… Beim Spazierengehen am Sonntag Nachmittag entdeckt…
… Ich wünsche euch eine möglichst unbeschwerte neue Woche mit vielen kulinarischen und zwischenmenschlichen Freuden… 😉
Glück ist die Summe schöner Momente
Die hohen Tannen
Die hohen Tannen atmen heiser
im Winterschnee, und bauschiger
schmiegt sich sein Glanz um alle Reiser.
Die weißen Wege werden leiser,
die trauten Stuben lauschiger.Da singt die Uhr, die Kinder zittern:
Im grünen Ofen kracht ein Scheit
und stürzt in lichten Lohgewittern, –
und draußen wächst im Flockenflittern
der weiße Tag zur Ewigkeit.Rainer Maria Rilke
Der Dezember
Das Jahr ward alt. Hat dünne Haar.
Ist gar nicht sehr gesund.
Kennt seinen letzten Tag, das Jahr.
Kennt gar die letzte Stund.Ist viel geschehn. Ward viel versäumt.
Ruht beides unterm Schnee.
Weiß liegt die Welt, wie hingeträumt.
Und Wehmut tut halt weh.Noch wächst der Mond. Noch schmilzt er hin.
Nichts bleibt. Und nichts vergeht.
Ist alles Wahn. Hat alles Sinn.
Nützt nichts, daß man’s versteht.Und wieder stapft der Nikolaus
durch jeden Kindertraum.
Und wieder blüht in jedem Haus
der goldengrüne Baum.Warst auch ein Kind. Hast selbst gefühlt,
wie hold Christbäume blühn.
Hast nun den Weihnachtsmann gespielt
und glaubst nicht mehr an ihn.Bald trifft das Jahr der zwölfte Schlag.
Dann dröhnt das Erz und spricht:
„Das Jahr kennt seinen letzten Tag,
und du kennst deinen nicht.“
Erich Kästner
Guter Mond, du gehst so stille
Durch die Abendwolken hin
Deines Schöpfers weiser Wille
Hieß auf jene Bahn dich zieh’n
Leuchte freundlich jedem Müden
In das stille Kämmerlein
Und dein Schimmer gieße Frieden
Ins bedrängte Herz hinein!Guter Mond du wandelst leise
An dem blauen Himmelszelt,
Wo dich Gott zu seinem Preise
Hat als Leuchte hingestellt
Blicke traulich zu uns nieder
Durch die Nacht aufs Erdenrund.
Als ein treuer Menschenhüter
Tust du Gottes Liebe kund.Guter Mond, so sanft und milde
Glänzest du im Sternenmeer,
Wallest in dem Lichtgefilde
Hehr und feierlich einher.
Menschentröster, Gottesbote
Der auf Friedenswolken thront,
Zu dem schönsten Morgenrote
Führst du uns, o guter Mond!
… Die kleine neue Knipse kann auch Mond. Und das nicht mal schlecht, wie ich finde. Kommt gut ins dritte Adventwochenende!…
Gewaltig endet so das Jahr
Mit goldnem Wein und Frucht der Gärten.
Rund schweigen Wälder wunderbar
Und sind des Einsamen Gefährten.
Da sagt der Landmann: Es ist gut.
Ihr Abendglocken lang und leise
Gebt noch zum Ende frohen Mut.
Ein Vogelzug grüßt auf der Reise.
Es ist der Liebe milde Zeit.
Im Kahn den blauen Fluß hinunter
Wie schön sich Bild an Bildchen reiht –
Das geht in Ruh und Schweigen unter.
Georg Trakl
Altes Kaminstück
Draußen ziehen weiße Flocken
Durch die Nacht, der Sturm ist laut;
Hier im Stübchen ist es trocken,
Warm und einsam, stillvertraut.
Sinnend sitz ich auf dem Sessel,
An dem knisternden Kamin,
Kochend summt der Wasserkessel
Längst verklungne Melodien.
Und ein Kätzchen sitzt daneben,
Wärmt die Pfötchen an der Glut;
Und die Flammen schweben, weben,
Wundersam wird mir zu Mut.
Dämmernd kommt heraufgestiegen
Manche längst vergessne Zeit,
Wie mit bunten Maskenzügen
Und verblichner Herrlichkeit.
Schöne Frauen, mit kluger Miene,
Winken süßgeheimnisvoll,
Und dazwischen Harlekine
Springen, lachen, lustigtoll.
Ferne grüßen Marmorgötter,
Traumhaft neben ihnen stehn
Märchenblumen, deren Blätter
In dem Mondenlichte wehn.
Wackelnd kommt herbeigeschwommen
Manches alte Zauberschloss;
Hintendrein geritten kommen
Blanke Ritter, Knappentross.
Und das alles zieht vorüber,
Schattenhastig übereilt –
Ach! da kocht der Kessel über,
Und das nasse Kätzchen heult.
