… Eigentlich hatte ich mir diesen Ausflug schon seit etwa zwei Monaten vorgenommen. Und eigentlich hatte ich heute Mittag gar keine rechte Lust, mich auf den Weg zu machen. Und eigentlich dräuten sich über mir, als ich in Geltendorf die S-Bahn verließ, ganz böse aussehende, dunkle Wolken. Doch dann marschierte ich kurz entschlossen los, und siehe da, als ich die lang gezogene Allee erreicht hatte, die zur im Jahre 1887 gegründeten Stiftsabtei der Missions-Benediktiner führt, hatte sich das drohende Unwetter quasi in Nichts aufgelöst…
… Ich glaube, ich habe heute Nachmittag einen neuen Lieblingsort gefunden…
… Dieser Anblick – allerdings ohne den störenden Baukran – ist es gewesen, der mich während einer Bahnfahrt Ende April gefesselt und seither irgendwie nicht mehr losgelassen hatte…

… Die Landschaft rund um die recht große Klosteranlage samt kleinem Dörfchen, Gärtnerei, landwirtschaftlichem Betrieb, Bienenzucht, Bahnhof, und einem Hofladen, den ich am liebsten leer gekauft hätte, ist unspektakulär, sanft geschwungene Felder, Wiesen, durchsetzt mit Wäldern – und gerade deshalb so beruhigend, befreiend, entschleunigend, Harmonie vermittelnd…
… Was mich sehr erstaunte war, dass man in St. Ottilien trotz der Beschaulichkeit, den historischen Gemäuern, der beinahe greifbaren Spiritualität ein Faible für bisweilen recht schräge Graffitikunst zu haben scheint – zu sehen ist dieses Gemälde an der Giebelfront des Kuhstalls…

… Im Jahr 1941 wurden die Benediktinermönche von der Gestapo vertrieben, in St. Ottilien wurde ein Reservelazarett eingerichtet. Am 28. April 1945 befreiten amerikanische Truppen die Klosteranlage. Ca. 450 Überlebende des Konzentrationslager Dachau, sowie Zwangsarbeiter des Lagerkomplexes Kaufering wurden danach aufgenommen und gepflegt. Zwischen 1945 und 1948 wurden 65 Verstorbene jüdischen Glaubens in einem eigens dafür angelegten Abschnitt des Klosterfriedhofs zur letzten Ruhe gebettet…
… Ich beschloß meinen Rundgang mit einem Besuch des unweit sich befindenden großen Bauernhofes, und durfte zu meinem großen Entzücken so manche niedliche Viecherei entdecken…
… Was mir bei meinem etwa zweistündigen Streifzug durch St. Ottilien ganz besonders wohltuend aufgefallen ist, war die schöne, warmherzige Freundlichkeit der Bewohner/innen. Ich bin ganz, ganz sicher, dass ich diesem Kloster noch so manchen Besuch abstatten werde…