… Das ist ein ungewöhnlich ruhiger, kleiner, langgezogener Park mitten in Münchens geschäftiger Innenstadt. Der Maximiliansplatz wurde 1808 geschaffen, als man die mittelalterlichen Befestigungsanlagen schleifte, um das neu entstehende Stadtviertel Maxvorstadt in München einzubinden. Neben dem großen Wittelsbacherbrunnen an seiner Südseite befinden sich die Statuen von Max von Pettenkofer, Justus von Liebig, dem Königlich Bayerischen Gartenbaumeister Carl von Effner und des Dichterfürsten Friedrich von Schiller in der Anlage…
… Und dorthin zog es mich am Donnerstag vormittag nach einem Termin bei der Physiotherapie. Manchmal gleicht die Behandlung durch meine Krankengymnastin einer sehr schmerzhaften Folter, vor allem, wenn sie versucht, die tief im Oberschenkel verborgenen Muskel-Blockaden zu lösen. Nach so einer Behandlung sehne ich mich stets nach möglichst viel Ruhe. Heute jedoch wirkte das Geh-Training sehr anregend, ich durfte ungefähr zwanzig Meter ohne Krücken zurück legen, zwar noch mit Hinken, aber immerhin…
… So griff ich also nach Ende der Therapiestunde nach den Gehhilfen und stiefelte wohlgemut los, Richtung Zuhause, längs durch den Maximiliansplatz…
… machte die mittlere der insgesamt drei Ansichten des Nymphenberger Schlosses und der Stadt München, die gegen Mitte des 18. Jahrhunderts von Bernardo Bellotto, besser bekannt als Canaletto, geschaffen wurden, und die nun wieder vereint im Zweiten Vorzimmer der Kurfürstenzimmer der Münchner Residenz zu sehen sind: Zunächst wurde das Gemälde an das Bayerische Nationalmuseum verliehen, danach an eine Wanderausstellung kreuz und quer durch Bayern, anschließend ging es nach Peking, und zum Schluß war die Vedoute etliche Monate Bestandteil der Canaletto-Präsentation in der Alten Pinakothek München…
… Anlässlich der Heimkehr des Gemäldes, welches die Stadt München vom damals noch unverbauten, ländlichen Rücken des Gasteigs aus zeigt, wurden mit einer Spezialkamera etliche Aufnahmen gemacht. Dieser Foto-Apparat sieht auf den ersten Blick recht vorsintflutlich aus, man muss sich sogar wie anno dunnemals ein dunkles Tuch überstreifen, wenn man sich an das Okular begibt. Doch der oberflächliche Eindruck täuscht, das Innere der Kamera, und auch die zahlreichen, dazu gehörigen Objektive sind auf dem neuesten Stand digitaler Foto-Technik…
… Am gleichen Tag löste ein Kollege der Bayerischen Schlösserverwaltung auch ein kleines Rätsel, das mich seit einigen Wochen beschäftigte. Schon oft waren mir in den Kurfürsten- und Reichen Zimmern an den Vertäfelungen kleine Symbole aufgefallen, die zwei schwarzen, an den Spitzen aufeinander gestellten Dreiecken gleichen. Dies sind Vermessungspunkte. Da in jenen Räumen bei der Rekonstruktion nach dem Zweiten Weltkrieg zum großen Teil die ursprüngliche, weit über vierhundert Jahre alte Bausubstanz verwendet worden ist, werden sie zweimal pro Jahr mit Spezialgeräten überprüft, um fest zu stellen, ob sich die Statik der Mauern, Decken oder Böden im Laufe der Zeit verändert hat…
… Etliches Mobiliar in den Kurfürsten-Zimmern stammt von dem renommierten Pariser Kunstschreiner Charles Cressent. Dieser brockte sich gegen Mitte des 18. Jahrhunderts enorm viel Ärger mit einigen Ständen ein. Zur damaligen Zeit durften Schreiner lediglich Holz verarbeiten, Kunstschlosser ausschließlich Metall, Steinmetze nur Marmor, Granit etc. Cressent setzte sich darüber hinweg, indem er seinen Möbelstücken in einer einzigen Werkstätte, seiner eigenen, die vergoldeten Bronze-Figuren und -Verzierungen sowie die Oberflächen aus Marmor anbringen ließ. So wundervoll die Kommoden des Franzosen auch anzuschauen sind, so sind sie doch sehr unhandlich im Gebrauch. Durch die vorne und an den Seiten angebrachten metallenen Schmuckelemente verlieren sie das Gleichgewicht, wenn man eine der Schubladen aufzieht, drohen vornüber zu kippen, und müssen daher gleichzeitig gestützt werden… 😉
… So hieß es am Samstag, 10. 11. 2012, als sich am Münchner Goetheplatz eine Schar von ca. 500 Demonstranten einem Aufmarsch der rechtspopulistischen Gruppierung Pro Deutschland entgegen stellte…
