… bin ich nun eine “Teilzeit-Tucke”… 😉
… Nachdem ich aufgrund meines Muskelschwunds und der daraus folgenden, mehrmaligen und langen Krankschreibungen seit ungefähr einem Jahr ohnehin immer öfter von unseren Disponenten so wenig Dienste zugeteilt bekommen hatte, dass ich davon nicht mehr leben konnte, und Monat für Monat viel Geld investieren musste, um mich wenigstens halbwegs über Wasser zu halten und die laufenden Unkosten begleichen zu können, hatte ich mich Ende Februar mit unserer Personalabteilung zusammen gesetzt, und eine Teilzeitregelung beschlossen. Ich arbeite jetzt nur mehr drei Tage die Woche, und habe beim Jobcenter eine Aufstockung mittels HartzIV beantragt. Ich bin froh, diese Entscheidung getroffen zu haben, seitdem fühlt sich das Leben durchaus entspannter an. Ich werde nicht mehr klopfenden Herzens Woche für Woche auf den neuen Dienstplan warten, und am Ende eines jeden Monats enttäuscht feststellen müssen, dass das magere Entgelt für die Arbeitsstunden, die man mir zugedacht hatte, wieder einmal nicht reichen wird. Ich hätte sehr gerne drei regelmäßige Dienste pro Woche gehabt, doch das haben mir die Disponenten verwehrt, das würde wegen der speziellen Ansprüchen der Bayerischen Schlösserverwaltung, die meine Kollegitäten und mich ja quasi als Leiharbeiter/innen angeheuert haben, leider nicht möglich sein. Es gibt durchaus Mitarbeiter/innen in der Residenz, die ihre festen Arbeitstage haben – aber ich hatte keine Lust, mich mit den Menschen von der Disposition, die mir noch nie sympathisch waren, zu streiten…
… Während der drei Wochen Bearbeitungszeit des Harz-IV-Antrags, die mir die freundliche Sachbearbeiterin vom Jobcenter eingeräumt hatte, wurde der Ordner, den ich speziell für diese Unterlagen angelegt hatte, dicker und dicker – das ist schier atemberaubend, was man da alles für Dokumente, Auszüge, Abrechnungen etc. beibringen muss! Ärger gab es, wie ich im Vorfeld bereits erwartet hatte, mit der Bescheinigung des Hausverwalters über die Aufschlüsselung der Kaltmiete und Nebenkosten. Ich musste wochenlang um dieses Schreiben förmlich betteln, bis mir dann der Kragen platzte und ich eine saftige Mail schrieb, dass ich es ungeheuerlich und ausgesprochen traurig finden würde, dass jemand trotz modernster Technik des 21. Jahrhunderts nicht dazu in der Lage sei, binnen einiger Tage ein kurzes Schreiben mit einer Handvoll Wörter und einigen Zahlen zustande zu bringen. Daraufhin erhielt ich einen Anruf des werten Herrn. Im Laufe des kurzen Gesprächs erzählte er mir folgendes: Er habe sich mit dem Hausbesitzer unterhalten, und er würde sich nun in der glücklichen Lage sehen, mir ein sozusagen phänomenales Angebot zu machen. Der Hausbesitzer würde ein zweites Anwesen sein Eigen nennen, in einer ruhigen Wohngegend, und da ich ja nun nicht mehr ganz gesund sei, würde mir Ruhe mit Sicherheit gut tun. Zudem dürfte ich dort dann ein Jahr lang mietfrei wohnen. Man würde das schon so arrangieren, dass ich trotzdem noch mein Geld vom Jobcenter kassieren könnte. – Er hat das zwar nicht so deutlich in Worte gefasst, aber der erste Gedanke, der mir durch den Kopf schoss, war: Meine Fresse! Der fordert mich grade zum Sozialbetrug auf! – Es wären natürlich nicht nur Sorgen um meine Gesundheit – *Hahaha!* – die die beiden Herren bewegen würden. Man wolle meine Wohnung hier gründlich renovieren, und dann für das doppelte Geld neu vermieten…
… Der gute Mann bedrängte mich während des Telefonats geradezu, eine bejahende Antwort zu geben, ich ließ mich jedoch nicht darauf ein und erbat mir eine Bedenkzeit von mehreren Wochen. Schließlich würde ich seit achtundzwanzig Jahren hier wohnen, hätte hier meine Freunde und Bekannte, hier wäre ich verwurzelt, hier hätte ich meine Heimat gefunden. Das Haus würde über einen Lift verfügen, die Wohnung sei so gut wie schwellenlos, also behindertengerecht, und sämtliche Einkaufsmöglichkeiten wären nur wenige Schritte entfernt zu finden. Und mit dem Bus wäre ich innerhalb von zehn Minuten in der Arbeit. Er presste mir die Zusicherung ab, dass ich mir das neue Domizil, das man mir zugedacht hatte, zumindest einmal ansehen würde…
… Was ich vor einigen Tagen tat. Der Herr Hausverwalter hatte recht, es liegt in einer sehr ruhigen Gegend, Felder, Wiesen, und ein Waldstück sind binnen kurzem fußläufig zu erreichen. Die Wohnung allerdings ist eine Mansarde, im zweiten Stock, und das Haus hat keinen Aufzug. Die einfache Tour von dort bis in die Residenz dauert mit Bus, der nur alle zwanzig Minuten fährt – am Wochenende sogar noch seltener – eine Dreiviertelstunde. Der nächste Supermarkt liegt ungefähr einen Kilometer entfernt, in einem sogenannten Einkaufscenter, in welchem gut die Hälfte der Läden leer stehen. Die nächste “richtige” Einkaufsmöglichkeit ist in Pasing und würde für mich ausgesprochen ungünstig liegen – zunächst ein längerer Fußmarsch bis zur Bushaltestelle, dann eine längere Fahrt mit zig Haltestellen, und dann wieder ein beachtlicher Fußmarsch bis zu den sogenannten Pasing Arcaden…
… Es dauerte nicht lange, bis ich mich definitiv dazu entschlossen hatte, nicht auf diesen Deal einzugehen, der ohne Zweifel ein ganz deutliches G’schmäckle hat. Ich warte jetzt noch das Ende der Bedenkzeit nach Ostern ab, und werde dann meine Entscheidung vekünden. Und keine Angst haben. Denn dank meiner langen Mietdauer hier von immerhin 28 Jahren, sowie meinem Schwerbehinderten-Status wäre es im Falle eines Falles alles andere als einfach, mich hier heraus zu bekommen…
… Bis dahin werde ich mein neu arrangiertes Leben genießen, die wohltuende Mischung aus Arbeitszeit, die jetzt gut an meine körperlichen Anforderungen angepasst ist, und ausreichend Zeit zum Regenerieren, Entspannen und Leben, Reisen und Entdecken – ich freue mich schon so sehr auf meine nächste Runde Zug-Roulette!…