… Wandern in den Bergen ist im Herbst am schönsten. Man ist häufig allein auf weiter Flur, die Luft is herb, klar und frisch. Die große Sommerhitze liegt hinter uns, die Temperaturen bewegen sich schon im einstelligen Bereich. So macht das Dahinschreiten richtig Freude. Und der Blick auf die in zarte Dunstschleier gehüllte Berggipfel ringsum sowieso…
… habe ich mich am Samstag begeben. Das Wetter war zum Wandern ideal – keine Niederschläge, viel Sonne, und angenehme Wärme mit einem gelegentlichen, frischen Lüfterl ab und an. So packte ich den Rucksack und zuckelte per Regionalbahn in die Berge…
… Vom kleinen Bahnhof Klais – Bayerns höchst gelegener, 913 Meter über NN – unweit Mittenwalds machte ich mich auf den Weg gen Süden, zuerst auf der Zufahrtstraße nach Elmau, dann, kurz vor der Mautstation, bog ich rechts auf einen schönen, breiten Wanderweg ab. Es ging teilweise ganz ordentlich bergauf, ich schnaufte und keuchte wie eine alte Dampflok, und zwischendrin hatte ich etwas Knieflattern, bevor ich mein erstes Ziel erreicht hatte, hegte ich Zweifel, ob ich die gesamte geplante Tour auch würde bewältigen können. „Is‘ doch wurscht,“, dachte ich mir, „dann machst halt auf halber Strecke gemütlich Brotzeit, und fährst mit dem Wanderbus zurück.“…
… Der Weg führte großenteils durch wohltuend schattigen, aromatisch duftenden, dichten und stillen Bergwald, manchmal taten sich kleine Hochmoore auf. Und natürlich gab es links und rechts viel Schönes zu sehen…
… Liebestolle Schmetterlinge gaukelten verspielt über die oft handtellergroßen Margheritenblüten…
… Nach etwa gut einer dreiviertel Stunde Marsch wich der Wald zurück und gab den Blick auf die hochragenden Gebirgsstöcke ringsum und das noble Schlosshotel Kranzbach frei…
… Die bewegte und interessante Geschichte des Kranzbachs habe ich hier bereits erzählt. Bei meinem zweiten Besuch dort am Samstag hat es mir sehr gefallen, dass man rings um das Anwesen keine moderne Parklandschaft mit kurz geschorenem Rasen angelegt, sondern die wunderschönen natürlichen Bauernwiesen mit all ihrer Vielfalt an Blumen, Gräsern, Kräutern und Insekten belassen hat …
… Während einer ausgedehnten Pause lernte ich ein sehr sympathisches Paar aus Münster kennen. Wir unterhielten uns eine Weile sehr angeregt, als sich unsere Wege wieder trennten, fühlte ich mich kräftig genug für die zweite Hälfte meiner Wanderung…
… Wieder ging es nach einer kurzen Strecke auf der Straße rechts ab, in den Wald hinein, zu meiner Erleichterung aber jetzt ohne große Steigungen. Nach einer weiteren dreiviertel Stunde kam das Ziel in Sicht: das Fünf-Sterne-Luxus-Ressort Schloss Elmau, vielen von euch vielleicht des ziemlich umstrittenen G-7-Gipfeltreffens im Jahr 2015 ein Begriff… 😉
… Schloss Elmau wurde zwischen 1914 und 1916 vom Architekten Carl Sattler im Auftrag des zu Recht umstrittenen Schriftstellers, Philosophen und Theologen Johannes Müller im Stile der sogenannten Reformarchitektur geschaffen. 2005 zerstörte ein Brand das Anwesen, die Enkel des Architekten und des Bauherrn errichteten 2006 das Schloss neu. Seit 2007 gehört es als „Luxury Spa & Cultural Hideaway“ zu den Leading Hotels Of The World…
… Kaum hatte ich mein Ziel erreicht, da bog auch schon der gelbe Wanderbus Richtung Mittenwald um die Ecke und sammelte mich und eine kleine Schar Touristen ein. Diese Fahrt werde ich so schnell nicht vergessen, denn unser Chauffeur war ein gar herrlich humorvolles Unikum voll witziger Sprüche, der anstatt mit einer normalen Hupe mit lauten Tiergeräuschen wie Muhen, Wiehern, Blöken und Miauen hantierte und sehr schwungvoll sein großes Gefährt über die teilweise steilen und engen Straßen und Gässchen dirigierte. Ein schöner Abschluss meiner feinen, kleinen Zwei-Schlösser-Tour!…
