… Im Nu – so kam es mir vor – hatte der Fernbus den Comer See erreicht. Das Wetter war zwar nicht berauschend, aber doch wesentlich besser als während der Fahrt nach Mailand. Meine Nikon streikte unverständlicherweise, als ich angesichts eines bezaubernden Ausblicks den Auslöser drücken wollte. Halblaut schimpfte ich vor mich hin und bedachte die Kamera mit nicht gerade schmeichelhaften Ausdrücken, da kamen wir bei Chiasso auch schon an die Schweizer Grenze. Das Glück war uns hold, nach einer einfachen Paßkontrolle durften wir unbehelligt die Reise fortsetzen…
… Der Luganer See…
… Dieses Foto habe ich aufgenommen, während wir auf jenem Damm den wunderschönen und verästelten See überquerten, der diesen seit den sechziger Jahren höchst barbarisch in zwei Teile schneidet. Dieses „Bauwerk“, diese Vergewaltigung einer verzaubernden Naturschönheit hat mir schon auf der Fahrt nach Mailand ins Herz geschnitten, insgeheim wünschte ich, eine Flut möge kommen, und diesen Damm wegspülen – natürlich nur, wenn niemand sich darauf befinden würde. Wäre es mit den heutigen technischen Mitteln nicht weitaus schonender und sinnvoller, den See mittels einer Brücke zu überspannen?…
… Erneut schraubte sich der Reisebus ungezählten Kehren folgend durch das Tessin hoch zum San Bernardino. Als wir die düstere und unheimliche Schlucht der Via Mala passiert hatten, rissen Wolken- und Hochnebeldecke auf, und strahlend blauer Himmel kam zum Vorschein…
… Majestätisch, voller Schroffen und Kanten, schier himmelhoch ragend präsentierten sich die Schweizer Berge im vorabendlichen Sonnenschein…
… Mit einem feinen Alpenglühen möchte ich meine Mailand-Reisereportage schließen. Es ist mir eine große Freude und Ehre gewesen, euch virtuell in diese wundervolle Stadt mit zu nehmen, und ich danke euch allen sehr für euer Lob, und daß ihr meine Begeisterung und Freude mit mir geteilt habt…
… Am Donnerstag morgen fuhr ich, nachdem ich im Hotelchen hingebungsvoll das Frühstücksbufett geplündert und dann ausgecheckt hatte, zuerst mit dem E-Bus der Linie 92 zur Stazione Centrale, um dort meinen Koffer zur Aufbewahrung zu geben, denn bereits um Viertel nach Zwei würde ich vom Busbahnhof Lampugnano aus den Heimweg antreten (müssen). Anschließend sauste ich noch einmal zurück Richtung Hotelchen, weil ich da an einer Straßenecke unbedingt noch ein Haus fotografieren musste…
… Für’s erste zufrieden mit mir, der Stadt und dem Leben gondelte ich an Bord historischer Trambahnen der Linien 5 und 1 ein wenig durch Mailand, bis zum Largo Cairolo, einige hundert Meter nordöstlich der Piazza il Duomo gelegen. Das Castello Sforzesco hatte ich mir als heutigen Besichtigungs-Schwerpunkt auserkoren…
… Vom Largo Cairolo aus hat man, am Garibaldi-Reiterstandbild vorbei, das gleich einer Statue von König Vittorio Emanuelle II. in keiner italienischen Ortschaft fehlen darf, die etwas auf sich hält, einen ersten Blick auf den hochragenden Uhrenturm der Festung. Das weiß-gläserne, pyramidenförmige Gebilde davor gehört zu jenen EXPO-2015-Bauwerken, die bereits jetzt Schwammerln gleich aus dem Mailänder Boden sprießen. In diesem hier wird kräftig Werbung für die Weltausstellung gemacht, in einem benachbarten, welches sich links davon befindet, rühmt man Milano als Radfahrerstadt der Zukunft – nun, ja…
… Beim Näherkommen entpuppt sich das Castello als eine Trutzburg stattlichen Ausmaßes. Unter dem hoch aufragenden Uhrenturm zelebriert ein zeitgemäß gewandetes Pärchen mittelalterliche Weisen. Und in dem mittlerweile ausgetrockneten und begrünten Burgraben sind etliche Haufen imposanter Kanonenkugeln zu bestaunen…
… Erbaut wurde das Castello Sforzesco nach dem dem Ableben Filippo Maria Visconti, der an gleicher Stelle sein Stadtschloß hatte, welches 1447 geplündert und zerstört worden war, im Jahre 1450 durch den Herzog Francesco Sforza, dem neuen Herrscher Mailands. Das Adelsgeschlecht der Sforza fühlte sich wohl innerhalb der wuchtigen Mauern und Türmen, und führte ein grandioses Leben voll der rauschenden Feste…
