… Der Herold des Herzogs auf seinem wuchtigen Rappen. Leider sah der gute Mann immer nur zur Promi-Tribüne hin, so dass ich kein Bild von seinem sicher interessanten Gesicht machen konnte… 😉
… Der Sohn des Kaisers, Erzherzog Maximilian, der grüßte fleißig mal nach hier, mal nach da…
… Dominikaner und Deutschorden-Komture, und gar manch ein hoher geistlicher Würdenträger…
… Herzogliche Hofmusik – und der Paukenspieler hat ein ungemein interessantes Gesicht, wie ich finde…
… Herzog Ludwig der Reiche von Bayern-Landshut
(Bräutigam-Vater und Gastgeber, in der Sänfte getragen). Wir wunderten uns sehr, dass der gute Mann in seiner ungewöhnlichen, von zwei Rössern bugsierten Sänfte nicht seekrank wurde…
… Natürlich darf bei solch einem großen Ereignis der Hofnarr nicht fehlen…
… Falkner und Falknerinnen hoch zu Ross und zu Fuß…
… Edle Ritter im Harnisch zu Pferde, begleitet von ihren Knappen und Lanzenträgern…
… Die sogenannte Alte Frau aus Sachsen, Kurfürstenwitwe Margarethe, in ihrem Reisewagen, gefolgt von Pagen, edlen Damen und Herren, sowie der Kaiserlichen Hofkapelle…
… Noch ein kräftiger Paukenschlag, bevor’s weiter geht…
… Fahnenschwinger mit Schwungfahnen
Fürsten mit Begleitung:
Markgraf Albrecht Achilles, Kurfürst von Brandenburg,
mit Gemahlin Anna
Fürsten, Grafen, Edelleute aus Sachsen und Bayern, aus
Franken, der Pfalz, Württemberg und Österreich,
mit Standarten…
… Die Kurfürstin von Brandenburg hat einen kleinen Mohren als Schleppenträger, das galt in jenen fernen Tagen als äußerst chique…
… Stundenlang eine schwere Schleppe zu tragen ist kein leichter Job. Da darf man schon mal ein Schwätzchen mit der besten Freundin halten. Und eine Schnute ziehen… 😉
… Zinkenisten und Posaunisten
Gesandte der Reichsstädte Regensburg, Nürnberg, Ulm,
Nördlingen, Dinkelsbühl, Augsburg, Donauwörth, Frankfurt
und der herzoglichen Stadt Straubing, mit Standarten
Trosswagen mit Stadtknechten…
… Wundert euch bitte nicht, wenn die Leut‘ sich mal von links nach rechts, mal umgekehrt bewegen. Der Hochzeitszug marschiert zunächst durch die Altstadt von Süden nach Norden, dann durch die sogenannte Neustadt (die so neu gar nicht ist 😉 ), und dann wieder zurück. Und natürlich habe ich fleißig sowohl beim ersten als auch zweiten „Durchlauf“ fotografiert. Und nun versuche ich, so weit als möglich, die schönsten Eindrücke zusammen zu fügen und zu präsentieren… 😉
… Links und rechts der Hauptstraße war kurz vor zwei Uhr nachmittags kein noch so kleines Plätzchen mehr frei, auch die Tribunen waren nun voll besetzt. Nun zogen Akrobaten durch die Altstadt, wagemutige Artisten wirbelten durch die Luft…
… Wie immer in letzter Minute, damit man ja viel Aufmerksamkeit erregt, nahm auf der Tribüne vor der Landshuter Residenz die sogenannte Prominenz Platz, darunter auch Herr Martin Zeil, seines Zeichens ehemaliger bayerischer Wirtschaftsminister, berühmt-berüchtigt für seine betont langsame Redeweise. Böse Zungen behaupteten während seiner Amtszeit, dass man deswegen seine Pressekonferenzen stets um das Doppelte an Zeit habe verlängern müssen…
