… Nach einer langen, unzeitgemäß warmen und regenreichen Phase war Mitte der Woche der Winter zurück gekehrt, mit Temperaturen um den Gefrierpunkt und einem zunächst hauchzarten Anflug von frischem, trockenem Schnee…
… Ich traf mich mit einem guten Freund aus dem hohen Nordosten am Walchensee, wir wollten dort ein wenig auf der lang gezogenen Halbinsel Zwergern wandern. Da wir uns eine geraume Weile nicht mehr gesehen hatten, gab es natürlich sehr viel zu erzählen und zu diskutieren, so spazierten wir dahin, genossen die klare Winterluft und die Fotomotive, die sich uns ab und an darboten, und achteten weder auf die Zeit noch auf die zurückgelegte Entfernung. Wir waren schon fast wieder in Sichtweite des großen Campingplatzes, in dessen Nähe W. seinen Wagen geparkt hatte, als mir die Kraft ausging. Mühsam schleppte ich mich nun voran. „Na, sieh an, da bist‘ jetzt doch no ned so fit wie gedacht.“, ging mir durch den Kopf. Mir war, als hätten wir allerhöchstens fünf Kilometer zurückgelegt. Das Erstaunen war ziemlich groß, als unsere Schrittezähler anzeigten, dass wir ca. siebeneinhalb Kilometer weit gewandert waren. „Doch, verdammt noch mal, ich BIN wieder fit! Haha!“, trompetete ich begeistert. „Da haben wir uns jetzt aber eine deftige Brotzeit mehr als verdient.“, meinte der W., und so fuhren wir nach Mittenwald, um uns in einer alteingesessenen Wirtschaft zünftig zu stärken…
… Ein stattlicher Bauernhof auf der Halbinsel Zwergern…
… Auf einer Koppel ließen sich dick befellte Hochlandrinder das kräftigende Heu schmecken…
… Und zwei farbenprächtig schillernde, stolze Gockel wachten über eine eifrig scharrende und pickende Hühnerschar…
… Die zarten Strukturen des hauchfeinen, frisch gefallenen Schnees. Man konnte noch deutlich die kristalline Sternform der einzelnen Flocken erkennen…
… Das kleine Barockkircherl St. Margareth thront nahe der Spitze der Halbinsel und ist eines der Wahrzeichen des Walchensees und seiner Umgebung. Es wurde bereits Mitte des 14. Jahrhunderts errichtet, und gegen Ende des 17. Jahrhunderts umgebaut. 1807 ersteigerten die drei Bauern der Halbinsel Zwergern das Kircherl, 1902 verkauften die Nachkommen es an den Freistaat Bayern zurück. Ob heutzutage noch Gottesdienste dort stattfinden, konnte ich leider nicht herausfinden…
… Nach einem für mich als schwer Gebehinderte doch etwas schweißtreibenden Aufstieg im runden, hölzernen Pavillon sitzend, den unser Märchenkönig Ludwig II. auf dem Gipfel des Herzogstands dereinst hat errichten lassen, schmeckt die Brotzeit bei dem Ausblick auf den Walchensee und die wunderschöne Berglandschaft draußen doppelt so gut…
… zog es mich vergangenen Montag. Es versprach, ein nicht allzu heisser aber heiterer Sommertag zu werden, optimal für die Realisierung eines Ausflugs, den ich wie viele andere Vorhaben auch bereits seit längerem geplant hatte. Ich hatte vor, nach beinahe dreißig Jahren mal wieder das Walchensee-Wasserkraftwerk an der Südseite des Kochelsees zu besichtigen…
… So spazierte ich vom Bahnhof aus wohlgemut los, allerdings nur bis unterhalb des Franz-Marc-Museums, dort wartete ich geduldig auf das Motorschiff „Herzogstand“, denn die Fahrt über den See bis zur Haltestelle Altjoch nahe des Krafwerks schien mir deutlich schöner und abwechslungsreicher als Wandern auf dem Fußweg, der sich großenteils direkt neben der viel befahrenen Bundesstraße befindet…
