… Wandern in den Bergen ist im Herbst am schönsten. Man ist häufig allein auf weiter Flur, die Luft is herb, klar und frisch. Die große Sommerhitze liegt hinter uns, die Temperaturen bewegen sich schon im einstelligen Bereich. So macht das Dahinschreiten richtig Freude. Und der Blick auf die in zarte Dunstschleier gehüllte Berggipfel ringsum sowieso…
… Wie gelenkig Kühe sein können, obwohl sie oft so schwerfällig wirken…
… Auf meiner langsamen, von vielen kleinen Zwischenhalten unterbrochenen Wanderschaft kam ich auf dem Scheitelpunkt des seit Krün sachte ansteigenden Hügelrückens an einen Reiterhof. Ein sehr hübscher Bayerischer Warmblut-Wallach wurde nach einer längeren Krankheitspause an der Longe bewegt, um wieder Kondition aufzubauen…
… Das war ein richtig verschmitzter Schmuser, der, nachdem ihm seine junge Besitzerin die Longe abgenommen hatte, sofort auf mich zugetrabt kam, und mit großen, seelenvollen Augen und sanft schnaubend um einen Leckerbissen und Streicheleinheiten bettelte…
… Die Vegetation der naturbelassenen Bauernwiese wuchert so üppig und hoch, dass man schon genau hinschauen musste, um die darin weidende Ziegenherde zu entdecken…
… Junge Schwalben und Pferde warteten mehr oder wenig geduldig auf Futter…
… Weit gleitet der Blick über die Wiesen und Wälder…
… Immer wieder tauchte ich tief ein in den Artenreichtum der Bauernwiesen beiderseits des Wegs…
… Die für die Gegend um Mittenwald und Krün charakteristischen Buckelwiesen entstanden am Ende der sogenannten Würmeiszeit aus sogenannten Drumlins, langgezogenen Bodenwellen, die vom zusammengeschobenen Schotter der Gletschermoränen gebildet worden waren. Durch Frost, Wasserläufe und Verkarstungsprozesse kamen im Laufe der Zeit die buckelartigen Formationen zustande…
… Am späten Nachmittag hatte ich mein Ziel erreicht, den kleinen Schmalensee nahe Mittenwald. Leise hoffte ich, die beiden Fischreiher sehen zu dürfen, die ich im Herbst in der Abenddämmerung dort hatte kreisen sehen, aber leider war mir diesbezüglich das Glück nicht hold…
… Kurz nachdem ich mich an der nahen Haltestelle niedergelassen hatte, bog auch schon der Bus Richtung Garmisch Partenkirchen um die Ecke…
… Diese Wanderung wollte ich eigentlich schon am vergangenen Dienstag unternehmen. Doch als sich der Bus meiner Lieblingslinie 9608 dem Dorf Krün näherte, verhießt der Blick aus dem Fenster nichts Gutes, tief und schwarz hingen an den Bergflanken die Wolken und plusterten sich zusehends auf. So blieb ich sitzen und ließ mich gemütlich gen Garmisch Partenkirchen gondeln…
… Am Donnerstag war die Wetterlage wieder weitaus besser, so packte ich meinen Rucksack und machte mich nach der Zug- und Busfahrt im Krüner Ortsteil Bärnbichl wohlgemut auf den Weg…
… Schon bald entdeckte ich linkerhand eine still grasende und ruhende Schafherde. Ich blieb eine geraume Weile stehen und beobachtete, und ließ den ganz besonderen Frieden, der von diesen Tieren ausgeht, auf mich wirken…
… Auf meinen Touren darf ich immer wieder voller Hoffnung und Freude erkennen, dass bei etlichen Landwirten wohl inzwischen ein Umdenken eingesetzt hat. Immer häufiger finden sich neben den turbo-gedüngten und recht leblos wirkenden, einförmig grünen „Heu-Plantagen“, die fünf- bis sechsmal im Jahr gemäht werden, üppig wuchernde und blühende Wiesen, in denen es vor vielgestaltigem Leben nur so brummt, hüpft, summt, fliegt und krabbelt. Und duftet! Der Duft einer Sommerwiese ist mit Worten kaum zu beschreiben – süß, würzig, aromatisch, verlockend, belebend, verzaubernd…
… Die kleine Kapelle Maria Rast…