… Wuchtige Kanonenschläge rollten von der über der Stadt thronenden Burg Trausnitz über die Stadt, das klangvolle Geläut der Basilika St. Martin setzte ein. Musizierende Zigeuner bildeten die Vorhut, ihnen folgten Kinder mit ihren Betreuerinnen. Es ist der Brauch, aus den Börsen das Kleingeld zu nehmen und dieses in die lebhafte Kinderschar zu werfen. So manch ein geschickter Bub und flinkes Mädchen kann sich auf diese Weise während der LaHo ein erkleckliches Sümmchen ergattern… 😉
… Im Herbst des Jahres 1475 ist nach langer, beschwerlicher und gefahrvoller Reise Prinzessin Hedwig Jagiellonica, Tochter des polnischen Königs Kasimir IV Andreas und zukünftige Gemahlin des bayerischer Herzogs Georg des Reichen, endlich in Landshut eingetroffen. Mit einem prachtvollen Festzug, der seinesgleichen sucht, wird sie durch die Stadt geleitet…
… Nachdem ich an die dreißig Jahre lang immer wieder davon geträumt hatte, endlich einmal der Landshuter Hochzeit beizuwohnen, und mir immer wieder etwas dazwischen gekommen war, hat sich nun endlich dank einer sehr lieben Mitbloggerin dieser Traum verwirklicht. Ich habe mich einen Tag lang dem Zauber einer längst vergangenen Zeit hingegeben, so viel „Halloooo!“ geschrien, dass ich tagelang heiser sein werde. Und natürlich habe ich auch fleißig fotografiert. Ca. 1.200 Bilder sind es insgesamt geworden. Und die werde ich nun in den nächsten Wochen allesamt hier zeigen…
… Die weitläufige Schloss- und Parkanlage geht auf Herzog Wilhelm V. zurück, Vater des legendären Bayerischen Kurfürsten Maximilian I. Er hatte gegen Ende des 16. Jahrhunderts in der neu erworbenen Schwaige Schleißheim als Zentrum mehrerer Höfe ein schlichtes Herrenhaus – das heutige Alte Schloss Schleißheim – errichten lassen. Der Hauptbau des Komplexes, von dem sich bis in die heutige Zeit der zentrale Tor- und Uhrenturm erhalten hat, wurde von Maximilian I. erneuert. Im Zweiten Weltkrieg wurden bei Luftangriffen das Dach sowie etliche Räume des Schlossgebäudes zerstört, und ab 1970 wieder aufgebaut…
… Der Enkel Maximilian I., Kurfürst Max Emanuel, liebäugelte sehr mit der Kaiserkrone des damaligen Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation. Die Kaiserwürde wurde stets zwischen den sieben Kurfürsten „ausgepokert“, ein sehr gewichtiges „Argument“ war, wie glanzvoll und üppigst reich man sich in Szene setzen konnte. So nahm Max Emanuel im Jahre 1700 den Bau des Neuen Schlosses Schleißheim, das als seine zukünftige Residenz gedacht gewesen war, in Angriff. Dank des spanischen Erbfolgekrieges, der 1704 ausbrach, kamen die Bauarbeiten zum Erliegen, und wurden erst 1715 wieder aufgenommen. Da Max Emanuel zusehends in finanzielle Nöte geriet, wurde der ursprüngliche Plan einer riesigen, überaus imponierenden Schlossanlage Stück für Stück auf das heute erhaltene Maß zurecht gestutzt…
… Teile der Inneneinrichtung, vor allem dem atemberaubenden Treppenhaus und der Roten Galerie, werde ich euch ein andermal zeigen… 😉
… Die Parkanlage zwischen den drei Schlössern begeistert mich nicht ganz so wie die von Nymphenburg. In Schleißheim wird mehr Wert auf das kunstvolle, streng geometrisch ausgerichtete Erscheinungsbild gerichtet. Einmal im Jahr, am ersten Septemberwochenende, während der Historischen Jagd und Kutschengala, erwacht der der Schlosspark zum alten, dereinst so prunkvollen und farbigem Glanz – ein absolutes Highlight für jeden Liebhaber der Reit- und Fahrkunst…