… Ich musste nicht lange ausharren, nach einem Viertelstünderl legte die „Herzogstand“ leise brummelnd an und ich begab mich an Bord…
… Das Walchenseekraftwerk liegt von Kuhweiden und Wäldern umgeben in einer Senke am Fuß des Kesselbergs, eines gut achthundertfünfzig Meter hohen Hügelrückens, der den Walchensee vom etwa dreihundert Meter tiefer sich befindenden Kochelsee trennt. Von der Bootsanlegestelle Altjoch aus ist es binnen weniger Minuten leicht zu Fuß zu erreichen, es gibt dort auch einen großen Besucherparkplatz samt „Steckdose“ für E-Fahrzeuge…
… Geplant hatte man das Elektrizitätswerk bereits Ende des 19. Jahrhunderts, Vordenker war der bayerische Bauingenieur, Elektrotechniker, Wasserkrafttechniker und Begründer des Deutschen Museums Oskar von Miller. Die Errichtung des Walchenseekraftwerks samt des Isarwehrs und -kanals bei Krün, der Jachenschleuse an der Ostseite des Walchensees, der Untertunnelung des Kesselbergs und des Baus des sogenannten Wasserschlosses sowie der Hauptgebäude von bis zu 2.000 Arbeitern, großenteils arbeitslose ehemalige Soldaten des Ersten Weltkriegs, dauerte von 1918 bis 1924…
… Etwa zweihundert Meter oberhalb der Kraftwerkshallen thront das sogenannte Wasserschloss in der Flanke des Kesselbergs. Hinter dem Bauwerk befindet sich das ca. 10.000 Kubikmeter fassende, zehn Meter tiefe Auffangbecken für die Wassermassen, die unterhalb von Urfeld am Walchensee in einem gemauerten Tunnel durch den Berg strömen, und dann in sechs Druckrohren, die sich nach unten zu etwas verjüngen, Richtung Turbinenhalle schießen…
… Seit 1983 ist das Walchenseekraftwerk ein Industriedenkmal, die Turbinenhalle kann täglich zwischen 10:00 und 17:00 Uhr besichtigt werden, zudem gibt es ein großes und modernes Informationszentrum mit sehr detaillierten Einblicken in die Entstehungsgeschichte und sämtliche technische Details…
… In der großen Maschinenhalle befinden sich vier Francis- sowie vier Pelton-Turbinen, es ist laut dort und die Wände vibrieren, genauso wie der Boden, nicht nur im Kraftwerk, sondern im Umkreis von etwa dreißig Metern! Aber eben auch faszinierend anzusehen, wie aus der Kraft des zu Tal schießenden Wassers jene geheimnisvolle Elektrizität entsteht, ohne die wir uns das Leben und den Alltag überhaupt nicht mehr vorstellen können…
… Die tassenförmigen Schaufeln einer Pelton-Turbine…
… Nachdem ich mich satt gesehen hatte, trat ich langsam den Weg zur Bushaltstelle Altjoch an, etwa einen Kilometer vom Kraftwerk entfernt. Ein Wegweiser mit der Inschrift „Rißbach-Fälle“ verlockte mich jedoch nach wenigen hundert Metern bereits zu einem Umweg. So verließ ich die schmale geteerte Straße und schlug mich auf einem etwas unbequemen Pfad einer kleinen Schlucht folgend bergwärts durch die Büsche. Ganz knapp unterhalb des großen Rißbach-Falles, der etwa zwanzig Meter über eine Felskante in die Tiefe stürzt, fand mein Forscherdrang leider ein jähes Ende – eine steinige Stufe erwies sich als ein wenig zu hoch für mich. Ein Weilchen suchte ich mit zusammengebissenen Zähnen nach einem möglichen Umweg, gab mich dann aber geschlagen und trat – ausnahmsweise einmal! – der Vernunft folgend den Rückweg an…
