… IM WALD-VENEDIG…
… Obwohl ich an sich eine Langschläferin bin, treibt es mich auf Reisen stets mit dem Morgenrot aus den Federn. So auch diesmal, seit aller Herrgottsfrüh schon abmarschbereit wartete ich am 29. Juli ungeduldig darauf, dass man endlich den Frühstücksraum öffnen würde. Mit Genuss schichtete ich dann mehrere Semmeln, eine gut sortierte Aufschnittplatte, gekochtes Ei, Joghurt und eine Kanne schwarzen Tees in mich hinein, um dann mit der Tram gen Bahnhof zu zuckeln…
… Die Fahrt von Cottbus nach Lübbenau dauerte grade mal ein gutes Viertelstünderl, da der Ortsbus nur einmal pro Stunde fährt, und fünf Minuten vor Ankunft des Regionalzugs den Bahnhof passiert hatte, begab ich mich auf Schusters Rappen die fast eineinhalb Kilometer lange Strecke zur Ortsmitte und zum Kleinen Hafen. Kurz zuvor nebelte ich mich von oben bis unten kräftig mit Autan ein, denn man hatte mich bei der Reiseplanung bereits auf die überaus lästigen und zahlreichen Stechviecher im Spreewald hingewiesen…
… Und da lagen sie auch schon im warmen Glanz der frühen Sommersonne im Wasser, die großen Kähne, bereit, zahlende Gäste in einen faszinierenden Mikrokosmos zu entführen…
… Am hölzernen Ufersteg wartete bereits ein knappes Dutzend Tourist:Innen – nur wenige Minuten, dann kam Oskar, der Spreewald-Gondoliere, der uns nach kurzem Verhandeln auf eine gut vier Stunden dauernde Bootstour nehmen würde…
… Zwei g’standene Oberpfälzer waren mir beim Einsteigen behilflich, nur wenige Minuten später legte der breite Kahn ab, in Fahrt gehalten – gestakt – und gesteuert vom Oskar mit der ca. 4 Meter langen Bootsstange, Rudel genannt, dessen Paddel am unteren Ende metallene Klauen hat, um im oft schlammigen Untergrund Halt zu finden…
… Der Spreewaldkahn ist ein kielloses Gleitboot, knapp zwei Meter breit, und bis zu 9,5 Meter lang. Früher wurde dieses Fortbewegungsmittel aus Eschenholz gefertigt – eine wahre Kunst, auf die sich mittlerweile nur mehr ganz wenige Bootsbauer verstehen. Die modernen Kähne bestehen aus Aluminium. Außenbordmotoren sind nur in ganz wenigen Fällen zugelassen. Auch die Post wird im Spreewald von Frühjahr bis in den Herbst mittels gestaktem Kahn zugestellt, in einer rund neun Kilometer langen Tour durch die zahlreichen Fließe (Kanäle). Und da es in diesem ganz speziellen Landstrich, seit den späten Neunzigern ein Biosphärenreservat, nur ganz wenige befahrbare Straßen gibt, müssen die Bewohner:Innen etlicher Sprengel und Anwesen sämtliche Güter des täglichen Lebens – von Einrichtungsgegenständen bis hin zu Lebensmitteln – mit Muskelkraft übers Wasser transportieren…
… Geologisch wurde der Spreewald in der letzten Eiszeit geformt. Während sich die großen nördlichen Gletscher langsam zurückzogen, entstand eine recht flache Moränenlandschaft mit geringem Gefälle, in welcher die Spree, ein ungefähr 400 Kilometer langer Fluss, der im Lausitzer Bergland seinen Ursprung hat, in zahlreiche Arme mäandernd ein sogenanntes Binnendelta bildet…
… Laut unserem Gondoliere Oskar hatte allerdings dereinst der Teufel den Spreewald erschaffen. Mit zwei Ochsen vor einem mächtigen Pflug wollte er die Spree aufbrechen und vertiefen. Doch die Zugtiere waren ungemein störrisch, sie zogen mal nach links, mal nach rechts, und hinterließen so eine Unmenge an Furchen und Rinnen. Der Teufel verlor nach kurzem schon die Geduld, brüllend und wutschnaubend zog er sich in die Hölle zurück, die Ochsen stapften unbeirrt noch eine Weile weiter… 😉
… Der Oskar wusste viel Wissenwertes über Land und Leute zu erzählen. Manchmal allerdings blieb er still, dann verstummten binnen kurzem auch sämtliche Gespräche an Bord, und wir hörten nur mehr das sanfte Gluckern und Plätschern des Kahns und das vielstimmige Singen der Vögel in den dichten Kronen der Bäume. Kleine und große Libellen, in allen Farben schillernd, spielten graziös über dem Wasser, Enten dösten entspannt am Ufer, Fische glitten träge unter uns dahin. Den stillen Frieden, den ich dabei empfand, habe ich in meinem Herzen bewahrt…
… Kanu mit niedlichem, vierbeinigem Steuerwuff… 😉
… Ein großer Heustaken. Die würden sich immer rarer machen, so Oskar. Denn ein Biosphärenreservat dürfe landwirtschaftlich nur mehr sehr eingeschränkt genutzt werden. Viele Landwirte hätten daher in den vergangenen drei Jahrzehnten aufgegeben, auch Gurkenbauern würde es im Spreewald mittlerweile nur mehr zwei, drei geben. Häufig würde man aufgrund der Nachfrage sogar Gurken importieren müssen…
… Nicht nur im nahen Osten gibt es einen Suez-Kanal, auch wenn dieses Fließ in der Nähe des Spreewalder Dorfes und Freilichtmuseums Lehde nur wenige hundert Meter lang ist… 😉
… Demnächst geht es mit meinem Bericht von der herrlichen Kahnfahrt durch den Spreewald weiter. Habt ein feines und unbeschwertes Wochenende, ihr Lieben!…