… Anlässlich seiner Vermählung mit seiner ersten Frau, der österreichischen Kaisertochter Maria Antonia, im Jahr 1685, ließ Kurfürst Max Emanuel ca. 1.300 Meter von Schloss Schleißheim entfernt das kleine Jagd- und Gartenschlösschen Lustheim errichten. Es befindet sich direkt auf der Mittelachse der Parkanlage. Geplant waren nebst des zweigeschossigen Hauptbaus weit geschwungene Kolonnaden, die Pavillons im Norden und Süden Lustheims miteinander verbinden sollten. Nachdem gravierende Mängel in der Ausführung fest gestellt worden waren, und sowohl Max Emanuel als auch sein Hofarchitekt Zuccalli gestorben waren, wurden die Arbeiten eingestellt, und die Zirkelbauten dem Verfall überlassen…
… Auch ohne die üppig geplanten Kolonnaden bietet das Schlösschen Lustheim einen durchaus reizvollen Anblick. In den Räumen des Erdgeschosses und des Kellers befindet sich nun die mehr als reichhaltige Porzellansammlung der Stiftung Ernst Schneider…
… Der frühabendliche Blick zurück auf das Neue Schloss Schleißheim. Auch dort gibt es mittlerweile eine sorgfältig restaurierte Gondel, mit der man als Reminiszenz an die längst vergangenen prachtvollen Zeiten der Bayerischen Kurfürsten sich langsam über den breiten Kanal chauffieren lassen kann…
… machte die mittlere der insgesamt drei Ansichten des Nymphenberger Schlosses und der Stadt München, die gegen Mitte des 18. Jahrhunderts von Bernardo Bellotto, besser bekannt als Canaletto, geschaffen wurden, und die nun wieder vereint im Zweiten Vorzimmer der Kurfürstenzimmer der Münchner Residenz zu sehen sind: Zunächst wurde das Gemälde an das Bayerische Nationalmuseum verliehen, danach an eine Wanderausstellung kreuz und quer durch Bayern, anschließend ging es nach Peking, und zum Schluß war die Vedoute etliche Monate Bestandteil der Canaletto-Präsentation in der Alten Pinakothek München…
… Anlässlich der Heimkehr des Gemäldes, welches die Stadt München vom damals noch unverbauten, ländlichen Rücken des Gasteigs aus zeigt, wurden mit einer Spezialkamera etliche Aufnahmen gemacht. Dieser Foto-Apparat sieht auf den ersten Blick recht vorsintflutlich aus, man muss sich sogar wie anno dunnemals ein dunkles Tuch überstreifen, wenn man sich an das Okular begibt. Doch der oberflächliche Eindruck täuscht, das Innere der Kamera, und auch die zahlreichen, dazu gehörigen Objektive sind auf dem neuesten Stand digitaler Foto-Technik…
… Am gleichen Tag löste ein Kollege der Bayerischen Schlösserverwaltung auch ein kleines Rätsel, das mich seit einigen Wochen beschäftigte. Schon oft waren mir in den Kurfürsten- und Reichen Zimmern an den Vertäfelungen kleine Symbole aufgefallen, die zwei schwarzen, an den Spitzen aufeinander gestellten Dreiecken gleichen. Dies sind Vermessungspunkte. Da in jenen Räumen bei der Rekonstruktion nach dem Zweiten Weltkrieg zum großen Teil die ursprüngliche, weit über vierhundert Jahre alte Bausubstanz verwendet worden ist, werden sie zweimal pro Jahr mit Spezialgeräten überprüft, um fest zu stellen, ob sich die Statik der Mauern, Decken oder Böden im Laufe der Zeit verändert hat…