… Nach kurzem Marsch auf der alten Kesselbergstraße hatte ich den Kochelsee wieder erreicht, und nach kurzem Warten bog der DB-Bus 9611 Richtung Bahnhof um die Kurve…
… Fährt oder wandert man an der Westseite des Walchensees entlang, dann fällt einem bald schon ein kapellenartiges Gebäude am bewaldeten Ufer der lang gestreckten Halbinsel auf, das sogenannte Klösterl. Nach einer Dokumentation der Sendereihe „Unter unserem Himmel“ des Bayerischen Fernsehens, die sich mit den Menschen rund um den Walchensee befasste, und die im Spätwinter ausgestrahlt worden war, hatte ich es mir ganz fest vorgenommen, in den warmen Jahreszeiten dieses Anwesen einmal näher in Augenschein zu nehmen…
… Kurz entschlossen packte ich am Montag meinen Rucksack und zog los…
… Es war zwar mit ca. dreißig Grad Celsius im Schatten recht warm, doch der Wanderweg entlang der Westseite der Halbinsel Zwergern, eigentlich ist es eine schmale und asphaltierte Straße, verläuft großenteils im wohltuenden Schatten dichten Waldes. Und entlang des Sees wehte ständig eine erfrischende leichte Brise…
… Blick auf das gegenüber liegende Wikingerdorf Flake…
… Nach überraschend kurzem und angenehm leichtem Marsch hatte ich das Klösterl erreicht…
… Es war im Jahr 1688 durch den Einsiedlermönch Pater Onuphrius als Sitz für dessen kleine Eremitengemeinde, Hieronymiten genannt, gegründet worden, auf Veranlassung der bayerischen Kurfürstin Maria Antonia. Man erbaute ein zweigeschossiges Gebäude mit einer barocken Kapelle im Erdgeschoss und den darüber liegenden Wohnräumen der Mönche. Durch verstärkte Fürbitten der Gottesmänner sollte sich ihr Wunsch nach einem Kind erfüllen – nach vier Jahren schenkte die Tochter des österreichischen Kaisers Leopold I. einem Sohn das Leben…
… Dem Abt von Benediktbeuern war das Klösterl stets ein Dorn im Auge, es gab unablässig Streitereien wegen der Jagd- und Fischereirechte am Walchensee, zudem ging der Umsatz der Klosterwirtschaft rapide zurück, da die Hieronymiten auf Zwergern ihr eigenes Bier brauten. 1725 wurde die St. Anna geweihte Enklave aufgegeben und die Mönche nach München übersiedelt. 1803 kam im Zuge der Säkularisation das Klösterl in Besitz des bayerischen Staates, und diente bis 1960 den Walchenseer Pfarrern als Wohnhaus. Nachdem es in den folgenden Jahren dem Verfall preisgegeben und geplündert worden war, wurde es in den Achtzigern gründlich und sorgfältig renoviert, und wird nun vom Bistum Augsburg als Jugendbildungshaus genutzt. Leider kann man das bemerkenswerte Anwesen nur am Sonntag Vormittag besichtigen…
… Diese Möwe war so riesig, dass ich sie zuerst für einen Reiher hielt, als sie plötzlich über dem Katzenkopf genannten, dicht bewaldeten Hügelrücken auftauchte, der sich in der Mitte der Halbinsel befindet…
… Nun hätte ich ja eigentlich wieder den Rückweg antreten sollen, denn ich hatte mein Ziel ja erreicht. Aber wie das bei mir nun mal so ist – ich wollte unbedingt noch nachschauen, was sich hinter der nächsten Wegbiegung verbarg – und so stiefelte ich wohlgemut weiter…
… An der doppelzüngige Spitze von Zwergern befindet sich der Treffpunkt der Kitesurfer, die im rasanten Spiel mit dem frischen Wind über die weite Fläche des Walchensees glitten…