… Während langer, nebelverhangener Tage in der Stadt konnte ich mich zu keinerlei größeren Unternehmungen aufraffen, von einigen Spaziergängen im Viertel mal abgesehen. Ich verbrachte viel Zeit in der gemütlich warmen Bude, schmökernd, fernsehend und mich ins warme Bettchen kuschelnd – vielleicht habe ich ja so etwas wie einen Winterschlaf gehalten…
… Am Freitag aber war diese Ruhephase fürs Erste überwunden. Ich fuhr mit dem Regionalzug, den ich erst einmal suchen musste, weil er völlig überraschend nicht am gewohnten Gleis stand, sondern am weit, sehr, sehr weit entfernten südlichen Ende des Münchner Hauptbahnhofs, nach Klais bei Mittenwald. Von dort aus wanderte ich gemächlich und die klare, vorwinterliche Luft genießend ein lang gezogenes, kleines Bergtal entlang…
… Nach etwa einer Stunde Marsch hatte ich mein Ziel erreicht…
… Zu Beginn des 20. Jahrhunderts verliebte sich die englische Aristokratin The Honorable Mary Isabel Portman in die Berglandschaft des Werdenfelser Landes. So sehr, dass sie im Jahr 1913 die sogenannte Kranzbachwiese erwarb, recht still und einsam zwischen Garmisch-Partenkirchen und Mittenwald gelegen. Und dort ließ sie sich das naturgemauerte, mit seinen Treppengiebeln an englische Country Houses erinnernde „Englische Schloss“ erbauen. Gedacht war das Bauwerk als gastliches Refugium für die zahlreichen Künstlerfreunde der Adeligen. Doch der Erste Weltkrieg vertrieb The Honorable Mary Isabel Portman, man geht davon aus, dass sie das fertige Anwesen nie zu Gesicht bekommen hat…
… Unterschiedlichste KünstlerInnen, vor allem Landschaftsmaler, bewohnten in der Folgezeit Schloss Kranzbach, ein Film wurde dort gedreht, ab 1931 wurde es als Erholungs- und Freizeitstätte für junge Leute aus dem Ruhrgebiet genutzt…
… 1933 wurde das Gebäude von einem Brand stark in Mitleidenschaft gezogen, nach der Restaurierung diente es 1936 zunächst als Unterkunft für SportlerInnen, die an den Olympischen Winterspielen in Garmisch Partenkirchen teilnahmen, danach als Hort der sogenannten Kinderlandverschickung, und ab 1947 als Recreation Center für Offiziere der US Army…
… Ende 2003 verkaufte die Evangelische Kirche, in deren Besitz das Schloss seit den frühen Dreißigern gewesen war, dieses an den Tiroler Dr. Jakob Edinger. Er ließ das Areal um einige Gebäude erweitern, und die Inneneinrichtung im komfortablen, vornehmen, englischen Stil gestalten. 2007 eröffnete „Das Kranzbach“, ein sehr gehobenes Wellness-Hotel, weitab vom hektischen Alltagsgetriebe auf einer riesigen Wiese thronend, umgeben von dichten Wäldern und hoch aufragenden Berggipfeln…
… Die Torhäuser, in die kann man sich einmieten, wenn man völlig ungestört sein möchte…
… Föhnwolkenspiel am späten Nachmittag…
… Die das „Englische Schloss“ umrahmende Bergkulisse…
… Die Zugspitze, mit dem „Zuawizarra“ – Teleobjektiv 😉 – ein ordentliches Stück näher geholt…
… Gegen vier Uhr ging die Sonne hinter den Schroffen des Steinernen Hüttls unter…
… Gemächlich machte ich mich auf den Rückweg, während die untergegangene Sonne die hoch über den bereits schneebekränzten Gipfeln ziehenden Wolkenfelder erglühen ließ…
… Eine knappe Stunde später war ich zurück am kleinen Bahnhof Klais, sehr zufrieden mit mir. Denn diese Tour mit einer Gesamtlänge von sechs Kilometern hätte ich vor einer Weile noch gar nicht unternehmen können, da hätte ich befürchten müssen, nach spätestens fünf Kilometern schlapp zu machen…
… Heute werde ich mich ausruhen, auch wenn die Nachwirkungen solcher Wanderungen bei weitem nicht mehr so stark sind wie noch vor etwa einem halben Jahr. Mal sehen, vielleicht werde ich bereits morgen wieder auf Tour sein. Wohin? Lasst euch überraschen! 😉 …
… etwa drei Kilometer westlich von Klais, einem Ortsteil von Krün nahe des Karwendelmassivs gelegen, zog es mich am Mittwoch. Ich wollte mir mal wieder gründlich die Beine vertreten und Bergluft schnuppern…
