… Erbaut wurde dieses Münchner Stadttor im Jahre 1302 im Zuge der Errichtung einer massiven Befestigungsanlage. Allerdings hieß es bis ins Jahr 1797 Neuhauser Tor, da von hier aus die für den bayerischen Handel eminent wichtige Salzstraße ins unweit gelegene Dörfchen Neuhausen führte – heute ein Stadtteil der Landeshauptstadt…
… Erst zu Zeiten des höchst unbeliebten Kurfürsten Karl Theodor, der einer Pfälzer Seitenlinie der Wittelsbacher entstammte, der letzte bayerische Sproß des Herrschergeschlechts, Kurfürst Max III. Joseph – der Vielgeliebte – war 1777 kinderlos verstorben, wurde das imposante Bauwerk in Karlstor umbenannt. Der „Zwangs“-Herrscher Karl Theodor, der viel lieber in Mannheim und Heidelberg verblieben wäre, ließ die davor liegende Bastion schleifen, und einen weiten Platz errichten, der, wie sollte es anders sein, Karlsplatz geheißen wurde…
… Doch die Münchner weigerten sich beharrlich, dies zu tun, sie bezeichneten den Ort weiterhin als Stachus. Dieser Name geht auf den Namen eines Schankwirts zurück – Eustachius Föderl, kurz Stacherl, der Mitte bis Ende des achtzehnten Jahrhunderts südwestlich des Neuhauser Tors eine Gastwirtschaft betrieb. Und wen wundert’s, dass die Einheimischen auch heutzutage ausschließlich vom Stachus und nicht vom Karlsplatz sprechen…
… Hinter dem Karlstor hat sich in früherer Zeit der sogenannte Mittelturm befunden. Die Zöllner, welche die Fuhrwerke zu kontrollieren hatten, raunten bisweilen Händlern zu, wenn sie einen großzügigen Obolus spendieren würden, würde man ihnen einen dreigesichtigen Götzen zeigen, den man in einer Turmstube aufbewahren würde, und dessen Antlitze schwarz, weiß und rot gefärbt wären. – Dabei könnte es sich um den Gott Baphomet handeln, eine Symbolgestalt, die den Tempelrittern zugeschrieben wird. Wenn man bedenkt, dass der Orden der Templer bis ins frühe 14. Jahrhundert hinein europaweit stark vertreten war, und München bereits damals eine sehr reiche und blühende Handeslmetropole gewesen ist, liegt es eigentlich nahe, dass sich auch in der bayerischen Hauptstadt eine Komturei der Tempelritter befunden haben könnte…
… Aber – …
… „Nix G’wiß woaß ma net.“…
… So lautet der auch heute noch im Bayerischen häufig gebrauchte Spruch eines jener vier Münchner Originale, deren Halbstatuen im Hauptbogen des Karlstores zu sehen sind…
… Der Finessen-Sepperl war ein kleinwüchsiger, stets griesgrämig blickender Mann, der zu Beginn des neunzehnten Jahrhunderts lebte. Sein Broterwerb war, in einem großen Weidenkorb vom damaligen Schrannenplatz (Marktplatz) – heute der Marienplatz, der absolute Mittelpunkt Münchens – die von wohlhabenden Bürgerfrauen eingekauften Waren zu deren Häusern zu transportieren. Was die wenigsten wussten: Der Korb des Finessen-Sepperls hatte einen doppelten Boden, in welchem er unter Obst, Gemüse, Fisch und Fleisch verborgen amouröse Botschaften zwischen Liebenden hin und her beförderte. Befragte man den Herrn nach seiner Meinung zu allerlei aktuellem Geschehen, lautete seine Antwort zumeist: „Nix G’wiß woaß ma net.“… 😉
… „Wer ko, der ko!“…
… Franz Xaver Krenkl war ein Lohnkutscher. Berühmt wurde er, weil er vierzehn Mal in Folge das Kutschenrennen des Münchner Oktoberfests gewann. Aber nicht nur deshalb…
… Begaben sich die Wittelsbacher Herrscher auf Fahrt, durften sie auf gar keinem Fall von „Normalsterblichen“ überholt werden. Eines Tages musste der Herr Krenkl eine gar eilige Fracht transportieren. Bei der Durchfahrt des Englischen Gartens bummelte die Kalesche des Thronprinzen Ludwig I. entnervend langsam vor ihm her. Schließlich platzte dem Lohnkutscher der Kragen, er gab seinen Rössern die Peitsche, und preschte am zukünftigen Regenten Bayerns vorbei. Der, sein Chauffeur und die Leibgardisten schimpften natürlich Zeter und Mordio. Worauf der Franz Xaver Krenkl sich vom Bock beugte, und ihnen charmant lächelnd zu verstehen gab: „Ja mei, wer ko, der ko.“…
… Der Kontrabassist und Kapellmeister Josef Sulzbeck – 1767 – 1845 – und seine Spezln Bacherl, Huber – der den Spitznamen Canapé trug und auf mysteriöse Weise in der Isar ertrank – und Straubinger galten als erste bekannte Volkssänger Bayerns. Zumeist traten sie im Hofbräuhaus auf, ohne Bezahlung, doch sie durften am Ende ihrer Darbietungen einen Teller rundum gehen lassen, auf welchem sich die Münzen stets nur so häuften. Sulzbeck prägte den ebenfalls noch weit verbreiteten, übermütigen Ausruf: „Hurraxdax, pack’s bei da Hax‘!“… 😀
… Vom letzten der Vier ist kein stehender Spruch überliefert, jedoch eine jener skurrilen Anekdoten, die ich so sehr liebe: Georg Prangerl…
… Er war der Hofnarr des ersten bayerischen Königs Max I. Joseph, und der letzte seiner Zunft. Georg Prangerl galt als ein hervorragender Violin-Spieler. Als eines Tages ein berühmter italienischer Musiker in der Residenz von der Familie des Herrschers sehr umschmeichelt und bewundert wurde, wurde Prangerl vom Neid übermannt. Kurzerhand sperrte er den vermeintlichen Konkurrenten in einen kleinen, finsteren Abstellraum, maskierte und schminkte sich, so dass er dem Musikus recht ähnlich sah, und gab statt diesem im Hoftheater ein Konzert. Nach rauschendem und höchst begeistertem Beifall kam jedoch der Schwindel auf, und der letzte Hofnarr hängte flüchtenderweise seinen Job an den Nagel… 😉