… Nur wenige Schritte entfernt befindet sich die Einöde Zwergern, mit einem stattlichen, alten Bauernhof, sowie der nahen hübschen kleinen Barockkirche St. Maragareth…
… Jetzt wieder zurück gehen wäre Dummfug, dachte ich bei mir. Denn mit Sicherheit wäre der Rückweg nun schon ein Gutteil weiter als die Distanz, die auf dem Rundweg noch vor mir liegt. So spazierte ich frohgemut voran, immer gemütlich durch sanft gewellte Bauernwiesen, auf welchen ich zu meiner großen Freude eine Vielzahl interessanter Blumen entdeckte. Und Zittergras – was habe ich das in meiner Kindheit geliebt, weil es so schön raschelte und bebte, wenn ein Lufthauch es erfasste…
… Nach kurzer Wanderung im heißen Schein der Sommersonne umfing mich wieder der dichte, kühle Mischwald…
… Nun wandte sich der Weg scharf nach rechts und es ging ordentlich bergan, ich musste einige Male ein Päuschen einlegen, um neue Kräfte zu sammeln. Und der Abstieg an der Westseite des Katzenkopfes war des lockeren Schotters wegen auch nicht ohne. Am Campingplatz vorbei, um das südwestliche Ende des Sees, dann hatte ich den Ausgangspunkt meiner Tour, den Gasthof Edeltraut, wieder erreicht. Mit ein klein wenig zittrigen Knien, aber ziemlich stolz auf mich, denn immerhin hatte ich wieder einmal an die sechs Kilometer Wegstrecke zurück gelegt…
… Nach einem Viertelstünderl Warten, das ich im angeregten Gespräch mit zwei Stuttgarter Touristinnen verbrachte, kam einer meiner Lieblingsbusse der DB-Linie 9608 und kutschierte mich zum Garmischer Bahnhof. Natürlich schwelgte ich während der Fahrt in den herrlichen Ausblicken auf die Umgegend – Blick auf das Kircherl von Wallgau/Krün mit dem Karwendel-Massiv dahinter…
… Meine nächste Tour ist bereits geplant, sie wird mich wohl wieder in die Mittenwalder Gegend führen. Aber erst, wenn der Höhepunkt der jetzigen Hitzewelle überschritten sein wird…
… Anfang September hatte ich ja zwei schöne Tage nahe des Herzogstands verbracht, eines ca. 1730 Meter hohen Berges nordwestlich des Walchensees, der zum Estergebirge gehört, einer der Lieblingsgipfel König Ludwigs II., mit einer herrlichen Sicht ins Alpenvorland und auf die prachtvolle, imposante Gipfelkette der Nordalpen . Eigentlich hatte ich vorgehabt, dort hoch zu stiefeln, hatte aber dann, da ich allein unterwegs war, das Wetter sich als recht unbeständig erwies, und der Tag schon fortgeschritten war, an einer ziemlich lehmigen, rutschigen und von schroffem Gestein durchsetzten Wegstelle klugerweise beschlossen, die Tour abzubrechen…
… Auf den Herzogstand zu steigen ging mir allerdings nicht mehr aus dem Kopf. Zur Zeit weilt ein sehr lieber Freund in den Bergen bei Leutasch, unweit der Walchensee-Gegend. Er erklärte sich gerne dazu bereit, mit mir auf Wanderschaft zu gehen und zur Seite zu stehen…
… Gestern war es dann so weit. Einen prachtvolleren Tag hätten wir uns für eine Bergtour nicht aussuchen können. Langsam aber stetig ging es bergwärts, über die teilweise für Untrainierte doch etwas kniffligen Stellen über Stock und Stein in den Spitzkehren des an sich recht mäßig nach oben führenden Weges half mir die stützende und kräftige Hand des Freundes. Es dauerte eine geraume Weile – doch dann war der Gipfel des Herzogstands erreicht. Ich glaube, ich habe vor Freude, Stolz und Begeisterung heller gestrahlt als die Herbstsonne…