… Eine ausgesprochen gute, geradezu feurige Rede hielt der Oberbürgermeister Christian Ude – aus dem Gedächtnis wieder gegeben folgender Ausschnitt: “… Und wie können wir nun den Braunen Sumpf in unserem Lande trocken legen? Durch persönliches Engagement! Durch ruhiges und sachliches Argumentieren gegen rechtsradikale Sprüche! Durch Hinschauen, durch Beherztheit! Und durch unser Wahlrecht! Dies ist eine unserer stärksten Waffen, die uns die Demokratie, das Grundgesetz in die Hände gegeben hat! Gehen Sie zur Wahl! Jede und jeder von Ihnen! Tragen Sie dazu bei, dass dem Rechtsradikalismus hier in unserem Lande der Boden unter den Füßen weggezogen wird…”
… Danach sahen alle anderen Redner, egal, ob Seppi Schmidt von der CSU-Ratshausfraktion, oder Dieter Reiter, einer der drei nominierten Nachfolger-Kandidaten Christian Ude’s sehr blaß aus. Lediglich Sabine Nallinger, die Kandidatin der Grünen, eine – wie ich finde – sehr sympathische Frau, konnte mit ihren Worten ebenfalls Begeisterung auslösen. Sie sprach davon, dass München seit jeher eine bunte und multikulturelle Stadt gewesen sei, dass die guten Beziehungen vor allem zum Süden Europas viel mit dazu beigetragen hätten, der bayerischen Landeshauptstadt Flair, Pracht und Schönheit zu verleihen…
… Dann folgte die Ermahnung, friedlich und gewaltfrei zu bleiben…
… Und dann kamen sie…
… Ihr seht nix? Kein Wunder! Wurden die etwa zwei Dutzend Damen und Herren von Pro Deutschland von einem Troß von an die 1.000 Polizisten geleitet – damit sie sich von den Teilnehmern der Aktion “München ist bunt!” auch ja nicht fürchten mussten…
… Wir wurden allesamt auch gründlich gefilmt und fotografiert – ich denke mal, dass da so einige Bildchen beim Verfassungsschmutz landen werden…
… Die Kundgebung fand ca. 50 Meter Luftlinie von uns entfernt. Verstanden hat im ganzen Viertel wohl niemand auch nur ein Wort. Trillerpfeifen gellten, Vuvuzelas tröteten, Schlagwerkzeuge klapperten, Folk- und Protestsongs längst vergangener Tage dröhnten aus einer mitgeführten Stereoanlage über den Goetheplatz, dazu skandierten wir pausenlos Sprechchöre: “Nazis raus! Nazis raus!” – “Ob Ost, ob West, nieder mit der Nazi-Pest!” – “Es gibt kein Recht auf Nazi-Parolen!” – “Aufhören! Aufhören! Aufhören!” – “Es lebe die internationale Solidarität! Es lebe die multikulturelle Solidarität!” – “Packt ein und geht nach Hause!” Meine persönlichen Favoriten waren schon nach kurzem: “Ohne Verfassungsschmutz wärt ihr nur zu Dritt!” und “Eure Kinder werden so wie wir!”…
… Nach etwa eineinhalb Stunden setzte sich das kleine Trüppchen Richtung Sendlinger Tor in Bewegung. Dort, in einem abgeschirmten und wieder von Hunderten von Polizisten bewachten Geviert, versuchten die Leutchen von Pro Deutschland erneut, sich Gehör zu verschaffen. Ohne jeglichen Erfolg. Ein- oder zweimal gab es eine Lücke im schier undurchdringlichen, dreireihigen Polizei-Kordon, dann konnte ich einen Blick auf die Rechtspopulisten werfen. Ganz ehrlich, sie wirkten auf mich wie jene Schüler/innen, die man ihrer Unbeholfenheit, Unauffälligkeit, ihrer mickrigen Erscheinung wegen früher nie hat mitspielen lassen. Und meine Erfahrung sagt mir, dass genau diese Menschen in späteren Jahren sehr gefährlich werden können…
… Gegen siebzehn Uhr, nach gut sechseinhalb Stunden, baute der Trupp Pro Deutschland seine Ausrüstung ab, man quetschte sich in einen Kombi, und fuhr davon, geleitet von einer Polizei-Eskorte, die einem Staatsoberhaupt zur Ehre gereicht hätte…
… Mein Fazit: München ist bunt – jaein. So gut wie die heutige Demo auch getan hat – aber fünfhundert von ca. 1.420.000 Einwohnern der Stadt? Eigentlich hätte das ganze Viertel vom Goetheplatz bis zum Sendlinger Tor schwarz sein müssen vor dichtgedrängter Menschen…
… Kurz nachdem ich heute morgen so gegen halb acht Uhr das “Nobelhotel” erreicht hatte, setzte ein Schneesturm ein – und zwar dermaßen heftig, dass ich das Nebengebäude jenseits unseres kleinen Parks kaum mehr erkennen konnte. Danach erinnerte die Welt ringsum eher an Weihnachten denn an Ostern…
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