte ich bei unserer lieben Klinikzeitung nach: „Ist das denn wirklich nötig, bei so einer kurzen Strecke Krankenwägen zu schicken?“ – „Das ist die Vorschrift.“ – „Aber das könnte doch ein klinikinterner Rollstuhltransport doch genau so gut, und wahrscheinlich sogar schneller.“ – „So was hatten wir ja. Das wurde uns gestrichen. Aus versicherungstechnischen Gründen.“ Ich muss wohl ziemlich entgeistert drein gesehen haben, so ergänzte unsere Lieblingspflegerin: „Weil man auf der Ziemssenstraße wegen der Bauarbeiten für etwa zwanzig Meter das Klinikgelände verlassen muss.“ Ich schnappte nach Luft, meine Zimmergenossinnen schüttelten fassungslos die Köpfe. Und dann setzte die Klinikzeitung noch einen drauf: „So ein Transport durch die Johanniter kostet übrigens 700 Euro. Einfache Strecke.“…
… ist noch völlig ungewiss. Eigentlich war ja ein Krankenhausaufenthalt von fünf Tagen geplant gewesen, inzwischen bin ich schon seit zehn Tagen hier, und ein definitives Ende ist nicht in Sicht. Auch wenn meine Zimmergenossinnen, denen es ähnlich ergeht wie mir, und ich äußerst dankbar dafür sind, dass man sich seitens des Friedrich Baur Instituts unser so gründlich annimmt, und alles, aber auch wirklich alles untersucht, die Medizinische Klinik ein gutes Krankenhaus ist, und man sich viel Mühe mit uns gibt – wenn immer wieder ein Entlassungstermin in Aussicht gestellt, und dann quasi in letzter Sekunde verschoben wird, weil man doch noch dieses und jenes genauer anschauen und erforschen will, dann nervt das irgendwann…
… Inzwischen sind wir Drei aber ein eingespieltes Team, das nach Leibeskräften versucht, die negativen Dinge mit Humor zu nehmen und wegzulachen. So haben wir jenen Mitmenschen, mit denen wir im Klinikum tagtäglich zu tun haben, Spitznamen verpasst. Einige davon haben sich bereits herum gesprochen und für Heiterkeit gesorgt…
… Frau Doppeldoktor zum Beispiel, die wird mittlerweile auf der ganzen Neuro-Station nur mehr so genannt. Wir kamen auf den Namen, weil die sehr nette, ruhige und freundliche Ärztin zwei Doktortitel ihr Eigen nennt. Zuerst studierte sie Humanbiologie, begann dann aber nach einigen Jahren ein weiteres Studium. Sie habe genug davon, ihre Patienten/innen immer nur scheibchenweise unter dem Mikroskop zu sehen, nun würde sie sich zu gerne mit den kompletten Menschen abgeben. Jetzt ist sie Neurologin und alle, Patienten/innen und die Leute vom Krankenhaus gleichermaßen, lieben sie…
… Keineswegs sympathisch finden wir dagegen eine recht junge und wohl auch ehrgeizige Ärztin, die von uns Dreien vom Zimmer 23 „Unser Kleiner Liebling“ genannt wird. Sie ist sehr arrogant, stolziert einher, als würde sie sich vorkommen wie eine Halbgöttin in Weiß, und behandelt Patienten/innen und die Leute von der Pflege verbal manchmal wie den letzten Dreck. Wir wünschen durchaus, dass sie mal so richtig auf die Schnauze fällt und eine ordentliche Lektion verpasst bekommt. Ganz sauer stößt uns immer auf, dass sie sich bei Visiten so unangenehm beim netten, warmherzigen und humorvollen Professor Sch. – von uns wegen seines Vornamens „Papa Bene“ genannt – einschleimt. Aber wir haben etwas gegen sie in der Hand: Vor einer Woche hat sie einer meiner früheren Zimmergenossinnen eine Blutprobe für einen Gentest abgezapft und das Röhrchen dann zerstreut in den Mülleimer geworfen. Sollte „Unser Kleiner Liebling“ uns gegenüber noch einmal aufmüpfig werden, dann verpfeifen wir sie beim Professor Sch…. 😉
… „Die Klinikzeitung“ ist die agile, ungemein temperamentvolle, witzige und gescheite Chef-Pflegerin unserer Station. Wenn ihr eine Laus über die Leber läuft, und sie sich mal für ein Weilchen abseilen möchte, dann besucht sie uns, und erzählt uns den neuesten Tratsch der Abteilung M2. Nicht nur deshalb hat sie bei uns einen dicken Stein im Brett, mit ihr kann man auch herrlich albern sein und herum blödeln…
… „Unser Kleiner Sonnenschein“ ist eine schon ältere, kleinwüchsige, grauhaarige Pflegerin, die fast immer schlechte Laune hat, und rechts von links nicht zu unterscheiden weiß, was dazu führte, dass eine meiner Bettnachbarinnen eine halbe Stunde lang durch das riesige Klinikgebäude irrte, weil sie vom Kleinen Sonnenschein instruiert wurde, am Lift im Erdgeschoss nach rechts zu gehen anstatt korrekterweise nach links. Überhaupt – die Ortskenntnisse so mancher Beschäftigten hier! – Aber davon werde ich ein andermal erzählen…
… „Der Schöne John“ wird von der „Klinikzeitung“ zum Blutdruckmessen, Servieren und Abräumen der Mahlzeiten geschickt, wenn sie merkt, dass wir einen moralischen Durchhänger haben oder uns wieder mal über etwas ärgern. „Da habt ihr dann wenigstens was Erfreuliches fürs Auge.“ Der „Schöne John“, ein hochgewachsener Jüngling mit leicht asiatischem Einschlag, ist auch in der Tat eine Augenweide. Obwohl ich eher auf den Chr. stehe, der ist so sanft, und behutsam, und strahlt so eine wohltuende Ruhe aus…