… Meine Wenigkeit, die Gipfel“stürmerin“ – Bild verwendet mit freundlicher Genehmigung von Yitzhak Rothstein… 😉
… Blick vom Gipfel gen Süden…
… Weitere Aufnahmen des herrlichen Bergpanoramas folgen demnächst. Heute hänge ich ein wenig in den Seilen, denn diese Bergtour hat meine stark reduzierten körperlichen Kräfte natürlich schon sehr beansprucht. Aber das nehme ich nur zu gerne in Kauf, für nichts auf der Welt würde ich den gestrigen Tag missen wollen…
… Ich suchte mir auf halber Wegstrecke zurück zum Berggasthaus einen guten Standplatz und beobachtete gefesselt und hingerissen, die Kamera stets im Anschlag. Das war teilweise schon furios und höchst malerisch, anrührend, andächtig stimmend, was sich da zwischen Himmel, Walchensee und den Berggipfeln und -massiven ringsum abspielte…
… Je näher die Sonne dem steil abfallenden Südhang des Martinskopfes kam, umso mehr hatte es den Anschein, als würde das schöne Wetter, das Licht die Oberhand gewinnen…
… Wie eine gigantische Flutwelle wirkte die zurückgedrängte Schlechtwetterfront…
… Ein letztes Mal grüßte die Sonne hinter den hoch aufragenden Bäumen hervor…
… Ganz langsam, die herrlich klare, sehr kalte und würzige Bergluft tief einatmend, jeden Eindruck in mich aufnehmend, schlenderte ich die letzten Meter zurück zu meinem Nachtquartier. In der Wirtsstube hatten sich inzwischen die anderen Gäste versammelt, ein junges japanisches Pärchen und einige Familien, man aß, war ins Spielen, Plaudern oder Lesen vertieft. Ich genoss einen wohltuend heißen Glühwein, und begab mich dann langsam zu Bett…
… Neulich, es war nach meiner schönen Fahrt mit dem neuen Lieblingsbus von Kochel nach Garmisch, erzählte mir eine FB-Freundin, die mir ans Herz gewachsen ist, dass sie vor einigen Jahren zusammen mit ihrem Freund ein paar Tage im Berggasthaus Herzogstand nahe des gleichnamigen Gipfels verbracht hatte, und wie herrlich und gemütlich es dort gewesen war. Je mehr ich darüber nachdachte, umso stärker wurde die Sehnsucht, wieder einmal eine Weile fernab der Großstadt in den Bergen zu verbringen. Da Übernachtungen im Berggasthaus lediglich mit Vorreservierung möglich sind, setzte ich mich an den Laptop, und sandte nach einigem Guggeln meine Anfrage ab. Einen Tag später kam die Bestätigung, dass man am Freitag, 7. September, ein Zimmer zur Einzelbenutzung für mich bereit halten würde…
… Ausgerechnet für diesen Tag war die Wettervorhersage alles andere als berauschend. Aber ich wollte die Reservierung nicht mehr rückgängig machen. Auch egal, dann nehme ich mir halt ein gutes Buch mit, Hauptsache, ich bin wenigstens für einen Tag und eine Nacht raus aus dem städtischen Trubel, ohne Internet, ohne Fernsehen…
… Von Walchensee aus dauerte die Fahrt mit der Bergbahn lediglich etwa zehn Minuten. Ich war weit und breit der einzige Passagier. Mal hob, mal senkte sich die Bewölkung, es wirkte, als würden himmlische Mächte einen zähen Kampf miteinander ringen…
… Der Weg von der Bergstation der Seilbahn hinüber zum Gasthaus war höchst komfortabel, breit, ganz sanft senkte er sich, stieg dann wieder leicht an. In meinen früheren Bergwanderzeiten hätte ich so etwas verächtlich als „Touristen-Autobahn“ bezeichnet, aber am Freitag war ich höchst dankbar dafür…
Walchensee
Vermutlich eine Enzianart
In den Bergen sind leise Töne angesagt.