… Als im Jahre 1521 während einer solchen Festlichkeit ein Blitz mit viel Getöse in den Uhrenturm einschlug, wurden viele der Geladenen von einem schrecklichen Gefühl des Ungemachs erfasst. Dieses sollte sie keinesfalls trügen, denn nur wenige Augenblicke später flogen ihnen die Trümmer der halben Burg um die Ohren, da man im Uhrenturm Unmengen von Schießpulver geladen hatte, welches nun in einer verheerenden Explosion detonierte. Erst im Jahr 1880 restaurierte man die Festung wieder…
… Im sogenannten Cortile delle Milizie, in welchem die Truppen des Herzogs gedrillt wurden. Auch hier entdeckt man seltsame, vogelähnliche „Spuren“ der bevorstehenden EXPO…
… Im Hof der Rocchetta…
… Vom hinteren Tor aus hat man einen guten Blick auf den Arco della Pace am westlichen Ende des anschließenden kleinen Parks…
… Noch ein paar „Rundum-Impressionen“…
… Auf eine Besichtigung der Museen in der Festung musste ich aus Zeitgründen leider verzichten, dabei hätte mich der von dem großen Leonardo da Vinci ausgemalte Salle delle Asse schon sehr interessiert. Doch ich fügte mich darein, und tapperte wieder Richtung Largo Cairolo, nicht ohne voller Neugierde Blicke auf die stattlichen Wohnhäuser links und rechts zu werfen. In einem von ihnen soll angeblich Umberto Ecco samt seiner atemberaubenden Bibliothek sein Domizil haben. Natürlich hoffte ich insgeheim ein wenig, den Großen Meister höchstselbigst zu erblicken, doch das Glück war mir – diesmal – nicht hold… 😉
… Rumpelnd, ratternd und quietschend trug mich eine alte Tram Richtung Domplatz, nur wenig später holte ich in der Stazione Centrale meinen Koffer ab, und sauste per Metro hinaus nach Lampugnano. Der Bus Richtung München kam pünktlich, und ich nahm mit einem großen Seufzen des Bedauerns Platz…
… Ich verließ die Galleria Vittorio Emanuelle II. durch das nördliche Portal und steuerte mein nächstes Ziel an, welches nur wenige Meter entfernt jenseits eines kleinen Platzes und einer sehr verkehrsreichen Straße liegt…
… Bautechnisch ist die Mailänder Scala eher schlicht und bescheiden gehalten, doch hinter der fast schmucklosen Fassade ist eines der weltberühmtesten und namhaftesten Opernhäuser zu finden…
… Da ich ja selber etliche Jahre in einem sehr renommierten Theater, der Bayerischen Staatsoper, gearbeitet hatte, stand ein Besuch der Scala auf meiner Muss-Sehen-Liste ganz weit oben. Um eine relativ teure Karte für eine Führung durch das gesamte Haus hätte ich mich schon Wochen zuvor bemühen müsen, dazu hatte ich der Wiesn wegen weder die Zeit noch die Energie. So betrat ich durch einen Seiteneingang das Theater-Museum, und ließ mich eine lange Weile von den Büsten berühmter Komponisten, Dirigenten und Interpreten/innen, Gemälden und Modellen früherer, stürmisch gefeierter Inszenierungen, prachtvollen Kostümen in der umfangreichen Bibliothek und einem recht witzigen Kurzfilm über die Entstehung eines Lego-Modells der Scala verzaubern…
… Das obere Foyer wird von einer Büste Arturo Toscanini’s beherrscht, der seinerzeit geradezu fanatisch mit Mussolini und den Faschisten sowie dem ollen Adolf sympathisiert hatte, sich mit zunehmendem Alter dann jedoch energisch von seinen vergangenen Anwandlungen distanzierte. An der Westseite des Mailänder Doms soll sich übrigens eine unter dem Duce dort angebrachte Statue des Meisters befinden…
… Der geniale Giuseppe Verdi. Mein Vater hat ihn sehr verehrt, und auch ich liebe seine Musik…
… Die Duse und Maria Callas, zwei legendäre Opern-Diven…
… Natürlich war es auch möglich, von einigen der oberen Logen aus einen Blick in das rotsamtene Rund des Zuschauerraums und auf die Bühne zu werfen. Dort studiert man grade eine Ballett-Inszenierung ein – Tschaikowsky’s „Romeo und Julia“…