… Es war ein bildschöner Tag, und meine Vorfreude wuchs angesichts der vielversprechenden Panoramen, die sich mir während der Zugfahrt boten…
… Die Zugspitze war von einem ganz leichten Dunstschleier umgeben, was ihr einen etwas geheimnisvollen Hauch verlieh…
… Je höher sich der Zug wand, umso klarer wurde mir, dass aus meinem Traum, am Geroldsee einen wunderschönen Frühlingsblumenteppich fotografieren zu dürfen, nichts werden würde. Zwar waren weite Flächen der südlichen und östlichen Hänge bereits aper, doch ansonsten lag immer noch ungefähr einen halben Meter hoher Schnee. Kurz spielte ich mit dem Gedanken, im Zug sitzen zu bleiben und statt der geplanten Wanderung nach über zwanzig Jahren mal wieder die wildromantische und interessante Bahnstrecke zwischen Mittenwald und Innsbruck zu befahren. Aber dann stieg ich doch in Klais aus…
… Zunächst ging es über zwei Kilometer der Bahnstrecke entlang…
… Nach dem Durchqueren einer Unterführung hatte ich das winzige Örtchen Gerold erreicht. Zu meiner Freude durfte ich am Welt-Spatzentag einen dieser liebenswerten, quirligen und pfiffigen Piepmätze fotografieren, der als Wachposten oben auf einer Hecke thronte, während sich seine vielköpfige Clique laut tschilpend im Gebüsch amüsierte…
… Ich fragte ein junges Pärchen nach dem Geroldsee. Sie gaben mir freundlich Auskunft, wiesen aber darauf hin, dass der Weg zwar kurz, aber aufgrund des vielen Schnees ziemlich beschwerlich sei. Wird schon nicht so schlimm sein, dachte ich mir, und stiefelte beherzt los…
… Der Weg entpuppte sich als eine Bulldog-Fahrspur, der Schnee war aufgrund der Sonneneinstrahlung recht sulzig und machte das Gehen doch ein bisschen schwer. Nach einer knappen halben Stunde hatte ich den See erreicht…
… Jaaaaaa, auf den viel beschwärmten Frühlingsblumenteppich werden wir alle wohl noch ein ziemliches Weilchen warten müssen. Tief gefroren und verschneit präsentierte sich das kleine Seelein. Aber das Panorama war hinreissend schön…
… Aus der Bulldog-Fahrspur war eine recht feste, ebenmäßige, etwa zwei Meter breite Schneepiste geworden, mit einer griffigen Oberfläche, auf der sich gut gehen ließ, ich vermutete, dass es sich dabei um eine sorgsam gespurte Loipe handelte, obwohl keine Skispuren zu erkennen waren. Von rechts konnte ich leise den Verkehr auf der Bundesstraße 2 Richtung Garmisch hören, und das Trompeten der Züge, wenn sie einen unbeschrankten Bahnübergang einige hundert Meter vor Gerold erreichten. Ich schloss daraus, dass Klais nicht allzu weit entfernt liegen dürfte, und ich wohl dorthin gelangen würde, wenn ich der Piste folgte. Die Sonne schien so schön, umkehren wollte ich eigentlich überhaupt nicht, also setzte ich mich wieder in Bewegung, dem Unbekannten entgegen…
… Zunächst ging es sanft aber stetig bergan, in den dichten Bergwald hinein, danach recht steil bergab. Zwischen den Baumwipfeln hindurch konnte ich die eisig gefrorene Fläche eines weiteren, größeren Sees entdecken. Neugierig marschierte ich weiter…
… So manch ein Stadel hat den überaus starken und lang anhaltenden Wintereinbruch Anfang bis Mitte Januar nicht unbeschadet überstanden…
… Als ich mich dem Barmsee näherte – so heisst dieses Gewässer – kam ich von der Piste ab – ich dachte blöderweise, wenn ich geradeaus gehen würde, anstatt der Wegbiegung zu folgen, würde ich schneller an das Seeufer gelangen -, brach mit dem linken Bein bis zum Knie in den harschigen, tiefen Schnee ein und stürzte. Da die wenigen restlichen Muskeln in meinen Beinen von der Wanderung wohl schon geschwächt waren, gelang es mir nicht mehr, mich aufzurichten, sämtliche Versuche schlugen fehl. Da lag ich nun, am späten Nachmittag, die Sonne stand bereits recht tief. Weit und breit war niemand zu sehen. Ich zog mein Billigst-Kindergarten-Handy aus der Anoraktasche. Natürlich hatte ich kein Netz. Somit auch keinerlei Gelegenheit, im absoluten Notfall die Bergwacht zu rufen…