… Der bayerische König Maximilian II., Vater des unglückseligen „Märchenkönigs“ Ludwig II., hatte unweit des jetzigen Anwesens an der Flanke des Martinskopfes, dem Nachbargipfel des Herzogstands bereits um 1857 ein Jagdhaus errichten lassen. Acht Jahre später wurde von Ludwig II. ein wenig oberhalb das sogenannte Königshaus erbaut, in dem er sich viele Male aufgehalten hatte. Nach dem immer noch höchst mysteriösen Tod des „Kini“ ging der Bau in den Besitz Bayerns über, und wurde als Gast- und Bettenhaus der Münchner Sektion des Alpenvereins genutzt. Ein Großbrand, ausgelöst durch einen defekten Kamin, vernichtete in der Nacht von 19. auf 20. November 1990 das Anwesen bis auf die Grundmauern. Auf diese errichtete man den Neubau, der Anfang August 1992 eröffnet worden war…
… Oberhalb des Berggasthauses befindet sich der Martinskopf, am rechten Bildrand sieht man den Herzogstand, auf dessen Gipfel nach wie vor ein Pavillon steht, der von König Ludwig II. zum Rasten und Brotzeit machen genutzt worden war…
… Die bronzene Büste Ludwigs II. unweit des Berggasthauses…
… Man begrüßte mich in der sauberen und rustikalen Unterkunft sehr freundlich, und wies mir das winzige Zimmerchen zu, in welchem ich die Nacht verbringen würde. Die Einrichtung bestand aus den beiden Betten, zwei Nachtkästchen, einem Stuhl und einem winzigen Tischchen – aber mehr hatte ich auch gar nicht nötig. Ein kleines Stück weiter den Flur entlang befanden sich die Gemeinschaftswaschräume und Toiletten…
… Ich richtete es mir rasch ein, schnallte die Kameraweste samt Knipse um und stiefelte nach unten. Dank des unbeständigen Wetters war die große Wirtsstube fast leer, und es hatten sich auch nur wenige weitere Gäste zum Übernachten angesagt. Nach dem herzhaften Genuss einer Riesenportion sehr feinen Schweinebratens machte ich mich auf den Weg Richtung Herzogstand. Zunächst lief alles sehr gut, der Weg war immer noch breit und hervorragend ausgebaut. Doch dann, nach etwa einer Viertelstunde, gelangte ich am Joch zwischen Martinskopf und Herzogstand an eine für meine Verhältnisse recht ungute Stelle – feuchter Lehmboden trat zutage, gespickt mit scharfkantigem und recht bröckelig aussehendem Gestein, und keine Latschen weit und breit, an denen ich mich notfalls hätte festhalten können. Da es bereits auf den Abend zuging, und ich mutterseelenallein auf weiter Flur war, beschloss ich, mein Vorhaben abzubrechen…
… Am Joch befand sich eine Bank. Ich ließ mich nieder, um mich ein wenig auszuruhen. Mein Blick fiel auf den gegenüberliegenden Fahrenberg und die kleine Kapelle, die seinen Gipfel krönt, und die allmorgendlich in den Wetterbildern des BR zu sehen ist. Nun gut, dann gehe ich eben dort hoch…