… Etliches Mobiliar in den Kurfürsten-Zimmern stammt von dem renommierten Pariser Kunstschreiner Charles Cressent. Dieser brockte sich gegen Mitte des 18. Jahrhunderts enorm viel Ärger mit einigen Ständen ein. Zur damaligen Zeit durften Schreiner lediglich Holz verarbeiten, Kunstschlosser ausschließlich Metall, Steinmetze nur Marmor, Granit etc. Cressent setzte sich darüber hinweg, indem er seinen Möbelstücken in einer einzigen Werkstätte, seiner eigenen, die vergoldeten Bronze-Figuren und -Verzierungen sowie die Oberflächen aus Marmor anbringen ließ. So wundervoll die Kommoden des Franzosen auch anzuschauen sind, so sind sie doch sehr unhandlich im Gebrauch. Durch die vorne und an den Seiten angebrachten metallenen Schmuckelemente verlieren sie das Gleichgewicht, wenn man eine der Schubladen aufzieht, drohen vornüber zu kippen, und müssen daher gleichzeitig gestützt werden… 😉
… in der fast neunhundertjährigen Geschichte des bayerischen Herrschergeschlechts der Wittelsbacher ist die Abdankungserklärung König Ludwig I. Sie ist samt der Feder, mit welcher er sie am 20. März 1848 geschrieben hatte, im Bayerischen Nationalmuseum zu sehen…
… Ludwig I. war der älteste Sohn des ersten bayerischen Königs Max I. Joseph, vormals Kurfürst Max IV. Joseph, über dessen dramatischen Werdegang vom eher unbedeutenden Sproß einer Pfälzer Nebenlinie der Wittelsbacher zum Herrscher Bayerns ich bereits hier geschrieben habe. 1825 übernahm er nach dem Tod seines Vaters den Thron…
… 1810 hatte er die Prinzessin Therese von Sachsen-Hildburghausen geheiratet. Ein wenig außerhalb Münchens, auf einer großen Wiese, wurde diese Hochzeit mehrere Tage lang mit einem Volksfest und Pferderennen gefeiert, daraus entwickelte sich im Laufe der Zeit das Oktoberfest auf der Theresienwiese…
… Obwohl Ludwig I. seine Gemahlin aufrichtig liebte, hatte er ungezählte Affären und Liebschaften. Im Schloss Nymphenburg ist seine Schönheitsgalerie zu sehen, mehr als hundert Portraits bezaubernder Frauen und Mädchen, und man munkelt, dass der bayerische König mit den meisten der Abgebildeten ein Techtelmechtel gehabt haben soll. 1846 kam die irische Tänzerin Lola Montez nach München und wurde die Geliebte des Regenten. Sie erhielt für ihre amourösen Dienste eine luxuriöse Villa, einen Adelstitel – Gräfin von Landsfeld – und finanzielle Unterstützung. Nachdem sie sich in eine Studentenverbindung eingeschrieben hatte, kam es an der Universität ihretwegen zu Unruhen, Ludwig I. ließ die Hochschule am 9. November schließen. Aufgrund massiver Proteste öffnete der König die Universität einen Tag später wieder, und ließ Lola Montez ausweisen…
… Dennoch kam es am 4. März zum Sturm auf das Zeughaus. Mit den dort untergebrachten Kriegsgeräten zog die aufgebrachte Menge Richtung Residenz, löste sich aber friedlich auf, nachdem sie von Ludwigs Bruder Karl beschwichtigt worden war…
… Die konservativen Kreise der Stadt, die Minister, ja, sogar die eigene Familie stellten sich gegen den König. Man zwang ihn dazu, am 6. März die sogenannte Märzproklamation mit erheblichen Zugeständnissen zu unterschreiben. Am 16. März flammten erneut Unruhen auf, da Lola Montez nach München zurück gekehrt war. Ludwig I. musste sie am 17. März per Fahndungsaufruf polizeilich suchen lassen – eine furchtbare Demütigung für den stolzen Wittelsbacher…
… Am 20. März 1848 dankte Ludwig I. zugunsten seines erstgeborenen Sohnes Maximilian II. freiwillig ab…
… „Regieren konnte ich nicht mehr, und einen Unterschreiber abgeben wollt ich nicht. Nicht Sklave zu werden, wurde ich Freiherr.“…