… Ein paar Minuten lang gab ich mich der Verzweiflung hin. Doch dann gewann mein praktischer und gesunder Menschenverstand die Oberhand. Etwa dreißig Meter entfernt war ein Heustadel. Wenn ich es schaffen würde, dorthin zu robben, dann könnte ich mich vielleicht an den massiven Holzbalken in eine aufrechte Stellung ziehen. In jedem Fall war das der bessere Ort als das recht ungemütliche Schneefeld. Auf allen Vieren kroch ich Richtung Hütte – ich möchte nicht wissen, wie das ausgesehen hat! Rings um den Stadel war ein schmaler Streif aper, und der Schnee bildete eine etwa einen halben Meter hohe, ziemlich feste Kante, auf die ich mich setzen konnte. Meine Hose war ziemlich nass geworden, desgleichen meine Handschuhe und das Innere meiner Stiefeletten…
… Mein Plan ging auf, ich umklammerte einen der wuchtigen Holzbalken und zog mich auf die Beine. Doch die zitterten vor all der Anstrengung wie Espenlaub, und meine Knie gaben immer wieder nach. Ich musste mich für eine Weile erneut auf die Schneekante setzen – jetzt hatte ich auch ein schön durchgefrorenes und feuchtes Hinterteil! – um neue Kraft zu sammeln…
… Von der Hütte aus führte ein schmaler, ausgetretener Pfad zurück zur Piste. Langsam und ermattet schritt ich weiter. Kurze Zeit später geriet ich an einen Wegweiser: Eine Dreiviertelstunde noch bis Klais – für Wanderer mit gesunden Gliedmaßen. Für mich hieß das, dass ich noch mindestens das Doppelte der Zeit unterwegs sein würde. Zum Örtchen Barmsee würde ich nur die Hälfte der Zeit benötigen, und laut der aufgemalten Piktogramme würde es dort eine Bushaltestelle geben. Also dorthin…
… Nach einer guten, ebenen Strecke auf einem sehr feinen und schneefreien Weg ging es in steilen Kehren einen Bergrücken hoch. Jeder Schritt wurde zur Herausforderung und kostete viel Kraft. Alle paar Meter musste ich eine kurze Pause einlagen. Oftmals spielte ich mit dem Gedanken, mich zurück zum Stadel zu schleppen, in das Heu einzugraben und zu versuchen, dort die Nacht irgendwie zu überstehen…
… Endlich hatte ich den kleinen Sprengel Barmsee erreicht. Einsam und verwaist war die Bushaltestelle – denn die wird nur während der Winter- und Sommersaison vom Ski- und Wanderbus angefahren…
… Vielleicht gab es ja in näherem Umkreis eine Pension oder Gastwirtschaft, wo ich mich für eine Nacht einmieten könnte. Das würde zwar ein tiefes Loch in meine magere Börse reissen, wäre aber am sinnvollsten. Doch der Ort war wie ausgestorben. Die vielen mit Rollos und Läden verschlossenen Fenster deuteten darauf hin, dass es sich bei den meisten Anwesen wohl um Ferien- bzw. Zweitwohnungen handelte. Und der Gasthof hatte zu…
… Es war kurz nach achtzehn Uhr. Laut Wegweiser hatte ich noch 1,8 Kilometer bis Klais zu laufen. Wieder überkam mich Verzweiflung. Wie sollte ich das nur schaffen, ich war ja ohnehin schon längst am Ende meiner Kräfte! Aber ich biss die Zähne zusammen und setzte mich in Bewegung, ganz, ganz langsam und bei jedem Schritt darauf bedacht, zuerst die Ferse aufzusetzen, und den Fuß abzurollen, um ja nicht zu stolpern. Ich wusste ganz genau, wenn ich noch einmal stürzen würde, dann würde ich das keinesfalls unbeschadet überstehen…
… Trotz all der Strapazen hatte ich dennoch meinen Blick für die Schönheiten ringsum nicht verloren…
… Der Weg führte recht nahe an der Bundesstraße 2 entlang. Manchmal blieb ich stehen, um mit nach gutem altem Brauch ausgestrecktem Daumen zu trampen. Aber niemand hielt an, oder verlangsamte das Tempo, um nach mir zu sehen…
… Gegen neunzehn Uhr hatte ich Klais erreicht. Ich konnte mein Glück kaum fassen. Der Wartesaal des kleinen Bahnhofs war offen, ich schleppte mich mich völlig entkräftet zur Sitzbank, unter der sich – ach, was für eine Wohltat! – eine Heizung befand. Es galt, eine halbe Stunde bis zum nächsten Zug nach München zu warten – aber das machte mir nichts aus. Ich hatte es überstanden, ich war heil angekommen…
