… Sechsunddreißig Jahre lang war ich Kundin der Postbank. Bis Dienstag…
… Letzte Woche, ich war grade dabei, mich seelisch und moralisch auf das wöchentliche Anstehen bei der Münchner Tafel vorzubereiten, rappelte es am Briefschlitz. Dem kurzen Schreiben entnahm ich, dass ich geerbt hatte. Man legte mir nahe, mich mit der Bank der Verstorbenen in Verbindung zu setzen…
Am Tag danach, als ich die völlig überraschende Nachricht halbwegs verdaut hatte, telefonierte ich mit dem Filialleiter des betreffenden Geldinstituts. Er sagte mir, man würde lediglich eine kurze schriftliche Bestätigung benötigen, dass ich das Erbe annehme, dazu meine Kontonummer, und eine von meiner Bank bestätigte Ausweiskopie. Da der von mir Anfang Februar beantragte neue Perso noch von der Bundesdruckerei gestaltet wird, vereinbarte ich flugs für Dienstag einen Termin im Bürgerbüro zwecks Ausstellung eines vorläufigen Ausweises. Das ging binnen eines Viertelstünderls, in dem ich mit den zwei Mädels und dem jungen Mann im Büro viel Gaudi hatte, über die Bühne. Den Brief an die Bank der Erblasserin hatte ich schon geschrieben und samt Kuvert in der Handtasche, jetzt nur noch die bestätigte Ausweiskopie, und dann ab die Post! Das dürfte ein Klacks sein, dachte ich in jugendlichem Leichtsinn…
… Die Fotokopie in Händen trat ich an den freien Schalter einer Postbankfiliale und trug mein Anliegen vor. Die Dame hinter dem Tresen schüttelte den Kopf. „Das machen wir nicht.“ Ich war baff. „Warum nicht?“ – „Das ist bei uns nicht üblich.“ – „Ich benötige diese Bestätigung aber ganz dringend, es geht um die Überweisung einer Erbschaft.“ – „Nein, das machen wir nicht. Im übrigen bin ich hier Kassiererin und keine Sachbearbeiterin vom Bürgerbüro. Gehen Sie halt dorthin.“ – „Da komme ich grade her. Der Filialleiter der Bank der Erblasserin hat mich telefonisch, per E-Mail und schriftlich darüber informiert, dass ich eine von meiner Bank bestätigte Kopie meines Personalausweises an ihn zu schicken habe.“ – „Das haben Sie ganz sicher falsch verstanden. Hier bei der Postbank benötigen Sie einen Ident Coupon, und den müssen Sie dann bei der Bankfiliale in Ihrer Heimat vorlegen.“ – „Und wo bekomme ich so einen Coupon?“ – „Den müssen Sie beantragen.“ – „Aha. Und wo?“ – „Das kann ich Ihnen nicht sagen. Schauen Sie halt im Internet nach.“ – „Das meinen Sie jetzt aber nicht ernst, oder? Ist das eine Szene für ‚Versteckte Kamera‘? – Ihnen ist schon klar, dass mir das Erbe nicht ausgezahlt wird, so lange ich keine von Ihnen bestätigte Ausweiskopie an die Bank der Verstorbenen schicken kann?“ Schulterzucken der „Dame“, der Gesichtsausdruck sagte mehr als deutlich, dass ihr das total am A*** vorbei ging. Nicht grade freundlich meinte sie dann: „Sie haben den Filialleiter bestimmt falsch verstanden. Sie müssen dort persönlich Ihren Ausweis vorlegen, damit man Sie identifizieren kann.“ Sag mal, hält die mich für komplett verblödet?, dachte ich, und fühlte, wie es in mir zu brodeln begann. Kurz vor einem Wutausbruch kam mir in den Sinn, dass ich in einem Geldinstitut ganz in der Nähe mal ein „Alibi-Konto“ eröffnet hatte, weil ich dadurch einen Kredit zu günstigeren Bedingungen bekommen hatte. Dieses Konto dümpelt so gut wie ungenutzt seit etlichen Jahren schon vor sich hin, da ist kaum Geld drauf, nur so viel, dass die Gebühren gedeckt werden können…
…Ich ließ dieses sture und unfreundliche Weib hinterm Tresen stehen und wandte meine Schritte in Richtung T****-Bank. Man begrüßte mich freundlich lächelnd, bot mir einen bequemen Sitzplatz an, als ich mein Anliegen vorbrachte, meinte der junge Mann, der sich meiner angenommen hatte: „Aber selbstverständlich! Wird sofort erledigt!“, und keine fünf Minuten später hatte ich die von der Bank bestätigte Ausweis-Kopie…
…Ich ging zurück zur Postfiliale, weil ich den Brief an das Geldinstitut der Erblasserin per Einschreiben verschicken wollte – sicher ist sicher, und nach der Szene grade eben war mein Vertrauen in die Post auf dem absoluten Nullpunkt gesunken. „Ist schon ein großer Vorteil, wenn man mehrere Konten hat, eines zum Beispiel bei einer Bank mit einem vorzüglichen Service, so wohltuend anders als hier bei Ihnen. Sobald dort meine Erbschaft eingegangen ist, werde ich unverzüglich mein Konto bei Ihnen auflösen. Einen schönen Abend noch!“, flötete ich zuckersüß, nachdem die „Dame“ mein Einschreiben bearbeitet hatte…