… Einige Kilometer nördlich des Starnberger Sees durchschneidet die Würm, der Abfluss des großen Gewässers und Namensgeber einer Eiszeit (115.000 bis 10.000 Jahre v. Chr.), das idyllische Mühltal, an dessen Ufern nahe der kleinen Ortschaft Leutstetten in der Tat früher etliche Mühlen betrieben worden waren. Am Ostufer ragt die runde Kuppel des Karslberg hoch, auf dessen Gipfel sich eine mittelalterliche Burg befunden hatte, deren Steine man Mitte des 16. Jahrhunderts zum Bau des Schloss Leutstetten verwendete. Kaiser Karl der Große soll laut Legende in der Nähe geboren worden sein, in der Reismühle von Gauting, wo man heute noch seine angebliche Wiege besichtigen kann, und in seinen jungen Jahren den Bau der Burg in Auftrag gegeben haben. Zudem sollen auf dem Berg drei Jungfrauen umgehen (spuken), die man seinerzeit dazu verdammt hatte, in der Karlsburg einen Schatz zu bewachen…
… Etwas weiter südlich befindet sich ganz nahe eines gut gehbaren Wanderwegs entlang der Würm die Drei Bethen Quelle, deren Wasser heilsame Kräfte zugeschrieben werden. Als Bethen bezeichnete man heilige und heilende Frauen/Göttinnen/Götterbotinnen – Ainpet, Gwerbeth und Firbeth -, die vor Urzeiten im südlichen Bayern und den Nordalpen in Erscheinung getreten sein sollen. Dieser Ort ist lange Zeit eine Art Pilgerstätte gewesen, bis vor gut einem Jahr die Starnberger Obrigkeit durch Gemeindearbeiter die aufgehängten bunten Wimpel, Wunschbänder, kleinen Opfergaben, Steinmänner, Kerzen und eine kleine Madonnenstatue samt Steinsockel entfernen ließ. Zudem installierte man ein Schild, dessen Text vor dem Genuss des Quellwassers warnte, da dieses angeblich mit Bakterien verseucht sei. Da sich die Drei Bethen Quelle inmitten eines Wasserschutzgebiets befindet, darf man den Wahrheitsgehalt des Hinweises durchaus anzweifeln. Und aller Warnungen zum Trotz kommen nach wie vor Tag für Tag viele Besucher:Innen aus nah und fern, um sich regelmäßig mit dem heilkräftigen Wasser zu versorgen…
… Unweit der Quelle befindet sich ein anscheinend verlassenes und halb verfallenes Anwesen, welches die Phantasien meiner Wanderbegleiterin Karin und mir stark anregte, wir spekulierten darüber, wer dort wohl mal gelebt haben mag, ob da vielleicht ein Geist umgeht, und wie wir Haus und Stadel für das nahe Halloween dekorieren würden… 😉
… Etwa zwei Kilometer in westlicher Richtung entfernt liegt der dritte Punkt des Magischen Dreiecks, das Grab der Seherin in einem ausgedehnten Waldstück oberhalb des Mühltals und nahe eines ehemaligen S-Bahnhofs. Der Archäologe Julius Naue entdeckte dort im 19. Jahrhundert nach ausgiebigen Forschungen an die zwanzig wahrscheinlich keltische Hügelgräber. So gut wie alle wurden in der Zwischenzeit geplündert. In einem der Gräber fand man das gut erhaltene Skelett einer Frau samt zahlreicher wertvoller Beigaben, unter anderem die Darstellung eines Sonnenrades in ihrer rechten Hand, was darauf schließen ließ, dass es sich bei der Verstorbenen um eine sehr hoch gestellte Person, vermutlich eine Druidin, gehandelt hatte. Schon seit langem ist diese Ruhestätte, die im Volksmund als Grab der Seherin bezeichnet wird, ein Pilgerort. Während des NS-Regimes wurde das Betreten des Hügels strengstens untersagt, man räumte die Gruft vollständig aus und sandte die sterblichen Überreste der Druidin samt ihres Schmucks ins Archäologische Museum Berlin. Seit den heftigen Bombenangriffen gegen Ende des Zweiten Weltkriegs gelten sie offiziell als verschollen, es geht allerdings auch die Legende um, dass eine sehr ranghohe Nazigröße sich diese Schätze in den Kriegswirren unter den Nagel gerissen haben soll…
… Das Grab der Seherin gilt nach wie vor als Kraftort. Es ist von einer Unzahl bunter Wimpel, Gebetsfahnen, Glöckchen, Muscheln, Federn und Wunschbändern verziert. Trotz des beinahe unentwegt nur wenige Meter entfernten hin und her brausenden Zug- und S-Bahn-Verkehr strahlt dieser keltische Grabhügel eine schöne und friedvolle Ruhe aus…
… Karin und ich hielten uns eine Weile dort auf, in Gedanken versunken und in der Phantasie auf den Spuren der längst vergangenen Kultur der Kelten, und der geheimnisvollen Frau, die vor etlichen Jahrtausenden an diesem Ort ihre letzte Ruhestätte gefunden hatte. Dann wanderten wir langsam zurück nach Petersbrunn, ca. 4 Kilometer nördlich von Starnberg, wo unsere schöne Herbstwanderung ihren Anfang genommen hatte…
… Auch in Petersbrunn gibt es eine angeblich heilkräftige Quelle, über der man vor vielen Jahren eine kleine Kapelle errichtet hatte. Den Born hat man inzwischen in Beton gefasst und mit einem schweren Gullideckel versiegelt…