… den Platz vor der Bayerischen Staatsoper: Die Statue des ersten bayerischen Königs Max I. Joseph…
… Doch ohne das beherzte Eingreifen einer ungewöhnlichen und höchst leidenschaftlichen jungen Frau wäre dem Sproß aus der Pfalz-Zweibrückener Seitenlinie des bayerischen Herrschergeschlechts der Wittelsbacher nie so viel Macht und Würde zuteil geworden…
… Im Jahr 1795 wurde die achtzehnjährige Maria Leopoldine von Habsburg-Este, eine Enkelin Maria Theresia’s, mit dem einundsiebzigjährigen Kurfürsten Karl Theodor, der den Pfälzer Wittelsbachern entstammte, sozusagen zwangsverheiratet. Die Wittelsbacher benötigten dringend einen Erben…
… (Links: Maria Leopoldine, rechts: Kurfürst Karl Theodor)
… Die junge Frau jedoch fand ihren Gemahl, der in natura nicht nur wesentlich verlebter aussah als auf dem obigen Portrait, sondern auch ein rechter Wüstling war, dermaßen abstoßend, dass sie sich nach kurzem schon weigerte, das Bett mit ihm zu teilen. Sie befleißigte sich nun ihrerseits eines für damalige Verhältnisse recht lockeren Lebenswandels, und setzte dem Herrn Kurfürsten während den vier Jahren ihrer Ehe etliche Hörner auf. Einer ihrer Liebhaber war Max Joseph, der jüngere Abkömmling der Wittelsbacher von Pfalz-Zweibrücken. Im Laufe der Zeit wuchs ihr Hass auf Karl Theodor so sehr, dass sie ihm sogar den Tod wünschte…
… Am 12. Februar 1799 tat er ihr, und seinen Untertanen, die ihn geradezu verabscheuten, den Gefallen. Während eines geselligen Abends mit Kartenspiel und üppig fließenden geistigen Getränken brach Karl Theodor vom Schlag getroffen zusammen…
… Vier Tage dauerte sein Todeskampf. Während dieser höchst dramatischen Stunden war es Maria Leopoldine, die das Schicksal Bayerns entschied. Sie sandte heimlich einen Boten zu Max Joseph, der nach dem Tod seines älteren Bruders Karl II. August der einzig legitime Nachfolger des Kurfürsten war, und ließ den kaiserlichen Gesandten Graf Seilern, der im gestreckten Galopp herbei geeilt war und ungeduldig vor dem Krankenzimmer wartete, nicht eine Sekunde aus den Augen. Denn dieser hatte einen Tauschvertrag in den Händen, dessen Inhalt nichts anderes bedeutet hätte, als das Ende der Selbständigkeit Bayerns und die Einverleibung des Landes in das Habsburger Reich. Als bekannt wurde, dass der Kurfürst bei Bewusstsein sei, hinderte sie den Grafen handgreiflich daran, einzutreten, um sich den Vertrag unterzeichnen zu lassen. Kurz danach verschied Karl Theodor…
… Am 20. Februar 1799 traf Max IV. Joseph, der neue bayerische Kurfürst, in München ein. Knapp sieben Jahre später machte Napoleon ihn zum König Max I. Joseph…
… (Links: Kurfürst Max IV. Joseph, rechts: König Max I. Joseph)…
… als Bayern noch ein Königreich gewesen ist, ist das hier eine Art indischer Tempel gewesen.“, erklärte ein Rikscha-Jockey seinen beiden Passagieren, einem Schweizer Ehepaar, als er in der Durchfahrt von der Residenzstraße zum Brunnenhof kurz an der verschlossenen schmiedeeisernen Pforte des Grottenhofes Halt machte. Die beiden Leut‘ nickten sichtlich beeindruckt, während der Pedalritter sein Gefährt wieder in Bewegung setzte, unterhielten die Drei sich lebhaft darüber, welcher Gottheit dieses angebliche Tempelchen wohl geweiht gewesen war. Ich blickte ihnen nach, und Schauder ob der schier atemberaubenden geschichtlichen Unkenntnis des Rikscha-Fahrers ließen mir die Haare zu Berge stehen. Da hatte ich ja in meinen Vor-Residenz-Zeiten noch mehr gewusst! Zum Beispiel, daß die Grotte im gleichnamigen Hof nichts, aber auch gar nichts mit einem indischen Tempel gemein hat!…
