… Während der Fußball-WM 2006 lud mich mein irischer Kumpel und Arbeitskollege Johnny an einem neblig trüben Nachmittag in seine irische Lieblingskneipe ein, im Untergeschoss eines stattlichen Bürgerhauses nahe der Leopoldstraße gelegen. Die irische Nationalmannschaft trat gegen die Elf eines der Golfstaaten an, es war ein Achtelfinal-Spiel. Wir hatten uns rechtzeitig eingefunden, denn Johnny hatte mir prophezeit: „Eine halbe Stunde vor Anpfiff wird es hier sehr eng werden, Martha.“ Da der Schankkellner einer seiner ungezählten guten Spezln war, durften wir es uns in einem schummerigen Eck hinter der Theke gemütlich machen, und hatten einen unverstellten, feinen Blick auf den riesigen Bildschirm, der uns gegenüber an der Wand hing…
… Binnen kurzem herrschte im Lokal eine Stimmung, als würde es sich bei der Partie um das Endspiel handeln. Das dunkle Guiness und Whiskey flossen in Strömen, bei jedem gelungenen Spielzug der Iren wirbelten grüne Hüte und Mützen, irische Flaggen und Schals in allen Größen und Variationen durch den halbdunklen Raum…
… Die irische Nationalmannschaft gewann – dass der Sieg recht knapp ausgefallen war, störte niemanden. Man fiel sich lachend und jubelnd in die Arme, tanzte voller Freude, und beschloß dann spontan, eine kleine – unangemeldete und nicht genehmigte – Parade auf der Leopoldstraße zu veranstalten. So lud man mit viel „Hurray!“ ein Fäßchen Guiness und einige Tabletts Gläser auf einen Leiterwagen, welcher behende mit einem wilden Gestrüpp künstlicher Kleeblätter dekoriert worden war, und zog voll der überschäumenden Lebensfreude lärmend los. Die herbei eilenden Ordnungskräfte ließen Milde walten, und dirigierten den Feierabendverkehr behutsam um die ausgelassen Feiernden herum…
… Es war bereits finster, als ich mein Rad vorsichtig gen Zuhause schob, fahren getraute ich mich nicht mehr, ich hatte dem großzügig ausgeschenkten Freibier gar eifrig zugesprochen. Die wilden, sanften, wehmütigen, übermütigen Melodien irischer Volksweisen, die in mir noch nachklangen, wiegten mich rasch in einen traumlosen Schlaf…