… Unser absoluter Liebling aber ist der „Doktor Singapur“! Er ist Fünfundzwanzig, stammt aus dem asiatischen Stadtstaat, hat ein Stipendium für die Ludwig-Maximilians-Universität in München bekommen, und will hierbleiben. Er würde sich in Bayern sehr wohl fühlen, habe inzwischen auch nur deutsche Freunde, seine Lebensgefährtin sei eine Einheimische, und außerdem würde er von Herzen gerne etwas von dem zurückgeben, was man ihm während seines Studiums hat zukommen lassen. „Ich habe hier nur etwa 500 Euro für’s Semester bezahlt. In meiner Heimat hätte ich für mein Studium an die 200.000 Euro hinblättern müssen.“ Zuerst hätte er sich schon für die Neuro interessiert, meinte er, aber nach einem Jahr sei ihm das zu langweilig geworden, Kardio würde er viel spannender finden. „Doktor Singapur“ hat einen so umwerfend herrlichen, kindlichen und goldigen Humor! Heute früh hat er meiner Bettnachbarin und mir Zugänge gelegt, weil wir jetzt einige Tage lang Infusionen bekommen, und wir haben in dem viel zu kurzen halben Stünderl, das er bei uns zugebracht hatte, Tränen gelacht…
… Nun werde ich mein vom Klinikalltag – Schlafen, Essen, Trinken, Lesen, Surfen im WWW, und etwas Herumspazieren – müdes Haupt aufs Kissen betten. Ich wünsche euch einen unbeschwerten und schönen Sonntag!…
… Am Portal der Heiliggeistkirche hatten Landsknechte eine kleine Feldküche aufgebaut. Es gab knuspriges Spanferkel, deftige Schweinskoteletts und aromatisch-würzige Saure Zipfel – Nürnberger Bratwürstl in einem Sud aus Gewürzen, Essig und Zwiebeln gesotten. Die hatten es mir angetan, ich hatte dieses Gericht seit Ewigkeiten nicht mehr gegessen, also war ich so frei und bediente mich, als einer der Landsknechte mit dem Topf durch die Menge ging und seine Speise feil bot. Allerdings gab es kein „Werkzeug“, so galt es, mit den bloßen Fingern die Würstl aus dem heissen Sud zu fischen, zum Glück bin ich dank meiner vielen Jahre in der Gastronomie recht schmerzunempfindlich… 😉
… Gut eine Stunde vor dem Hochzeitszug war jeder freie Platz an den Straßenrändern von Zuschauern/innen mit Campingmöbeln, Klappsesseln, Bierbänken und Tischen belegt. Manche hatten sich bereits in den frühesten Morgenstunden bei strömendem Regen eingefunden, andere sogar die Nacht durchgemacht, um sich einen guten Blick auf den historischen Zug zu sichern. Es war die Mittagszeit, und allerortens wurde fleißig aufgetischt. Ich sah kalt-warme Bufetts aus liebevoll zubereiteten Gerichten, die jedem Feinschmecker den Mund wässrig gemacht hätten, turmhoch wurden Kartons aus einer nahen Pizzeria balanciert und Körbe voll Döner, Wurst- und Leberkässemmel zu den wartenden Angehörigen und Freunden getragen. Sektkorken knallten, kleine Bierfässchen wurden angezapft, Flachmänner machten die Runde, und eine Schar besonders glühender LaHo-Fans begann, die vielen tausend Menschen links und rechts der Straße „einzupeitschen“: „Himmel Landshut! Tausend Landshut! Halloooo!“… 😀
Kleines Päuschen im Innenhof der Landshuter Residenz
… Je näher der Start des Hochzeitszuges rückte, umso mehr mittelalterlich gewandete Darsteller/innen waren zu sehen, plaudernd, dem sogenannten Zehrplatz zustrebend, sich stärkend, lachend, scherzend, und die Bewunderung und das Staunen des Publikums genießend…
… Frühmorgens hatte es heftig geregnet, in der Nacht sogar gewittert. Um die Mittagszeit ballten sich immer wieder tiefdunkle Wolken über der Stadt zusammen. Dann aber setzte sich schönes Sommerwetter durch, und die Sonne strahlte heiss von einem heiteren, weißblauen Himmel…
… Einem recht aparten Weibe wurde dereinst vom Gemahl verkündet, dass dieser sich auf Reisen in ein weit entferntes Gäu begeben würde. Die holde Frau, recht lebenslustig und einem Abenteuer nicht abgeneigt, fackelte nicht lange, und bandelte, kaum dass ihr Mann ihren Blicken entschwunden war, mit einem charmanten und verführerischen Flötenspieler an. Hoch loderten die Flammen der Leidenschaft! Bis – oh, Schreck! – unvermittelt der Ehemann wie aus dem Boden gewachsen vor den beiden Turteltäubchen in Erscheinung trat, er hatte umkehren müssen, weil er seine Börse zuhause hatte liegen lassen. Angesichts der Untreue seiner Liebsten schien ihm nun schier das Herze zu brechen. Das Weib jedoch, listig, weder auf den Kopf noch den Mund gefallen, wickelte ihn mit gar süßen Reden ein, bis es ihn davon überzeugt hatte, bei der Poussiererei habe es sich lediglich um ein Missverständnis gehandelt. Der flötenspielende Schürzenjäger konnte unbemerkt und unbestraft entschwinden, der Haussegen der Eheleut‘ war wieder gerade gerichtet. Nun, ja… 😉
This function has been disabled for Marthas Momente-Sammlung.