… Zehn Minuten sollte der Weg vom Berggasthaus zur Kapelle dauern. Ich benötigte dreimal so lang, und kam dabei ganz ordentlich ins Schwitzen. Denn Steinstufen und Bodenwellen, rutschig anmutende Stellen und Steilstücke, über die ein Gesunder mit flottem Schritte hinweg marschiert, stellen für mich inzwischen beinahe unüberwindliche Hindernisse dar. Stur wie ich war, wollte ich nicht schon wieder klein beigeben, und mich fleißig der üppig wuchernden Latschen bedienend, an denen ich mich nach oben ziehen konnte, näherte ich mich allmählich dem Kapellchen. Oben angelangt war ich dann allerdings so fix und fertig, dass mir sogar die Lust am Fotografieren abhanden gekommen war – und das geschieht höchst selten!…
… Blick von der Fahrenberg-Kapelle auf den Kochelsee…
… Für den Abstieg wählte ich die Route hinunter zur Bergstation der Seilbahn – auf den ersten Blick sehr leicht, doch teilweise waren die steinernen Stufen recht hoch, und bereiteten mir Mühe. Doch dann hatte ich endlich, endlich wieder den schönen Weg zum Berggasthaus erreicht. Auf einer Bank versuchte ich eine geraume Weile, mich zu erholen, und die von der Anstrengung bebenden Knie zu beruhigen…
… Inzwischen hatte sich die sinkende Sonne den nahen Berggipfeln genähert, am Himmel und rings um mich wechselten immer noch blaues Firmament mit Nebelschwaden und dunklen Wolken, es mutete nun noch intensiver als am Nachmittag wie der Kampf zwischen Licht und Dunkel, Gut und Böse an…
… Im Jahr 1958 wurde mit viel Aufwand und einigen Weltstars – Tony Curtis, Kirk Douglas, Janet Leigh, Ernest Borgnine – der Hollywood-Streifen „The Vikings“ gedreht. Für manche Szenen benötigte man den Nachbau eines Wikingerdorfes, das zunächst historisch getreu in Norwegen errichtet worden war. Leider hatte man damals nicht nur an 57 von 60 Drehtagen schlechtes Wetter, nein, zu allem Überdruss traten auch noch die engagierten einheimischen Statisten und Handwerker in den Streik! Kurzerhand verfrachtete der Regisseur seinen Stab, die Darsteller, sowie das komplette Dorf an die Sachenbacher Bucht im Walchensee, was in dieser damals noch recht beschaulichen Gegend natürlich zu viel Aufsehen geführt hatte…
… Auch die Außenaufnahmen der dem Film nachfolgende, 39-teilige TV-Serie „Tales of the Vikings“, in der Kirk Douglas in einigen Folgen die Regie führte, und Christopher Lee eine der Hauptrollen spielte, wurden großenteils am Walchensee gedreht. Seinerzeit wurden sogar etliche Mitglieder des dortigen Trachtenvereins als StatistenInnen angeheuert, die, von lang wallenden, blonden Haaren umflort, auf ihrem schnittigen, imposanten Schiff von Raub- und Feldzügen zurück kehrende Helden begeistert winkend zu begrüßen hatten…
… Fünfzig Jahre nach dem Dreh von „The Vikings“ erweckte Bully Herbig für seine Adaption der Zeichentrick- und Comicserie „Wickie“ Teile des alten Filmdorfes zu neuem Leben. Nach Abschluss der Dreharbeiten wurden fünf Hütten von Flake, der Heimat des quirligen kleinen Wikingerbuben, nahe der Ortschaft Walchensee wieder aufgebaut, sie können mittlerweile kostenlos besichtigt werden – das detailgetreu nachgebaute Schiff befindet sich allerdings leider in Münchens Filmstadt Geiselgasteig. Eine Handvoll großer Schautafeln erzählen nicht nur sehr detailliert und aufschlussreich von der bewegten Vergangenheit der einstigen Filmkulissen, sondern informieren auch über die Geschichte der Wikinger….
