… Meine Lieben, ich bin am Donnerstag gut hier in Höhenried angekommen. Gefahren wurde ich von einem schneidigen Ambulanzdienst-Chauffeur, der fortwährend auf alle anderen Verkehrsteilnehmer schimpfte und einen recht heißen Reifen drauf hatte…
… Bereits kurz nach dem Einchecken wurde mir ein ziemlicher Schrecken verpasst, wenn ich daran denke, wie übel das hätte ausgehen können, schaudert’s mich immer noch. Man hatte die Toilette im kleinen Badezimmer meines Etablissements mit schönem Blick auf den weitläufigen Klinik-Park zwar mit einer Sitzerhöhung versehen, diese aber nicht festgeschraubt. Als ich mich nach Verrichtung meines Bedürfnisses langsam erheben wollte, kippte ich samt „Thronaufbau“ seitlich weg, wenn ich mich nicht ganz schnell am Türgriff festgehalten hätte, dann wäre ich gestürzt…
… Höhenried hat den „Charme“ und die „Wärme“ eines Flughafen-Terminals, und die Wege, die man zu seinen Anwendungen, zum Essen, zum Park etc. zurück legen muss, sind viel zu weit für Gehbehinderte. Warum es kein Laufband gibt, das den Patienten/innen die Fortbewegung erleichtern würde, ist mir ein Rätsel…
… An meinen ersten beiden Tagen bekam ich ständig um die Ohren gehauen, was ich alles noch nicht können würde – grade mal acht Tage nach der Operation. Am Donnerstag Nachmittag war ich dermaßen fertig, dass mich das heulende Elend packte, ich weinte und schluchzte mich bis tief in die Nacht hinein durch ein schier endloses und finsteres Tal der Tränen…
… Von Donnerstag an bis Sonntag morgen hat sich niemand um eine Wundversorgung der langen und tiefen Narbe gekümmert, lediglich die Stationsärztin hatte sie beim Aufnahmegespräch inspiziert, ohne die durchsichtige und wasserfeste Auflage zu lösen, und alles für gut befunden. Während dieser Konsultation erhielt Frau Doktor einen privaten Anruf, der eine geraume Weile dauerte. Ich saß unterdessen da wie bestellt und nicht abgeholt und kam mir ziemlich dumm vor…
… Am Freitag fiel mir zum ersten Mal ein unangenehmer Geruch auf, ich dachte, dieser würde trotz gewissenhafter Körperpflege meinem Intimbereich entströmen. Fieberhaft untersuchte und wusch ich sämtliche unteren Gemächer, doch das Rüchlein wollte nicht weichen. Am Samstag morgen sah ich beim Blick in den Spiegel, dass sich der untere Teil der Narbe verändert hatte, er schien mir gerötet und seltsam aufgetrieben. Ich bat den diensthabenden Pfleger darum, sich die Wunde anzusehen. Er warf einen kurzen Blick darauf und meinte dann achselzuckend, dass alles in Ordnung sei…
… In der Nacht von Samstag auf Sonntag wurde der Gestank so stark, dass ich mehrmals davon wach wurde. Als ich daran ging, mich aus dem Bett zu hieven, spritzte eine dunkelbraune und übel riechende Flüssigkeit unter dem Pflaster hervor. Ich war zu Tode erschrocken, zitterte auf dem kurzen Weg bis zum sogenannten Stations-Stützpunkt, um mir die tägliche Thrombose-Spritze abzuholen, wie Espenlaub, und wäre einmal ums Haar gestrauchelt, so weich waren mir die Knie geworden. Ich hatte ganz großes Glück, eine Schwester erbarmte sich meiner, sie löste das Duschpflaster und nahm endlich, endlich die Narbe in genauen Augenschein. Ein Teil davon hatte sich entzündet, um einige Klammern hatten sich Eiterherde gebildet. Schwester A. zog die Klammern, was sehr schmerzhaft war, reinigte und desinfizierte und verpasste mir eine neue und saubere Wundauflage…
… Sie legte mir nahe, so bald als möglich die Narbe von einem Stationsarzt nachuntersuchen zu lassen. Seit zwei Stunden warte ich heute, am Montag, darauf, dass endlich ein Weißkittel auftaucht. Bislang erfolglos…
… Am liebsten würde ich die Koffer packen und verschwinden. Ich bin seit Donnerstag vormittag hier, hatte noch keine einzige Anwendung, und manchmal überkommt mich das ungute Gefühl, dass sich in all diesen Tagen mein Zustand so gut wie gar nicht zum Besseren verändert hat…
… So, jetzt mache ich mich zum dritten Mal auf die Strümpfe, um einen Arzt zu suchen. Ich grüße euch von Herzen, habt es fein…