Heinrich Heine
… von Theodor Fontane…
… Wie ich neulich auf Facebook auf dieses Gedicht stieß, kam mir unverzüglich die Erinnerung daran, dass ich, als ich es so im Alter von vielleicht elf, zwölf Jahren zum allerersten Mal vorgetragen bekommen hatte, heulen musste wie ein Schlosshund. Ich hatte mir diese dramatischen Szenen an Bord der „Schwalbe“ im weiten Eriesee so dramatisch vor meinem inneren Auge ausgemalt, und mit dem tapferen Steuermann John Maynard so sehr gelitten, dass ich völlig die Fassung verloren hatte. Mir ging das noch lange nach, auch nachdem man mir zur Beruhigung erzählt hatte, dass in der wahren Begebenheit, die diesem Gedicht zugrunde liegt, der Held der Geschichte überlebt hatte (auch wenn er später völlig verarmt und verwahrlost als Trinker gestorben ist)…
John Maynard! “ Wer ist John Maynard?“
“ John Maynard war unser Steuermann,
aus hielt er, bis er das Ufer gewann;
er hat uns gerettet, er trägt die Kron’,
er starb für uns, unsre Liebe sein Lohn.
John Maynard!“ —
Die „Schwalbe“ fliegt über den Erie-See,
Gischt schäumt um den Bug
wie Flocken vom Schnee,
von Detroit fliegt sie nach Buffalo;
die Herzen aber sind frei und froh,
und die Passagiere mit Kindern und Frau’n
im Dämmerlicht schon das Ufer schau’n
und plaudernd an John Maynard heran
tritt alles: „Wie weit noch, Steuermann?“
Der schaut nach vorn und schaut in die Rund’:
“ Noch dreißig Minuten…Halbe Stund’.“
Alle Herzen sind froh, alle Herzen sind frei —
da klingt’s aus dem Schiffsraum her wie Schrei;
“ Feuer!“ war es, was da klang,
ein Qualm aus Kajüt’ und Luke drang,
ein Qualm, dann Flammen lichterloh,
und noch zwanzig Minuten bis Buffalo.
Und die Passagiere, bunt gemengt,
am Bugspriet stehn sie zusammengedrängt,
am Bugspriet vorn ist noch Luft und Licht,
am Steuer aber lagert sich’s dicht,
und ein Jammern wird laut: „Wo sind wir? Wo?“
Und noch fünfzehn Minuten bis Buffalo.
Der Zugwind wächst,
doch die Qualmwolke steht,
der Kapitän nach dem Steuer späht,
er sieht nicht mehr seinen Steuermann,
aber durchs Sprachrohr fragt er an:
“ Noch da, John Maynard?“
“ Ja, Herr. Ich bin.“
“ Auf den Strand! In die Brandung!“
“ Ich halte drauf hin.“
Und das Schiffsvolk jubelt: „Halt aus! Hallo!“
Und noch zehn Minuten bis Buffalo.
„Noch da, John Maynard?“ Und Antwort schallt’s
mit ersterbender Stimme: „Ja, Herr, ich halt’s!“
Und in die Brandung, was Klippe, was Stein,
jagt er die „Schwalbe“ mitten hinein;
soll Rettung kommen, so kommt sie nur so.
Rettung: Der Strand von Buffalo.
Das Schiff geborsten, Das Feuer verschwelt.
Gerettet alle. — Nur einer fehlt! —
Alle Glocken gehen; Ihre Töne schwell’n
himmelan aus Kirchen und Kapell’n,
ein Klingen und Läuten, sonst schweigt die Stadt,
ein Dienst nur, den sie heute nur hat:
Zehntausend folgen oder mehr,
und kein Aug’ im Zug, das tränenleer.
Sie lassen den Sarg in Blumen hinab,
mit Blumen schließen sie das Grab,
und mit goldner Schrift in den Marmorstein
schreibt die Stadt ihren Dankspruch ein:
„Hier ruht John Maynard. In Qualm und Brand
hielt er das Steuer fest in der Hand,
er hat uns gerettet, er trägt die Kron’,
er starb für uns, unsre Liebe sein Lohn.
John Maynard.“
Dies ist ein Herbsttag, wie ich keinen sah!
Die Luft ist still, als atmete man kaum,
Und dennoch fallen raschelnd, fern und nah,
Die schönsten Früchte ab von jedem Baum.
O stört sie nicht, die Feier der Natur!
Dies ist die Lese, die sie selber hält,
Denn heute löst sich von den Zweigen nur,
Was von dem milden Strahl der Sonne fällt.
(Christian Friedrich Hebbel, 1813 – 1863)
Die Sonne glänzt, es blühen die Gefilde,
die Tage kommen blütenreich und milde.
Der Abend blüht hinzu und helle Tage gehen
vom Himmel abwärts, wo die Tag‘ entstehen.
Das Jahr erscheint mit seinen Zeiten
wie eine Pracht, wo sich Feste verbreiten:
Der Menschen Tätigkeit beginnt mit neuen Ziele,
so sind die Zeichen in der Welt, der Wunder viele.
Schnee, zärtliches Grüßen
der Engel,
schwebe, sinke –
breit alles in Schweigen
und Vergessenheit!
Gibt es noch Böses,
wo Schnee liegt?
Verhüllt, verfernt er nicht
alles zu Nahe und Harte
mit seiner beschwichtigenden
Weichheit, und dämpft selbst
die Schritte des Lautesten
in Leise?
Schnee, zärtliches Grüßen
der Engel,
den Menschen, den Tieren! –
Weißeste Feier
der Abgeschiedenheit.
Francisca Stoecklin (1894 – 1931)
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