… Als ich unweit der Kapelle diesen Wegweiser entdeckte, musste ich schmunzeln. Einmal auf einem Teil des Jakobwegs zu wandern, ist seit etlichen Jahren, bevor die heimtückische Muskelerkrankung mit all ihren unguten und schwächenden Auswirkungen sich deutlich bemerkbar machte, ein Traum von mir gewesen. Nun hat sich dieser Wunsch völlig überraschend am Donnerstag für eine Strecke von etwa vier Kilometern endlich erfüllt…
… Ein Teil des im Norden Krüns liegenden Estergebirges…
… Zwischen dichten Wäldern lugt der Barmsee hervor, an dessen Ufer ich im März ein nicht ganz ungefährliches Abenteuer erlebt hatte…
… Ein Hausrotschwänzchen erteilte seinem Nachwuchs anscheinend Unterricht im Insektenfangen, wohlweislich der Einfachheit halber auf einer kurz geschorenen „Heu-Plantage“…
… Es war angenehm warm, mit einem gelegentlichen, erfrischenden, sanften Windhauch, der über den ganz sachte ansteigenden Hügelrücken strich, auf dem der Wanderweg, eine schmale, asphaltierte Straße, verlief. Die großen, schroff und mächtig aufragenden Gipfel des Karwendels und des Wettersteingebirges trugen leider Wolkenhauben. Nun ja, die werden sich bestimmt ein andermal wieder in all ihrer Pracht und Herrlichkeit zeigen…
… Bevor der Fluss, der Süd- und Niederbayern fast dreihundert Kilometer lang von Nord nach durchquert, und bei Deggendorf in die Donau mündet, nahe der Ortschaft Krün aufgestaut wird, macht er seinem vermutlich aus dem Keltischen stammenden ursprünglichen Namen Ysura = die schnell Fließende, Reißende alle Ehre…
… Da am Dienstag die Hitze noch aushaltbar war, und es mich unwiderstehlich erneut in die Mittenwalder Gegend zog, beschloss ich, von Krün aus einige Kilometer weit durch das obere Isartal zu wandern. Nach der Fahrt mit einem meiner Lieblingsbusse – die DB-Linie 9608 – hatte ich endlich Gelegenheit, den schönen, im Jahr 1697 erbauten Gashof „Zur Post“ in Krün, das kleine, barocke Kircherl und das Rathaus samt seiner schönen Lüftlmalerei zu fotografieren, bevor ich mich Richtung Isar wandte…
… Das Wettersteinmassiv und die Zugspitze…
… Der eingeschlagene Weg, der mich mal östlich mal westlich entlang der Isar südwärts führte, war ein sehr interessanter Natur-Erlebnispfad, der mittels zwanzig großer Schautafeln sehr lehrreiche Einblicke in die Biologie und Geologie der Region vermittelt…
… Seit 1924 wird die Isar bei Krün mit einem etwa fünf Meter hohen Wehr aufgestaut. Früher leitete man die gesamten Wasser des Flusses in einen Kanal zum Walchensee-Kraftwerk um, was der Biodiversität des Flusslaufs mit seinen breiten, sich beständig verlagernden Kiesbetten enormen Schaden zugefügt hatte. Seitdem sich zum Glück ab den neunziger Jahren des letzten Jahrhunderts ein Umweltbewusstsein entwickelt hatte, zweigt man nur mehr ungefähr vierzig Prozent der Isar ab, 2012 errichtete man an der Westseite des Wehrs eine Fischtreppe, so dass die heimischen Forellenarten wieder ungehindert ihre Laichzüge flussaufwärts durchführen können …
… Am Isarstausee…
… Der Flusslauf mit seinem sich ständig verändernden und mäanderndem Bett, den Kies- und Geröllbänken, kleinen stehenden Gewässern zwischendrin bietet einer Vielzahl an Tieren und Pflanzen Lebensraum…
… Ein Buchfink beäugte mich neugierig…
… Und an einen jungen Grünfink konnte ich mich erstaunlich nahe heranpirschen…
… Zartgeflügelte Schönheiten tummelten sich zuhauf im Schilfsaum des Stausees…
… Und weil ich grade das schöne und interessante Buch „Die Wiese“ des von mir sehr bewunderten Tier- und Naturfilmers Jan Haft gelesen und auch ein bisschen verinnerlicht habe, galt mein besonderes Augenmerk natürlich nicht nur den hoch aufragenden Bergmassiven ringsum und dem Gewässer, sondern auch der vielfältigen Flora ringsum…