… Allein wegen des kuriosen Umstandes, mitten in den bayerischen Bergen ein Wikingerdorf vorzufinden, lohnt sich ein Besuch von Flake. Und aufgrund des zwischen dicht und dunkel bewaldeten Bergrückens mitunter geheimnisvoll türkis schimmernden Walchensees gewinnt man mit etwas Phantasie duchaus den Eindruck, sich in der nordischen Heimat jenes längst vergangenen Volkes zu befinden, das die Weltgeschichte vor tausend Jahren so dramatisch beeinflusst hatte…
… In Kochel hätte ich beinahe eine Stunde auf den Zug Richtung München warten müssen. Na, macht nix, dachte ich mir, dann drehe ich bis dahin eine kleine Runde durch den Ort, und mach‘ ein paar Bilder von schönen Häusern, die mir während der Fahrt aufgefallen waren. Nach einer kurzen Toilettenpause kam ich an einem Bus der DB-Linie 9608 vorbei, Ziel: Garmisch-Partenkirchen. Bevor ich’s mich versah, war ich auch schon eingestiegen…
… Es war eine herrliche Fahrt! Zunächst ging es am südöstlichen Rand des Kochelsees entlang, dann schraubte sich die Straße in etlichen kühnen Windungen und Haarnadelkurven durch dichtes Waldgebiet höher und immer höher, bis zum Pass Kesselberg. Hinter uns lag tief unten der dunkelgrüne Kochelsee, vor uns die türkisfarbene, von Bergen umrahmte, weite Fläche des Walchensees, dem wir, erneut in rasanten Kehren, entgegen eilten. Die Busroute folgte dem südlichen Ufer, und wandte sich dann gen Mittenwald, und von dort hinunter Richtung Garmisch-Partenkirchen. Voller Begeisterung klebte ich förmlich an der großen Fensterscheibe, und versuchte, in Gedanken festzuhalten, was ich mir in Zukunft genauer ansehen möchte. Und natürlich zu fotografieren, um einige virtuelle Eindrücke von dieser herrlichen kleinen Reise mitnehmen zu können…
… Am Garmischer Bahnhof hatte die Fahrt dann nach gut eineinhalb Stunden ein Ende – und leider auch meine Euphorie, denn beim Aussteigen musste ich voller Schrecken feststellen, dass mir meine zum Gehen so dringend benötigten Wanderstöcke abhanden gekommen waren. Ich vermute, dass ich sie auf der Bahnhofstoilette in Kochel habe stehen lassen…
… Nachdem ich mich wieder gefasst hatte, beschloss ich, mir unverzüglich ein neues Paar Stöcke zu besorgen, in Garmisch gibt es ja zum Glück mehr als genug Sportgeschäfte, da würde ich mit Sicherheit fündig werden. So tapperte ich los, zunächst sehr unsicher und voller Angst vor einem Sturz. Ohne die Gehhilfen kam ich mir so hilflos vor! Mittlerweile war es kurz vor neunzehn Uhr, und zu dieser Zeit schließen anscheinend leider in Garmisch die meisten Läden. Immer weiter entfernte ich mich vom Bahnhof, immer weiter stelzte ich Richtung Marienplatz. Endlich, endlich fand ich ein Geschäft, das noch geöffnet hatte. Ich hatte inzwischen ungefähr fünfhundert Meter zurück gelegt und fühlte, wie allmählich die Kräfte zu versiegen begannen…
… Bereits nach kurzem Suchen fand ich ein Paar guter, im Preis sogar ziemlich reduzierter Wanderstöcke. Als ich sie nach dem Bezahlen auf die passende Höhe einstellte, lösten sich Unsicherheit und Anspannung in einem so tiefen Schnaufer, dass mir ganz kurz regelrecht schwarz vor Augen wurde. Auf dem Weg zurück zum Bahnhof vermeinte ich, vor lauter Erleichterung und Wohlgefühl zu schweben…
… Als ich kurz nach Acht im Zug Richtung München saß, verspürte ich ein kleines bisschen Bedauern, dass ich nun nicht wie eigentlich vorgesehen den Sonnenuntergang am Staffelsee würde fotografieren können. Ganz groß jedoch war meine Dankbarkeit für diesen schönen Tag, und dass meine Unternehmungen doch noch ein so glimpfliches Ende genommen hatten…
… Die folgenden Aufnahmen habe vom fahrenden Bus aus gemacht, was wegen der raschen und unruhigen Bewegungen sowie der Spiegelungen im Fenster immer eine zweifelhafte und der Qualität abträgliche Angelegenheit ist… 😉
Erster Blick auf den Walchensee
Walchensee
Walchensee
Bei Krün
Karwendel
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