… Nachdem ich ein gehöriges Quentchen Theaterluft förmlich in mich hinein gesogen hatte, spazierte ich den Corso Vittorio Emanuelle II. und den Corso Venezia hoch – zwei Kilometer lang ein Mode- und Design-Geschäft nach dem anderen, schreiend bunt, und – wie ich fand – sehr ermüdend, da ich absolut kein Shopping- bzw. Mode-Fan bin. Mit meinen opulenten Rubens-Rundungen hätte ich in jenen Etablissements, wo die Modelle der Kleidergröße 38 bei den XLarge-Gestellen eingeordnet sind, ohnehin nichts gefunden…
… Mailand rüstet sich voller Energie und Schaffensdrang – mit meiner Meinung nach nicht immer positiven Ergebnissen – auf die Expo 2015, die von Mitte Mai bis Mitte Oktober in Italiens Wirtschaftsmetropole statt finden wird. Dieses in Stein gehauene Pärchen auf der Piazza St. Babila dient quasi als Anreißer für die Weltausstellung…
… Kurz darauf waren meine „Akkus“ leer, ich war körperlich völlig zerschlagen, und konnte auch geistig nichts mehr aufnehmen. Mit der Metro und der alten Tram Nr. 5 ließ ich mich zurück zum Hotelchen gondeln, wo ich alsbald ins Bett sank, sogar zum Abendessen bin ich zu müde gewesen…
… Ein weiteres höchst imposantes und bemerkenswertes Bauwerk Mailands ist in in unmittelbarer Nähe des Domes zu bestaunen: Die kreuzförmige Galleria Vittorio Emanuelle II., eine wunderschöne, von einem gewölbten Glasdach überspannte Einkaufspassage. Errichtet wurde sie von 1865 bis 1867, die kühne, kreisrunde Kuppel über dem Kreuzungsoktogon befindet sich in 47 Metern Höhe. Die hoch ragenden Portale gemahnen an eine Art Tempel – und das ist die Galleria schließlich auch…
… Hier befinden sich ausschließlich Läden, die – angeblich – das Nobelste und Modernste zur Schau stellen. In Mailand’s „Guter Stube“ konnte ich herrlich einer Lieblingsbeschäftigung, Menschen bebachten, fröhnen, und stieß dabei auf recht interessante Typen, von Polizisten/innen in schmucken, nostlagisch wirkenden Uniformen angefangen über einen renovierenden Fassadenkletterer, der ungeniert einer ägyptisch anmutenden Schönheit auf dem Arm bzw. der Nase herum turnte, eleganten Damen und Herren beim Shoppen, den omnipräsenten, weltreisenden Asiaten bis hin zu ärmlichen Indern und Schwarzafrikanern, welche Regenschirme, bunt geflochtene Armbänder und Spielzeugcowboys feil boten – letztere klapperten elektronisch wiehernd über den spiegelblanken Marmorboden, und erregten meine Heiterkeit, doch bevor der dunkelgesichtige Händler zum Anpreisen seiner Ware ansetzen konnte, eilte ich davon, mein nächstes, und sehr nahes, Ziel ansteuernd…
… Wie ein fettes Untier hockt das klobige Bauwerk der Stazione Centrale im Norden des Mailänder Stadtzentrums. Mit der Errichtung wurde 1912 begonnen, fertig gestellt wurde der Hauptbahnhof allerdings erst Mitte der dreißiger Jahre. Markige, ungefüge Heroen und Friese aus der Faschistenzeit Mussolini’s zieren die Hallen…
… Schon nach wenigen Minuten Aufwärtsfahrt auf einem der langen Rollbänder stand ich unvermittelt vor dem MilanoTourismPoint, und kam aus dem Staunen nicht mehr heraus, warum ich diesen Shop am Abend zuvor partout nicht gefunden hatte. Binnen weniger Minuten waren alle Formalitäten abgewickelt, und ich hielt die noch in der Sonntag Nacht online bestellte MilanoCard in den Händen…
… Wenn man nur sehr begrenzt Zeit hat, eine Stadt zu erkunden, muss man Prioritäten setzen. Ich hatte daher schon im Vorfeld beschlossen, mich auf einige wenige Sehenswürdigkeiten zu konzentrieren. Daher begab ich mich nun Richtung Metro. Das Netz der insgesamt drei Linien – an einer vierten wird derzeit gebaut, bis zur Expo 2015 will man damit fertig sein – erschließt Mailand vortrefflich…
… Er füllt das gesamte Gesichtsfeld aus, wenn man vom Untergeschoss mit der Rolltreppe nach oben fährt – il Duomo, der berühmte Mailänder Dom…
… Auf dem weit, sehr weit sich öffnenden Vorplatz strudeln bereits in den frühen Vormittagsstunden rund um die Reiterstatue des italienischen Königs Vittorio Emmanuelle II., dem Mailand viel zu verdanken hatte, die Menschenmassen. Reiseführer/innen stürmen mit hoch erhobenen Regenschirmen oder Fähnchen ihren mehr oder weniger fügsam folgenden Herden voraus, Pärchen lassen sich händchenhaltend scheinbar ziellos treibend, Kinder verlieren sich im Spiel mit den ungezählten Tauben. Etliche sitzen auch nur ruhig auf den breiten, blank gewetzten Stufen des Denkmals, gefangen von der Atmosphäre, die Szenerie förmlich in sich hinein trinkend…