… Nach etwa vier Kilometern fand meine Wanderung an der Bushaltestelle nahe des sogenannten Isarknies, einer sehr engen Biegung des Flusses, ein Ende. Ich habe diesen Ausflug wieder einmal sehr genossen, und da gut die Hälfte des Wegs im Waldschatten verlief, musste ich nicht allzu viel unter der Sommerhitze leiden…
… Während der vergangenen Woche trübte oftmals zäher Nebel die große Stadt und auch das südlich gelegene Blaue Land. Obwohl ich solchen Tagen durchaus etwas abgewinnen kann – ich habe keinerlei Problem damit, mich mit einigen guten Büchern, einem vollen Kühlschrank und genügend Vorräten im Küchenregal eine Weile lang einzuigeln – verspürte ich dennoch oft die Sehnsucht nach frischer Luft und Bewegung unter freiem Himmel…
… Als sich nach einigen Tagen das Auflösen der großen, schweren Nebelbänke ankündigte, machte ich mich im WWW nach einer geeigneten Tour kundig, um mir endlich mal wieder ordentlich die Beine vertreten zu können. Nach geflissentlichem Nachdenken entschied ich mich für die Strecke zwischen dem kleinen Flecken Klais und Mittenwald. Das müsste zu bewältigen sein, dachte ich mir. Ausflüge muss ich ja seit langem schon so planen, dass das an guten Tagen zu Fuß machbare Pensum von ca. sechs Kilometern nicht überschritten wird, und ich am Ende der Strecke Zugang zu öffentlichem Nahverkehr habe…
… Wohlgemut und beschwingt schritt ich also am Samstag Nachmittag aus, nachdem ich den Regionalzug am Bahnhof von Klais – dem höchstgelegenen in Bayern – verlassen hatte. Die ersten paar hundert Meter der Tour legte ich auf einer uralten Römerstraße zurück, deren Ursprung sogar noch weiter in der Vergangenheit liegt, denn auch die Kelten haben vor etwa dreitausend Jahren bereits lebhaften Handel mit den Regionen jenseits des Brenners betrieben…
… Das teilweise recht rutschige Gestein und die tiefen, tückischen Fahrtrillen der Via Raetia kosteten viel Kraft, erleichtert legte ich eine kleine Atempause ein, als nach dem Überschreiten einer kleinen Anhöhe im dichten Wald die uralte Straße in einen Sandweg mündete. Gemächlich schritt ich weiter, querte nach einer Weile die Bundesstraße nach Mittenwald sowie die eingleisige Bahnstrecke, und wandte mich den für diese Gegend so charakteristischen Buckelwiesen zu. Leider war der Wanderweg 408 Richtung Mittenwald laut Hinweisschild gesperrt, und die Umleitung machte eine sehr, sehr weite und lange Kehre durch die gewellte Landschaft. Zum Glück erfuhr ich in einem Gespräch mit einer Einheimischen, dass man über einen Feldweg die Tour abkürzen könne. So stiefelte ich ihrem Rat folgend weiter, misstrauisch vom Hofhund eines nahen Bauerngütls beobachtet…
… Es ging stetig bergan, aus der sandigen Fahrspur wurde mit der Zeit ein bisweilen recht holpriger Pfad, der durch die Buckelwiesen schnitt, vorbei an vielen, teilweise recht baufälligen Heuschobern und Stadeln. Ich geriet zweimal ins Stolpern, konnte aber zum Glück dank der Wanderstöcke einen drohenden Sturz vermeiden. Schafe und Pferde grasten friedlich, die Sonne schickte sich an, hinter hochaufragenden Berggipfeln zur Ruhe zu gehen, und über den Zacken, Graten und Schroffen des himmelhohen Karwendelmassivs vor mir stieg der Vollmond auf…
… Als ich den kleinen, sehr idyllisch gelegenen Schmalensee erreicht hatte, der etwa eineinhalb Kilometer vom Mittenwalder Bahnhof entfernt liegt, war mir klar, dass meine Tour dort ein Ende haben würde. Der Sonnenuntergang ließ die Berge ringsum rotgolden erglühen, der Einbruch der Dunkelheit würde nicht mehr lange auf sich warten lassen, und im Finstern wollte ich nicht weiter marschieren. So folgte ich erleichtert dem Wegweiser zu einer nahe gelegenen Bushaltestelle und vertrieb mir die recht kurze Wartezeit damit, fasziniert einen riesigen Graureiher zu beobachten, der über dem See seine Kreise zog. Ein knappes halbes Stünderl später saß ich warm und geborgen im Regionalbus, und nahm mir fest vor, in Bälde noch einmal diese schöne Gegend zu durchwandern…