… Herzog Albrecht V. ließ in der zweiten Hälfte des sechzehnten Jahrhunderts eine Art Renaissance-Lustschloß um einen sehr verschwiegenen Innenhof bauen, an dessen Ostseite sich, von mehreren Marmorsäulen gestützt, eine Art sehr verspielte Grotte befand, deren Mittelteil aus Tuffgestein besteht, in welches in großer Zahl Halbedelsteine eingefügt waren. Sämtliche Figuren – mit Ausnahme des güldenen Merkurs, der sich über den zentralen Brunnen erhebt – Ornamente, Blumen, Zapfen, Fabelwesen, Tiere sind aus ungezählten Muscheln in allen Größen und Formen gefertigt, die dem Bayernherzog seinerzeit von befreundeten Fürsten aus Italien zum Geschenk gemacht worden waren…
… Dieses sehr phantasievoll gestaltete Ambiente war zunächst dem Herzog und seiner Familie vorbehalten. Erst Kurfürst Maximilian I. begann, den Grottenhof auch für Festivitäten, sowie geheime Unterredungen zu nutzen, denn das Plätschern der Brunnen machte es etwaigen Lauschern so gut wie unmöglich, den Wortlaut der geführten Gespräche zu erfassen…
… Als man in den sechziger Jahren des vorigen Jahrhunderts daran ging, die Kriegsschäden an der Grotte auszubessern, bat man per Zeitungsannoncen und Rundfunkansagen die Münchner Bürger/innen darum, an den Stränden der heimischen Seen und in Bella Italia, das grade als Urlaubsdomizil in Mode kam, Muscheln zu sammeln und zu spenden…
… Unmittelbar hinter der Grotte liegt der atemberaubend schöne Saal des Antiquariums. Ursprünglich ist dieser von Herzog Albrecht als eine Art Museum für seine umfangreiche Sammlung angeblich antiker Statuen gedacht gewesen. Die Baumeister Jacopo Strada und Simon Zwitzel schufen von 1581 bis 1589 ein zu jener Zeit einzigartiges Tonnengewölbe, und mit beinahe siebzig Metern Länge den größten Renaissancesaal nördlich der Alpen…
… Kurfürst Maximilian I. wandelte das Antiquarium in einen Festsaal um, er ließ den Boden tiefer legen, und an der Westseite einen gewaltigen Kamin errichten – die Hälfte meiner Wohnung hätte darin Platz – sowie eine Empore, auf der Seine Hochwohlgeboren mit Familie und Anhang speisten. Zu jener Zeit waren die sogenannten Schauessen üblich, Bürgern/innen wurde die Ehre einer Einladung zuteil, der herzöglichen Sippschaft beim Tafeln zusehen zu dürfen – wobei den Geladenen weder Speis noch Trank gereicht wurden, einzige Nahrung war das Privileg, all die Pracht und den Prunk und den Herrscher einmal aus der Nähe mit den eigenen Augen gesehen zu haben…
… Kurz vor dem Zusperren saß ich noch eine kleine Weile ganz alleine im großen Saal des Antiquariums. Es war wundervoll ruhig, nur ganz, ganz sachte drang das Plätschern eines fernen Brünnleins an meine Ohren. Es hörte sich an, als würden längst vergangene Stimmen raunen, prachtvolle Roben die nahe Treppe hinab rauschen. Der Zeremonienmeister pochte mit seinem Stock auf den schimmernden Fliesenboden und rief: „Seine Hoheiten, der Herzog und die Herzogin von Bayern!“… Doch es war nur einer der Kastellane, der durch das weitläufige Schloss schritt, um die Türen zu verschließen…
This function has been disabled for Marthas Momente-Sammlung.