… hatte ich mir letzten Freitag eingefangen. Weil das Wilde Weib es sich nämlich in den Kopf gesetzt hatte, dass wir in Salzburg auf den Kapuzinerberg stiefeln. Dieser liegt gegenüber des sogenannten Mönchsbergs, der das historische Stadtzentrum beherrscht, und auf dem sich auch die Festung Hohensalzburg befindet. „Stell dir vor, du stehst da oben und fotografierst, wie die Sonne hinter der weißen Burg gegenüber untergeht! Das wäre doch sensationell!“ Da musste ich dem Wilden Weib recht geben. Obwohl ich eigentlich einen sehr dringenden Großputz bei mir daheim vor hatte. „Aufräumen und sauber machen kannst du auch, wenn das Wetter schlecht ist – schau mal, wie schön die Sonne scheint, und wie wundervoll warm es ist!“ Schon war ich überredet, packte Kamera und Brotzeit in meine große Tasche und eilte Richtung Bahnhof…
… „Ach, herrje, das sieht aber beschwerlich aus!“, jammerten Frau Nörgel-Zick und die Hypochon-Trine, als wir in der Linzer Gasse vor dem stufenreichen Aufstieg zum Kapuzinerkloster standen. „Wird schon nicht so schlimm sein. Wir können ja Pausen einlegen, wir haben doch Zeit.“, tröstete ich die mäkeligen Mitglieder meiner Inneren Damenband und machte mich auf dem Weg nach oben…
… Ein Viertelstünderl später waren wir schnaufend wie eine Dampflok auf der herrlichen Aussichtskanzel kurz unterhalb des Klosters angelangt. Kaum hatte ich einige Bilder geschossen, wurde das Wilde Weib auch schon wieder unternehmungslustig: „Schau mal! Da gibt’s einen Wanderweg hinüber auf die andere Seite des Bergs, zum Francisci-Schlößl – was immer das auch sein mag.“ Gut gelaunt gab ich nach und trottete los…
… Nach einem eher sanften Anstieg und mehreren Wegbiegungen stellte sich allerdings heraus, dass dieser Pfad ein höchst anspruchsvoller war – Hunderte von Stufen mussten erklommen werden! „Ich kann nicht mehr!“, jammerte die Hypochon-Trine bei jedem Absatz. „Ich mag nicht mehr!“, nölte Frau Nörgel-Zick, „Wären wir doch bloß die Zulieferstraße entlang gegangen, das wäre sicher nicht so anstrengend gewesen!“…
… Nach einer gefühlten Ewigkeit langten wir endlich am Francisci-Schlößl, einer kleinen Burg oben auf dem Kapuzinerberg an. Da war ich schon ziemlich erschöpft und in Schweiß gebadet. Nachdem ich eine Weile gerastet und ein paar Fotos gemacht hatte, wandte ich mich der schmalen Straße zu, die zurück zum Kloster und zur Altstadt führte. „Schau mal,“, meinte das Wilde Weib – immer noch abenteuerlustig, „da steht ‚Fußweg nach Gnigl‘ – das muss ein Ortsteil von Salzburg sein, den wir noch gar nicht kennen.“ – „Da steht ‚Steil!‘ unter dem Hinweis. Ich denke, das ist nichts für uns.“ – „Ach, komm, so schlimm wird’s schon nicht sein.“…
… Es war noch schlimmer! Es waren gefühlt nicht nur Hunderte von Stufen wie beim Aufstieg, sondern Tausende, viele, viele Tausende! Als ich nach etwa einer Stunde in Gnigl – das man nicht unbedingt gesehen haben muss – angekommen war, war ich dermaßen knieweich, dass ich kaum mehr einen Schritt gehen konnte. Zudem dröhnten mir die Ohren vor all dem unablässigen, schier erbarumungswürdigen, entnervenden Gejammere meiner Inneren Damenband…
… Als ich endlich im Zug Richtung München meine geschundenen Gräten ausstreckte, schwor ich mir, eine lange, sehr lange Weile nicht mehr auf die Einflüsterungen des Wilden Weibs zu hören. Die „Gutste“ hatte sich übrigens auch gewaltig verschätzt, was sowohl die geografischen als auch astronomischen Gegebenheiten betraf – die Sonne ging am nördlichen Ende des Mönchbergs unter, weitab von der Festung Hohensalzburg…