… In Kochel hätte ich beinahe eine Stunde auf den Zug Richtung München warten müssen. Na, macht nix, dachte ich mir, dann drehe ich bis dahin eine kleine Runde durch den Ort, und mach‘ ein paar Bilder von schönen Häusern, die mir während der Fahrt aufgefallen waren. Nach einer kurzen Toilettenpause kam ich an einem Bus der DB-Linie 9608 vorbei, Ziel: Garmisch-Partenkirchen. Bevor ich’s mich versah, war ich auch schon eingestiegen…
… Es war eine herrliche Fahrt! Zunächst ging es am südöstlichen Rand des Kochelsees entlang, dann schraubte sich die Straße in etlichen kühnen Windungen und Haarnadelkurven durch dichtes Waldgebiet höher und immer höher, bis zum Pass Kesselberg. Hinter uns lag tief unten der dunkelgrüne Kochelsee, vor uns die türkisfarbene, von Bergen umrahmte, weite Fläche des Walchensees, dem wir, erneut in rasanten Kehren, entgegen eilten. Die Busroute folgte dem südlichen Ufer, und wandte sich dann gen Mittenwald, und von dort hinunter Richtung Garmisch-Partenkirchen. Voller Begeisterung klebte ich förmlich an der großen Fensterscheibe, und versuchte, in Gedanken festzuhalten, was ich mir in Zukunft genauer ansehen möchte. Und natürlich zu fotografieren, um einige virtuelle Eindrücke von dieser herrlichen kleinen Reise mitnehmen zu können…
… Am Garmischer Bahnhof hatte die Fahrt dann nach gut eineinhalb Stunden ein Ende – und leider auch meine Euphorie, denn beim Aussteigen musste ich voller Schrecken feststellen, dass mir meine zum Gehen so dringend benötigten Wanderstöcke abhanden gekommen waren. Ich vermute, dass ich sie auf der Bahnhofstoilette in Kochel habe stehen lassen…
… Nachdem ich mich wieder gefasst hatte, beschloss ich, mir unverzüglich ein neues Paar Stöcke zu besorgen, in Garmisch gibt es ja zum Glück mehr als genug Sportgeschäfte, da würde ich mit Sicherheit fündig werden. So tapperte ich los, zunächst sehr unsicher und voller Angst vor einem Sturz. Ohne die Gehhilfen kam ich mir so hilflos vor! Mittlerweile war es kurz vor neunzehn Uhr, und zu dieser Zeit schließen anscheinend leider in Garmisch die meisten Läden. Immer weiter entfernte ich mich vom Bahnhof, immer weiter stelzte ich Richtung Marienplatz. Endlich, endlich fand ich ein Geschäft, das noch geöffnet hatte. Ich hatte inzwischen ungefähr fünfhundert Meter zurück gelegt und fühlte, wie allmählich die Kräfte zu versiegen begannen…
… Bereits nach kurzem Suchen fand ich ein Paar guter, im Preis sogar ziemlich reduzierter Wanderstöcke. Als ich sie nach dem Bezahlen auf die passende Höhe einstellte, lösten sich Unsicherheit und Anspannung in einem so tiefen Schnaufer, dass mir ganz kurz regelrecht schwarz vor Augen wurde. Auf dem Weg zurück zum Bahnhof vermeinte ich, vor lauter Erleichterung und Wohlgefühl zu schweben…
… Als ich kurz nach Acht im Zug Richtung München saß, verspürte ich ein kleines bisschen Bedauern, dass ich nun nicht wie eigentlich vorgesehen den Sonnenuntergang am Staffelsee würde fotografieren können. Ganz groß jedoch war meine Dankbarkeit für diesen schönen Tag, und dass meine Unternehmungen doch noch ein so glimpfliches Ende genommen hatten…
… Die folgenden Aufnahmen habe vom fahrenden Bus aus gemacht, was wegen der raschen und unruhigen Bewegungen sowie der Spiegelungen im Fenster immer eine zweifelhafte und der Qualität abträgliche Angelegenheit ist… 😉
Erster Blick auf den Walchensee
Walchensee
Walchensee
Bei Krün
Karwendel
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