… Im Jahr 1386 begann man mit der Errichtung des Doms. Er sollte an Größe und Pracht alle anderen italienischen Kathedralen übertreffen. Fertig wurde die drittgrößte Kirche der Christenheit erst Ende der fünfziger Jahre des letzten Jahrhunderts…
… Wie benommen umrundete ich einige Male dieses unglaublichen Bauwerk. Wie wuchtig, und doch so feingliedrig! Wie unermesslich und den Atem beraubend! Es würde Tage, vielleicht sogar Wochen brauchen, sich diese Schöpfung aus Bögen, zierlichen Türmchen, Friesen und ca. 2300 Statuen zu verinnerlichen!…
… Einen erschütternden Kontrast zum hellen, beinahe strahlenden Äußeren des Mailänder Doms bildet die kühle Düsternis im Inneren. Die schlanken Stützpfeiler ragen so hoch auf, daß sich das Gewölbe beinahe im Dunkeln verliert und stellenweise nur zu erahnen ist…
… Auf dem Dach des Doms, welches man per Lift – sehr teuer! – oder über ca. 300 Stufen erreichen kann, verstärken sich, während man an fein ziselierten Türmchen vorbei und unter schwungvollen Stützbögen hindurch spaziert, das Staunen und die Ehrfurcht über die kühne Kunstfertigkeit der Erbauer. Leider, leider, leider ist es immer noch so nebelverhangen gewesen, daß die ebenfalls beeindruckende moderne Skyline Mailands nur zu erahnen gewesen ist…
… Meine Unterkunft ist eigentlich eher als „Hotelchen“ zu bezeichnen, denn alles daran und darin ist winzig – mein Zimmer, die Rezeption, welche wie die winzige Bar und die ebenfalls winzigen zwei Frühstücksräume im Souterrain liegt. Eine ziemlich steile und enge Treppe führt dort hinab, und die Zimmerchen in den verwinkelten Fluren sind allesamt nur über mehrere Stufen erreichbar. Aber dennoch kann ich das „Hotel Ideale“ in der Viale dei Mille 60 in Mailand wärmstens empfehlen, der umsichtigen, sorgfältigen, liebenswürdigen, familiär anmutenden Betreuung wegen…
… Das Frühstücksbufett ließ trotz der Winzigkeit der Räumlichkeiten keine Wünsche offen, von einer großen Auswahl an Eierspeisen über heimische Marmeladen und Honig, Wurst und Käse, Fruchtsäfte, bis hin zu mehreren ganz eindeutig selbstgebackenen Kuchen war zu meinem großen Entzücken – ich bin Frühstücksbufett-Fetischistin! – alles zu finden, um eine solide Grundlage für einen langen Tag zu schaffen…
… Danach machte ich mich wohlgemut auf die Strümpfe, Richtung Stazione Centrale, denn ich musste ja meine MilanoCard abholen. Ich tauchte ein in verwinkelte Straßenzüge voll stattlicher, wunderschöner Bürgerhäuser, denn mein Hotelchen befindet sich am östlichen Rand eines noch sehr ursprünglichen, vom Mode- und Design-Wahn der Innenstadt so gut wie unbeleckten Viertels. Hier, zwischen der Viale dei Mille, der Porta Venezia und dem Corso di Porta Vittoria, sind sie nach wie vor zu finden, die kleinen Lädchen und Handwerksbetriebe, in den Bar-Caffés stehen die hemdsärmligen Handwerker und kleinen Angestellten beim Morgenkaffee an den Tresen, und nicht die geschniegelten, gestriegelten, geleckten Typen, wie sie im Terrain rund um den Duomo zuhauf zu finden sind…
… Voller Entzücken hätte ich am liebsten jedes Haus, jeden malerischen Innenhof fotografiert…
… Nachdem ich mich zum ersten Mal an diesem Tag satt gesehen und müde gewandert hatte – mir steckten immer noch die Anstrengungen des Oktoberfestes ganz ordentlich in den Knochen – enterte ich eine der historischen, sorgfältig renovierten, aus den dreißiger Jahren des vorigen Jahrhunderts stammenden Straßenbahnen Mailands. An Bord der Linien 1, 5 und 33 kann man für sehr wenig Geld regelrechte Stadtrundfahrten unternehmen. Ratternd, quietschend, bimmelnd und ruckelnd schob sich das Gefährt durch die Gassen Richtung Stazione Centrale…
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