… Während der vergangenen Woche trübte oftmals zäher Nebel die große Stadt und auch das südlich gelegene Blaue Land. Obwohl ich solchen Tagen durchaus etwas abgewinnen kann – ich habe keinerlei Problem damit, mich mit einigen guten Büchern, einem vollen Kühlschrank und genügend Vorräten im Küchenregal eine Weile lang einzuigeln – verspürte ich dennoch oft die Sehnsucht nach frischer Luft und Bewegung unter freiem Himmel…
… Als sich nach einigen Tagen das Auflösen der großen, schweren Nebelbänke ankündigte, machte ich mich im WWW nach einer geeigneten Tour kundig, um mir endlich mal wieder ordentlich die Beine vertreten zu können. Nach geflissentlichem Nachdenken entschied ich mich für die Strecke zwischen dem kleinen Flecken Klais und Mittenwald. Das müsste zu bewältigen sein, dachte ich mir. Ausflüge muss ich ja seit langem schon so planen, dass das an guten Tagen zu Fuß machbare Pensum von ca. sechs Kilometern nicht überschritten wird, und ich am Ende der Strecke Zugang zu öffentlichem Nahverkehr habe…
… Wohlgemut und beschwingt schritt ich also am Samstag Nachmittag aus, nachdem ich den Regionalzug am Bahnhof von Klais – dem höchstgelegenen in Bayern – verlassen hatte. Die ersten paar hundert Meter der Tour legte ich auf einer uralten Römerstraße zurück, deren Ursprung sogar noch weiter in der Vergangenheit liegt, denn auch die Kelten haben vor etwa dreitausend Jahren bereits lebhaften Handel mit den Regionen jenseits des Brenners betrieben…
… Das teilweise recht rutschige Gestein und die tiefen, tückischen Fahrtrillen der Via Raetia kosteten viel Kraft, erleichtert legte ich eine kleine Atempause ein, als nach dem Überschreiten einer kleinen Anhöhe im dichten Wald die uralte Straße in einen Sandweg mündete. Gemächlich schritt ich weiter, querte nach einer Weile die Bundesstraße nach Mittenwald sowie die eingleisige Bahnstrecke, und wandte mich den für diese Gegend so charakteristischen Buckelwiesen zu. Leider war der Wanderweg 408 Richtung Mittenwald laut Hinweisschild gesperrt, und die Umleitung machte eine sehr, sehr weite und lange Kehre durch die gewellte Landschaft. Zum Glück erfuhr ich in einem Gespräch mit einer Einheimischen, dass man über einen Feldweg die Tour abkürzen könne. So stiefelte ich ihrem Rat folgend weiter, misstrauisch vom Hofhund eines nahen Bauerngütls beobachtet…
… Es ging stetig bergan, aus der sandigen Fahrspur wurde mit der Zeit ein bisweilen recht holpriger Pfad, der durch die Buckelwiesen schnitt, vorbei an vielen, teilweise recht baufälligen Heuschobern und Stadeln. Ich geriet zweimal ins Stolpern, konnte aber zum Glück dank der Wanderstöcke einen drohenden Sturz vermeiden. Schafe und Pferde grasten friedlich, die Sonne schickte sich an, hinter hochaufragenden Berggipfeln zur Ruhe zu gehen, und über den Zacken, Graten und Schroffen des himmelhohen Karwendelmassivs vor mir stieg der Vollmond auf…
… Als ich den kleinen, sehr idyllisch gelegenen Schmalensee erreicht hatte, der etwa eineinhalb Kilometer vom Mittenwalder Bahnhof entfernt liegt, war mir klar, dass meine Tour dort ein Ende haben würde. Der Sonnenuntergang ließ die Berge ringsum rotgolden erglühen, der Einbruch der Dunkelheit würde nicht mehr lange auf sich warten lassen, und im Finstern wollte ich nicht weiter marschieren. So folgte ich erleichtert dem Wegweiser zu einer nahe gelegenen Bushaltestelle und vertrieb mir die recht kurze Wartezeit damit, fasziniert einen riesigen Graureiher zu beobachten, der über dem See seine Kreise zog. Ein knappes halbes Stünderl später saß ich warm und geborgen im Regionalbus, und nahm mir fest vor, in Bälde noch einmal diese schöne Gegend zu durchwandern…
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